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Blaue Lippen – blaue Venen
Eine Studie zum Benzodiazepinkonsum bei den
KlientInnen der akzeptierenden,
niederschwelligen Drogenarbeit
Englischer Titel: Blue Lips – Blue Veins. A Survey About the Benzodiazepin Use of
Clients in the Low-threshold Drug Work
Master Thesis
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts in Social Sciences
der
Fachhochschule Campus Wien
Masterstudiengang Klinische Soziale Arbeit
Vorgelegt von:
Fabian Grümayer BA
Personenkennzeichen: 1010534017
Erstbegutachter/in:
FH-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Raab-Steiner
Abgabetermin:
25.10.2012
Kurzfassung Deutsch
Titel: Blaue Lippen – blaue Venen.
Untertitel:
Eine
Studie
zum
Benzodiazepinkonsum
bei
den
KlientInnen
der
akzeptierenden, niederschwelligen Drogenarbeit.
Hintergrund: KlientInnen der akzeptierenden, niederschwelligen Drogenarbeit in Wien
haben vielfältige Konsummuster von Benzodiazepinen. Der Titel „Blaue Lippen – blaue
Venen“ soll auf zwei der in dieser Arbeit behandelten Konsumformen hinweisen: blaue
Lippen entstehen durch das Lutschen oder im Mund behalten der Tablette und blaue
Venen stehen sinnbildlich für den intravenösen Konsum von Benzodiazepinen. Einige
dieser Applikationsarten stellen ein hohes Risiko für die Gesundheit dar, abhängig
unter anderem von der gewählten Konsumform, Dosierung und von der Einnahme
weiterer Substanzen wie Alkohol und Opiaten.
Ziele: In dieser Arbeit sollen die Konsummuster von Benzodiazepinen von den
KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit dargestellt werden. Dabei werden im
speziellen die gesundheitsgefährdenden Konsummuster betrachtet und versucht deren
Verbreitung zu bestimmen. Außerdem sollen die momentanen Ursachen des Konsums
ermittelt werden. Soweit als möglich und sinnvoll sollen Zusammenhänge zu
soziodemographischen Daten hergestellt werden.
Methoden: Für diese Forschungsarbeit wurde eine quantitative Methodik gewählt.
Hypothesen sind aufgrund von Literaturrecherche erstellt worden. Die Datenerhebung
hat mittels standardisiertem Fragebogen stattgefunden. Mit einem Umfang der
Stichprobe von n=100 ist die Erhebung beendet worden. Die statistische Analyse ist
mit SPSS 19 durchgeführt worden.
Resultate: Es konnte gezeigt werden, dass risikoarme Konsummuster überwiegen.
Nicht außer Acht zu lassen sind ein gewisser Anteil an KlientInnen, die risikoreichen
Konsummustern zugeneigt sind: intravenöser Konsum wird immer wieder angewendet
und Benzodiazepinen weit überdosiert und mit Alkohol und Opiaten kombiniert. Es
werden
überwiegend
schnell
anflutende
Benzodiazepine
wie
Flunitrazepam
konsumiert, gefolgt von Oxazepam.
Bei dem Medikament Somnubene® hat die Analyse der Daten eine häufige
Verwendung von Dosen über der medizinisch definierten Grenzmenge, bei
unregelmäßig konsumierenden Personen ergeben. Neben der Sicherheit beim Konsum
sind es die beruhigenden, angstlösenden und entspannenden Effekte, die als Grund
für den Benzodiazepinkonsum die meiste Zustimmung von den KlientInnen bekommen
2
haben. Auch die berauschende Wirkung wird als momentane Ursache des
Benzodiazepinkonsums bestätigt.
Konsequenzen für die Praxis: KonsumentInnen von Benzodiazepinen müssen auf das
erhöhte Risiko für ihre Gesundheit aufmerksam gemacht werden. Zwar konsumieren
die meisten Personen gesundheitsschonend, es können aber bestimmte riskante
Konsummuster
identifiziert
werden.
Das
ist
der
intravenöse
Konsum
von
Benzodiazepinen, der unregelmäßige Konsum von hohen Dosen und das kombinieren
mit Alkohol oder Opiaten. Klinische Soziale Arbeit muss dieses riskante Verhalten im
Rahmen der Safer Use Beratung in der niederschwelligen Drogenarbeit ansprechen,
um die gesundheitsschonenden Konsummuster weiter zu stärken.
3
Abstract English
Title: Blue Lips – Blue Veins.
Subtitle: A Survey on the Benzodiazepin Use of Clients in the Low-threshold Drug
Work.
Background: Clients of the low-threshold drugwork in Vienna have a manifold of
consumption patterns of benzodiazepines. The title „Blue Lips – Blue Veins“ refers to
the two methods of consumption that are delt with in this survey: „blue lips“ are a result
of sucking on or keeping the tablet in the mouth. „Blue veins“ allegorically represents
the intravenous consumption of benzodiazepins. Some of the application patterns are a
high risk for health, depending on the chosen way of use, dosage and the ingestion of
other substances, such as alcohol and/or opiates.
Methods: For this survey a quantitative method was appropriate. Hypotheses have
been created based on literature research. The assessment took place with a
standardized questionaire. After the sample size reached n=100, the inquiry was
completed. The statistical analysis was calculated with SPSS 19.
Results: The statistical analasys shows that low- risk consumption patterns prevail. Not
to be disregarded are a section of clients that are attached to high risk consumption
patterns: intravenous consumption is repeatedly observed, intake of benzodiazepines
is vastly overdosed and combined with alcohol and opiates. Mainly fast-acting
benzodiazepines such as flunitrazepam are used, followed by oxazepam.
Analysis of data showed that sporadic users of the medication Somnubene® are likely
to dose above the medically defined maximum. Besides the integrity of the product
being used (medication in its original packaging contains no impurities), the sedative,
anxiolytic and relaxing effects, got the most approval from the clients. Also the
intoxicating effects are confirmed as a current cause of benzodiazepine use.
Conclusion: Users of benzodiazepines have to have their attention drawn to the
eventual high risk for their health. Even though most persons use benzodiazepines in a
low- risk way, dangerous consumption patterns can be identified. That is the
intravenous use
of benzodiazepines, the irregular use in high dosages and the
combination with alcohol and/or opiates. Clinical social work has to deal with for the
purpose of Safer Use counselling in the low- theshold drug work to strengthen the lowrisk consumption patterns.
4
Erklärung
Ich erkläre, dass die vorliegende Diplomarbeit/Masterarbeit von mir selbst verfasst
wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch
sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe.
Ich versichere, dass ich diese Diplomarbeit/Masterarbeit bisher weder im In- noch im
Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als
Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und
elektronisch) identisch sind.
Datum: ................................
Unterschrift: ...........................................................
5
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung Deutsch ......................................................................................2
Abstract English ...............................................................................................4
Erklärung ..........................................................................................................5
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................6
1 Erkenntnisinteresse ......................................................................................9
2 Problemstellung .......................................................................................... 12
3 Begriffsdefinitionen .................................................................................... 14
3.1 Niederschwellige Drogenarbeit in Wien ...................................................... 14
3.2 Akzeptierende Drogenarbeit ....................................................................... 15
3.3 Soziodemographie ..................................................................................... 16
3.4 Benzodiazepine .......................................................................................... 16
3.4.1 Gründe für den Benzodiazepinkonsum .................................................... 17
3.4.2 Die wichtigsten Benzodiazepine .............................................................. 19
3.4.3 Konsumformen von Benzodiazepinen ..................................................... 20
3.4.3.1 Schlucken ............................................................................................. 20
3.4.3.2 Intravenöser Konsum ........................................................................... 21
3.4.3.2.1 Ischämie als Folge der versehentlichen intraarteriellen Injektion von
Benzodiazepinen ................................................................................... 22
3.4.3.3 Aufnahme durch die Mundschleimhaut ................................................. 22
3.4.3.4 Nasaler Konsum von Benzodiazepinen ................................................ 23
3.4.4 Entzugssymptome ................................................................................... 23
3.5 Harm- Reduction ........................................................................................ 24
3.5.1 Harm- Reduction in der Klinischen Sozialen Arbeit: Das biopsychosoziale
Modell als Grundlage............................................................................. 24
4 Literaturbearbeitung ................................................................................... 26
4.1 Drogenkonsum - wie unterschieden werden kann ...................................... 26
4.2 Konsummuster von Drogen in Österreich ................................................... 27
4.3 Abhängigkeit .............................................................................................. 27
4.3.1 Mehrfachabhängigkeit und polyvalenter Konsum .................................... 28
4.4 Drogenmissbrauch ..................................................................................... 29
4.4.1 Drogenmissbrauch nach DSM-IV ............................................................ 29
4.4.2 Drogenmissbrauch, nach Grenzmengen definiert .................................... 30
4.5 Folgen des Missbrauchverhaltens .............................................................. 31
4.5.1 Somatische Erkrankungen....................................................................... 31
4.5.2 Psychische Erkrankungen ....................................................................... 31
4.5.3 Soziale Folgen......................................................................................... 32
4.5.4 Suizid ...................................................................................................... 32
4.5.5 Prostitution .............................................................................................. 33
6
4.6 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Konsumverhalten von Suchtmitteln
.............................................................................................................. 33
4.6.1 Konsum illegaler Drogen ......................................................................... 33
4.6.2 Drogenkonsum und Männlichkeit: Risikoverhalten als spezifisch männliches
Verhalten ............................................................................................... 34
4.6.3 Konsum psychotroper Arzneimittel .......................................................... 34
4.7 Geschlechtsunterschiede bei den Ursachen der Abhängigkeit – Ätiologie .. 35
4.7.1 Genetische Ursachen und familiäres Umfeld ........................................... 35
4.7.2 Gewalt und sexueller Missbrauch ............................................................ 35
5 Die Organisation.......................................................................................... 36
5.1 Die sozial-medizinische Drogenberatungsstelle Ganslwirt .......................... 36
5.2 Zielgruppe .................................................................................................. 36
5.3 Die Drogen- Straßenszene ......................................................................... 37
5.4 Die Drogen- Straßenszene in Wien ............................................................ 37
6 Forschungsdesign ...................................................................................... 38
6.1 Methode der Forschung ............................................................................. 38
6.2 Ethische Bewertung der Forschungsfrage .................................................. 39
6.3 Beschreibung des Fragebogens ................................................................. 39
6.4 Interviewsituation........................................................................................ 40
6.5 Stichprobenbeschreibung ........................................................................... 42
7 Datenauswertung ........................................................................................ 45
7.1 Konsummuster von Benzodiazepinen ........................................................ 45
7.1.1 Bezugsquellen der Benzodiazepine ......................................................... 45
7.1.2 Verschreibungen per Rezept ................................................................... 47
7.1.3 Straßenpreise .......................................................................................... 47
7.1.4 Konsumierte Arten und Mengen von Benzodiazepinen ........................... 48
7.1.5 Konsumformen ........................................................................................ 54
7.1.6 Alter beim erstem Benzodiazepinkonsum ................................................ 56
7.1.6 Alter beim ersten intravenösem Konsum allgemein und beim ersten,
intravenösen Konsum von Benzodiazepinen ......................................... 57
7.1.7 Verwendung von sterilen Utensilien zum einmaligen Gebrauch für den
intravenösen Konsum ............................................................................ 59
7.1.8 Gespräch über Risiken ............................................................................ 62
7.1.9 Konsumorte ............................................................................................. 63
7.1.10 Kombination mit anderen Substanzen – Alkohol und Opiate ................. 64
7.1.10.1 Alkohol und Benzodiazepine............................................................... 65
7.1.10.2 Opiate und Benzodiazepine ................................................................ 66
7.2 Momentane Ursachen des Benzodiazepinkonsums ................................... 68
7.2.1 Momentane Ursachen mit der durchschnittlich größten Zustimmung ....... 69
7.2.1 Prostitution als Ursache des Benzodiazepinkonsums .............................. 70
7.2.2 Blaue Lippen als Erkennungsmerkmal der Szene ................................... 70
7.2.3 Lutschen von Benzodiazepinen für eine schnellere Wirkung ................... 70
7.2.4 Benzodiazepine, um die Wirkung von Alkohol zu verstärken ................... 70
7
7.2.5 Benzodiazepine, um die Wirkung von Opiaten zu verstärken .................. 70
7.3 Wechselbeziehung zwischen Erstkonsum von Benzodiazepinen und erstem
i.v. Konsum von Benzodiazepinen ......................................................... 71
8 Ergebnisse und Zusammenfassung .......................................................... 72
8.1 Konsummuster ........................................................................................... 72
8.1.1 ÄrztInnen und Szene selbst für Versorgung zuständig ............................ 72
8.1.2 Hohe Preisschwankungen in der Szene .................................................. 72
8.1.3 Somnubene®: das am häufigsten konsumierte Benzodiazepin ............... 73
8.1.4 Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum ................................................. 73
8.1.5 Hohe Risiken für die Gesundheit bei unregelmäßigen hohen Dosen ....... 73
8.1.6 Unproblematische Konsumformen sind vorherrschend............................ 75
8.1.7 Intravenöser Konsum von Benzodiazepinen ............................................ 75
8.1.8 Verwendung von sterilen Utensilien für den i.v. Konsum ausbaufähig ..... 76
8.1.9 Safer- Use Beratung zu Benzodiazepinkonsum hat nicht alle erreicht ..... 77
8.1.10 KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit sind auf Konsum in der
Öffentlichkeit angewiesen ...................................................................... 78
8.1.11 Alkohol und Benzodiazepine ................................................................. 79
8.1.12 Opiate und Benzodiazepine ................................................................... 79
8.2 Momentane Ursachen ................................................................................ 79
8.2.1 Blaue Lippen als Erkennungsmerkmal der Szene ................................... 80
8.2.2 Benzodiazepinkonsum als Bewältigung der Prostitutionstätigkeit ............ 80
8.2.3 Wirkungskumulation von Benzodiazepinen und Alkohol .......................... 80
8.2.4 Wirkungskumulation von Benzodiazepinen und Opiaten ......................... 81
8.2.5 Schnellere Wirkung durch das Lutschen der Tabletten ist kein Mythos.... 81
8.3 Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum und Alter beim ersten i.v. Konsum
von Benzodiazepinen korreliert ............................................................. 82
8.4 Zusammenhänge zwischen zwei Variablen sind nicht immer nachweisbar. 82
9 Ausblick ....................................................................................................... 83
10 Literaturverzeichnis .................................................................................. 84
11 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ 88
12 Tabellenverzeichnis .................................................................................. 89
13 Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 90
14 Anhang ....................................................................................................... 91
15 Persönliche Daten ..................................................................................... 98
8
1 Erkenntnisinteresse
Ob Karlsplatz, Wien Mitte oder U-Bahn Station Josefstädterstraße: Das Bild von
drogenkonsumierenden Menschen ist aus der Stadt nicht wegzudenken. Ebenso die
Diskussionen um die potenzielle Lösung des Problems, was heute oft mit einer
strengeren Reglementierung und Kontrolle auf öffentlichen Plätzen und somit einer
Vertreibung der Menschen mit abweichendem Verhalten gleichgesetzt wird. Diese
Politik wird mit dem schwer strapazierten Begriff des „subjektiven Sicherheitsgefühls“
argumentiert. Dahinter steht die angebliche Sorge um die Sicherheit der BürgerInnen.
Der Diskurs und die Problematik ist um den Aspekt über den Umgang mit Menschen
erweitert worden, die einen offensichtlichen Benzodiazepinkonsum vorweisen. Die
Soziale Arbeit allgemein und die Klinische Soziale Arbeit im speziellen, vor allem im
Bereich der niederschwelligen Drogenarbeit ist in der täglichen Praxis mit den
Auswirkungen dieses Konsumverhaltens konfrontiert. So finden wir in Beratungs- und
Betreuungssituationen teilweise schwer sedierte KlientInnen vor, die außerdem noch
mit gravierenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben. Will die Klinische
Soziale Arbeit behandelnd tätig werden, wie es das sozialtherapeutische Modell
suggeriert (vgl. Binner/ Ortmann 2008: 72), muss sie die Konsummuster, Risiken und
Ursachen des Benzodiazepin Konsums verstehen. Zur Erklärung bietet sich das
biopsychosoziale Modell (siehe Kapitel 3.5.1) an, das als eine der Grundlagen der
Klinischen Sozialen Arbeit gilt. Aus den Erkenntnissen der Forschungsarbeit und mit
dem Hintergrund dieser Modelle versucht die Klinische Soziale Arbeit Konzepte für die
Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustandes ihrer KlientInnen
abzuleiten.
Auch
hier
geht
es
um
Sicherheit,
aber
aus
Sicht
der
DrogenkonsumentInnen.
Um die komplexen Konsummuster zu beleuchten, werden Safer- Use Methoden und
das Konzept der Harm- Reduction herangezogen. So ist die Fragestellung auch mit
diesem Hintergrund zu betrachten. Hinzu kommt die akzeptierende Drogenarbeit als
das Paradigma, mit dem den KlientInnen im Zuge dieser Forschungsarbeit begegnet
worden ist. Mit dieser Grundlage soll schlussendlich auch die Interpretation der
statistischen Analyse erfolgen. Im Gegensatz zum Abstinenzparadigma, das die
Beendigung jeglichen Drogenkonsums zum Ziel hat, soll durch die AkzeptanzOrientierung ein Leben mit der Droge durch Schadensminimierung ermöglicht werden,
in dem auch der Genuss eines Rausches Platz hat. Der Berauschung wird so eine
wichtige Rolle in der Entwicklung des Menschen zugesprochen.
Um die Gruppen, die eventuell durch riskantes Konsumverhalten gefährdet sind,
genauer eingrenzen zu können, soll unter anderem eine Differenzierung anhand der
9
sozialdemographischen Daten vorgenommen werden. So sollen, so weit als möglich,
die Frage geklärt werden, ob sich das Konsumverhalten geschlechtsspezifisch oder
nach dem Alter unterscheidet.
Benzodiazepine gehören zu den meist verschriebenen Medikamenten in Österreich. Im
Einsatz gegen Angsterkrankungen, Schlaflosigkeit und Muskelverspannungen haben
sie sich bewährt. Die Anzahl an verschiedenen Substanzen dieser Gruppe scheint
nahezu endlos zu sein. Häufig werden sie nur für eine gewisse Zeit konsumiert und
dann wieder abgesetzt. Nicht so bei vielen KlientInnen der niederschwelligen
Drogenarbeit. So hat die Soziale Arbeit in den letzten Jahren immer Menschen betreut,
die eine schwere Benzodiazepin- Abhängigkeit entwickelt haben. Doch um wie viele
Tabletten es sich genau handelt und welche Substanzen vorrangig konsumiert werden,
ist oft nur grob in der Dokumentation der betreuenden Einrichtungen erhoben worden.
Ob mehrere Substanzen gleichzeitig konsumiert werden und Mehrfachabhängigkeiten
vorhanden sind, bleibt unbekannt. Welche Ursachen der scheinbar intensive
Benzodiazepin Konsum in der niederschwelligen Drogenarbeit hat, um dieses Thema
sind von Praktikern viele Vermutungen geäußert worden. Diese und andere Fragen
sind von der Sozialen Arbeit noch nicht genauer betrachtet worden.
In Wien hat es zur Zeit der Erhebung zwei niederschwellige Einrichtungen der
akzeptierenden Drogenarbeit gegeben, die vorrangig von Menschen aus der
Straßenszene
frequentiert
werden.
Das
sind
die
sozial-medizinische
Drogenberatungsstelle Ganslwirt und das TaBeNo gewesen. Beide Einrichtungen
haben ein Tageszentrum und einen Spritzentausch als Angebot für intravenös
konsumierende Menschen. Bereits 2008 sind alleine im Ganslwirt durchschnittlich 4158
Spritzen pro Tag getauscht worden (vgl. Bericht VWS 2008: 47).
Bei der Tätigkeit als Vertretungsdienst im Ganslwirt hat der Autor folgende
Beobachtung gemacht - auch dadurch lässt sich das Interesse des Forschenden für
dieses Thema erklären:
Es wird eine große Anzahl an Spritzen getauscht, die einen bläulichen Inhalt haben.
Dies
kann
auf
einen
intravenösen
Konsum
von
der
Substanzgruppe
der
Benzodiazepine, insbesondere von dem Medikament Somnubene®, hindeuten.
Besonders auffällig sind die Komplikationen, die durch den intravenösen Konsum im
Speziellen auftreten: Bei einer fehlerhaften Injizierung besteht die Gefahr einer
irreversiblen Folgeschädigung. Beispielsweise haben KlientInnen eine Hand oder ein
Bein durch die Applizierung in die Arterie verloren. Auch in Anbetracht des allgemeinen
Benzodiazepinkonsums der Drogenszene kommt es in Verbindung mit Alkohol
und/oder Opiaten, regelmäßig zu Überdosierungen die lebensgefährlich sein können.
10
Unter Berücksichtigung all dieser Prämissen hat sich folgende Fragestellung ergeben:
Welche risikoreichen Konsummuster von Benzodiazepinen haben die KlientInnen der
niederschwelligen Drogenarbeit und gibt es einen Zusammenhang mit ihren
soziodemographischen Daten?
Ich werde in dieser Arbeit zunächst auf die spezifischen Begrifflichkeiten aus der
Fragestellung, wie niederschwellige Drogenarbeit (Kapitel 3.1), akzeptierende
Drogenarbeit (Kapitel 3.2), Soziodemographie (Kapitel 3.3), Benzodiazepine (Kapitel
3.4) und Harm- Reduction (Kapitel 3.5) eingehen. Danach werden im allgemeinen
Literaturteil die Begriffe Drogenkonsum (Kapitel 4.1), Abhängigkeit und polyvalenter
Konsum
(Kapitel
Literaturbearbeitung
4.3.1),
soll
Drogenmissbrauch
auch
auf
die
(Kapitel
möglichen
4.4)
definiert.
In
der
Lebensbedingungen
der
DrogenkonsumentInnen und dessen biopsychosoziale Folgen näher eingegangen
werden (Kapitel 4.5). Dabei werden geschlechtsspezifische Unterschiede in einem
eigenen Kapitel (4.6) genauer betrachtet. Um den Rahmen der Erhebung besser
nachvollziehen zu können, wird im folgenden Teil (Kapitel 5) sowohl die Organisation,
der Ganslwirt, beschrieben, als auch die Drogen- Straßenszene von Wien definiert. Der
anschließende Teil ist die Forschungsarbeit, anfangend mit der detaillierten Darstellung
des Forschungsdesigns (Kapitel 6) und gefolgt von der statistischen Analyse der
erhobenen Daten (Kapitel 7). Zum Schluss steht die Interpretation der Ergebnisse und
die Zusammenfassung (Kapitel 8) im Mittelpunkt.
11
2 Problemstellung
Die Zielgruppe der
sozialmedizinischen Drogenberatungsstelle
Ganslwirt
sind
schwerpunktmäßig Menschen aus der Drogen- Straßenszene. Grundsätzlich sind es
aber alle Personen, die durch biopsychosoziale Folgen des Drogenkonsums betroffen
sind (vgl. Suchthilfe Wien gGsmbH 2012: 4). Es ist davon auszugehen, dass die
KlientInnen
in
unsicheren
sozialökonomischen
Status
Wohnverhältnissen
haben.
Diese
leben
soziale
und
einen
Ungleichheit
niedrigen
wird
im
Gesundheitszustand abgebildet: die Menschen weisen einen ausgeprägten und
teilweise auch risikoreichen Drogenkonsum auf, der zu Mehrfachabhängigkeiten und
zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Ein Paradigma der sozialen Ungleichheit
lautet: Armut macht krank. Auch in die andere Richtung hat dieser Ursache- WirkungZusammenhang Gültigkeit. Krankheit verursacht Armut. Ein weiterer Faktor des
sozialen Status ist die Bildung. KlientInnen des Ganslwirt weisen einen eher niedrigen
Bildungsstand (siehe Stichprobenbeschreibung in Kapitel 6.5) auf. Je nachdem wie die
hier genannten Faktoren zusammenwirken, ist die soziale Ungleichheit entscheidend
für die Lebenslage der Menschen. (vgl. Mielck 2005: 48f und vgl. Binner/ Ortmann
2008: 73)
Der Benzodiazepin-Konsum bei den KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit
kann somit als eine Manifestation von Sozialer Ungleichheit und Benachteiligung
gesehen werden. Konsummuster von Drogen bilden den sozialen Status ab, somit
auch geschlechtsspezifische und altersspezifische Unterschiede.
Da diese Arbeit auch unter dem Blickwinkel der akzeptanzorientierten Drogenarbeit
und der Schadensminimierung (Harm- Reduction) entstanden ist, sollen vorhandene,
risikoreiche Konsummuster erfasst werden. Teilweise ist es durch den jahrelangen
Konsum von Benzodiazepinen bei manchen KlientInnen zu beachtlichen Toleranzen,
aber auch zu Abhängigkeiten und Mehrfachabhängigkeiten gekommen.
Dabei spielt eine Rolle, welches Medikament genau konsumiert wird und in welcher
Form. Des weiteren ist von Bedeutung, von wem die Substanz bezogen wird, seit wann
konsumiert wird und wie viel, wie oft und in welcher Kombination mit anderen
Substanzen. All diese Bedingungen, die in der Arbeit unter „Konsummuster“
subsumiert sind, sind entscheidend für den Gesundheitszustand der KlientInnen und
machen teilweise Prognosen für ihre weiter Entwicklung möglich. So ist es bei einer
Hochdosis- Abhängigkeit nicht unbedingt sinnvoll, eine komplette Abstinenz als
oberstes Ziel anzustreben, sondern als ersten Schritt eine Verringerung der regelmäßig
konsumierten Menge (vgl. Haltmayer/ Rechberger u.a. 2009: 295).
12
Es ist eine Herausforderung gewesen, diese Faktoren bei der Erstellung des
standardisierten Fragebogens abzubilden. Entsprechende Fragen mussten gefunden
werden, um die komplexen Konsummuster und die momentanen Ursachen des
Konsums operationalisieren zu können. Zusammenhänge zwischen den einzelnen
Variablen sind sehr komplex und oft nicht linearer Natur.
Hinzu kommt, dass die Zielgruppe nicht einfach zu erreichen ist, da die Menschen
meist unter Drogeneinfluss stehen und speziell durch die Benzodiazepine sediert sind.
Geschlechtsspezifische Unterschiede sind statistisch schwer belegbar, weil es ein
Faktum ist, dass es weniger Frauen in der Wiener Drogenszene gibt. Gründe dafür
sind die versteckte Wohnungslosigkeit von Frauen und die geringere Risikobereitschaft
von Frauen, was sich auch in der Ausprägung des Drogenkonsums bemerkbar macht
(Kapitel 4.6).
13
3 Begriffsdefinitionen
Unter diesem Punkt finden sich die spezifischen Definitionen, die sich aus den
Begrifflichkeiten der Fragestellung ergeben. Aus den Beschreibungen und Definitionen
werden Hypothesen abgeleitet, die am Ende des Kapitels angeführt sind und in der
Analyse auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Auch in dem nächsten Teil der Arbeit,
der allgemeinen Literaturbearbeitung, wird diese Praxis fortgesetzt.
3.1 Niederschwellige Drogenarbeit in Wien
Niederschwellige
Drogenarbeit
ist
ein
akzeptanzorientiertes
Angebot,
dass
sozialraumbezogen und szenenahe agiert. Es richtet sich an drogenabhängige
Menschen und ist in das allgemeine Sozial- und Gesundheitssystem eingegliedert. Ziel
ist
es
die biopsychosozialen
Schädigungen,
die
eine mögliche
Folge des
Drogenkonsums sein können, zu lindern oder sogar zu verhindern (Harm- Reduction).
Bezeichnend sind auch die Sicherung des Überlebens und die Unterstützung bei
Alltagsproblematiken,
zu
denen
auch
Wissen
über
die
Problematiken
des
Drogengebrauches gehören. (vgl. Schneider/ Stöver 2005: 35f und vgl. 1)
Niederschwelligkeit heißt in diesem Zusammenhang, dass es möglichst wenige
Hemmschwellen zur Nutzung und zum Zugang des Hilfsangebotes gibt. Das inkludiert
benutzergerechte Öffnungszeiten, die Wahrung der Anonymität der KlientInnen, keine
fixen Terminvereinbarungen und Angebote zur Befriedigung der Grundbedürfnisse. In
Deutschland sind in niederschwelligen Drogeneinrichtungen oft Drogenkonsumräume
integriert, nicht so in Österreich. (vgl. ebenda)
Hypothese:
In der niederschwelligen Einrichtung Ganslwirt haben die KlientInnen an einer SaferUse Beratung über die Risiken des intravenösen Konsums von Benzodiazepinen
teilgenommen.
1
Vgl. Schneider 2006: http://www.indro-online.de/nda.htm
14
3.2 Akzeptierende Drogenarbeit
Die
Grundgedanken
zur
akzeptierenden
Drogenarbeit
sind
im
Bereich
der
niederschwelligen Drogenarbeit entstanden. Diese ist eine Antwort auf die ineffiziente
Abstinenzorientierung, die auf Drogenmythen wie der „Leidensdrucktheorie“ basiert.
Die betroffenen Menschen wurden als generell „behandlungsbedürftig“ eingestuft. In
den neu entstandenen Prinzipien ist Hilfe auch unabhängig vom Abstinenzgebot
möglich geworden. So sind Personengruppen erreicht worden, die bis dahin als Hardto-reach- KlientInnen gegolten haben. (vgl. Schneider 1997: 15ff und vgl. Barsch 2010:
12)
„Grundlage
akzeptanzorientierter
Drogengebraucher
als
mündige,
Drogenarbeit
zur
ist
es
hingegen,
Selbstverantwortung
und
Selbstbestimmung fähige Menschen anzusehen.“ (Schneider 1997: 15)
Zentral ist die menschenwürdige Behandlung, auch wenn die Selbstbestimmung durch
die Illegalisierung der Konsumbedingungen eingeschränkt ist. Bezogen auf die
Einrichtungen sind Stichworte wie Freiwilligkeit, Anonymität, Niederschwelligkeit sowie
ein Verzicht auf fixierte Termine und Abstinenz Bestandteile dieses Modells. (vgl.
ebenda)
Durch die neuen Einblicke in die Lebenswelt der KlientInnen hat sich auch das
Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Konsummuster und dem Lebensstil
radikal geändert. Es ist durchaus möglich von einem neuen Paradigma innerhalb der
Drogentheorien zu sprechen. Diese Grundlagen des Denkens finden sich in der
Herangehensweise der Forschung und in der Praxis der Drogenhilfesysteme wieder.
Außerdem werden die Orientierung von Suchtprävention und Drogenpolitik in Frage
gestellt, genauso wie die Mechanismen, die das Bestehen selbiger festigen. (vgl.
Barsch 2010: 12f)
Es lassen sich folgende Grundgedanken identifizieren. Ein Leben, das einen
risikoarmen Umgang mit psycho- aktiven Substanzen pflegt, ist kein Widerspruch zu
den Werten und Lebensmustern der Gesellschaft. Anders ausgedrückt: Ein Leben mit
Drogen ist möglich. Es bedeutet nicht automatisch den Verfall der Person und des
zugehörigen sozialen Umfeldes. (vgl. Barsch 2010: 13f)
Drogenkonsum bedeutet nicht den Verlust aller persönlicher und sozialer Ressourcen
zugunsten des Drogenkonsums. Der Mensch hat noch immer eine Chance.
Selbststeuerung und Safer- Use Methoden können gelernt werden. Anforderungen
15
werden auch an die Klientinnen der akzeptierenden Drogenarbeit gestellt, sie werden
nicht nur als Opfer wahrgenommen. (vgl. ebenda)
Einer Infantilisierung wird durch Abgabe an Verantwortung entgegengewirkt. Das
Selbstbestimmungsrecht im Umgang mit psycho- aktiven Substanzen wird respektiert
und schließt das Recht auf Abstinenz mit ein. Erzwungene Abstinenz widerspricht aber
dem grundlegenden Paradigma und dem Konzept der Menschenwürde. (vgl. ebenda)
3.3 Soziodemographie
Soziodemographie meint die statistische Beschreibung und Aufgliederung einer
Gruppe anhand von bestimmten sozialen und demographischen Merkmalen. Diese
Statusmerkmale und Statuskriterien lassen sich anhand von Bildung, Einkommen,
Alter, Familienstand, Berufsstand und Wohnort ermitteln. Je nachdem wie die Teilhabe
an diesen Merkmalen vorhanden ist oder wie sehr sie bei dem jeweiligen Individuum
ausgeprägt sind, lässt sich eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Lebenswelt oder
einem Lebensstil ableiten. (vgl. Kaller 2001: 370)
3.4 Benzodiazepine
Die Stoffgruppe der Benzodiazepine ist eine Form von Tranquilizer. Auf der einen Seite
wirken diese vorwiegend entspannend und Angst mildernd. Es können auf der anderen
Seite paradoxe, aggressive Reaktionen vorhanden sein. Das Medikament kann
intravenös oder oral appliziert werden. Die Substanzgruppe zeichnet sich zudem durch
eine lange Halbwertszeit im Körper aus. Bei übermäßigem Konsum birgt das die
Gefahr der Anhäufung des Stoffes im Organismus. Es gibt noch viele andere, ähnliche
Stoffe mit den unterschiedlichsten Handelsnamen. In Kombination mit Opiaten oder
Alkohol entfalten sie fatale Wirkungen, zum Teil auch mit Todesfolge. Bei chronischem
Gebrauch ist sowohl eine psychische, als auch eine körperliche Abhängigkeit zu
beobachten. (vgl. Iwersen- Bergmann/ Plüschel 2005: 97f)
Aus dem DOKLI- Bericht von 2009 geht hervor, dass 11% Tranquilizer und Hypnotika
als Leitdroge angeben. 36% der insgesamt 3.591 befragten Personen geben an diese
Stoffgruppe als Leitdroge oder als Begleitdroge zu konsumieren. Das Alter ist beim
erstmaligen Konsum bei Frauen geringer als bei Männern: Bei Frauen sind es 18
Jahre, bei Männern sind es 20 Jahre. Benzodiazepine werden erst relativ spät erstmals
16
konsumiert. Besonders Frauen sind häufig von Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeiten betroffen. (vgl. DOKLI 2010: 42f und Finzen 2004: 53)
Hypothesen:
Frauen sind beim ersten Konsum von Benzodiazepinen jünger als Männer.
Die KonsumentInnen nehmen Benzodiazepine wegen der entspannenden und Angst
mildernden Wirkung.
Benzodiazepine werden häufig in Kombination mit Alkohol und/oder Opiaten
konsumiert.
Anteilsmäßig kombinieren mehr Frauen als Männer Benzodiazepine und Alkohol.
3.4.1 Gründe für den Benzodiazepinkonsum
Es gibt eine große Bandbreiten an Ursachen für den Benzodiazepinkonsum bzw. auch
für den Beikonsum zu Opiaten und anderen Drogen.
Allgemein wird die Substanzgruppe bei Schlafstörungen, psychoreaktive Störungen,
die unter dem Begriff Traumata zusammengefasst sind, in Krisensituationen und bei
den sogenannten „Anpassungsstörungen“ angewendet. Das Hauptanwendungsgebiet
der Tranquilizer ist in den Bereichen, wo nach Finzen (2004) oft auch Psychotherapie
gefordert wäre. (vgl. Finzen 2004: 58)
Erwünschte Folgen des Benzodiazepinkonsums sind die angstlösende und sedierende
Wirkung. Hinzu kommen muskelrelaxierende, krampflösende und antiaggressive
Wirkungen.
Viele
DrogenkonsumentInnen
verwenden
Benzodiazepine
um
Entzugserscheinungen abzumildern. (vgl. Hormann, Winkler 2005: 261f und vgl.
Brosch 1996: 126)
Eigentlich sollte der Benzodiazepinkonsum eine Hilfestellung für phasenweise
auftretende Angst- und Spannungszustände sein. Dann sind sie aber auch nur
indiziert, wenn der Zustand außer Kontrolle geraten würde. Die Stoffgruppe kann so
gesehen als Regulativ eingesetzt werden. Dem Körper und der Psyche soll eine eine
zeitlich befristete Schonphase gegönnt werden. So lange, bis die betroffene Person
aus eigenen Ressourcen heraus, mit Hilfe der Sozialen Arbeit oder von
PsychotherapeutInnen wieder mit den Problemen fertig wird. Dabei muss bei den
ÄrztInnen eigentlich immer auf die Verschreibungsdauer geachtet werden und auf die
Höhe der Dosierung. Tranquilizer sind Teil der Gruppe von Medikamenten, die gerne
auch selbständig von Personen konsumiert werden. (vgl. Finzen 2004: 59f)
17
Heute wird in folgende Bereiche der Angsterkrankungen differenziert (vgl. Finzen 2004:
59f):

generalisierte Angststörungen
Die Symptomatik lässt sich wie folgt beschreiben: sowohl eine übermäßige und
unrealistische Sorge, als auch eine durchgängig angstvolle Erwartungshaltung in der
alltäglichen Lebenswelt.

Panikstörungen
Panikstörungen sind gekennzeichnet durch eine plötzlich auftretende, sehr starke
Angst. Zusätzlich treten auch körperliche Symptome auf, wie Herzrasen, Atemnot,
Übelkeit, Schwindel, Brustschmerzen und Schweißausbrüche. Betroffene Personen
beschreiben auch Todesängste.

Agoraphobie
Diese Form der Angst tritt auf beim Verlassen der gewohnten Lebenswelt. Neue
Situationen und Räumlichkeiten können zu Ohnmachtsanfällen, Herzanfällen oder
Inkontinenz führen. Befürchtet wird das Auftreten von Gegebenheiten, die das Gefühl
der Hilflosigkeit und Peinlichkeit verursachen.

Spezifische phobische Störungen und soziale Phobie
Darunter fallen die irrationalen Ängste vor genau differenzierbaren Objekten oder vor
bestimmten Handlungen und Situationen. So gehört beispielsweise die Spinnenphobie
zu dieser Gruppe, aber auch die Spritzenphobie.
Neben Angsterkrankungen werden Benzodiazepine auch bei akuten Psychosen oder
Schizophrenie eingesetzt. Eine weitere Gruppe, die häufig Tranquilizer verschrieben
bekommt, sind alte Menschen. Hier werden sie auch als Begleitmedikation bei
körperlichen Erkrankungen eingesetzt. (vgl. ebenda)
Außerdem werden Benzodiazepine werden im Rahmen der Substitutionsbehandlung
von ÄrztInnen verschrieben. (vgl. Haltmayer/ Rechberger/ u.a. 2009: 295)
Benzodiazepine werden auch in Kombination mit Alkohol und Opiaten konsumiert, um
die euphorisierende Wirkung der anderen Rauschmittel zu verstärken. Da bei manchen
Personen
die
beruhigende,
reizabschirmende
Wirkung
überwiegt,
werden
Benzodiazepine auch zur Stimmungsaufhellung eingenommen und somit bevorzugt
tagsüber. (vgl. Püschel, Iwersen-Bergmann 2005: 102f)
Ein weiterer wichtiger Grund für den Konsum von Benzodiazepinen ist die Sicherheit
beim Konsum. Dabei ist entscheidend, dass die Tabletten meist in einer gut
erkennbaren Verpackung erhältlich sind. Die konsumierte Dosis kann, im Gegensatz
18
zu vielen verschiedenen Substanzen die illegal erhältlich sind, genau abgeschätzt
werden. Dafür ist die Reinheit des Medikaments entscheidend. Menschen die auf den
Kauf von Heroin angewiesen sind, sehen sich oft mit hohen Schwankungen in der
Wirkstoffkonzentration
konfrontiert,
was
einen
erheblichen
Risikofaktor
für
Überdosierungen darstellt (siehe Kapitel 5.4).
Hypothesen:
Benzodiazepine werden von den KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit

zur Alltagsbewältigung eingesetzt

als Schlafmedikation verwendet

gegen körperliche Schmerzen eingesetzt (z.B.: muskelrelaxierende Wirkung)

zur Aufrechterhaltung der biopsychosozialen Funktionalität und somit auch zur
Vermeidung der Entzugssymptomatik konsumiert

zur Erreichung eines speziellen Rauschzustandes eingesetzt, auch in
Kombination mit Opiaten und Alkohol

konsumiert, um den Rausch (bzw. Stimmungsaufhellung) zu genießen

konsumiert, weil sie sicher sein können was und wie viel in der Tablette
enthalten ist
3.4.2 Die wichtigsten Benzodiazepine
Flunitrazepam (Somnubene®, Rohypnol®) ist ein schnell wirksames Benzodiazepin
und ist deswegen in der Szene sehr beliebt. Der Missbrauch von Präparaten, die diese
Substanz enthalten ist weiter verbreitet als jener von langsam anflutenden Wirkstoffen.
Die rasche Anflutung von Flunitrazepam erhöht außerdem den abhängigkeitsfördernden Faktor. Die länger anhaltende Wirkung scheint, im Gegensatz zu
Oxazepam (Praxiten® ), auch zu Wechselwirkungen und Überdosierungen zu führen.
Es kann beim Konsum von mehreren Substanzen zu unberechenbaren, kumulativen
Effekten kommen. Bei der Kombination von Opiaten und Benzodiazepinen ist es vor
allem die dämpfende Wirkung, die verstärkt wird. (vgl. BMG- Leitlinie 2012: 5f)
Grundsätzlich kann festgestellt werden: Qualitative Unterschiede zwischen den
Präparaten sind nicht vorhanden. Unterscheidungen sind hauptsächlich anhand der
Wirkungsdauer möglich. Die verschiedenen Wirkungen lassen sich durch die jeweils
anders ausgeprägten Ausscheidungs- und Inaktivierungsgeschwindigkeiten erklären.
19
Durch diesen Faktor lassen sich auch die bereits erwähnten kumulativen Effekte
beschreiben, die auch nach Tagen – in Kombination mit Alkohol oder Opiaten – eine
additive Auswirkung haben können. Ob ein Benzodiazepin ermüdet oder nur beruhigt,
ist eine Frage der Dosierung. (vgl. Finzen 2004: 57)
Hypothese: Medikamente mit dem Wirkstoff Flunitrazepam werden am häufigsten von
den KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit konsumiert.
3.4.3 Konsumformen von Benzodiazepinen
Zuerst wird der allgemeine Wirkmechanismus beschrieben, bevor auf die einzelnen
Konsumformen eingegangen wird. Benzodiazepine binden an Bindungsstellen des
GABA- Rezeptors in den Synapsen und verformen diesen dadurch. Es kommt so zu
einer verstärkten Wirkung bei einer gleichen Anzahl von GABA- Molekülen, weil die
Öffnungshäufigkeit des Chloridionenkanals zunimmt. Das bedeutet, dass die
bremsende Wirkung auf das Zentralnervensystem von GABA verstärkt wird.
Benzodiazepine haben unterschiedlich lange Halbwertszeiten, weshalb bei häufiger
Einnahme
die
Gefahr
einer
Wirkungskumulation
im
Körper
besteht.
Die
Halbwertszeiten, inklusive der Metaboliten, für die zwei wichtigsten Benzodiazepine
dieser Studie sind: Flunitrazepam - 15 bis 36 Stunden und Oxazepam - 6 bis 25
Stunden. (vgl. Finzen 2004: 31und vgl. Iwersen- Bergmann/ Plüschel 2005: 98)
3.4.3.1 Schlucken
Werden Benzodiazepine geschluckt, gelangt die Substanz, die von der Mundhöhle bis
zum Rektum resorbiert wird, über den Blutkreislauf direkt in die Leber. So werden die
Benzodiazepine einem Stoffwechselvorgang unterworfen, bevor sie das Gehirn
erreichen und somit die relevanten, neuronalen Verbindungen, die Synapsen. Der
„first-pass-Effekt“ beschreibt den Umbau oder Abbau der Substanz durch die Leber.
Allgemein wird unter der Aufnahme über die Schleimhaut des Verdauungstraktes die
„enterale Reorption“ verstanden. (vgl. Brosch 1996: 66f)
Hypothese: Benzodiazepine werden generell geschluckt, dafür sind sie von den
Herstellern grundsätzlich auch konzipiert.
20
3.4.3.2 Intravenöser Konsum
Bevor die Pillen gespritzt werden können, müssen sie in Flüssigkeit aufgelöst werden.
In der Lösung sind auch die Tablettenhilfsstoffe enthalten. Diese können schädlich
sein, wenn sie in den Blutkreislauf gelangen. Blauer Farbstoff, wie bei dem
Medikament Somnubene® oder Maisstärke als Trägerstoff sind Beispiele dafür. Die
Wirkung ist dieselbe wie beim Schlucken, nur tritt sie schneller ein. Auf einen
wichtigen Aspekt der Harm- Reduction soll bei der Gelegenheit hingewiesen werden:
Wird trotz aller Warnungen intravenös konsumiert, sollte die Flüssigkeit vorher
gründlich gefiltert werden. (vgl. Hormann, Winkler 2005: 261f)
Nicht nur wegen der Substanz an sich gilt der intravenöse Konsum von
Benzodiazepinen als sehr risikoreich. Der intravenöse Konsum ist schon ein hohes
Risiko an sich. In der Literatur werden einige Komplikationen beschrieben, die mit dem
intravenösen Konsum in Verbindung stehen. Im folgenden Kapitel wird auf eine
Komplikation eingegangen, die speziell auf den Versuch einer intravenösen Injektion
von Benzodiazepinen zurückzuführen ist.
Durch den intravenösen Konsum können STD wie Hepatitis C und HIV genauso
übertragen werden wie Haut- und Weichteilinfektionen, die ebenfalls tödlich enden
können. Neben unzähligen anderen Erkrankungen treten auch Pulmonalembolien und
Endokarditis2 als Folge des intravenösen Konsums auf. (vgl. Coster/ Karner 2004: 30f
und vgl. Reiter 2007: 142ff)
Hypothesen:
Eine gewisser Anteil der befragten Personen wird angeben, Benzodiazepine intravenös
zu konsumieren.
Ein Grund für den intravenösen Konsum von Benzodiazepinen ist die schnellere
Wirkungseintritt der Substanz.
Beratungsangebote zu den Risiken des intravenösen Konsums von Benzodiazepinen,
mit einer ÄrztIn oder einer SozialarbeiterIn, haben noch nicht alle KlientInnen des
Ganslwirts erreicht.
Das Handlungswissen zur Risikominimierung ist noch ausbaufähig, nicht alle
TeilnehmerInnen der Studie verwenden beim intravenösen Konsum sterile Filter, Löffel,
Tupfer und neues Spritzenbesteck.
2
Herzklappenentzündung
21
3.4.3.2.1 Ischämie als Folge der versehentlichen intraarteriellen Injektion
von Benzodiazepinen
In der Medizin werden immer wieder akute Extremitätenischämien beschrieben, die in
der Regel embolische oder thrombotische Ursachen haben. Das stellt eine
Notfallsituation dar. Kommt es beim beabsichtigten intravenösen Konsum zu einem
schwerwiegenden Fehler, nämlich zum interarteriellen Konsum von Benzodiazepinen,
ist das meist die Ursache für eine Ischämie. Unter einer Ischämie wird die
Minderdurchblutung
und,
in
der
stärksten
Ausprägung,
ein
vollständiger
Durchblutungsausfall einer Gliedmaße oder eines Organs verstanden. (vgl. Pfabe
2009: 38f)
Ist die Injektion in eine Arterie erfolgt, die in eine der Gliedmaßen führt, sind starke
Schmerzen, Verfärbungen der Haut und Sensibilitätsstörungen Symptome der
Ischämie. Wird die Symptomatik nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann es zum
Absterben der betroffenen Körperstellen, sogenannten akralen Nekrosen, kommen.
Amputationen sind die letzte Möglichkeit den Schaden zu begrenzen. (vgl. ebenda)
Bleiben die interarteriellen Injektionen von anderen Substanzen wie Heroin oder
Methadon meist ohne Folgen, verhält es sich bei Benzodiazepinen anders: Es sind
genügend Fallstudien vorhanden um zu schließen, dass diese Präparate ausgeprägte
Schädigungen verursachen. Bedingt durch die hervorgerufenen Entzündungen,
Schwellungen und Mikorembolien, entstehen dauerhafte Gefäß- und GewebeSchädigungen. Für den Erfolg der medizinischen Therapie ist entscheidend, wie groß
das Zeitintervall zwischen der Injektion und dem Beginn der Behandlung ist. (vgl.
ebenda)
Es werden in der Literatur Fälle von Personen im Alter zwischen 21 und 39 Jahren
beschrieben. Als Ursache für den versehentlichen interarteriellen Konsum wird unter
anderem der Wechsel in die Leistengegend wegen schlechter Venenverhältnisse
angegeben. Außerdem gibt es Berichte, dass DrogenkonsumentInnen Benzodiazepine
intravenös einsetzten wollten, um Entzugserscheinungen zu lindern. Dabei setzen sie
sich einem gravierenden gesundheitlichem Risiko aus. (vgl. Hering, Angelkort 2006:
1377f)
3.4.3.3 Aufnahme durch die Mundschleimhaut
Die Aufnahme über die Mundschleimhaut bewirkt einen Übertritt der Substanz in die
Blutgefäße, die direkt in die Hohlvene münden und zum rechten Herzen führt. Dafür
wird die Tablette unter die Zunge gelegt. Die Leberpassage wird umgangen, dadurch
22
kommt es zu einem schnelleren Wirkungseintritt. Nicht alle Arzneistoffe, unter anderem
aber Opiate und Benzodiazepine können über diesen Weg in den Blutkreislauf
gelangen. Dazu ist auch notwendig, dass im Speichel eine hohe Wirkstoffkonzentration
entsteht. Ein Vorteil ist, dass kein Infektionsrisiko durch Blutkontakt besteht. (vgl.
Heudtlass 2005: 121)
Hypothese: Die schnellere Wirkung ist ein Grund für den häufigen Konsum über die
Mundschleimhaut.
3.4.3.4 Nasaler Konsum von Benzodiazepinen
Die Tablette wird zerkleinert und anschließend wird das Pulver mit einem Röhrchen in
die Nase aufgezogen. Dazu wird das Pulver in einer Linie aufgelegt. Vorteile diese
Konsumform
ist
der
ebenfalls
schnelle
Wirkungseintritt,
wobei
bei
richtiger
Handhabung auch keine Schädigung des Gewebes eintritt. Außerdem gibt es keinen
direkten Blut- zu Blut Kontakt, weshalb ein geringeres Infektionsrisiko im Vergleich zum
intravenösen Konsum besteht. Auch hier besteht Gefahr beim Teilen von
Konsumationsutensilien: Über das Röhrchen können Infektionskrankheiten übertragen
werden. Deshalb sollte auf das sogenannte „Röhrchen-Sharing“ verzichtet werden.
(vgl. Heudtlass 2005: 120)
3.4.4 Entzugssymptome
Leichte Entzugssymptome treten in 50% der Fälle nach einer Langzeitmedikation auf.
Die Substanz muss dazu regelmäßig in einem Zeitraum von 4-6 Wochen konsumiert
werden. Symptome sind:
„Angst, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Dysphorie, Übelkeit, Erbrechen,
Pulsbeschleunigung, Schwitzen, Zittern, Kopfschmerzen, Muskelverspannung“
(Brosch 1996: 127)
Schwere Entzugserscheinungen treten ebenfalls nach einer Langzeitmedikation auf
und werden wie folgt beschrieben:
„Krampfanfälle, Verwirrtheit, verzerrte Wahrnehmung unbewegter Objekte,
Lichtüberempfindlichkeit, Verstärkung der Geruchs- und Hörwahrnehmung, […],
ängstlich depressive Syndrome, delirante Zustände.“ (Brosch 1996: 127)
23
Gegenübergestellt zu einem Heroin- Entzug ist ein Benzodiazepin- Entzug von
längerer Dauer, schwieriger und auch mit einem höheren Risiko verbunden. (vgl.
Hormann/ Winkler 2005: 261)
Hypothese: Ein gewisser Anteil der KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit
konsumiert Benzodiazepine, um die Entzugssymptomatik zu vermeiden. So kann die
Funktionalität aufrecht erhalten werden.
3.5 Harm- Reduction
Der Terminus „Harm- Reduction“ wird von dem englischen Begriff „Drug-related Harm“
abgeleitet, der soviel wie „Drogenassoziiertes Leiden“ bedeutet und die negativen
sozialen, psychischen und körperlichen Folgen der Drogenabhängigkeit beschreibt. In
diesem Sinne und auch im Sinne der tertiären Prävention ist Harm- Reduction das
Entgegenwirken der Ausbildung oder des Fortbestandes der negativen Folgen des
Konsums, auch als „Safer- Use“ bezeichnet. Die Beratung über risikoarmen Konsum ist
eine
der
Hauptaufgaben
von
SozialarbeiterInnen
in
der
niederschwelligen
Drogenarbeit. Die Maßnahmen der Harm- Reduction im Bereich Safer- Use sind unter
anderem: Die Abgabe von sterilen Spritzen, Kanülen und Injektionsutensilien wie
Wasser, Ascorbinsäure, Alkoholtupfern, Aufkochgefäßen und Filtern. Die Einrichtung
von Konsumräumen ist hier ebenfalls essentiell. (vgl. Haltmayer 2007b: 166f)
Hypothesen:
Nicht alle StudienteilnehmerInnen werden sterile Filter und andere Utensilien für den
intravenösen Konsum verwenden.
Ein Anteil der Personen hat noch nie ein Safer- Use Gespräch über den intravenösen
Konsum von Benzodiazepinen geführt.
3.5.1 Harm- Reduction in der Klinischen Sozialen Arbeit: Das
biopsychosoziale Modell als Grundlage
Nach dem biopsychosozialen Modell von Uexküll und Wesiack sind Menschen
biopsychosoziale Einheiten. Gesundheitliche Probleme können so auch physischen,
psychischen und sozialen Systemen zugeordnet werden. Diese Systemebenen sind
untrennbar miteinander verwoben und kommunizieren untereinander. In diesem Modell
sind Lebewesen eine Einheit aus Umwelt und Organismus. Dabei kommt es zu
andauernden Assimilations- und Akkomodationsprozessen. Im Idealfall entsteht eine
24
Passung, indem die Anforderungen und Ressourcen des Gefüges ausgeglichen sind.
(vgl. Binner/ Ortmann 2008: 74)
Um mit der Umwelt kommunizieren zu können, muss das lebende System mit der
Umwelt
in Beziehung
stehen. Informationen über Wirkung
und Inhalt
des
Kommunizierten kann das lebende System an der Spiegelung des Gegenübers
ablesen. Gesundheit lässt sich so als intaktes Beziehungsgefüge interpretieren und
Krankheit als ein gestörtes Beziehungsgefüge. Sollen Passungsstörungen erst
überhaupt nicht entstehen, müssen auf allen drei Ebenen, der biologischen, der
psychischen und der sozialen, ständig Beziehungen aufrechterhalten werden. (vgl.
ebenda)
Passungstörungen sind im menschlichen Leben immanent. Durch Veränderung der
Umwelt oder des Organismus kann es jederzeit zu Störungen oder sogar zu einem
Verlust von Passungen kommen. Werden grundlegende soziale Bedürfnisse wie die
Teilnahme an Gemeinschaft, Anerkennung, Gerechtigkeit, Autonomie und emotionale
Zuneigung nicht erfüllt, kann das genauso gravierende Auswirkungen haben, wie
unerfüllte biologische und psychische Bedürfnisse. (vgl. Binner/ Ortmann 2008: 75)
Nach dem biobsychosozialen Modell kommen den sozialen Faktoren die gleiche
Bedeutung zu wie den somatischen und psychischen Faktoren. Daraus lässt sich ein
Auftrag für die Klinische Soziale Arbeit ableiten. Unter anderem sind es Konzepte wie
die Harm- Reduction, die Schadensminimierung, mit der die Klinische Soziale Arbeit
diese Grundlage in der Praxis umsetzten kann. Safer- Use Beratung ist Teil der
Konzeption der niederschwelligen, akzeptierenden Drogenarbeit. Die Weitergabe von
Informationen über Hilfemöglichkeiten, wie im Konzept der sozialen Unterstürzung und
der
Beitrag
zur
Gesundheitsförderung
Profession.(vgl. Binner/ Ortmann 2008: 75f)
25
sind somit
zentrale Bestandteile der
4 Literaturbearbeitung
In diesem allgemeinen Teil werden die, für das Verständnis dieser Forschungsarbeit,
zentralen Begriffe definiert. Auch hier finden sich die wichtigsten Hypothesen, die aus
den Bestimmungen abgeleitet werden können, am Ende des jeweiligen Kapitels.
4.1 Drogenkonsum - wie unterschieden werden kann
Der Begriff „Drogenkonsum“ kann auf vielfältige Weise unterschieden werden.
Bezogen auf den theoretischen Hintergrund, anhand dessen die Thematik betrachtet
wird, ergeben sich andere Muster und Problemlösungsstrategien: eine Möglichkeit ist
die Unterscheidung nach der sozialen Inszenierung des Konsums. Eine andere ist die
nach dem Bezug zum Alltag. Auch nach den Konsumgründen kann differenziert
werden. Nicht zuletzt kann der Drogenkonsum auf Genuss, Gebrauch und
problematischen Konsum überprüft werden. Nicht näher eingehen möchte ich auf rein
biologische Hypothesen, die besagen, dass Menschen aufgrund von genetischen
Ursachen oder aufgrund von pharmakologischen Wirkungen an Sucht erkranken und
deswegen zum Schluss kommen: die Substanzen gehören prinzipiell verbannt. (vgl.
Barsch 2010: 61ff)
Unterschieden werden muss auch hinsichtlich der Begriffe „Drogenmissbrauch“ und
„Sucht“. Hier ist in der Vergangenheit nicht differenziert worden, wobei das den
vielfältigen Konsummustern der Menschen nicht gerecht wird. Es ist ein falsches Bild
geschaffen worden, indem die unproblematischen Konsumformen ausgeblendet
worden sind. Das ist geschehen, obwohl sowohl bei legalen als auch bei illegalen
Substanzen die risikoarmen Konsummuster überwiegen. (vgl. Barsch 2010: 63f)
Drogenkonsum
lässt
sich
allgemein
als
Substanzkonsum
beschreiben,
der
verschiedenste Konsummuster und Umgänge mit psycho-aktiven Substanzen
inkludiert. Es ist nur die menschliche Handlung gemeint, die auf das Konsumgut
ausgerichtet ist. Das ist der Verzehr oder der Verbrauch in welcher Form auch immer.
(vgl. Barsch 2010: 64)
Hypothese: Stimmt die Aussage von Barsch (2010- siehe oben), müssen auch bei den
KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit die risikoarmen Konsummuster
überwiegen.
26
4.2 Konsummuster von Drogen in Österreich
Nach dem DOKLI- Bericht für 2008 haben in Österreich, im niederschwelligen Bereich,
74% der betreuten Personen schon mindestens einmal intravenös Drogen konsumiert.
Frauen scheinen noch früher mit dem intravenösen Konsum zu beginnen als Männer.
In allen Betreuungssettings, die in dem Bericht vorkommen, spielen Opiate die
bedeutendste Rolle als Leitdroge, gefolgt von Cannabis und Tranquilizern. Es zeigt
sich auch, dass in Österreich Opiaten noch immer eine zentrale Bedeutung hinsichtlich
des problematischen Drogenkonsums zukommt, im Gegensatz zu anderen EULändern. Der Altersmedian für den Erstkonsum liegt zwischen 17 und 20 Jahren. Die
häufigste Einnahmeform von Heroin ist das „Sniffen“, mit 50%, gefolgt von der
intravenösen Applikation. Viele beginnen nasal zu konsumieren und steigen erst später
oder nie um. (vgl. DOKLI- Bericht 2010: 40ff)
Hypothese: Frauen beginnen früher als Männer mit dem intravenösen Konsum.
4.3 Abhängigkeit
Abhängigkeit ist kein einheitliches Phänomen. Es kann die unterschiedlichsten
Symptome für Abhängigkeit geben. Verallgemeinerung ist nur auf das so genannte
Craving, das starke Verlangen nach der Einnahme der Substanz möglich. Die
Diagnose „Substanzabhängigkeit“ hat keine Aussagekraft bezüglich körperlichen,
psychischen oder sozialen Folgeschädigungen. (vgl. Uchtenhagen 2000: 2)
„Abhängigkeit wird übereinstimmend definiert als eine Gruppe von körperlichen
Verhaltens- und kognitiven Phänomenen, bei denen der Konsum einer
Substanz eine hohe Priorität hat. Ein entscheidendes Merkmal ist das
dringende, oft übermächtige Verlangen nach der Droge sowie fortgesetztes
Verhalten zur Erlangung der Droge. Die Auslöser sowie die Folgen können
psychischer, biologischer oder sozialer Natur sein.“ (Uchtenhagen 2000: 2)
Abhängigkeit oder „Sucht“ ist somit nicht nur als biosomatische oder psychiatrische
Krankheit zu verstehen und nach den Grundlagen der Medizin zu behandeln. Dazu
fehlt, wie bereits oben erwähnt, das einheitliche Muster und die Eigendynamik. So gibt
es
auch
keine
Hinweise,
dass
bestimmte
Konsummuster
unbedingt
eine
Verschlechterung der Lebenssituation bedeuten oder der Willen der Person davon
kontrolliert wird. (vgl. Barsch 2010: 119)
Zusammenfassend lässt sich der Begriff Abhängigkeit als ein komplexes Phänomen
beschreiben, dass sich in den biopsychosozialen Lebenssituationen des Menschen
27
manifestiert. Diese Ebenen sind eng miteinander verknüpft (siehe biopsychosoziales
Modell von Uexküll und Wesiack Kapitel 3.7.1) und durchdringen sich gegenseitig. Es
lassen sich Symptomatiken in allen Bereichen des menschlichen Daseins gedanklich
differenzieren: Entzugssymptome, Toleranzentwicklung, Craving und psychosoziale
Vernachlässigung. (vgl. Barsch 2010: 137f)
Hypothese: Die hohen Dosen an Benzodiazepinen, die regelmäßig von manchen
KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit konsumiert werden, lassen auf eine
bestehende Toleranz und somit auch auf eine bestehende Abhängigkeit schließen.
4.3.1 Mehrfachabhängigkeit und polyvalenter Konsum
Verschiedene
Drogen gleichzeitig
zu
konsumieren
bedeutet,
dass
sich
die
KonsumentIn einem erhöhten Risiko aussetzt. Es steigt mit der Anzahl der
kombinierten Substanzen. Die summierte Wirkung ist kaum abschätzbar. Neben der
Substitution werden von der KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit vor allem
jene Substanzen zusätzlich konsumiert, die leicht zur Verfügung stehen. Dazu gehört
Alkohol genauso wie Medikamente aus der Reihe der Benzodiazepine. Bei
dauerhaftem
Konsum
von
mehreren
Substanzen,
kann
es
auch
zur
Mehrfachabhängigkeit kommen. (vgl. Poehlke 2005: 273)
Mischkonsum kann, bei dauerhaftem Konsum einer Substanz, in der Situation eines
Versorgungsengpasses auftreten. Ebenso kann als Mischkonsum definiert werden,
wenn DrogenkonsumentInnen Substanzen zur Stimmungsmodulation wechseln.
Wichtig dabei ist, dass mindestens zwei Substanzen in einem so engen Zeitraum
konsumiert werden, sodass sich die Rauschwirkung überlagert. (vgl. Poehlke 2005:
274)
So stellen Benzodiazepine, die während der Opioid- Substitution konsumiert werden,
ein beachtliches gesundheitliches Risiko dar. Nicht nur wegen der Wirkung der
Medikamente selbst, sondern auch wegen eventuell anderer eingenommer Präparate,
wie sie bei einer chronischen Hepatitis oder einer HIV Infektion zum Einsatz kommen.
Die Interaktionen der Medikamente untereinander ist kaum vorhersagbar. Zu
unterschiedlich sind Halbwertszeiten und Anflutungszeiten im Körper. (vgl. Poehlke
2005: 275)
Mittlerweile ist der Beikonsum von psychotropen Substanzen keine Kontraindikation
der
Substitutionsbehandlung
mehr. Wegen
der
besonderen
Risiken
ist
die
sozialmedizinische Behandlung zur Schadensminimierung induziert. Erst wenn auf
28
allen biopsychosozialen Ebenen keine Veränderung festgestellt werden kann, sollte die
Behandlung in Frage gestellt werden. (vgl. Haltmayer/ Rechberger/ u.a. 2009: 295)
Hypothese: In der niederschwelligen Drogenarbeit gibt es einen gewissen Anteil an
KlientInnen, die mehrere Substanzen gleichzeitig konsumieren.
4.4 Drogenmissbrauch
Genauso wie beim Begriff „Abhängigkeit“, muss auch beim Begriff „Drogenmissbrauch“
nach Sichtweisen differenziert werden. Alle Zugänge haben gemeinsam, dass
Drogenmissbrauch als problematische Konsum definiert wird. In der Literatur werden
juristische, medizinische, therapeutische Betrachtungen des Themas, als auch
Definitionen
über
Grenzmengen
beschrieben.
Im
Folgenden
wird
auf
die
therapeutische Sichtweise und die medizinischen Grenzmengen näher eingegangen.
(vgl. Barsch 2010: 93f)
Grundsätzlich
als
problematisch
angesehen
werden
Konsumformen
von
Substitutionsmitteln und Tranquilizern, die von der medizinisch verordneten Form
abweichen. Ein Beispiel dafür ist der intravenöse Konsum der Benzodiazepintabletten.
Hier gilt der Safer- Use Satz: „Pillen sind zum Schlucken da“ (vgl. Haltmayer/
Rechberger/ u.a. 2009: 296)
4.4.1 Drogenmissbrauch nach DSM-IV
In der Definition des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders),
die unter anderem in therapeutischen Settings benutzt wird, werden die komplexen
Verflechtungen
des
Konsums
von
psychoaktiven
Substanzen
berücksichtigt.
Drogenkonsum wird als eine Handlung gesehen, die nicht nur auf medizinischer und
individueller Ebene, sondern auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche wirkt.
Genauso ist der Einfluss des Konsums nicht nur für die Gesundheit der
KonsumentInnen maßgeblich. Weitere Probleme geraten so in Verbindung zum
Substanzkonsum. (vgl. Barsch 2010: 100)
Nach dem DSM-IV müssen folgende Problemlagen vorliegen, um in die Kategorie
Missbrauch zu fallen:

Nicht Einhaltung der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen wie der Arbeit, in der
Schule oder dem Haushalt
29

Substanzgebrauch in Situationen, die zu einer körperlichen Gefährdung führen
können.

Konflikte mit der Justiz aufgrund des Substanzgebrauchs

Konflikte auf sozialer und zwischenmenschlicher Ebene, die durch die Wirkung
der Substanz noch zusätzlich verstärkt werden oder in Zusammenhang mit
dieser stehen. (vgl. Barsch 2010: 100)
Hypothese: Speziell der intravenöse Substanzgebrauch ist bei einigen der KlientInnen
der niederschwelligen Drogenarbeit nach der Definition des DSM-IV als Missbrauch zu
interpretieren.
4.4.2 Drogenmissbrauch, nach Grenzmengen definiert
Mit medizinisch festgelegten Mengengrenzen sollen Empfehlungen zur Verfügung
stehen, um darüber liegenden Konsum als Risiko für die Gesundheit einzustufen.
Diese Richtlinien werden im Allgemeinen von Wahrscheinlichkeiten abgeleitet, mit der
schädigende Ereignisse eintreten. Für diese Berechnungen werden unterschiedliche
Wahrscheinlichkeitsangaben verwendet. Umso niedriger die Grenze für das Restrisiko
angesetzt wird, umso niedriger sind auch die Empfehlungen für den Konsum. So
lassen sich auch die großen Schwankungen für die Grenzwerte des täglichen
Alkoholkonsums begründen. Die WHO gibt für Männer 40g und für Frauen 20g reinen
Alkohol täglich an. In den USA wird die Grenze anders definiert: 24g für Männer und
12g bei Frauen. Um auszuschließen, dass - welche Krankheit auch immer – auf
Alkohol zurückzuführen ist, würde die Empfehlung lauten, gar keinen Alkohol zu
trinken. (vgl. Barsch 2010: 95f)
Mengenangaben werden vielfältig kritisiert. So hat die gleiche Menge einer Substanz
nicht die gleiche Auswirkung auf den Organismus. Auch die gesundheitlichen Folgen
sind
aufgrund
von
unterschiedlichen
Konstitutionen
oder
Toleranzen
sehr
unterschiedlich. Außerdem liegen den biomedizinischen Empfehlungen auch soziale
Normative zugrunde, die Einfluss auf die Ergebnisse haben. Konsumformen werden so
problematisiert, obwohl sie keine Schädigung verursachen. Teilweise werden einzelne
Handlungen überbewertet. Die Bestimmung des Drogenmissbrauches anhand von
Grenzmengen hat deshalb nur beschränkte Gültigkeit. (vgl. ebenda)
Auch für die Benzodiazepine, die von den KlientInnen der niederschwelligen
Drogenarbeit
am
häufigsten
konsumiert
werden,
finden
sich
Angaben
zur
Grenzmenge. Die Tages- Höchstdosis für Oxazepam, aufgeteilt auf drei Tagesdosen,
liegt bei 300 mg. Äquivalent dazu sind 7,5 mg Flunitrazepam. Das entspricht 6 Stück
30
Praxiten® und 7 Stück Somnubene® oder Rohypnol®. (vgl. Haltmayer/ Rechberger/
u.a. 2009: 296)
Da sich die Grenzmengen für eine statistische Analyse der Konsummuster anbieten,
sind sie auch in der Forschungsarbeit zur Überprüfung des problematischen Konsums
gewählt worden.
Hypothese:
Ein gewisser
Anteil von den
KlientInnen der
niederschwelligen
Drogenarbeit wird über den medizinische festgelegten Grenzmengen für die jeweiligen
Präparate liegen.
4.5 Folgen des Missbrauchverhaltens
Die Folgen des Missbrauchsverhaltens werden auf verschiedenen Ebenen wirksam.
Aufgezählt werden in der Literatur unter anderem somatische Erkrankungen,
psychische Erkrankungen, soziale Folgen und Suizid. Wichtig ist dabei, dass, auf lange
Sicht, Dosis- und Wirkungszusammenhänge schwer zu erfassen sind. Außerdem sind
Kausalitäten schwer zu erfassen, da es noch andere Faktoren außer der
Substanzeinnahme gibt. (vgl. Bühringer/ Bauernfeind u.a. 2000: 140f)
4.5.1 Somatische Erkrankungen
Je nach Substanz sind auch die somatischen Erkrankungen unterschiedlich.
Infektionskrankheiten sind bei dem Konsum von illegalen Drogen sehr häufig. Das
hängt unter anderem mit dem i. v. Konsum zusammen. (vgl. ebenda und siehe auch
Kapitel 3.3.3.2)
Hepatitis ist eine der häufigsten Begleiterkrankungen durch den intravenösen Konsum.
Durch die Abgaben von sterilen Spritzensets ist die Infektionsrate von HIV erfolgreich
gesenkt worden, nicht aber von Hepatitis B und C. Die Prävalenzrate der intravenösen
DrogenkonsumentInnen liegt in Wien bei Hepatitis B ungefähr bei 50%, die von
Hepatitis C sogar bei 80,3%. (vgl. Haltmayer 2007a: 107)
4.5.2 Psychische Erkrankungen
Außer der häufig beobachtbaren psychischen Abhängigkeit ist der Konsum von
illegalen Drogen, Alkohol und psychotropen Medikamenten wie Benzodiazepinen
verbunden mit psychischen Erkrankungen. Komorbiditäten sind zu Funktionsstörungen
31
nachgewiesen. Darunter fallen Wahrnehmungs-, Sprach- und Gedächtnis- störungen.
Hinzu kommen schwerwiegende Erkrankungen wie akute Psychosen. (vgl. Bühringer/
Bauernfeind u.a. 2000: 140f)
Hypothese: Benzodiazepine werden konsumiert um die Symptome (Unruhe,
Anspannung) von psychischen Krankheiten zu behandeln.
4.5.3 Soziale Folgen
Lang anhaltender Missbrauch von Drogen hat viele negative soziale Folgen. So kann
dies bei Jugendlichen zum Schulabbruch führen und bei Erwachsenen zum Verlust des
Arbeitsplatzes. Außerdem kommt es häufig zu Belastungen innerhalb der Familie. Ein
Beispiel dafür sind Misshandlungen von Kindern und Ehepartnern und eine erhöhte
Scheidungsrate. Finanzielle Schwierigkeiten und der Verlust der Wohnung sind
ebenfalls soziale Folgen des missbräuchlichen Drogenkonsums. (vgl. Bühringer/
Bauernfeind u.a. 2000: 140f)
Hypothesen:
TeilnehmerInnen der Studie werden einen niedrigen Bildungsabschluss haben.
TeilnehmerInnen der Studie werden häufig arbeitssuchend oder in Pension sein.
4.5.4 Suizid
Es kann davon ausgegangen werden, dass ungefähr 10% aller Drogentodesfälle als
Suizid zu betrachten sind. Diese Zahl hat sich aufgrund von gerichtsmedizinischen
Untersuchungen ergeben. (vgl. Bühringer/ Bauernfeind u.a. 2000: 140f)
Im Bericht zur Drogensituation 2010 vom Österreichischen Bundesinstitut für
Gesundheitswesen wird die Zahl der Drogentoten, die an einer Intoxikation von
Opiaten und „psychoaktiven Medikamenten“ gestorben sind, mit 75 Personen
angegeben. Das ist ein großer Anteil, nimmt man im Vergleich dazu die Gesamtzahl
von 187 Drogentoten im Jahr 2009. (vgl. ÖBIG 2010: 169)
Hypothese:
Von einem Großteil der befragten Personen wird beides konsumiert: Opiate in
Kombination
mit
Benzodiazepinen.
Diese
gesundheitlichen Risiko aus.
32
Gruppe
setzt
sich
einem
hohen
4.5.5 Prostitution
Drogenkonsum kann eine Bewältigungsstrategie der Prostitutionstätigkeit sein. Hier
sind
aussagekräftige
Zitate
von
qualitativen
Interviews
einer
Schweizer
Forschungsarbeit (Gugenbühl/ Berger 2001) zum Thema Prostitution und Risikowahrnehmung:
„ 'Es ist halt, wenn ich anschaffe, brauche ich schon, muss ich mich zuputzen,
auch wenn ich das Methadon habe. Ich kenn keine Frau, die das nüchtern
machen kann, den Strassenstrich.' “ (Gugenbühl/ Berger 2001: 79)
Und außerdem:
„ 'Weil die Gier nach dem nächsten Knall ist einfach stark und dann
scheisst es dich halt auch an, wenn du einen Freier gemacht hast, nachher
psychisch schaltest du gerne auch ab.' “ (Gugenbühl/ Berger 2001: 79)
In
der
zitierten
SexarbeiterInnen
Studie
Drogen
kommen
zum
die
ForscherInnen
„abschalten“
nach
zum
der
Ergebnis,
Arbeit
dass
konsumieren.
Benzodiazepine werden in diesem Fall aber nicht erwähnt. (vgl. Gugenbühl/ Berger
2001: 79)
Hypothese: Unter den Frauen könnte es Personen geben, die Benzodiazepine nutzen
um die Prostitutionstätigkeit zu bewältigen.
4.6 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim
Konsumverhalten von Suchtmitteln
4.6.1 Konsum illegaler Drogen
Bei einer Studie über den Konsum von illegalen Drogen mit adoleszenten Personen in
München und Umgebung haben sich am Geschlecht differenzierbare Prävalenzen für
Drogenabhängigkeit ergeben. Nach DSM-IV hat sich ein Anteil von 2% ergeben, wobei
1,6%
Frauen
und
2,5%
Männer
gewesen
sind.
Zahlen
sind
auch
zum
Drogenmissbrauch erhoben worden. 2,9% der Stichprobe haben nach der Definition
des DSM-IV Drogenmissbrauch betrieben. Davon sind 1,8% Frauen und 4,1% Männer
gewesen. Man kann von einem Geschlechterverhältnis von 1:1,5 ausgehen. So ergibt
sich auch für die USA eine ähnliche Lebenszeitprävalenz für Drogenabhängigkeit: Für
Frauen liegt sie bei 3,3% und bei Männern bei 4,9%. (vgl. DOKLI 2010: 50)
33
Im
DOKLI-
Bericht
wird
außerdem
festgehalten,
dass
Frauen
die
Drogenberatungsstellen aufsuchen im Durchschnitt jünger sind als Männer. Hinzu
kommt, dass sie eine schwerere Drogenproblematik aufweisen als Männer. (vgl.
DOKLI 2010: 50)
4.6.2 Drogenkonsum und Männlichkeit: Risikoverhalten als spezifisch
männliches Verhalten
Die Gestaltung eines drogendominanten Lebensstils ist eingebettet in männliche
dominierte Lebenswelten. Es geht darum eine Form von Männlichkeit herzustellen. Ein
Beweis von Männlichkeit ist dort wichtig, wo ein Ausschluss von einer gesellschaftlich
anerkannten Tätigkeit besonders stark erfolgt. Macht, Kontrolle, Status rücken so in
den Vordergrund. Das ist für viele die letzte Ressource von Selbstwert. Wichtig ist
aber, Drogenkonsum nicht nur als geschlechtsspezifisch männliches Phänomen
wahrzunehmen. (vgl. Friedrichs 2006: 184ff)
Allgemein kann die Funktionalität des Risikoverhaltens bestimmt werden als:

Statushandlung und Stilbildung

Konformitätsübung und Bewährungsprobe

Bewältigungsversuch

Kompensation und Betäubung

Normverletzung als Ausdruck der Ablehnung

Risikofreudigkeit
Hypothesen:
Blaue Lippen sind ein Stilmittel bei den befragten Personen und eine weitere Ursache
für den oralen Konsum.
Intravenöser Konsum ist der Ausdruck von Risikofreudigkeit bei Männern.
Kompensation und Betäubung wird erreicht durch den Konsum von Benzodiazepinen.
Die
Substanz
ist
eine
Bewältigungsstrategien
von
Schmerzen
und
Entzugserscheinungen.
4.6.3 Konsum psychotroper Arzneimittel
Speziell im Bereich der Einnahme psychotroper Arzneimittel konnte nachgewiesen
werden, dass Frauen höhere Konsumraten aufweisen. Dabei muss berücksichtigt
werden, dass das für alle Konsumformen gilt, also auch für die nicht missbräuchliche
34
Verwendung und Niedrigdosis- Abhängigkeiten. Es konnte nachgewiesen werden,
dass Frauen häufiger seelische Störungen haben und deswegen Benzodiazepine
verschrieben bekommen. Von allen Benzodiazepin- Verschreibungen in Deutschland
sind 70% für Frauen. Hinzu kommt, dass der Konsum von psychotropen Substanzen
die Mortalität beeinflusst. Verlässliche Zahlen sind dazu nicht vorhanden. (vgl. Bischof/
John 2002: 345f)
4.7 Geschlechtsunterschiede bei den Ursachen der
Abhängigkeit – Ätiologie
4.7.1 Genetische Ursachen und familiäres Umfeld
Studien belegen, dass Männer ein höheres genetisches Risiko als Frauen haben
alkoholabhängig zu werden. Männer reagieren allgemein eher auf die genetische
Disposition als Frauen. Letztere scheinen unter einem stärkeren Einfluss des familiären
Hintergrundes zu sein. Der Alkoholismus in der Herkunftsfamilie scheint für Frauen
prädikativ für eine eventuelle spätere Abhängigkeitserkrankung zu sein. Bei Männern
ist außerdem nachgewiesen worden, dass der sozialökonomische Status der
Herkunftsfamilie ausschlaggebend ist. (vgl. Bischof/ John 2002: 347)
4.7.2 Gewalt und sexueller Missbrauch
Frauen
die
eine
Substanzkonsum
Abhängigkeitserkrankung
entwickeln,
haben
in
ihrer
oder
einen
Vergangenheit
missbräuchlichen
mit
sehr
hoher
Wahrscheinlichkeit sexuellen Missbrauch oder physische Gewalt erlebt. Hinzu kommen
im Laufe des Lebens erworbene Faktoren wie niedriges Selbstwertgefühl, Depression,
posttraumatische
Belastungsstörungen,
autoaggressive
sexuelle Konflikte. (vgl. Bischof/ John 2002: 347f)
35
Verhaltensweisen
und
5 Die Organisation
Zieht man die Definition der niederschwelligen Drogenarbeit heran (siehe Kapitel 3.1)
hat diese Begriffsbestimmung, zum Zeitpunkt der Erhebung, auf zwei Einrichtungen in
Wien zugetroffen: die sozial- medizinische Drogenberatungsstelle Ganslwirt und das
TaBeNo3. In diesem Kapitel soll nur auf die Einrichtung fokussiert werden, in der auch
die Erhebung stattgefunden hat, nämlich im Ganslwirt.
5.1 Die sozial-medizinische Drogenberatungsstelle Ganslwirt
In Wien gibt es derzeit zwei niederschwellige Einrichtungen der akzeptierenden
Drogenarbeit, die vorrangig von Menschen aus der Straßenszene frequentiert werden.
Das sind die sozial-medizinische Drogenberatungsstelle Ganslwirt und das TaBeNo.
Beide Einrichtungen haben ein Tageszentrum und einen Spritzentausch als Angebot
für intravenös konsumierende Menschen. 2011 wurden, alleine im Ganslwirt, durchschnittlich 4.357 Spritzen pro Tag getauscht. (vgl. Suchthilfe Wien gGmbH 2012: 8)
Im Jahr 2011 haben 727 Personen die psychosoziale Leistungen im Ganslwirt in
Anspruch genommen. Hinzu kommen 1.355 Personen, die auch medizinisch betreut
worden sind. Der Frauenanteil liegt bei 27 Prozent im psychosozialen Bereich und 28
Prozent bei den medizinischen Angeboten. Dabei sind die Frauen mit einem Median
von 28 Jahren wesentlich jünger als die Männer. Bei letzteren liegt der Median bei 31,1
Jahren. Umso älter die Personengruppe ist, umso größer ist auch der Anteil an
Männern.(vgl. Suchthilfe Wien gGmbH 2012: 9)
5.2 Zielgruppe
Im Tätigkeitsbericht des Ganslwirts über das Jahr 2011 ist die Zielgruppe
folgendermaßen definiert worden:
„Personen, die im Zusammenhang mit dem Konsum von Drogen psychische,
körperliche und soziale Beeinträchtigungen erfahren. Schwerpunktmäßig
handelt es sich dabei um Personen, die sich im öffentlichen Raum
aufhalten. “ (vgl. Suchthilfe Wien gGmbH 2012: 8)
Der Schwerpunkt betrifft somit die Drogen- Straßenszene von Wien.
3
Anm.: TaBeNo bedeutet Tageszentrum, Beratung, Notschlafstelle
36
5.3 Die Drogen- Straßenszene
Die Drogen-Straßenszene ist dadurch gekennzeichnet, dass der Drogenkonsum im
Freundes- oder Bekanntenkreis und in der Öffentlichkeit stattfindet. Es kann sich bei
dem Ort genauso um ein Lokal, wie um einen Ort im Freien handeln. In manchen
Fällen sammeln sich die Konsumpartner an bestimmten Konsumorten, was zur Bildung
einer Drogenszene führt. Eine Eigenschaft dieser Szenen ist auch, dass sie über die
direkt beteiligten Personen hinaus bekannt sind und auch genutzt werden um Drogen
zu handeln. (vgl. Eisenbach- Stangl/ Pilgram/ Reidl 2008: 122f)
5.4 Die Drogen- Straßenszene in Wien
Die Straßenszene, oder auch „offene Szene“, in Wien hat sich anfänglich in
Diskotheken oder Parks aufgehalten. In den 80iger Jahren ist Straßenszene auch
vermehrt an Verkehrsknotenpunkten wie dem Karlsplatz sichtbar geworden. Anfang
der 90iger Jahre haben sich dort mehrere hundert Personen täglich aufgehalten. Im
weiteren Verlauf hat sich die Drogen-Straßenszene, bedingt durch polizeiliche
Repression, an mehreren Orten in der Stadt etabliert. Die offene Szene wurde
dezentralisiert und sowohl auf U-Bahnstationen als auch auf die Umgebung von
Drogenbetreuungseinrichtungen verteilt. Mobilität und Standortwechsel gehören zu den
Merkmalen dieser Gruppe. (vgl. Eisenbach- Stangl/ Pilgram/ Reidl 2008: 122f)
Die Drogenszene differenziert sich nach den gebrauchten Substanzen und der
Marginalisierung der KonsumentInnen. Da in den 90iger Jahren die Qualität des
Heroins abnimmt, greifen die Menschen gerne auf Substitutionsmittel zurück. Die
Reinheit der Ersatzdrogen ist immer gleich. Gleichzeitig steigt der Mischkonsum von
Substitutionsmedikamenten und Alkohol und Tabletten, um den gewünschten „Kick“ zu
erzielen. Substitutionsmittel werden auch oft intravenös konsumiert. Der polyvalente
Konsum verursacht, unter anderem, gesundheitliche Probleme. (vgl. ebenda)
Hypothesen:
Die Reinheit der Medikamente, nicht nur von den Substitutionsmitteln, sondern auch
von Benzodiazepinen, ist ein Grund für deren Konsum. Sicherheit ist auch für die
DrogenkonsumentInnen wichtig.
Medikamente wie Benzodiazepine werden häufig auf der Straße gekauft.
37
6 Forschungsdesign
Im folgenden sollen die methodischen Herangehensweise beschrieben werden. Das
inkludiert die ethische Bewertung der Forschungsfrage, die Beschreibung des
Fragebogens, die Interviewsituation und die Stichprobenbeschreibung.
6.1 Methode der Forschung
Nach einer Literaturrecherche zur Bildung von Hypothesen beziehungsweise der
Fragestellung und dem Einbringen von persönlicher Erfahrung ist in dieser
Forschungsarbeit nach den Methoden der quantitativen Datenerhebung vorgegangen
worden. Außerdem ist für die Generierung der Fragebogenitems eine explorative
Vorerhebungen mittels Interviews mit der ärztlichen Leitung der sozialmedizinischen
Drogenberatungsstelle
Ganslwirt
und
den
KlientInnen
derselben
Einrichtung
durchgeführt worden. Nach der detaillierten Aufführung der Sachverhalte in den letzten
Kapiteln wird nun der standardisierte Fragebogen genau beschrieben.
Um vielfältige Variablen beschreiben zu können ist nach der Methode des Zuordnens
von Rangordnungen in Form einer schriftlichen Befragung vorgegangen worden. Die
Fragen sind in ausgedruckter Form den TeilnehmerInnen ausgeteilt und dann von
denselben beantwortet worden. Vorteilhaft dabei ist die einfache Anwendung und das
erfassen einer großen homogenen Gruppe. Es geht in dieser Forschung nicht um
Ursachenforschung, sondern vorrangig um das Schätzen von bestimmten Merkmalen
in einer klar definierten Population mittels Stichproben. (vgl. Raab-Steiner/ Benesch
2012: 44)
Das Ausfüllen des Fragebogens ist meist alleine und ohne Hilfe erfolgt, aber im Beisein
anderer
Menschen
im
Tageszentrum
des
Ganslwirts.
Hat
es
Verständnis-
schwierigkeiten gegeben, die meist auf die Wirkung der konsumierten Substanzen
zurückzuführen gewesen sind, hat der Interviewer erklärend gewirkt. Selten musste der
Forscher die Fragen vorlesen, weil die befragte Person zu beeinträchtigt zum Lesen
gewesen ist. Die Befragung hat voll standardisiert stattgefunden. Das bezieht sich
sowohl auf die Reihenfolge der Fragen, als auch auf die Antwortmöglichkeiten und die
Formulierung der Fragen.
Die Fragen sind weitgehend durch das Ankreuzen der zutreffenden Antwort zu
beantworten gewesen. Die Charakterisierung der Antwortoptionen erfolgte nach
Häufigkeit, wie z.B. „täglich – mehrmals täglich – einmal pro Woche – mehrmals pro
38
Woche – mehrmals pro Monat – nie“. Die Kategorisierung ist somit sechsstufig erfolgt
und ist verbal etikettiert worden. Außerdem ist bei bei den Fragen nach den Gründen
die Intensität durch eine Ratingskala von 0 bis 10 abgefragt worden: „0 = gar nicht, 10
= trifft zu“. Ein Feld mit „Sonstiges“ und „Andere“ hat es als Ergänzung zu
Antwortmöglichkeiten gegeben.
6.2 Ethische Bewertung der Forschungsfrage
Die ethische Bewertung der Forschungsfrage bedarf einer eigenen kritischen
Betrachtung. Es geht dabei um die Balance zwischen wissenschaftlichem Fortschritt
und der Achtung der Menschenwürde. Speziell in humanwissenschaftlichen Disziplinen
stellt diese Fragestellung ein besonderes Problem dar. (vgl. Raab-Steiner/ Benesch
2012: 40)
So betreffen auch die Themen dieser wissenschaftlichen Arbeit weitgehend den
privaten Bereich der StudienteilnehmerInnen. Die Privatsphäre muss von den
Forschenden unbedingt respektiert werden. Grundsätzlich ist der Schutz des Privaten
auch in der österreichischen Gesetzgebung festgeschrieben. Um diesen Vorsatz
gerecht zu werden, ist im Vorhinein große Sorgfalt über die Aufklärung des Zieles
dieser Untersuchung gelegt worden. Das hat auch die Zusicherung der Anonymität
inkludiert, genauso wie die Freiwilligkeit der Teilnahme betont worden ist. Außerdem ist
auf dem Fragebogen die Absicht der Forschung, in der Anrede und der Instruktion,
inkludiert gewesen. Einzig zur aufrichtigen Beantwortung der Fragen ist aufgefordert
worden, wobei frei gestellt wurde, eventuell unangenehme Bereiche einfach
auszulassen. Dies sind Fragestellungen gewesen, die sehr intime Bereiche betreffen,
wie zu Benzodiazepinkonsum und Prostitution. Für die Teilnahme an der Erhebung ist
sowohl Dank ausgesprochen worden, als auch das Angebot eines Essens und eines
Kaffees hat bestanden. Bei letzterem ist die Einrichtung, in der die Erhebung
stattgefunden hat, sehr hilfreich gewesen.
6.3 Beschreibung des Fragebogens
Der Fragebogen umfasst 85 Variablen und ist in drei Teile gegliedert.

Konsummuster

Gründe für den Benzodiazepinkonsum

Sozialstatistik/ Sozialdemographie
39
Im ersten Teil des Fragebogens ist nach Konsummustern gefragt worden. Das
bedeutet Fragen nach der konsumierten Menge und Art der Benzodiazepine, dem
Ursprung der Substanz, der Konsumform, nach dem Alter beim ersten Konsum von
Benzodiazepinen, den unterschiedlichen Konsumorten und der Kombinationen mit
anderen Substanzen (es ist nur nach Alkohol und Opiaten gefragt worden). Außerdem
konnten von den TeilnehmerInnen Angaben zum Straßenpreis machen und es sind
genaue Informationen zum Alter beim ersten intravenösen Konsum allgemein und zum
Alter vom ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen im Speziellen erhoben
worden. In dieser Hinsicht ist auch Teil des Erhebungsinstruments gewesen, Fragen zu
Safer- Use Maßnahmen zu beantworten. So ist nach der Verwendung von frischen
Kolben und Nadeln, sowie Aufkochgefäßen, sterilen Filtern und sterilem Wasser
gefragt worden. Die Fragen sind weitgehend durch das Ankreuzen der zutreffenden
Antwort zu beantworten gewesen.
Im zweiten Teil des Fragebogens ist nach den aktuellen Gründen für den
Benzodiazepinkonsum gefragt worden. Diese sind nach dem biopsychosozialen
Paradigma der Klinischen Sozialen Arbeit unterteilt. Das heißt es sind Fragen nach
körperlichen, seelischen und sozialen Ursachen zu finden. Zur subjektiven Beurteilung
der Konsumursachen von Benzodiazepin ist jeweils eine numerische Ratingskala von 0
bis 10 zur Verfügung gestanden, wobei 0= gar nicht und 10= trifft zu bedeutet hat.
Der letzte und dritte Teil umfasst die Fragen zur Sozialstatistik. Das beinhaltet die
Fragen nach Geschlecht, Alter, Familienstand, höchsten Schulabschluss, Berufsstand,
Einkommen und Lebensort.
Die exakten Fragen und die Antwortmöglichkeiten sind am Beginn jedes Abschnittes in
der Auswertung zu finden oder im Anhang dieser Arbeit. Dort ist der komplette
Fragebogen beigefügt.
6.4 Interviewsituation
Für
die
Beantwortung
der
Forschungsfrage
dieser
Arbeit
sind
nur
zwei
niederschwellige Einrichtungen in Betracht gekommen, die bei der Veröffentlichung der
Arbeit bereits nicht mehr existiert haben: das TaBeNo und der Ganslwirt. Beide
Einrichtungen werden von einer sehr ähnlichen KlientInnengruppe frequentiert. Die
Entscheidung, die Erhebung im Tageszentrum des Ganslwirts durchzuführen, ist zum
einen wegen der bestehenden Erfahrung durch die Arbeitspraxis als Sozialarbeiter zu
begründen. Zum anderen hat sich das Tageszentrum als idealer Ort herausgestellt, um
TeilnehmerInnen für die Studie zu finden. Während der Erhebungsphase haben sich
40
teilweise über 100 Personen pro Tag in den Räumlichkeiten aufgehalten, wovon ein
gewisser Anteil zu der Zielgruppe der Forschungsarbeit gehört hat.
Die Bereitschaft zur Teilnahme der in der Drogenberatungstelle anwesenden Personen
ist sehr groß gewesen, wodurch der angepeilte Stichprobenumfang von n=100
Personen innerhalb von elf Tagen im Feld erreicht worden ist. Die Interviews sind
entweder direkt im Tageszentrum, oder in einem der zwei Büros der Einrichtung
durchgeführt worden. Manche StudienteilnehmerInnen wollten das Ausfüllen der
Fragebögen alleine durchführen.
Andere haben um
Hilfe beim Lesen der
Fragestellungen gebeten. Die Ursachen dafür sind sowohl mangelnde Sprachkenntnis,
als auch schwerwiegende Sedierung gewesen. Je nachdem in welchem Zustand die
befragte Person gewesen ist, oder in welchem Ausmaß das Bedürfnis nach einem
Gespräch vorhanden gewesen ist, haben sich starke Schwankungen in der
Interviewdauer ergeben. Es sind Zeiten von zehn Minuten bis hin zu einer Stunde
registriert worden, wobei ein Interview im Durchschnitt 15 Minuten in Anspruch
genommen hat. Nur in seltenen Fällen ist das Ausfüllen des Fragebogens
abgebrochen worden. Schlechte Erfahrung sind hingegen mit der Mitgabe der
Fragebögen gemacht worden. Von den zehn Exemplaren, die KlientInnen mitgegeben
worden sind, ist kein Einziges wieder zu dem Forscher zurückgekehrt.
Die Befragungen im Tageszentrum haben meist im Sitzen an den Tischen im
Aufenthaltsbereich oder im Stehen an den hohen Tischen im Raucherbereich
stattgefunden. Dabei ist die Erhebung meist 1:1 durchführt worden, das heißt auf einen
Forscher ist eine KlientIn getroffen. In seltenen Fällen ist das Verhältnis 1:2 gewesen,
wenn zum Beispiel ein Pärchen befragt worden ist und sie zeitgleich den Fragebogen
ausfüllen wollten. Die Aufgabe des Forscher ist dann darin bestanden ein Abschweifen
zu vermeiden und eine gegenseitige Einflussnahme auf die Antworten zu verhindern.
Das Tageszentrum im Ganslwirt ist mit einer Theke ausgestattet gewesen, an der
Essen,Tee und Kaffee ausgegeben worden sind. Dies wurde an den umliegenden
Tischen konsumiert, wobei auch selbst mitgebrachte Speisen und nicht alkoholische
Getränke erlaubt waren. Zum Zeitpunkt der Erhebung ist es nur in einem speziell
gekennzeichneten Bereich, im hinteren Teil des Tageszentrums, erlaubt gewesen,
Zigaretten zu rauchen.
Trotz eines gut besuchten Tageszentrums ist es in den meisten Fällen möglich
gewesen, die Erhebung mit der befragten Person alleine durchzuführen. Ist das nicht
der Fall gewesen und wurde eine weitere Person als Störung empfunden, ist sie
gebeten worden, das Interview nicht zu unterbrechen. Das hat immer Wirkung gezeigt.
Im Ganslwirt ist eigentlich immer ein großer Geräuschpegel zu bemerken gewesen.
Durch die vielen anwesenden Menschen und die meist auch laufende Musik kann die
41
Stimmung als unruhig beschrieben werden. Bedacht werden muss auch, dass in dem
Tageszentrum ein ständiges Kommen und Gehen geherrscht hat. All diese Faktoren
stellten aber keine gröbere Störung dar. Insgesamt war der Ort ideal für die Erhebung,
da durch die Präsenz in dem Aufenthaltsbereich die Aufmerksamkeit der KlientInnen
auf die Forschungsarbeit gelenkt worden ist und so viele Menschen für das Projekt
gewonnen werden konnten.
Sollte sich in einigen, wenigen Situationen herausstellen, dass das Tageszentrum nicht
der geeignete Ort für die Befragung war, konnte auf eines der Büros ausgewichen
werden. Die Atmosphäre dieser Räumlichkeiten war wesentlich entspannter. Die
TeilnehmerInnen, die diese Ruhe benötigten, forderten sie auch selber ein.
Beim Ausfüllen des Fragebogens sind nur wenige geschlechtsspezifische Themen zum
Tragen gekommen. Da sich in der niederschwelligen Drogenarbeit generell weniger
Frauen als Männer finden, ist der Forscher offensiver auf Personen des weiblichen
Geschlechts zugegangen. Das hat das Ziel gehabt, zumindest einen Frauenanteil von
20% zu bekommen, um ein gewisses Maß an Aussagekraft zu erreichen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die meisten Personen auf den
Fragebogen sehr positiv und interessiert reagiert haben. Nur die Fragen nach der
Ursache der blauen Lippen in Zusammenhang mit dem Benzodiazepinkonsum und
nach der Prostitutionstätigkeit löste Verwunderung, Abscheu und Verwirrung aus.
6.5 Stichprobenbeschreibung
Die Basis für die empirische Untersuchung ist die Stichprobe von 100 Personen im
Alter von 18 bis 55 Jahren. Davon leben die meisten in einer eigenen Wohnung. Bei
der Auswahl der befragten Personen ist nach vorhandenem Benzodiazepinkonsum
und nach Sprachkenntnis selektiert worden. Hat das zugetroffen, ist jede KlientIn im
Tageszentrum befragt worden. Das durchschnittliche Alter ist 31 Jahre. In der jüngeren
Altersgruppe zwischen 18 und 28 finden sich fast genau so viele Personen wie in der
älteren Gruppe der 29 bis 55- Jährigen.
So hat sich die Stichprobe aus 77 Männern (77%) und 23 Frauen (23%)
zusammengesetzt. Die Differenz kann sich durch „versteckte Wohnungslosigkeit“ bei
Frauen und einer höheren Risikobereitschaft bei Männern erklärt werden, was auch
Auswirkungen auf das Konsumverhalten hat. Männer sind so in niederschwelligen
Drogenberatungsstellen häufiger anzutreffen als Frauen.
Der Anteil an Frauen in dieser Studie ist repräsentativ für den Ganslwirt. Im Jahr 2011
sind 27% der betreuten Personen Frauen gewesen. Nimmt man die Gesamtzahl der
42
namentlich bekannten KlientInnen, nämlich 727 Personen, dann ist bei dieser
Erhebung fast ein Siebentel erfasst worden. (vgl. Suchthilfe Wien gGsmbH 2012: 9)
Aus internen Daten der Suchthilfe Wien gGsmbH geht hervor, dass mindestens 67%
der betreuten KlientInnen Benzodiazepine konsumieren (von n=623), wobei bei vielen
Personen nicht dokumentiert ist, ob Vertreter dieser Substanzgruppe eingenommen
werden. Diese Daten sind für den Zeitraum 2011/12 gültig.4
Die meisten StudienteilnehmerInnen sind ledig, nämlich 65%, gefolgt von verheirateten
Personen bzw. von Personen in Lebensgemeinschaft. 21% fühlen sich dieser Gruppe
zugehörig.
Geschieden
oder
getrennt
lebend
sind
elf
Personen
und
drei
TeilnehmerInnen haben „verwitwet“ angegeben.
Das Bildungsniveau der Probanden der Stichprobe ist eher gering, was aber durchaus
den Bereich der niederschwelligen Drogenarbeit abbildet. 4% haben keinen
Schulabschluss und 44% haben die Pflichtschule abgeschlossen. Eine Lehre oder eine
berufsbildende Schule haben 43% der TeilnehmerInnen fertig gemacht. Neun
Personen, das sind 9% der Stichprobe, haben Matura oder höheres.
Die meisten befragten Personen sind zum Zeitpunkt der Befragung arbeitssuchend
gewesen, nämlich 70%. Eine relativ hohe Anzahl ist bereits in Pension, nämlich 17%,
gefolgt von 7%, die voll berufstätig sind. Des weiteren sind 2% Teilzeit beschäftigt, 3%
sind geringfügig beschäftigt und eine Person hat keine Angabe zum Erwerbsstatus
gemacht.
Das monatliche Einkommen der meisten Personen, das sind 67%, liegt bei bis zu 752€
(Mindestsicherungsrichtsatz
2011)
und
damit
unter
dem
aktuellen
Mindestsicherungsrichtsatz von 773€. 25% der StudienteilnehmerInnen haben
angegeben, dass sie zwischen 753€ und 1000€ pro Monat an Einkommen zur
Verfügung haben. Der Rest, das sind 5%, bekommt über 1000€ oder hat keine Angabe
(3%) zum Einkommen gemacht.
Mehr als die Hälfte der befragten Personen ist nicht in einer eigenen Wohnung zu
Hause. 38% geben an in einer eigenen Wohnung zu leben. 27% haben angegeben
wohnungslos und somit
auf der Straße oder im Notquartier zu sein. Relativ viele
haben die Kategorie „Sonstiges“ gewählt. Diese 15% haben auf Nachfrage Orte wie die
Wohnung von Verwandten oder Freunden gemeint, oder sie halten sich in einem Hotel
auf. Damit entfallen die restlichen Angaben mit 8% auf Bekannte und mit 1% auf einen
Dauerwohnplatz.
4
Es kann hier keine Literaturangabe gemacht werden, da es sich um Daten aus der internen
Dokumentation handelt, die dankenswerterweise zur Verfügung gestellt worden sind.
43
Stichprobenmerkmale
Absolut
%
Männlich
77
77
Weiblich
23
23
18-28
48
48
29-55
52
52
Ledig
65
65
Verheiratet/ Lebensgemeinschaft
21
21
geschieden/getrennt lebend
11
11
verwitwet
3
3
kein Pflichtschulabschluss
4
4
Pflichtschule abgeschlossen
44
44
Lehre/ Berufsbildende Schule
43
43
Matura oder höheres
9
9
voll berufstätig
7
7
teilzeitbeschäftigt
2
2
geringfügig
3
3
arbeitssuchend
70
70
in Pension
17
17
fehlend
1
1
bis zu 752 €
67
67
zwischen 753-1000 €
25
25
über 1000 €
5
5
fehlend
3
3
Eigene Wohnung
38
38
Dauerwohnplatz
1
1
Übergangswohnheim/Betr. Wohnen
11
11
Notquartier/ Straße
27
27
Bekannte
8
8
Sonstige
15
15
N = 100
100
100
Geschlecht
Altersgruppen
Familienstand
Höchster Bildungsabschluss
Erwerbsstatus
Einkommen
Wohnsituation
Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung
44
7 Datenauswertung
Im Folgenden wird die Analyse der erhobenen Daten im Bezug zur Literatur und den
Begriffsbestimmungen dargestellt, wie sie in den Kapiteln 3 bis 5 behandelt worden ist.
Es
wird
dabei
auf
die
Bereiche
Konsummuster
und
Ursachen
des
Benzodiazepinkonsums eingegangen.
7.1 Konsummuster von Benzodiazepinen
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Fragen zu den Konsummustern von
Benzodiazepinen geklärt werden. Dafür werden die Ergebnisse auch graphisch
dargestellt. Zuerst wird auf die Fragen eingegangen, woher und unter welchen
Bedingungen die KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit Benzodiazepine
beziehen. Anschließend soll gezeigt werde, welche Benzodiazepine konsumiert
werden und wie oft. Bei dieser Gelegenheit wird auch überprüft, ob dabei definierte
Grenzmengen überschritten werden. Daraufhin werden die Konsumformen aufgelistet
und nach der Dauer der risikoreichsten Konsumform, des intravenösen Konsums,
gefragt. In dieser Hinsicht ist auch relevant, ob es Safer- Use Gespräche zwischen
KlientInnen und SozialarbeiterInnen oder ÄrztInnen gegeben hat. So wird auch geklärt,
ob und wie die verfügbaren Konsumutensilien verwendet werden. Unter welchen
Bedingungen der Konsum stattfindet, ist auch maßgeblich von der Örtlichkeit bestimmt.
Schlussendlich
wird
die
Frage
beantwortet,
mit
welchen
Substanzen
die
Benzodiazepine häufig kombiniert werden.
7.1.1 Bezugsquellen der Benzodiazepine
Um die Bezugsquellen der Benzodiazepine zu erfassen, ist folgende Frage gestellt
worden: „Woher beziehen Sie ihre Benzodiazepine (Mehrfachnennung möglich)?“ Die
Antwortmöglichkeiten sind gewesen: „von meinem/meiner Arzt/ ÄrztIn“, „von mehreren
Ärzten/ÄrztInnen“, „Straße/Szene“, „Freunde“, „Bekannte“, „Familie“ und „Sonstiges“.
Für die bessere Lesbarkeit wurde in der Grafik die Formulierung ÄrztIn und ÄrztInnen
gewählt. Jede Kategorie ist eine eigene Frage, die durch Ankreuzen mit „ja“
beantwortet werden konnte.
45
Abbildung 1: Bezugsquellen der Benzodiazepine, jede Kategorie entspricht dem Anteil
von
n=100
90,00%
81,00%
80,00%
70,00%
60,00%
54,00%
50,00%
40,00%
28,00%
30,00%
24,00%
20,00%
12,00%
10,00%
4,00%
2,00%
m
ilie
Fa
tig
n
So
n
Är
zt
In
es
n
ne
e
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an
Be
k
Fr
eu
nd
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ze
n
ße
Vo
n
m
eh
re
re
St
ra
Vo
n
m
ei
ne
rÄ
rz
tIn
0,00%
Das Diagramm veranschaulicht die Bezugsquellen der Benzodiazepine bei den
KlientInnen des Ganslwirts. Bei der Erhebung sind Mehrfachantworten möglich
gewesen, die Prozentzahl bezieht sich auf die Anzahl der Personen die zu der
entsprechenden Kategorie mit „Ja“ geantwortet haben (n=100). Wie in der Literatur
beschrieben, werden Benzodiazepine sehr oft vom Arzt oder der Ärztin verschrieben.
81% der Personen haben angegeben, ihre Medikamente von dort zu beziehen. Zwölf
Prozent haben außerdem geantwortet, dass sie mehrere ÄrztInnen in Anspruch
nehmen. Die Straße oder die Szene ist eine wichtige Quelle von Benzodiazepinen:
54% der DrogenkonsumentInnen kaufen die Substanz auf der Straße. Persönliche
soziale Kontakte sind als nächstes gereiht: Freunde, mit 28% und Bekannte, mit 24%,
tragen zur Versorgung mit dem Medikament bei. Nur zwei Prozent beziehen
Benzodiazepine über die Familie und vier von einer anderen Quelle (Sonstiges).
Um herauszufinden wie die DrogenkonsumentInnen ihre Versorgung sichern, ist
zusätzlich gefragt worden, ob die Benzodiazepine per Rezept verschrieben werden.
46
7.1.2 Verschreibungen per Rezept
Zum Verständnis der Relevanz der Szene ist zusätzlich diese Frage gestellt worden:
„Beziehen Sie Benzodiazepine über ein Rezept/ bekommen Sie die Medikamente
verschrieben?“ Es sind die Kategorien „ ja“, „nein“, „teilweise“ zur Beantwortung
verfügbar gewesen. So soll sichtbar gemacht werden, dass zwar ÄrztInnen zur
Versorgung mit Benzodiazepinen eine wichtige Rolle spielen, es aber noch andere,
informelle Wege zu den Tranquilizern gibt.
Abbildung 2: Anteile der Verschreibung per Rezept, n=100
50%
46,00%
43,00%
40%
30%
20%
11,00%
10%
0%
ja
nein
teilweise
Hier zeigt sich, dass 43% ihre Benzodiazepine über Rezept beziehen. Weitere 46%
versorgen sich zusätzlich über andere Quellen, auch wenn sie die Medikamente
verschrieben bekommen. 11% haben angegeben über kein Rezept zu verfügen, das
heißt sie beziehen die Droge ausschließlich außerhalb des Gesundheitssystems.
Bei jenen Personen, die auf der Straße kaufen, kommt es zu einem erheblichen
finanziellen Aufwand. 54% der StudienteilnehmerInnen kaufen die Medikamente
zumindest zeitweise auf der Straße. Im folgenden soll die Frage geklärt werden,
welcher Preise im Durchschnitt für einen Streifen gezahlt wird.
7.1.3 Straßenpreise
Die Straßenpreise für Benzodiazepine sind durch die Frage „Falls Sie auf der Straße
kaufen, was ist der übliche Preis für einen Streifen (im Durchschnitt)?“ ermittelt worden.
Zur Beantwortung ist ein offenes Antwortformat vorgegeben gewesen. Ein Streifen
beinhaltet bei allen in dieser Arbeit behandelten Medikamenten zehn Tabletten.
47
Abbildung 3: Preis pro Streifen auf der Straße,
n=91
60,00%
49,00%
50,00%
40,00%
30,00%
18,00%
16,00%
20,00%
8,00%
10,00%
0,00%
bis zu 10€
über 10€ bis 13€ über 13€ bis 15€
über 15€
Im Durchschnitt wird ein Streifen Benzodiazepine in der Szene um 13,74€ gehandelt.
Die Standardabweichung beträgt 2,64€. Der Wert 15€ ist am häufigsten genannt
worden, 47 Personen kaufen um diesen Preis. 8% der Personen haben angegeben, für
zehn Tabletten über 15€ zu bezahlen. 16% zahlen bis zu 10€. Weitere 18% zahlen
mehr als 10€ und bis zu 13€. Insgesamt haben 91 StudienteilnehmerInnen einen Preis
genannt.
Um genauere Angaben zu den einzelnen Medikamenten zu bekommen, hätte die
Frage anders gestellt werden müssen. In diesem Fall ist nicht zwischen den
Präparaten differenziert worden.
7.1.4 Konsumierte Arten und Mengen von Benzodiazepinen
Da es viele verschiedene Präparate auf dem Markt gibt, ist es wichtig gewesen durch
die folgende Frage die konsumierten Benzodiazepine zu spezifizieren: „Um welches
Benzodiazepin handelt es sich genau und wie viel konsumieren Sie auf einmal
(Mehrfachnennung möglich)?“ Am Fragebogen sind vier Medikamente und eine offene
Kategorie aufgelistet gewesen: „Somnubene®“, „Praxiten®“, „Rohypnol®“, „Anxiolit®“
und „Andere“. Neben dem Benzodiazepin konnte die konsumierte Anzahl eingetragen
werden.
Um
die
Häufigkeit
des
Konsums
festzustellen
sind
jeweils
die
Antwortmöglichkeiten „täglich“, „mehrmals täglich“, „einmal pro Woche“, „mehrmals pro
Woche“, „mehrmals pro Monat“, und „nie“ zur Auswahl gestanden. Für die Analyse sind
sowohl die Kategorien „täglich“ und „mehrmals täglich“ zu „zumindest 1x täglich“, als
auch „einmal pro Woche“ und „mehrmals pro Woche“ zu „zumindest 1x Woche“
zusammengefasst worden.
48
Abbildung 4: Konsumierte Benzodiazepine - Medikamente, jede Kategorie jeweils
n=100
80,00%
74,00%
70,00%
60,00%
60,00%
50,00%
40,00%
31,30%
28,00%
30,00%
15,00%
20,00%
10,00%
e
er
no
yp
R
oh
An
d
l®
t®
ly
An
xio
n®
xit
e
Pr
a
So
m
nu
be
ne
®
0,00%
Bei der Frage nach den konsumierten Benzodiazepinen sind Mehrfachnennungen
möglich gewesen. So sind entspricht der jeweilige Prozentwert dem Anteil von n=100.
Von den KlientInnen des Ganslwirts werden am häufigsten schnell anflutende
Medikamente, wie Somnubene® konsumiert. 74% haben angegeben dieses Präparat,
dass den Wirkstoff Flunitrazepam enthält, zu konsumieren. Außerdem häufig vertreten
ist das Medikament mit dem Handelsnamen Praxiten®, das den Wirkstoff Oxazepam
enthält. 57% konsumieren diese Art von Benzodiazepin. Den gleichen Wirkstoff enthält
auch das Medikament Anxiolyt®, welches von 31% genannt worden ist. Rohypnol®,
ein weiteres flunitrazepamhältiges Medikament, wird von 27% konsumiert. Auf andere
Substanzen in der Gruppe der Benzodiazepine entfallen 15%.
Durch die gewählten Fragestellungen bei der Erhebung, sind im folgenden nur
Aussagen darüber möglich, wie oft die Benzodiazepine der jeweiligen Kategorie auf
einmal konsumiert werden.
49
Abbildung 5: Häufigkeit des Somnubene® - Konsums,
n=74
45,00%
40,00%
40,00%
35,00%
30,00%
26,00%
25,00%
22,00%
20,00%
15,00%
12,00%
10,00%
5,00%
0,00%
zumindest 1x
täglich
zumindest 1x
Woche
mehrmals pro
Monat
nie
40% der befragten Personen (n=74) konsumieren Somnubene® täglich oder mehrmals
täglich. Mehrmals pro Woche oder zumindest einmal pro Woche ist von insgesamt 22
Personen, das sind gleichzeitig 22 % der StudienteilnehmerInnen, besagtes
Medikament eingenommen worden. Die restlichen 12% nehmen es mehrmals pro
Monat. 26% der BenzodiazepinkonsumentInnen greifen „nie“ auf Somnubene® zurück.
Zur Darstellung der bei einem Konsumvorgang eingenommenen Menge wird folgendes
Diagramm herangezogen, wobei n=73 zu berücksichtigen ist. Die Kategorien in der
Grafik sind entsprechen der Quartilsabstände geordnet.
Abbildung 6: Wie viel Somnubene® auf einmal,
n=73
35,0%
30,0%
30,1%
26,0%
23,3%
25,0%
20,5%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
1 bis 3 Stück
4 bis 5 Stück
50
7 bis 10 Stück
12 bis 50 Stück
Das erste Quartil beschriebt die Kategorie „1 bis 3 Stück“. Diese Menge wird auf von
30,1% der Gruppe auf einmal konsumiert. Weitere 23,3% konsumieren vier bis fünf
Stück auf einmal. „7 bis 10 Stück“ konsumieren 26%, diese Gruppe ist teilweise schon
über der medizinisch definierten Tagesdosis (bis zu 7 Stück Somnubene® über den
Tag verteilt), wie aus der nächsten Auswertung und Darstellung ersichtlich wird. Die
restlichen 20,5% entfallen auf die Personen, die „12 bis 50 Stück“ der Tabletten
Somnubene® konsumieren.
Abbildung 7: Überprüfung der Einhaltung der Grenzmenge bei Somnubene®,
n=73
80,0%
Somnubene® - innerhalb der
Tagesdosis
Somnubene® - Tagesdosis
überschritten
67,5%
70,0%
60,0%
50,0%
39,4%
40,0%
39,4%
30,0%
21,2%
20,0%
20,0%
12,5%
10,0%
0,0%
zumindest 1x täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro Monat
Wie schon in der Beschreibung der Benzodiazepine erwähnt, liegt die TagesHöchstdosis von Somnubene® bzw. Rohypnol® bei 7 Stück pro Tag. n=73 Personen
sind
in
der
Gruppe
der
Somnubene®-
KonsumentInnen.
Davon
sind
40
StudienteilnehmerInnen innerhalb der definierten Tagesdosis und 33 Personen haben
Angaben über der Grenzmenge gemacht. Wie auch in der Grafik ersichtlich wird, ist die
Dosis beim Medikament Somnubene® in 39,4% der Fällen „zumindest einmal täglich“
und 39,4% der Fälle „zumindest einmal pro Woche“ überschritten. Außerdem ist bei
21,2% „mehrmals pro Monat“ die empfohlene Grenzmenge überschritten. Innerhalb der
Tagesdosis sind 67,5% „zumindest einmal täglich“ und 20% „zumindest einmal pro
Woche“. Die restlichen 12,5% sind „mehrmals pro Monat“ im Rahmen der
medizinischen Empfehlung.
Es lässt sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des
Konsums und der Häufigkeit der Tagesdosisüberschreitung feststellen. Der ChiQuadrat- Test ist mit einem p-Wert von 0,055 nicht signifikant (0 Zellen haben eine
51
erwartete Häufigkeit kleiner als 5). Von diesen Daten sind nur für Somnubene® alleine
gültig, der zusätzliche Konsum von anderen Benzodiazepinen ist nicht berücksichtigt.
Abbildung 8: Häufigkeit des Praxiten®- Konsums,
n=60
45,0%
41,0%
40,0%
40,0%
35,0%
30,0%
25,0%
20,0%
15,0%
11,0%
8,0%
10,0%
5,0%
0,0%
zumindest 1x
täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro
Monat
nie
In dieser Gruppe (n=60) konsumieren 41% der befragten Personen Praxiten® täglich
oder mehrmals täglich. 8% der StudienteilnehmerInnen nehmen das selbe Präparat
zumindest einmal pro Woche oder öfter. 11% haben angegeben, dass sie das
oxazepamhältige Medikament „mehrmals pro Monat“ konsumieren. Von 40% ist die
Frage nach der Häufigkeit des Praxiten®- Konsums negativ beantwortet worden.
Abbildung 9: Wie viel Praxiten® auf einmal,
n=57
40,0%
35,0%
35,1%
30,0%
24,6%
25,0%
21,1%
19,3%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
1 bis 3 Stück
4 Stück
5 bis 9 Stück
52
10 bis 35 Stück
Bei der Anzahl der konsumierten Stückzahl von Praxiten® sind für die Darstellung die
Kategorien nach den Quartilen geordnet worden. Die Stichprobe umfasst 57 Personen
(n=57). So sind in der Kategorie „1 bis 3 Stück“ 35,1% zu finden. „4 Stück“ werden von
21,1% und „5 bis 9 Stück“ von 19,3% konsumiert. Das letzte Quartil, das sind 24,6%,
konsumieren „10 bis 35“ Stück auf einmal. Im Anschluss wird hinsichtlich der
konsumierten Anzahl von Praxiten® die Überschreitungen der maximalen Tagesdosis
analysiert.
Abbildung 10: Überprüfung der Einhaltung der Grenzmenge bei Praxiten®,
n=57
90,0%
80,0%
80,0%
Praxiten® - innerhalb der
Tagesdosis
Praxiten® - Tagesdosis
überschritten
70,0%
60,0%
52,9%
50,0%
40,0%
29,4%
30,0%
20,0%
15,0%
10,0%
17,6%
5,0%
0,0%
zumindest 1x täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro Monat
Von den 57 Personen, die Angaben zur Häufigkeit des Praxiten®- Konsums gemacht
haben, sind 52,9% täglich über der maximalen Tagesdosis. Weitere 29,4% sind
„zumindest einmal pro Woche“ und 17,6% „mehrmals pro Monat“ über der
empfohlenen Stückzahl. Außer bei der Kategorie „zumindest einmal täglich“, bei der
80% der Personen innerhalb der Tagesdosis sind, liegen die Werte immer unterhalb
des Wertes für „Tagesdosis überschritten“. So sind 5% „zumindest einmal pro Woche“
und 15% „mehrmals pro Monat“ bei der konsumierten Menge innerhalb der
empfohlenen,
maximalen
Tagesdosis.
Es
lässt
sich
aber
kein
signifikanter
Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Konsums und der konsumierten Menge
feststellen, da die Zellenbesetzung bei der Berechnung zu gering gewesen ist.
Trotzdem kann anhand der Ergebnisse und der Darstellung angenommen werden,
dass auch hier die Personen, die seltener konsumieren, häufiger über der empfohlenen
Tagesgrenzmenge sind.
53
7.1.5 Konsumformen
Bei der Frage nach den Konsumformen hat es vier Kategorien gegeben: „Oral
schlucken“, „Oral lutschen“, „Intravenös“ und „Nasal“. Der Stichprobenumfang bei jeder
Konsumart
beträgt
n=100.
Es
sind
jeweils
sechs
zeitlich
differenzierbare
Antwortmöglichkeiten zur Auswahl gestanden. Dabei sind die Kategorien in sechs
Abstufungen angegeben worden: „täglich“, „mehrmals täglich“, „einmal pro Woche“,
„mehrmals pro Woche“, „mehrmals pro Monat“ und „nie“. Genau wie bei Punkt 7.1.4
sind die Kategorien zur Analyse nachträglich zusammengefasst worden.
Abbildung 11: Häufigkeit des oralen Konsums,
n=100
70,0%
60,0%
59,6%
50,0%
40,0%
30,0%
23,2%
20,0%
11,1%
6,1%
10,0%
0,0%
zumindest 1x
täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro
Monat
nie
Benzodiazepine werden am häufigsten Oral geschluckt, 76,8% konsumieren auf diese
Weise. 48,5% der StudienteilnehmerInnen schlucken täglich und 11% mehrmals
täglich die Medikamente. Einmal oder mehrmals pro Woche sind es insgesamt 11%.
Eher selten wird von 6,1% der Personen Oral konsumiert, nämlich „mehrmals pro
Monat“. Die restlichen 23,2% praktizieren diese Konsumart „nie“.
54
Abbildung 12: Häufigkeit des oralen Konsums - lutschen,
n=100
60,0%
50,5%
50,0%
40,0%
30,0%
27,3%
17,2%
20,0%
10,0%
5,1%
0,0%
zumindest 1x
täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro
Monat
nie
Fast die Hälfte aller Personen (n=100), nämlich 49,5%, konsumieren indem sie die
Tablette im im Mund behalten oder lutschen, das machen 27,3% täglich. Weitere
17,2% konsumieren, indem sie den Wirkstoff über die Mundschleimhaut aufnehmen,
einmal oder mehrmals pro Woche. Die restlichen 5,1% konsumieren so mehrmals pro
Monat, eine Person hat keine Angabe gemacht. 50,5% verwenden diese Konsumart
„nie“. Reiht man die Konsumformen nach ihrer Häufigkeit, ist an dritter Stelle der
Abbildung 13: Häufigkeit des intravenösen Konsums,
n=100
100,0%
86,9%
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
4,0%
4,0%
5,1%
zumindest 1x
zumindest 1x pro
mehrmals pro
Monat
0,0%
intravenöse täglich
Konsum von Benzodiazepinen.
Woche
nie
Insgesamt 13,1% haben angegeben, intravenös Benzodiazepine zu konsumieren. Vier
Personen (4%) konsumieren täglich intravenös. Weitere vier StudienteilnehmerInnen
55
(4%) haben angegeben, die Tabletten zumindest einmal pro Woche aufzulösen und
intravenöse zu applizieren. 5,1% wählen diese Form der Aufnahme mehrmals pro
Monat und 86,9% der befragten Personen haben angegeben, nie intravenös
Benzodiazepine zu konsumieren. Alle Angaben für die Konsumformen sind auf den
Moment bezogen gewesen. Eine Person hat keine Kategorie gewählt.
Abschließend ist auch nach dem nasalen Konsum von Benzodiazepinen gefragt
worden. Dieser spielt aber nur eine marginal Rolle und steht bei der Häufigkeit der
Nennungen an letzter Stelle.
Abbildung 14: Häufigkeit des nasalen Konsums,
n=100
100,0%
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
94,0%
3,0%
2,0%
1,0%
zumindest 1x
täglich
zumindest 1x pro
Woche
mehrmals pro
Monat
nie
Die weitaus weniger schädliche Konsumform der nasalen Applikation wird nur von 6%
aller befragten Personen angewandt. 3% Prozent der DrogenkonsumentInnen wenden
diese Form täglich an, gefolgt von 2% die dies mehrmals pro Woche tun. „Mehrmals im
Monat“ hat eine Person (1%) angegeben. 94% wenden diese Konsumart „nie“ an.
7.1.6 Alter beim erstem Benzodiazepinkonsum
Zur Bestimmung des Alters beim ersten Benzodiazepinkonsum ist die Frage „Wann
haben Sie zum ersten Mal Benzodiazepine konsumiert?“ gestellt worden. Zur
Beantwortung ist ein offenes Format verwendet worden. Bei der folgenden Grafik sind
zur Darstellung die Quartilsabstände abgebildet.
56
Abbildung 15: Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum,
n=99
35,0%
32,3%
30,0%
26,3%
25,0%
21,2%
20,2%
19 bis 22 Jahre
23 bis 48 Jahre
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
7 bis 15 Jahre
16 bis 18 Jahre
Das durchschnittliche Alter von n=99 Personen beim ersten Benzodiazepinkonsum ist
19,17 (Standardabweichung 6,43). Außerdem kann gezeigt werden, dass die Frauen
beim ersten Konsum von Benzodiazepinen im Durchschnitt zwei Jahre jünger sind als
Männer.
Bei
den
76
Männern
liegt
der
Mittelwert
bei
19,63
Jahren
(Standardabweichung: 6,8) und bei den 23 Frauen ist der Altersdurchschnitt 17,65
Jahre (Standardabweichung: 4,8). Dieser Unterschied ist mit dem U-Test auf
Signifikanz getestet worden. Da der p-Wert 0,511 beträgt muss die Nullhypothese
beibehalten werden, der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist nicht
aussagekräftig. Die Irrtumswahrscheinlichkeit ist zu groß. Dieses Testergebnis ist unter
anderem auf den geringen Frauenanteil in der Stichprobe zurückzuführen.
In der Gruppe „7 bis 15 Jahre“ finden sich 32,3% der Stichprobe. An zweiter Stelle
findet sich das Quartil „16 bis 18 Jahre“, welches 26,3% ausmacht. Zwischen dem 19
bis zum 22 Lebensjahr konsumieren 21,2% der KlientInnen das erste Mal
Benzodiazepine. In der Gruppe der ältesten Personen „23 bis 48 Jahre“, die diese
Frage beantwortet haben, sind 20,2%.
7.1.6 Alter beim ersten intravenösem Konsum allgemein und beim ersten,
intravenösen Konsum von Benzodiazepinen
Nachdem alle Konsumformen abgefragt worden sind, ist auf den intravenösen Konsum
näher eingegangen worden. Dazu ist die Frage „Seit wann konsumieren Sie
intravenös?“ angeführt worden. Anschließend sind zwei offene Antwortformate zu
bearbeiten gewesen: „Alter beim ersten intravenösen Konsum“ und „Alter beim ersten
intravenösen Konsum von Benzodiazepinen“.
57
Abbildung 16: Alter beim ersten intravenösen Konsum,
n=86
35,0%
29,0%
30,0%
25,6%
25,0%
24,6%
19,8%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
13 bis 16 Jahre
17 bis 18 Jahre
19 bis 22 Jahre
23 bis 37 Jahre
Das durchschnittliche Alter bei n=86 Personen, beim ersten intravenösem Konsum, ist
20 Jahre (Standardabweichung: 5,2). Die jüngsten Personen sind 13 Jahre alt
gewesen, als sie diese Konsumform ausprobiert haben. Der Median ist bei 18 Jahren
erreicht, das ist auch das Alter in dem die meisten StudienteilnehmerInnen das erste
Mal intravenös konsumiert haben. Die älteste Person ist 37 Jahre bei der ersten
intravenösen Applikation gewesen. Bei dem zugehörigen Diagramm sind die
Quartilsabstände zur übersichtlicheren Darstellung gewählt worden. So findet man in
der Gruppe der 13 bis 16 Jährigen 25,6% der befragten Personen. In der Zeitspanne
zwischen 17 und 18 Jahren probieren 24,6% zum ersten Mal, gefolgt von 29% in der
Gruppe der 19 bis 22 Jährigen. In der Gruppe der Ältesten, zwischen 23 und 37
Jahren, befinden sich 19,8% der Stichprobe.
Da zu wenige Frauen an der Studie teilgenommen haben, ist ein Vergleich der
Geschlechter nicht sinnvoll. Es kann nicht bewiesen werden, dass sich das Alter beim
ersten intravenösem Konsum von Frauen und Männern signifikant unterscheidet.
58
Abbildung 17: Alter beim ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen,
n=43
35,0%
30,0%
32,6%
27,9%
25,6%
25,0%
20,0%
14,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
16 bis 19 Jahre
20 bis 22 Jahre
23 bis 25 Jahre
26 bis 33 Jahre
Es liegen durchschnittlich zwei Jahre zwischen ersten Intravenösem Konsum (20)
allgemein und erstem intravenösem Konsum von Benzodiazepinen (21,8). Insgesamt
haben n=43 StudienteilnehmerInnen intravenös Benzodiazepine konsumiert. Aktuellen
intravenösen Konsum gibt es aber nur bei 13 Personen. Die jüngsten Personen sind 16
Jahre alt gewesen, der Median ist bei 21 Jahren erreicht. Das Maximum liegt bei 33
Jahren. So ergibt sich folgende Verteilung der Quartile: In der Gruppe „16 bis 19 Jahre“
sind 27,9% der Stichprobe. 25,6% haben angegeben zwischen 20 und 22 Jahren alt
gewesen zu sein. Weitere 32,6% der Personen sind in der Kategorie 23 bis 25 Jahre
und 14% in der ältesten Gruppe zwischen „26 bis 33 Jahre“ zu finden.
7.1.7 Verwendung von sterilen Utensilien zum einmaligen Gebrauch für
den intravenösen Konsum
Einer der wichtigsten risikomindernden Maßnahmen beim intravenösen Konsum von
Benzodiazepinen ist die Verwendung von sterilen Filtern, damit die Bindestoffe der
aufgelösten Tabletten nicht ins Blut gelangen und in den Venen ablagern. Meist wird
nur der Spritzentausch als wesentliche Maßnahme der Harm- Reduction dargestellt.
Die Rolle der sterilen Löffel und Filter, sowie die Abgabe von Tupfern zur Minderung
von gesundheitlichen Risiken durch Infektionen gehört ebenfalls dazu.
Die Frage nach den Spritzenutensilien ist allgemein gestellt worden und bezieht sich
daher nicht nur auf den intravenösen Konsum von Benzodiazepinen. Es lassen sich
jedoch Rückschlüsse auf die Verwendung von medizinischem Material in beiden Fällen
ziehen.
So ist die Frage „Treffen Sie folgende Maßnahmen beim intravenösen Konsum
(Mehrfachantworten möglich)?“ Danach sind sechs Utensilien angeführt worden:
„Einmalfilter (z.B. Sterifilt®)“, „steriles Wasser“, „steriler Löffel (z.B. Stericup®)“, „Tupfer“,
59
„frische Nadel“, „frischer Kolben“. Zur Beantwortung sind vier, zeitlich differenzierbare
Kategorien zur Auswahl gestanden: „nie“, „manchmal“, „oft“ und „immer“.
Abbildung 18: Verwendung von sterilen Einmalfiltern,
n=77
50,0%
45,0%
40,0%
35,0%
30,0%
25,0%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
46,8%
27,3%
14,3%
11,7%
nie
manchmal
oft
immer
46,8% der StudienteilnehmerInnen, die intravenös konsumieren, verwenden „immer“
sterile Einmalfilter, wie sie im Ganslwirt von der Marke Sterifilt® zur Verfügung gestellt
werden. „Oft“ wird dieser von 14,3% der DrogenkonsumentInnen verwendet, gefolgt
von „manchmal“ mit 11,7%. 27% und somit der zweitgrößte Anteil verwendet keine
sterilen Einmalfilter beim intravenösen Konsum. Die fehlenden Werte sind entstanden,
weil ein gewisser Anteil der Benzodiazepin KonsumentInnen nie intravenös konsumiert
oder weil keine Angaben dazu gemacht worden sind.
Abbildung 19: Verwendung von sterilen Löffeln,
n=74
60,0%
52,7%
50,0%
40,0%
30,0%
27,0%
20,0%
10,0%
12,2%
8,1%
0,0%
Von den insgesamt
74 Personen,
die angegeben
Löffel bei der
nie
manchmal
oft haben, sterileimmer
Vorbereitung des intravenösen Konsums zu verwenden, tun dies mehr als die Hälfte
60
„immer“. 52,7% sind in dieser Kategorie zu finden. Weitere 12,2% verwenden sterile
Löffel (wie den „Stericup®“) „oft“ und 8,1% „manchmal“. Die restlichen 27% greifen nie
auf dieses Utensil zurück.
Abbildung 20: Verwendung von sterilem Wasser,
n=78
33,3%
35,0%
30,0%
25,0%
26,9%
23,1%
20,0%
16,7%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
nie
manchmal
oft
immer
Von den n=78 Personen, die steriles Wasser verwenden, tun dies 33,3% „immer“. Die
keimfreie Flüssigkeit wird in 16,7% der Fälle „oft“ zum aufkochen eingesetzt. In 26,9%
der Fälle wird dies „manchmal“ getan und 23,1% der betroffenen Personen tun das
„nie“.
Abbildung 21: Verwendung von Tupfern,
n=79
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
77,2%
2,5%
nie
12,7%
7,6%
manchmal
oft
immer
Bei den Tupfern wird hinsichtlich der Verbreitung unter den KonsumentInnen ein
deutlicher Unterschied ersichtlich:
Von n=79 Personen verwenden 77,2% dieses
desinfizierende Utensil „immer“. Hinzu kommen 12,7% werden die Tupfer „oft“
angewandt. 7,6% bereiten den intravenösen Konsum „manchmal“ mit desinfizierter
Einstichstelle vor. Die übrigen 2,5% verwenden „nie“ einen Tupfer.
61
Abbildung 22: Verwendung einer frischen Nadel,
n=79
100,0%
89,9%
80,0%
60,0%
40,0%
20,0%
10,1% ist die Verfügbarkeit unter den StudienteilnehmerInnen
Auch
bei den frischen Nadeln
0,0%
groß.
Von n=79 Personen in dieser Kategorien verwenden 89,9% „immer“ eine frische
oft
immer
Nadel. Hinzu kommen 10,1% die zur Infektionsprophylaxe „oft“ eine frische Nadel
heranziehen.
Abbildung 23: Verwendung eines frischen Kolbens,
n=79
100,0%
83,5%
80,0%
60,0%
40,0%
20,0%
3,8%
12,7%
0,0%
manchmal
oft Ganslwirt immer gemeinsam
immer
Obwohl Nadeln bei
der Drogenberatungsstelle
mit Kolben
ausgegeben werden, sind die Anteile der Benutzung unterschiedlich. Bei gleicher
Stichprobengröße verwenden 83,5% einen frischen Kolben vor jedem intravenösen
Konsum. 12,7% haben einen neuen Kolben, bevor sie die jeweilige Substanz
applizieren. Die restlichen 3,8% wechseln „manchmal“ diesen Teil des Spritzensets.
62
7.1.8 Gespräch über Risiken
Bei der nächsten Frage ist wurde versucht herauszufinden, wie viele KlientInnen der
niederschwelligen Drogenarbeit mit einem Safer- Use Gespräch zum Thema „Risiken
des intravenösen Konsums von Benzodiazepinen“ bereits erreicht worden sind. Dazu
sind die KlientInnen in den Mittelpunkt gestellt worden, die schon ein Gespräch über
die Risiken des intravenösen Konsums von Benzodiazepinen mit einer ÄrztIn oder
einer SozialarbeiterIn geführt haben. Dem entsprechend lautete die Frage: „Haben Sie
schon einmal ein Gespräch über die Risiken des intravenösen Konsums von
Benzodiazepinen
mit
einer
ÄrztIn
oder
einer
SozialarbeiterIn
geführt?“
Zur
Beantwortung ist ein dichotomes Antwortformat zur Verfügung gestanden: „ja“ und
„nein“.
Abbildung 24: Gespräch über die Risiken des i.v. Konsums von Benzodiazepinen,
n=96
70,0%
61,5%
60,0%
50,0%
38,5%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
ja
nein
Von den insgesamt n=96 der Stichprobe, die zu dieser Frage geantwortet haben,
weisen 61,5% ein Gespräch über Safer- Use Maßnahmen beim intravenösen Konsum
von Benzodiazepinen auf. 38,5% haben an noch keinem Gespräch dieser Art
teilgenommen, sie haben die Frage mit „nein“ beantwortet.
7.1.9 Konsumorte
Um zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu bekommen, in welchem örtlichen
Rahmen die Drogen der KlientInnen des Ganslwirts konsumiert werden, ist die Frage
„Wo konsumieren Sie ihre Drogen im Moment (Mehrfachnennung möglich)?“ gestellt
worden. Zur Beantwortung sind sechs Kategorien vorgegeben gewesen: „Wohnung“,
„Straße“, „öffentliche Toiletten“, „Häusereinfahrten/ Stiegenhäuser“, „Parkanlagen“ und
63
„Sonstiges“. Dabei ist jede Kategorie durch Ankreuzen mit „ja“ oder durch Auslassen
mit „nein“ zur definieren gewesen.
Abbildung 25: Konsumorte,
n=100
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
80,0%
29,0%
27,0%
17,0%
10,0%
Wohnung
öffentliche
Toiletten
Straße
9,0%
sonstiges
HäuserParkeinfahrten
anlagen
und
StiegenBei der Frage nach den zutreffenden Konsumorten ist zuhäuser
berücksichtigen, dass der
Stichprobenumfang jeweils n=100 ist. Die Prozentwerte können deswegen nur auf die
einzelnen Kategorien bezogen werden. So haben die Frage, ob momentan die
Wohnung ein Konsumort ist, 80% von 100 Personen mit „Ja“ beantwortet. An zweiter
Stelle bei den Konsumorten sind die öffentlichen Toiletten, dorthin ziehen sich 29% der
StudienteilnehmerInnen für den Konsum zurück. 27% konsumieren ihre Substanzen
auf der Straße. 17% haben angegeben an Orten zu konsumieren, die nicht auf dem
Fragebogen angeführt gewesen sind. 10% der Personen haben einen Zugang zu
Stiegenhäusern oder weichen auf Häusereinfahrten aus. Mit 9% kann man als kleinste
Gruppe den Personenkreis identifizieren, der Parkanlagen für den Konsumvorgang
nutzt. Nicht berücksichtigt ist bei dieser Fragestellung die Konsumform.
7.1.10 Kombination mit anderen Substanzen – Alkohol und Opiate
Einleitend zu diesem Bereich ist die Frage „Wie oft konsumieren Sie Benzodiazepine
gemeinsam mit anderen Drogen (Mehrfachnennung möglich)?“ formuliert worden.
Anschließend ist mit einer Filterfrage in die zwei Stoffgruppen differenziert worden,
wobei diese „Konsumieren Sie Alkohol gemeinsam mit Benzodiazepinen?“ gelautet
hat. Zur Beantwortung sind die Kategorien „nie – weiter mit der Frage[...]“, „manchmal“,
„oft“, „immer“ zur Auswahl gestanden. Ist die Antwort zum Alkoholkonsum positiv
64
ausgefallen, ist zur Frage nach der Menge weitergeleitet worden. Diese hat gelautet:
„Wie viel Alkohol trinken Sie dann?“ Nun sind fünf Antwortmöglichkeiten vorgegeben
gewesen, die so definiert worden sind: „Bier“, „Wein“, „Spirituosen“, „Soft Drinks (z.B:
Eristoff Ice)“, „Andere“ und entsprechend dazu vier Mengenangaben, wie bei der
Kategorie „Bier“: „ca. ½l“, „ca.1l“, „ca. 1 ½l“, „mehr“.
7.1.10.1 Alkohol und Benzodiazepine
Hinsichtlich der Möglichkeit von Wechselwirkungen ist die Frage nach dem Konsum
von Benzodiazepinen gemeinsam mit Alkohol und Opiaten gestellt worden. Wie im
Literaturteil festgehalten, wird vor allem die dämpfende Wirkung der Benzodiazepine
verstärkt. Individuelle Bedingungen und Konditionen machen Vorhersagen bezüglich
der Auswirkung aber fast unmöglich.
Abbildung 26: Konsum von Alkohol gemeinsam mit Benzodiazepinen,
n=98
45,0%
40,0%
35,0%
30,0%
25,0%
20,0%
15,0%
10,0%
5,0%
0,0%
40,8%
24,5%
22,4%
12,2%
nie
manchmal
oft
immer
In Berücksichtigung dieser Fragestellung haben 40,8% der n=98 Personen die Frage
nach Alkoholkonsum mit gleichzeitigem Benzodiazepinkonsum negativ beantwortet.
24,5% haben angegeben „manchmal“ beide Substanzen gleichzeitig zu konsumieren.
12,2% tun dies „oft“ und bei 22,4% wirken sich beide Stoffgruppen „immer“ gleichzeitig
aus.
Von der Gruppe, die Benzodiazepine und Alkohol konsumieren, ist Bier als häufigstes
Getränk angegeben worden. Andere alkoholische Getränke sind wegen der seltenen
Nennung zu vernachlässigen. Zur Vereinfachung der folgenden graphischen
Darstellung sind sowohl die Kategorien „oft“ und „immer“ zusammengefasst worden,
als auch die Kategorien zur Mengenangabe. So ist die Unterscheidung in „bis zu 1l“
und „1 ½l oder mehr“ entstanden.
65
Abbildung 27: Bier und Benzodiazepine,
n=32
60,0%
57,1%
55,6%
50,0%
44,4%
42,9%
40,0%
30,0%
20,0%
Bier und Benz. – Manchmal
Bier und Benz. – oft oder
immer
10,0%
Von 0,0%
den 32 Personen, die Angaben zum Bierkonsum in Kombination mit
bis zu 1l
1 1/2l oder mehr
Benzodiazepinen und dessen Häufigkeit gemacht haben, trinken „manchmal“ 57,1%
bis zu einem Liter und 42,9% trinken „manchmal“ 1 ½ Liter oder mehr. 55,6% trinken
„oft oder immer“ bis zu einem Liter in Kombination mit Benzodiazepinen und 44,4%
trinken „oft oder immer“ 1 ½ Liter oder mehr.
Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, die Nullhypothese
muss beibehalten werden.
7.1.10.2 Opiate und Benzodiazepine
In der Analyse wird im Folgenden nur auf die Gruppe der Morphine innerhalb der
Opiate eingegangen, da andere Substanzen kaum genannt worden sind. Ist die Frage
nach dem Alkoholkonsum nicht zutreffend beantwortet worden, ist zu folgender Frage
weitergeleitet
worden:
„Konsumieren
Sie
Opiate
und
Benzodiazepine?“
Als
Antwortmöglichkeiten sind sieben Kategorien zur Auswahl vorgegeben worden:
„Heroin“, „Opium“, „Morphin“, „L-Polamidon®“, „Subutex®“, „Codein“ und „Andere“.
Dazu konnte in einem offenen Antwortformat die jeweilige Menge und auch die
Häufigkeit des Konsums angegeben werden. Wieder sind zeitlich differenzierte
Kategorien gewählt worden: „nie“, „manchmal“, „oft“ und „immer“.
66
Abbildung 28: Konsum von Morphin gemeinsam mit Benzodiazepinen,
n=79
90,0%
80,0%
70,0%
60,0%
50,0%
40,0%
30,0%
20,0%
10,0%
0,0%
79,8%
11,1%
nie
4,0%
5,1%
manchmal
oft
immer
Von n=99 Personen der Stichprobe haben 79 angegeben, dass sie „immer“
Benzodiazepine und Opiate, in diesen Fällen Morphin, kombinieren. Das entspricht
79,8%. Weitere 5,1% konsumieren „oft“ beide Substanzen gemeinsam. 4% sind der
Gruppe zuzuordnen, die „manchmal“ in die betreffende Kategorie fällt.
restlichen11,1% kombinieren diese Wirkstoffe „nie“.
67
Die
Abbildung 29: Konsumierte Menge Morphin - gemeinsam mit Benzodiazepin,
n=83
50,0%
43,4%
45,0%
40,0%
35,0%
27,7%
30,0%
25,0%
20,0%
14,5%
14,5%
15,0%
10,0%
5,0%
Die konsumierte Menge an Morphinen variiert je nach KonsumentInnen stark
0,0%
unterschiedlich.
Bei180mg
der Darstellung
die Quartile
der einzelnen
Mengenangaben
zwischen
zwischen sind
700mg
800mg
zwischen
900mg
und 600mg
und 720mg
und 1000mg
gewählt worden, diese sind aus n=83 berechnet worden. So findet sich die größte
Gruppe mit 43,4% bei Mengen zwischen 180mg und 600mg. Zwischen 700mg und
720mg sind von 14,5% der MorphinkonsumentInnen dosiert. Bei 27,7% liegt der Anteil
der Personen, die 800mg auf einmal einnehmen. Letzter Wert ist auch am häufigsten
genannt worden, nämlich von 23 Personen. Die letzte Gruppe sind die 14,5% der
StudienteilnehmerInnen, die zwischen 900mg und 1000mg Morphin einnehmen. Im
Durchschnitt werden von den KlientInnen 659 mg konsumiert, die Standardabweichung
hat einen Wert von 228mg.
7.2 Momentane Ursachen des Benzodiazepinkonsums
Um die momentanen Ursachen des Benzodiazepinkonsums zu erfassen, ist eine Reihe
von
Begründungen
gewählt
worden.
Diese
lassen
sich
in
die
Bereiche
biologische/physische, psychologische und soziale Gründe differenzieren. Es sind
diese 19 möglichen Ursachen anhand der bearbeiteten Literatur aufgelistet worden.
Die Zustimmung zu diesen Begründungen ist von den StudienteilnehmerInnen
zwischen „0= gar nicht“ und „10= trifft zu“ bewertet worden. Der Übersichtlichkeit
wegen sind in der folgenden Tabelle nur die Begründungen enthalten, welche die
meiste Zustimmung bekommen haben. Alle vorgegebenen Begründungen sind im
Anhang, in Kapitel 2. des Fragebogens, zu finden.
Bei der Frage nach den momentanen Gründen für den Benzodiazepinkonsum sind die
Mittelwerte der angegebenen Antworten zur Darstellung am geeignetsten erschienen.
Dabei kann dieser nur zwischen „0“ und „10“ liegen, da als Antwortformat eine
unipolare Ratingskala gewählt worden ist. „0“ bedeutet „gar nicht“ und „10“ bedeutet
dabei „trifft zu“.
68
Momentane Gründe für den
Benzodiazepinkonsum
Mittelwert
(zwischen 0 - 10)
Standardabweichung
weil die Wirkung immer gleich ist
6,99
3,79
um zu entspannen
6,94
3,32
um das Entstehen von
Entzugserscheinungen zu verhindern
6,78
3,66
um tief schlafen zu können
6,62
3,95
weil es angenehm ist, meinen Alltag zu
vergessen
5,9
3,8
um vorhandene Entzugserscheinungen
abzuschwächen
5,87
3,82
weil ich mir sicher sein kann, was ich kaufe
5,39
4,37
5
4,05
weil sie leicht und immer verfügbar sind
4,38
3,8
weil meine körperlichen Schmerzen
nachlassen (unabhängig von
Entzugserscheinungen)
4,41
4,07
um den Rausch zu genießen
Tabelle 2: Momentane Ursachen für den Benzodiazepinkonsum, nach Relevanz
geordnet
7.2.1 Momentane Ursachen mit der durchschnittlich größten Zustimmung
Die Analyse der Daten zeigt, dass die Ursache „weil die Wirkung immer gleich ist“ am
meisten Zustimmung bekommen hat. Der Mittelwert bei von n=99 Antworten beträgt
6,99. Die Standardabweichung ist dabei 3,79. Ebenfalls große Zustimmung hat die
Ursache „um zu entspannen“ bekommen. Hier beträgt der Mittelwert
von n=98
Antworten 6,94 – die Standardabweichung ist mit 3,32 etwas geringer als bei der
Ursache mit der meisten Zustimmung. An dritter Stelle steht die Ursache „um das
Entstehen von Entzugserscheinungen zu verhindern“. Dabei liegt der Mittelwert von
n=97 Antworten bei 6,78 und die Standardabweichung beträgt 3,66. Eine weitere hoch
bewertete Ursache ist „um tief schlafen zu können“, mit einem Mittelwert von 6,62. Es
haben hier n=100 Personen eine Antwort gegeben und die Standardabweichung
beträgt 3,95.
69
Die folgenden Ursachen unterscheiden sich in folgender Hinsicht: der Mittelwert ist
kleiner als 6 und die Standardabweichung ist in drei Fällen größer als vier. Das führt zu
einer Einschränkung der Ergebnisse, da die Standardabweichung sonst größer als der
Mittelwert ist. Somit beschränkt sich die Analyse auf insgesamt zehn Ursachen, die
letzten sechs folgen nun.
„Weil es angenehm ist, meinen Alltag zu vergessen“ ist die fünfte Ursache, gereiht
nach dem Mittelwert und wurde von n=98 Personen gewertet. Der Mittelwert beträgt
5,9 und die Standardabweichung ist 3,8. „Um vorhandene Entzugserscheinungen
abzuschwächen“ ist eine weitere, große Zustimmung erhaltende Ursache. Der
Mittelwert aus n=99 Antworten beträgt 5,87 – bei einer Standardabweichung von 3,82.
Ebenfalls einen Mittelwert größer als 5 hat die Ursache „weil ich mir sicher sein kann,
was ich kaufe“, mit einem Wert von 5,39. Bei n=97 Antworten erreicht die
Standardabweichung einen Wert von 4,37. Die nächste Ursache, „um den Rausch zu
genießen“,
hat
einen Mittelwert
der
Zustimmung
von genau 5,
bei einer
Standardabweichung von 4,05 und nähert sich so dem kritischen Bereich. Diese
Ursache ist von n=98 Personen bewertet worden.
Die letzten zwei Ursachen in der Tabelle (siehe oben) sind „weil sie immer und leicht
verfügbar sind“ (Anm. Benzodiazepine) und „weil meine körperlichen Schmerzen
nachlassen (unabhängig von Entzugserscheinungen)“. Der Mittelwert der Zustimmung
zur Verfügbarkeit als Ursache des Benzodiazepinkonsums liegt bei 4,38 und die
zugehörige Standardabweichung liegt bei 3,8. Als letzte Ursache in der Analyse findet
sich die Behandlung von körperlichen Schmerzen mit einem Wert von 4,41 und einer
Standardabweichung von 4,07.
7.2.1 Prostitution als Ursache des Benzodiazepinkonsums
Nur
zwei
Personen
(n=100),
in
beiden
Fällen
Frauen,
haben
angegeben
Benzodiazepine zu konsumieren, um die Prostitutionstätigkeit durchführen zu können.
Dabei ist die Aussage „weil es mir dann leichter fällt, auf den Strich/Anschaffen zu
gehen“ bewertet worden. Die Zustimmung liegt einmal bei sechs von zehn Punkten
und beim zweiten Mal bekommt dieser Grund die volle Punktezahl. Kein männlicher
Studienteilnehmer hat diesen Grund in irgendeiner Weise als zutreffend bewertet.
7.2.2 Blaue Lippen als Erkennungsmerkmal der Szene
Insgesamt sechs Personen (n=100) haben angegeben, dass die blauen Lippen mehr
sind, als nur der Nebeneffekt des Lutschens. „Weil die blauen Lippen ein
Erkennungsmerkmal der Szene sind“, wird der Konsum argumentiert. Vier Personen
70
stimmen voll dieser Ursache zu, die anderen zwei bewerten ihre Zustimmung mit zwei
bzw. drei von zehn Punkten.
7.2.3 Lutschen von Benzodiazepinen für eine schnellere Wirkung
Die Aussage: „weil ich die schnelle Wirkung durch das Lutschen mag“, haben
insgesamt 38 StudienteilnehmerInnen (n=100) zugestimmt. Davon sind es 16
Personen, die diesen Grund mit „trifft zu“ die volle
Zustimmung gegeben haben.
Weitere zehn haben der Vorliebe dieser Konsumform zwischen fünf und neun
zugewiesen. Die restlichen zwölf DrogenkonsumentInnen haben dem Zutreffen dieses
Punktes nur eine geringe Relevanz zwischen eins und vier beigemessen.
7.2.4 Benzodiazepine, um die Wirkung von Alkohol zu verstärken
39 Personen (n=95) konsumieren Benzodiazepine, um „in Verbindung mit Alkohol eine
stärkere Wirkung zu erreichen“. Bei 13 DrogenkonsumentInnen ist dieser Grund mit
voller Zustimmung bewertet worden. Weitere 17 ordnen dieser Motivation eine
Relevanz zwischen fünf und neun zu. Die restlichen neun finden sich in der Gruppe
zwischen eins und vier wieder.
7.2.5 Benzodiazepine, um die Wirkung von Opiaten zu verstärken
Um „in Verbindung mit Opiaten eine stärkere Wirkung zu erreichen“, ist für 15
StudienteilnehmerInnen ein Konsumgrund, der unter „trifft zu“ eingeordnet worden ist.
Insgesamt haben n=99 KonsumentInnen Angaben zu dieser Aussagen gemacht, 52
(54,5%) davon haben sie in irgendeiner Weise befürwortet. 22 Personen finden sich in
der Gruppe zwischen fünf und neun. Die restlichen 13 Befragten konnten sich nicht
sehr stark mit diesem Punkt identifizieren und reihen sich zwischen eins und vier ein.
7.3 Wechselbeziehung zwischen Erstkonsum von Benzodiazepinen und
erstem i.v. Konsum von Benzodiazepinen
Alter
beim
ersten
Benzodiazepinkonsum
Alter
beim
ersten Korrelation nach Pearson
intravenösen Konsum von
Benzodiazepinen
0,448
Signifikanz (1-seitig)
0,001
n
43
71
Tabelle 3: Korrelation zwischen dem Alter beim ersten Konsum von Benzodiazepinen
und dem Alter beim ersten intravenösem Konsum von Benzodiazepinen, n=43
Die einseitige Hypothese hat in diesem Fall gelautet: Personen, die früher
Benzodiazepine zu konsumieren begonnen haben, probieren auch früher das erste Mal
intravenös Benzodiazepine.
Eine mittelstarke Korrelation mit einem Wert von 0,448 lässt sich zwischen beiden
Faktoren „Alter beim ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen“ und „Alter
beim ersten Benzodiazepinkonsum“ feststellen. Diese Korrelation ist mit einem p- Wert
von 0,001 hoch signifikant. Diese Korrelation berechnet sich aus einer Stichprobe von
n=43 Personen.
A
bbildung 30: Korrelation: Alter beim ersten i.v. Konsum von Benzodiazepinen zu Alter
beim ersten Benzodiazepinkonsum
72
8 Ergebnisse und Zusammenfassung
8.1 Konsummuster
In dem ersten Teil werden die Ergebnisse und die Zusammenfassung der
Konsummuster dargestellt.
8.1.1 ÄrztInnen und Szene selbst für Versorgung zuständig
Die meisten Personen der Stichprobe beziehen ihre Benzodiazepine von ÄrztInnen.
Noch immer spielt die Szene eine tragende Rolle in der Versorgung mit den
Medikamenten. 54% der Stichprobe (n=100) beziehen Benzodiazepine über die
Szene. Soziale Beziehungen, auch abseits des medizinischen Systems, erhalten die
Strukturen des Konsums aufrecht. So stehen an dritter und vierter Stelle Freunde, mit
28% und Bekannte, mit 24% (von jeweils n=100). Ein beachtlicher Anteil, nämlich 12%
(n=100), hat angegeben, dass sie die Benzodiazepine von mehreren ÄrztInnen
beziehen, was durch eine geänderte Verschreibungspraxis verhindert werden sollte.
Der Bedarf der Szene kann nur durch sie selber gedeckt werden.
Außerdem hat die Analyse ergeben, dass nicht einmal die Hälfte aller KlientInnen des
Ganslwirts, das sind 43% von n=100, ihre Benzodiazepine ausschließlich über Rezept
beziehen. Jeder Zehnte bezieht die Medikamente ausschließlich über Freunde,
Bekannte und Szene. Weitere 46% versorgen sich zusätzlich zu den verschriebenen
Dosen der ÄrztInnen. Auf Nachfrage ist zu dieser Tatsache geantwortet worden, dass
die ÄrztInnen unzureichende Mengen verschreiben würden oder kein Zugang zu einer
Versorgung mit Benzodiazepinen möglich ist. 11% versorgen sich ausschließlich
außerhalb des medizinischen Systems mit Benzodiazepinen.
8.1.2 Hohe Preisschwankungen in der Szene
Mit Rückblick auf das letzte Kapitel lassen sich auch die Preise in der Szene erklären:
13,75€ wird im Durchschnitt für einen Streifen (10 Stück) bezahlt, wobei hier nicht nach
der Substanz unterschieden worden ist. Die niedrigen Preise sind durch persönlich
Beziehungen und durch ein anderes Ursprungsland erklärt worden. Manche
KonsumentInnen reisen nach Ungarn, um dort das Medikament um 3€ pro Packung zu
kaufen. Die maximalen Preise ergeben sich durch Angebot und Nachfrage: an
Wochenenden oder wenn es einen Mangel an der Benzodiazepinen gibt, steigt der
73
Preis auf bis zu 20€ pro Streifen. Zu beachten ist in dieser Hinsicht auch, dass ein
Großteil der KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit in Wien nicht mehr als
rund 750€ pro Monat zur Verfügung haben (siehe Stichprobenbeschreibung, Kapitel
6.5).
8.1.3 Somnubene®: das am häufigsten konsumierte Benzodiazepin
Am beliebtesten ist das Medikament Somnubene®, was vor allem an der schnellen
Wirkung liegt. Eine weitere Eigenschaft dieses Präparates ist, das es eine sehr lange
Halbwertszeit aufweist. Es wird von den meisten Personen konsumiert, das sind 74%
(n=100). Auch sehr stark verbreitet ist das Medikament Praxiten®, das langsamer
anflutet und eine kürzere Halbwertszeit im Körper hat. 60% der Stichprobe (n=100)
haben dieses Präparat angegeben. Alle weiteren Medikamente, die von den
KlientInnen des Ganslwirts konsumiert werden, spielen eher eine untergeordnete Rolle
und haben die gleichen Wirkstoffe. Auf Nachfrage ist dem Forschenden mitgeteilt
worden, dass diese teilweise nur als Ersatz für Somnubene® und Praxiten®
konsumiert werden.
8.1.4 Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum
Mit durchschnittlich 19,17 Jahren (Standardabweichung 6,43, n=99) werden das erste
Mal Benzodiazepine von den KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit
konsumiert. Rein deskriptiv betrachtet sind Frauen im Durchschnitt zwei Jahre jünger
als
Männer.
Bei den
76
Männern liegt
der
Mittelwert
bei 19,63 Jahren
(Standardabweichung: 6,8) und bei den 23 Frauen ist der Altersdurchschnitt 17,65
Jahre (Standardabweichung: 4,8). Der U-Test zum Vergleich von Mittelwerten ist nicht
signifikant ausgefallen, der Unterschied muss also kritisch betrachtet werden. In
deskriptiver Hinsicht konnte aber die Hypothese bestätigt werden, dass Frauen früher
mit dem Benzodiazepinkonsum anfangen als Männer.
8.1.5 Hohe Risiken für die Gesundheit bei unregelmäßigen hohen Dosen
40% aller Personen, die Somnubene® konsumieren, tun dies täglich. Es gibt also
einen erheblichen Anteil an Personen, die nicht regelmäßig Benzodiazepine
konsumieren. Unter diesen „GelegenheitskonsumentInnen“ sind Personen dabei, die
bis zu 50 Stück Somnubene® auf einmal schlucken. Diese Personengruppe, die nur
74
gelegentlich hohe Dosen zu sich nimmt, trägt das höchste Risiko. Eine Toleranz ist
nicht im gleichen Ausmaß vorhanden. Überdosierungen, auch in Verbindung mit
Opiaten und Alkohol, können die Folge sein. Außerdem lässt sich durch die Analyse
feststellen, dass ungefähr die Hälfte aller Personen auf einmal mehr Flunitrazepam
konsumiert, als medizinisch als sinnvoll erachtet wird (7 Stk. aufgeteilt auf drei
Tagesdosen).
Bei Somnubene® lässt die Analyse der Daten außerdem schließen, dass genau die
Personen, die unregelmäßig konsumieren, häufiger über der empfohlenen Tagesdosis
liegen. Der Zugehörige Chi-Quadrat Test weist einen p-Wer von 0,055 aus und erreicht
somit
das
Signifikanzniveau
von
p=0,05
nicht,
es kann
aber
von
einem
Zusammenhang ausgegangen werden. Ähnlich Muster sind auch bei Praxiten®
beobachtbar. In beiden Fällen sind die Ergebnisse aufgrund der zu kleinen Stichprobe
nicht signifikant. Positiv ist aber hier anzumerken, dass die Personen, die einen
regelmäßigen Konsum aufweisen und sich somit höchstwahrscheinlich in einer sozialmedizinischen Behandlung befinden, seltener über die Grenzmengen hinaus
konsumieren.
Das
spricht
für
eine
gezielte
und
kontrollierte
Abgabe
von
Benzodiazepinen mit einer sozialen Unterstützung durch die klinische Sozialarbeit. Wie
sich herausgestellt hat und später noch gezeigt werden soll, spielt dabei die beratende
und somit auch behandelnde Funktion der Klinischen Sozialen Arbeit eine tragende
und ausbaufähige Rolle.
Vor allem die Personen, welche einen sehr ausgeprägten Konsum aufweisen, sind auf
den
existierenden
Schwarzmarkt
angewiesen.
Gerade
dieser
Benzodiazepin-
Beikonsum zur meist ebenfalls vorhandenen Opiat- Substitution, sollte eine
kontrollierte, langsame Reduktion in einem ambulanten Setting erfahren. Dabei ist
auch
eine
Benzodiazepin-
Substitution
in
Betracht
zu
ziehen,
wenn
eine
Benzodiazepin- Abstinenz nicht gelingt. Hier ist die soziale Betreuung durch die
Klinische Soziale Arbeit von Bedeutung. (vgl. Haltmayer/ Rechberger/ u.a. 2009: 295f)
Für Praxiten® lassen sich ähnliche Konsummuster vermuten, wie für Somnubene®,
aber auch hier sind die Ergebnisse nicht signifikant. Trotzdem kann angenommen
werden, dass auch bei dieser Substanz, die Personen, die nicht regelmäßig
konsumieren, öfters über der empfohlenen Tagesdosis liegen. Somit entsteht auch hier
ein größeres Risiko, weil nicht die gleiche Toleranz vorhanden ist. Da zu wenige Daten
vorliegen, um diese Vermutung zu bestätigen, sollte diesem Thema noch eine eigene
Untersuchung gewidmet werden.
Andere Benzodiazepine sind zu selten genannt worden, um Aussagen zu den
jeweiligen Konsumgewohnheiten zu treffen.
75
8.1.6 Unproblematische Konsumformen sind vorherrschend
Es kann gezeigt werden, dass der Großteil der KlientInnen in der niederschwelligen
Drogenarbeit Benzodiazepine auf die Art und Weise konsumieren, für die sie auch
gedacht sind: oral. Somit kann die Hypothese bestätigt werden, dass unproblematische
Konsumformen überwiegen. 76,8% von n=100 schlucken die Tabletten, fast 60% tun
dies täglich. In dieser Hinsicht überwiegen die risikoarmen Konsumarten die
risikoreichen. Dennoch sind die 13,1% der Stichprobe nicht zu vernachlässigen, die
angegeben haben, intravenös zu konsumieren. Diese Gruppe setzt sich einem sehr
starken gesundheitlichen Risiko aus. Insgesamt 8% konsumieren zumindest einmal pro
Woche Benzodiazepine intravenös. Safer- Use Methoden, als Teil der HarmReduction,
müssen
gerade
diesen
Personen
beigebracht
werden,
um
Folgeschädigungen zu verhindern.
Ebenfalls bemerkenswert ist der relativ hohe Anteil an Personen, die Benzodiazepine
durch Lutschen konsumieren. 49,5% haben angegeben, diese Konsumform zu
praktizieren. Die Vermutung des Forschenden, dass dies nicht nur mit der schnelleren
Wirkung zusammenhängen kann, sondern auch soziale Ursachen hat, konnte nicht
bestätigt werden, da zu wenige Personen Angaben dazu gemacht haben. Ob die
blauen Lippen als Erkennungsmerkmal innerhalb der Szene dienen, bleibt somit
unbeantwortet. Auch diese Frage könnte Gegenstand einer eigenen Forschungsarbeit
sein, die ritualisierte Konsummuster bei der Einnahmen von Benzodiazepinen und
Stilbildung in den Mittelpunkt stellt.
3% der Stichprobe (n=100) konsumieren täglich nasal und weitere 2% zumindest
einmal pro Woche. Über die Nasenschleimhäute zu konsumieren ist somit nicht sehr
weit verbreitet. Diese eher ungewöhnlich anmutende Konsumform für Benzodiazepine
hat den Vorteil, dass sie nicht so gesundheitsschädigend ist, wie der intravenöse
Konsum, vorausgesetzt es werden bestimmte Regeln beachtet. So sollte auch hier
nicht das Röhrchen zum Aufziehen mit anderen Personen geteilt werden, da es zu
Infektionen kommen kann. Eventuell stellt der nasale Konsum eine Alternative zur
intravenösen Form dar.
8.1.7 Intravenöser Konsum von Benzodiazepinen
Es soll hier noch genauer auf den intravenösen Konsum eingegangen werden, weil er
als die risikoreichste aller Konsumformen gilt.
Von den 86 Personen der Stichprobe, die bereits intravenöse Konsumerfahrungen
verfügen, sind es insgesamt 43 Personen, die auch Benzodiazepine intravenös
76
konsumiert
haben.
Der
durchschnittliche
Altersunterschied
zwischen
ersten,
intravenösen Konsum und dem ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen
beträgt zwei Jahre. Aus der Tatsache, dass von 43 Personen nur 13 aktuell
Benzodiazepine intravenös konsumieren, kann geschlossen werden, dass diese
Konsumpraxis in den meisten Fällen einen phasenartigen Verlauf hat oder nur
ausprobiert wird. Trotzdem muss die Hypothese anhand des DSM-IV bestätigt werden,
dass bei den eben diskutierten KlientInnen aufgrund des intravenösen Konsums von
Benzodiazepinen die Diagnose „Substanzmissbrauch“ zu stellen ist.
8.1.8 Verwendung von sterilen Utensilien für den i.v. Konsum ausbaufähig
Wie sehr die DrogenkonsumentInnen über Safer- Use Praktiken und Methoden
aufgeklärt sind, lässt sich auch an der Verwendung von sterilem Spritzenbesteck und
dem Zubehör zum Aufkochen und Aufziehen der Substanz ablesen. So sollen im
folgenden die Ergebnisse dieser Variablen- Analyse interpretiert werden:
Die Verwendung von sterilen Filtern, wie sie im Ganslwirt zu erwerben und zu tauschen
sind, ist relativ weit verbreitet. Mehr als die Hälfte aller intravenös konsumierenden
Personen verwendet „oft“ oder „immer“ dieses sterile Zubehör. Dies ist besonders
wichtig, da für die gesundheitliche Entwicklung der KlientIn von Bedeutung ist, ob die
aufgelösten Substanzen und so auch Benzodiazepin- Tabletten gefiltert oder ungefiltert
in das Blut gelangen. Nur die Einmalfilter garantieren die Reduktion der
Tablettenträgerstoffe, unabhängig von der Substanz. Auch hier gibt es noch Potenzial
für die Beratungstätigkeit der Klinischen Sozialarbeit: Safer- Use Methoden können im
Gespräch vermittelt werden und so die Verwendung eingeübt und ritualisiert werden.
Der Anteil an Personen, die sterile Filter beim intravenösen Konsum allgemein und
beim intravenösen Konsum von Benzodiazepinen im Speziellen verwenden, kann
gesteigert werden. Das gilt auch für die folgenden Utensilien.
Es verwenden mehr als 50% der StudienteilnehmerInnen bei jedem Konsumvorgang
sterile Löffel, um die Substanz aufzukochen. Doch der Anteil an Personen, die „nie“
oder „manchmal“ dieses Utensil verwenden, ist mit insgesamt 35,1% noch immer sehr
groß. Wie bei allen anderen Gegenständen, die für den intravenösen Konsum von
Bedeutung sind, birgt das ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit. Die KlientInnen
beschweren sich über zu kleine sterile Löffel, die Menge an Flüssigkeit würde nicht
ausreichen. Deswegen weichen sie immer wieder auf die gewölbten Böden von
Getränkedosen aus. Diese werden teilweise mehrfach verwendet. In der Praxis könnte
öfters darauf hingewiesen werden, dass die Stericups® kostenlos getauscht werden
können und das bei jedem Konsumvorgang ein neuer oder gut sterilisierter Löffel
verwendet werden sollte.
77
Ein Drittel der intravenös konsumierenden Personen verwendet „immer“ steriles
Wasser, wie es bei der Drogenberatungsstelle Ganslwirt zu erwerben ist. Die geleerte
Verpackung der sterilisierten Flüssigkeit kann nicht gegen eine neue getauscht
werden. Das erklärt eventuell auch, warum mehr als die Hälfte der befragten Personen,
„manchmal“ oder „nie“ steriles Wasser verwenden. Viele KlientInnen glauben, dass
auch das Wasser aus der Leitung steril ist, wenn man es lange genug laufen lässt. Nur
so kann der relativ große Anteil an Personen angegeben haben, steriles Wasser zu
verwenden. Auch hier ist die Klinische Sozialarbeit gefordert, Aufklärungsarbeit zu
leisten.
Da beim Kauf und beim Tausch von Spritzensets immer Alkoholtupfer zur Desinfektion
der Einstichstelle dabei sind, ist auch die Verwendung relativ weit verbreitet. Fast 90%
der intravenös konsumierenden Personen verwenden „oft“ oder „immer“ dieses Utensil.
Ebenfalls etabliert ist die Verwendung von frischen Kolben und frischen Nadeln bei
jedem Konsumvorgang, was sicherlich durch das Spritzentauschprogramm des
Ganslwirts bewirkt worden ist. Trotzdem Beachtung finden sollten die 10,1%, die
angegeben haben, „oft“ eine neue Nadel zu verwenden.
Warum eine Nadel öfters verwendet wird, kann hier nicht beschrieben werden. Die
Vermutung liegt nahe, dass der Konsumdruck manchmal zu groß ist oder die Dichte an
Einrichtungen mit Spritzentausch nicht ausreicht, um die lückenlose Versorgung
jederzeit zu sichern. Auch Spritzentauschautomaten können ein wirkungsvolles
Angebot sein. Noch deutlicher wird das bei der Statistik zur Verwendung von sterilen
Kolben. Hier haben insgesamt 16,5% angegeben „manchmal“ oder „oft“ frische Kolben
zu verwenden. Wieso diese Differenz zu den Nadeln entsteht, wo doch Nadeln und
Kolben meistens in Sets abgegeben werden, ist nicht bekannt. Immerhin verwenden
83,5% „immer“ einen neuen Kolben. Es besteht die Vermutung, dass die Scheu der
DrogenkonsumentInnen größer ist, eine gebrauchte Nadel wieder zu verwenden, als
einen gebrauchten Kolben. Die Gefahr einer Infektion ist deswegen nicht geringer.
8.1.9 Safer- Use Beratung zu Benzodiazepinkonsum hat nicht alle erreicht
Mehr als ein Drittel, nämlich 38,5% (n=96), aller befragten Personen haben noch nie
ein Gespräch über die Risiken des intravenösen Konsums von Benzodiazepinen mit
einer ÄrztIn oder SozialarbeiterIn geführt. Das ist bei die der Verbreitung des
Benzodiazepinkonsums innerhalb der Szene durchaus verwunderlich. Auch die
Tatsache, dass bereits die ersten Notfälle durch die interarterielle Injektion in
Gliedmaßen
vorgekommen
sind,
hat
offenbar
nicht
zu
einer
intensiven
Beratungstätigkeit im Bezug auf den intravenösen Benzodiazepinkonsum geführt. Zwar
78
hat sich während der Befragung herausgestellt, dass sich viele KlientInnen der Risiken
bewusst sind, trotzdem wird die intravenöse Applikation der Tranquilizer von vielen
probiert. Gerade junge Menschen, die mit dem Umgang mit dem Injektionsbesteck
noch unerfahren sind, machen viele Fehler. Auf sie sollte das Hauptaugenmerk der
Beratungstätigkeit gelegt werden. Das ist auch unter dem Blickwinkel zu betrachten,
dass durchschnittlich nur zwei Jahre zwischen dem ersten intravenösen Konsum
allgemein und dem ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen liegen.
8.1.10 KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit sind auf Konsum in
der Öffentlichkeit angewiesen
Die Frage nach den Konsumorten zeigt die gesundheitlich-prekäre Lage der
DrogenkonsumentInnen auf. Zwar geben 80% an, dass sie in einer Wohnung
konsumieren. Auf Nachfrage haben aber einige Personen auch angegeben, dass damit
auch Notschlafquartiere gemeint sind. Die KlientInnen haben somit einen sehr weiten
Begriff von „Wohnung“. 29% haben angegeben, ihre Drogen auf öffentlichen Toiletten
zu konsumieren, 27% gar auf der Straße. Das gesundheitliche Risiko einzugehen,
unter diesen unhygienischen und ganz und gar nicht stressfreien Bedingungen zu
konsumieren, kann nur als Zwang interpretiert werden: die KlientInnen der
niederschwelligen Drogenarbeit haben keine andere oder bessere Wahl. Sie sind auf
den öffentlichen oder halböffentlichen Raum angewiesen, da der Konsum sonst nicht
geduldet wird. So ist auch angegeben worden, dass 10% in Stiegenhäusern/
Häusereinfahrten und 9% in Parkanlagen konsumieren.
8.1.11 Alkohol und Benzodiazepine
Als nächstes sollen die Kombinationen von Benzodiazepinen mit Alkohol und Opiaten
in den Blick genommen werden. Es konnte gezeigt werden, dass mehr als die Hälfte
aller erfassten Personen zumindest „manchmal“ Alkohol und Benzodiazepine
kombinieren. Da Alkohol die dämpfende Wirkung der Tranquilizer verstärkt, ist dieses
Ergebnis besonders beachtenswert. Fast jeder Vierte hat angegeben, „immer“
Benzodiazepine und Alkohol gemeinsam zu konsumieren, wobei es sich bei dem
alkoholischen Getränk meistens um Bier handelt. Der Bierkonsum geht bei einigen
Personen über die 1½ Liter Grenze hinaus, in Kombination mit Benzodiazepinen hat
diese Menge noch eine viel stärkere Wirkung. Alle anderen alkoholischen Getränke
sind wegen der seltenen Nennung zu vernachlässigen. Keine Aussage kann darüber
79
gemacht werden, wie oft und wie viel Benzodiazepine, Alkohol und Opiate gleichzeitig
konsumiert werden. Dies bedarf einer eigenen Fragestellung.
8.1.12 Opiate und Benzodiazepine
Bei den Opiaten sind vor allem die Morphine von Bedeutung. Heroin spielt kaum noch
eine Rolle in der Wiener Straßenszene. 79,8% der Stichprobe (n=99) haben
angegeben, Benzodiazepine und Morphin „immer“ gemeinsam zu konsumieren. Dabei
variiert die Dosis des Morphins stark, je nach Toleranzen. Mehr als 50% der befragten
Personen konsumieren mehr als 700mg Morphin (Substitol®). Die am häufigsten
genannte Menge ist 800mg (27,7%) gewesen. Welche Wirkung es auf die
KonsumentInnen hat, wenn Benzodiazepine mit diesen Mengen Morphin gemeinsam
konsumiert werden, ist nicht vorhersagbar, da dies stark von der Toleranz der
jeweiligen Person abhängig ist. Hinzu kommt, dass eine unbekannte Anzahl an
Personen Alkohol, Morphine und Benzodiazepine gemeinsam kombinieren – eine
Mischung die vermutlich für einen Großteil an Überdosierungen in Österreich
verantwortlich ist.
8.2 Momentane Ursachen
Bei den KlientInnen stehen die Sicherheit beim Konsum und die erwünschte Wirkung
des Medikaments im Vordergrund. Es ist ihnen wichtig zu entspannen und tief schlafen
zu können. Genau dafür sind Benzodiazepine konzipiert. Außerdem werden
Benzodiazepine attraktiv, weil sie durch die Verpackung auch am Schwarzmarkt leicht
zu identifizieren sind und Fälschungen von Blistern (Sichtverpackungen von Tabletten)
eher die Ausnahme sind. Die Menschen in der Szene wollen genau wissen was sie
konsumieren. Aber auch der Genuss des Rausches spielt eine Rolle: Für viele
KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit ist es angenehm den Alltag zu
vergessen. Benzodiazepine sind auch hier wirksam, speziell in Kombination mit
Alkohol und Opiaten. Es ist beabsichtigt, die Stimmung so positiv zu beeinflussen.
Durch den, teilweise langjährigen, Konsum der Tranquilizer kommt es auch zu
Abhängigkeitssymptomen. Befragte Personen haben angegeben, Benzodiazepine nur
zu konsumieren, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Auch als Schmerzmittel
finden Benzodiazepine in der Szene Verwendung. Eine weiterer Faktor für die
momentanen Ursachen des Konsums ist die relativ gut Verfügbarkeit. Ob von der
ÄrztIn,
aus der
Szene,
oder
aus dem Ausland:
vergleichsweise leicht zu bekommen zu sein.
80
Benzodiazepine scheinen
Es konnten mehrere Hypothesen, die sich aus der Literaturrecherche ergeben haben,
bestätigt werden:

Die KonsumentInnen nehmen Benzodiazepine wegen der entspannenden
und angstmildernden Wirkung.

Benzodiazepine werden zu Alltagsbewältigung eingesetzt.

Von
den
KlientInnen
der
niederschwelligen
Drogenarbeit
werden
Benzodiazepine als Schlafmedikation eingesetzt.

Um die Funktionalität aufrecht zu erhalten, werden Benzodiazepine zur
Vermeidung von Entzugserscheinungen konsumiert.

Benzodiazepine werden konsumiert, weil die Personen sicher sein können
was und wie viel konsumiert wird. Die Sicherheit steht im Vordergrund.
8.2.1 Blaue Lippen als Erkennungsmerkmal der Szene
Benzodiazepine werden von einigen KonsumentInnen konsumiert, um sich der Szene
zugehörig zu fühlen bzw. um stilbildend zu sein. Dieser Grund ist im allgemeinen
Ranking nicht angeführt, weil die Standardabweichung zu groß gewesen ist. Rein
deskriptiv finden sich aber doch sechs Personen, die dieser Begründung zustimmen,
vier davon voll. Für ein präziseres Ergebnis ist eine qualitative Studie zur Beschreibung
der Sinnhaftigkeit dieses Verhaltens angebracht.
8.2.2 Benzodiazepinkonsum als Bewältigung der Prostitutionstätigkeit
Zwei Frauen haben diesem Grund Zustimmung gegeben, eine davon mit der höchsten
Punktezahl. Nähere Angaben zu diesem Thema können nicht gemacht werden. Es
konnte einzig und alleine bestätigt werden, dass diese Bewältigungsstrategie auch in
Zusammenhang mit Benzodiazepinen existiert.
8.2.3 Wirkungskumulation von Benzodiazepinen und Alkohol
39 Personen (n=95) der Stichprobe konsumieren Benzodiazepine, um „in Verbindung
mit Alkohol eine stärkere Wirkung zu erreichen“. Für 13 Personen ist dieser Grund von
besonderer Relevanz, sie haben ihm volle Zustimmung gegeben. Der Konsum von
Alkohol und Benzodiazepinen ist sehr riskant, da die Wirkung kaum abgeschätzt
81
werden kann und teilweise erst mehrere Stunden nach der Einnahme eintritt. Nicht
berücksichtigt ist, dass viele KlientInnen der niederschwelligen Drogenarbeit noch
mindestens eine weitere Substanz konsumieren, meist aus der Gruppe der Opiate. In
diesen Fällen könnte die Toleranzentwicklung lebensrettend sein. Ein regelmäßiges
Unterbrechen und Fortsetzen dieser Konsumpraxis ist lebensbedrohlich. Ähnliches gilt
für die folgenden Ergebnisse, in Bezug auf den Beikonsum zu Opiaten.
8.2.4 Wirkungskumulation von Benzodiazepinen und Opiaten
Benzodiazepine werden auch konsumiert, um kumulative Effekte mit Opiaten zu
erzeugen. Insgesamt 52 (54,5%) von 99 Personen haben die verstärkende Wirkung als
Konsumgrund angegeben. Das heißt auch, dass die Wirkung in Verbindung mit Alkohol
weniger beliebt ist, als mit Opiaten. 15 Personen der Stichprobe stimmen diesem
Konsumgrund voll zu. So lange der Beikonsum unterhalb der empfohlenen
Grenzmengen geschieht und die Benzodiazepine nicht intravenös konsumiert werden
ist kaum ein höheres Risiko für die Gesundheit vorhanden. Auch hier sind die
Personen gefährdet, die phasenweise große Mengen Benzodiazepine neben der
regelmäßigen Substitution konsumieren (siehe auch 8.1.5).
8.2.5 Schnellere Wirkung durch das Lutschen der Tabletten ist kein
Mythos
Wie im einleitenden Literaturteil erwähnt, ist die schnellere Wirkung durch die
Aufnahme des Wirkstoffes über die Mundschleimhaut begründbar. Dieser Effekt äußert
sich auch in der Beliebtheit der Konsumform und der Zustimmung als Begründung des
Konsums. So haben 38 StudienteilnehmerInnen (n=100) der Aussage „weil ich die
schnelle Wirkung durch das Lutschen mag“ zugestimmt. 16 Personen haben diesem
Punkt die volle Zustimmung gegeben.
Dieses Ergebnis kann durchaus als positiv bewerte werden, da der orale Konsum, egal
ob geschluckt oder gelutscht, die Gesundheit schont. Vielleicht kann manchen
KlientInnen diese Konsumform als Alternative zum intravenösen Konsum angeboten
werden, wenn die schnellere Wirkung von Bedeutung ist. Eine andere Frage ist der
Umgang
mit
dem
eventuell
blau
gefärbten
Speichel,
der
von
manchen
StudienteilnehmerInnen dezidiert erwünscht, aber doch von der Mehrheit abgelehnt
worden
ist.
Die
meisten
BenzodiazepinkonsumentInnen
wollen
identifiziert
ausgesetzt sein.
82
in
der
werden,
Öffentlichkeit
oder
einer
nicht
als
Stigmatisierung
8.3 Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum und Alter beim
ersten i.v. Konsum von Benzodiazepinen korreliert
Es hat sich gezeigt, dass es eine mittelstarke, positive Korrelation zwischen dem Alter
beim ersten Benzodiazepinkonsum und dem ersten intravenösen Konsum von
Benzodiazepinen gibt. Das bedeutet: umso früher die KlientInnen der niederschwellige
Drogenarbeit beginnen, Benzodiazepine zu konsumieren, umso früher wird auch der
intravenöse Konsum dieser Substanz probiert. In diesem Fall war die Hypothese
einseitig und der Korrelationseffizient hat einen Wert von 0,448. Der p-Wert ist mit
0,001 hoch signifikant gewesen. Die Berechnung wurde aus einer Stichprobe von n=43
durchgeführt.
8.4 Zusammenhänge zwischen zwei Variablen sind nicht immer
nachweisbar
Weitere Überprüfungen von Zusammenhängen sind nicht sinnvoll, weil die Stichprobe
nicht die Voraussetzungen erfüllt. So sind zu wenige Frauen in der Stichprobe
enthalten und die Stichprobe ist zu klein. Die Zusammenhänge sind außerdem nicht
linear. Zu komplex sind Ursachen und Wirkungen miteinander verflochten.
83
9 Ausblick
Im Juli 2012 ist der Ganslwirt geschlossen und die neue, wesentlich größere
Einrichtung der Suchthilfe Wien gGsmbH, der Jedmayer eröffnet worden. Für die
KlientInnen hat sich dadurch anfänglich wenig bis gar nichts an ihren Gewohnheiten
geändert, außer dass sie nun zu der Ecke Gumpendorferstraße und Gürtel kommen,
um Beratung, Spritzentausch, Essen, Kleidung und medizinische Behandlung in
Anspruch zu nehmen. Ob und wie sich die neue Struktur auf das Konsumverhalten der
KlientInnen auswirkt, ist noch nicht absehbar. Sicher ist nur, dass die KlientInnen er
niederschwelligen Drogenarbeit weiterhin Benzodiazepine konsumieren werden,
manche von ihnen mit hohem Risiko für ihre Gesundheit. Die MitarbeiterInnen und die
Klinische Soziale Arbeit im Speziellen sind angehalten, die gefährdeten Personen zu
begleiten und ein Leben mit Benzodiazepinkonsum langfristig möglich zu machen.
Um geschlechtsspezifische Unterschiede beim Risikoverhalten hinsichtlich des
Benzodiazepinkonsums besser beschreiben und verstehen zu können, sind qualitative
als
auch
quantitative
Studien
zu
empfehlen.
Aufgrund
der
im
Literaturteil
beschriebenen Sachverhalte liegt die Vermutung nahe, dass Ursachen des
Benzodiazepinkonsums je nach Geschlecht differenzierbar sind. Speziell die
stilbildenden Faktoren des Drogenkonsums, zum Beispiel zur Herstellung von
Männlichkeit, sind in diesem Zusammenhang noch ein weißer Fleck auf der
wissenschaftlichen Landkarte.
Eine weitere Aufgabe für kommende Forschungsarbeiten ist auch, die Darstellung von
Konsummustern von Benzodiazepinen noch detailreicher zu gestalten. Um die
phasenartigen Verläufe von risikoreichen Konsummustern darzustellen, sind follow-up
Studien notwendig. Eine Gruppe von BenzodiazepinkonsumentInnen kann in einer
Einrichtung wie dem Jedmayer über Jahre hinweg begleitet und anonymisiertes
Datenmaterial aufgezeichnet werden. So könnte der Einfluss von Critical Life Events
und der Tranquilizergebrauch als und Bewältigungsstrategie beschrieben werden.
Außerdem ist es in dieser Arbeit nicht möglich gewesen, weil die entscheidende Frage
nicht gestellt worden ist, detaillierte Aussagen zum mehrfachen, gleichzeitigen
Substanzkonsum zu machen. So bleibt unbekannt, wie groß der Anteil der Personen
ist, die Benzodiazepine, Alkohol und Opiate gleichzeitig konsumieren.
84
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VWS (2008): Bericht 2008. Wien: Verein Wiener Sozialprojekte
Literatur aus dem Internet:
Dokli – Bericht: http://www.goeg.at/de/BerichtDetail/Einheitliche-Dokumentation-derKlientinnen-und-Klienten-der-Drogeneinrichtungen-DOKLI214.html,
abgerufen
am
1.11.2011 um 15:00
INDRO e.V.: Schneider, Wolfgang (2006): Was ist Niedrigschwellige Drogenhilfe?
http://www.indro-online.de/nda.htm, abgerufen am 9.9.2012, abgerufen am 9.9.2012,
88
11 Abkürzungsverzeichnis
bzw. beziehungsweise
DSM-IV Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
gGsmbH gemeinnützige Gesellschaft mit begrenzter Haftung
HIV Human Immmunodeficency Virus
i.v. Intravenös
n Stichprobe
p Irrtumswahrscheinlichkeit
s Standardabweichung
STD Sexual Transmitted Diseases
89
12 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung ........................................................................... 44
Tabelle 2: Momentane Ursachen für den Benzodiazepinkonsum, nach Relevanz
geordnet ...................................................................................................................... 68
Tabelle 3: Korrelation zwischen dem Alter beim ersten Konsum von Benzodiazepinen
und dem Alter beim ersten intravenösem Konsum von Benzodiazepinen, n=43 .......... 71
90
13 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bezugsquellen der Benzodiazepine, jede Kategorie entspricht dem Anteil
von n=100 ................................................................................................................... 46
Abbildung 2: Anteile der Verschreibung per Rezept, n=100 ....................................... 47
Abbildung 3: Preis pro Streifen auf der Straße, n=91 .................................................. 48
Abbildung 4: Konsumierte Benzodiazepine - Medikamente, jede Kategorie jeweils
n=100 .......................................................................................................................... 49
Abbildung 5: Häufigkeit des Somnubene® - Konsums, n=74 ...................................... 50
Abbildung 6: Wie viel Somnubene® auf einmal, n=73 ................................................. 50
Abbildung 7: Überprüfung der Einhaltung der Grenzmenge bei Somnubene®, n=73 .. 51
Abbildung 8: Häufigkeit des Praxiten®- Konsums, n=60.............................................. 52
Abbildung 9: Wie viel Praxiten® auf einmal, n=57 ....................................................... 52
Abbildung 10: Überprüfung der Einhaltung der Grenzmenge bei Praxiten®, n=57 ...... 53
Abbildung 11: Häufigkeit des oralen Konsums, n=100................................................. 54
Abbildung 12: Häufigkeit des oralen Konsums - lutschen, n=100 ................................ 55
Abbildung 13: Häufigkeit des intravenösen Konsums, n=100 ...................................... 55
Abbildung 14: Häufigkeit des nasalen Konsums, n=100 .............................................. 56
Abbildung 15: Alter beim ersten Benzodiazepinkonsum, n=99 .................................... 57
Abbildung 16: Alter beim ersten intravenösen Konsum, n=86...................................... 58
Abbildung 17: Alter beim ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen, n=43 ... 58
Abbildung 18: Verwendung von sterilen Einmalfiltern, n=77 ........................................ 60
Abbildung 19: Verwendung von sterilen Löffeln, n=74 ................................................. 60
Abbildung 20: Verwendung von sterilem Wasser, n=78............................................... 61
Abbildung 21: Verwendung von Tupfern, n=79 ............................................................ 61
Abbildung 22: Verwendung einer frischen Nadel, n=79 ............................................... 62
Abbildung 23: Verwendung eines frischen Kolbens, n=79 ........................................... 62
Abbildung 24: Gespräch über die Risiken des i.v. Konsums von Benzodiazepinen,
n=96 ............................................................................................................................ 63
Abbildung 25: Konsumorte, n=100 .............................................................................. 64
Abbildung 26: Konsum von Alkohol gemeinsam mit Benzodiazepinen, n=98 .............. 65
Abbildung 27: Bier und Benzodiazepine, n=32 ............................................................ 66
Abbildung 28: Konsum von Morphin gemeinsam mit Benzodiazepinen, n=79 ............. 67
Abbildung 29: Konsumierte Menge Morphin - gemeinsam mit Benzodiazepin, n=83 ... 67
Abbildung 30: Korrelation: Alter beim ersten i.v. Konsum von Benzodiazepinen zu Alter
beim ersten Benzodiazepinkonsum ............................................................................. 71
91
14 Anhang
Hier findet sich das Erhebungsinstrument, der standardisierte Fragebogen. Es ist
ausschließlich das Layout geändert worden, um ihn hier einfügen zu können.
Guten Tag, ich bin Student der Klinischen Sozialen Arbeit und
forsche zum Thema Benzodiazepinkonsum. Ich bitte Sie um Ihre
persönlichen Einschätzungen. Ihre Auskünfte bleiben völlig
anonym. Bitte kreuzen Sie das Kästchen (□) neben der
entsprechenden Antwort an. Falls Sie sich geirrt haben sollten,
machen Sie bitte um das falsche Kästchen einen Kreis. Den
Fragebogen auszufüllen, dauert ungefähr zehn Minuten. Vielen Dank
für Ihre Mitarbeit!
1. Konsummuster
1.1 Woher beziehen Sie ihre Benzodiazepine (Mehrfachnennung
möglich)?
Von meinem/meiner Arzt/ÄrztIn ...................................... □
Von mehreren Ärzten/ÄrztInnen ..................................... □
Straße/Szene ................................................................. □
Freunde .......................................................................... □
Bekannte ........................................................................ □
Familie............................................................................ □
Sonstiges ____________________________________ □
1.1.2 Wann haben Sie zum ersten Mal Benzodiazepine konsumiert?
Alter beim ersten Konsum von
Benzodiazepinen:_____________
1.1.3 Beziehen Sie Benzodiazepine über ein Rezept/ bekommen Sie
die Medikamente verschrieben?
ja □
nein □
teilweise □
1.1.4 Falls Sie auf der Straße kaufen, was ist der übliche Preis für
einen Streifen (im Durchschnitt)?
Preis für einen Streifen:____________________
92
1.2 Um welches Benzodiazepin handelt es sich genau und wie viel
konsumieren Sie auf einmal (Mehrfachnennung möglich)?
Somnubene® Anzahl:_______
täglich ....................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche..................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat................................................................. □
nie ............................................................................................ □
Praxiten®
Anzahl:_______
täglich ....................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche..................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat................................................................. □
nie ............................................................................................ □
Anzahl:_______
täglich ....................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche..................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat................................................................. □
nie ............................................................................................ □
Anzahl:_______
täglich ....................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche..................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat................................................................. □
nie ............................................................................................ □
Anzahl:_______
täglich ....................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche..................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat................................................................. □
nie ............................................................................................ □
Anxiolit®
Rohypnol®
Andere:
_________
1.3 In welcher
Form konsumieren
(Mehrfachnennung möglich)?
nasal
oral schlucken
oral lutschen
Sie
Benzodiazepine
täglich ...................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche .................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat ................................................................ □
nie ............................................................................................ □
täglich ...................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche .................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat ................................................................ □
nie ............................................................................................ □
täglich ...................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche .................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat ................................................................ □
93
nie ............................................................................................ □
intravenös
täglich ...................................................................................... □
mehrmals täglich ...................................................................... □
einmal pro Woche .................................................................... □
mehrmals pro Woche ............................................................... □
mehrmals pro Monat ................................................................ □
nie ............................................................................................ □
1.3.1 Seit wann konsumieren Sie intravenös?
Alter beim ersten intravenösen Konsum:___________
Alter beim ersten intravenösen Konsum von Benzodiazepinen:___________
1.3.2 Treffen Sie folgende Maßnahmen beim intravenösen Konsum
(Mehrfachantworten möglich)?
Einmalfilter (z.B. Sterifilt®)
nie □
immer □
manchmal □
oft □
steriles Wasser
nie □
immer □
manchmal □
oft □
steriler Löffel (z.B. Stericup®)
nie □
immer □
manchmal □
oft □
Tupfer
nie □
immer □
manchmal □
oft □
frische Nadel
nie □
immer □
manchmal □
oft □
frischer Kolben
nie □
immer □
manchmal □
oft □
1.3.3 Haben Sie schon einmal ein Gespräch über die Risiken des
intravenösen Konsums von Benzodiazepinen mit einer ÄrztIn oder
einer SozialarbeiterIn geführt?
ja □
nein □
1.3.4
Wo
konsumieren
Sie
(Mehrfachnennung möglich)?
ihre
Drogen
im
Moment
Wohnung ...................................................................... □
Straße ........................................................................... □
öffentliche Toiletten ....................................................... □
Häusereinfahrten/ Stiegenhäuser .................................. □
Parkanlagen.................................................................. □
Sonstiges_________________..................................... □
1.4 Wie oft konsumieren Sie Benzodiazepine gemeinsam mit
anderen Drogen (Mehrfachnennung möglich)?
1.4.1 Konsumieren Sie Alkohol gemeinsam mit Benzodiazepinen?
nie □ - weiter mit Frage 1.4.2 manchmal □
94
oft □
immer □
1.4.1.2 Wie viel Alkohol trinken Sie dann?
Bier
ca. ½l □ca. 1l □
ca. 1½l □
Wein
ca. ¼l □ca. ½l □ca. ¾l □mehr □
Spirituosen
ca. 6cl □
ca. 12cl □
mehr □
ca. 18cl □
Soft Drinks (z.B:Eristoff Ice) ca. ½l □ca. 1l □
ca. 1½l □
mehr □
ca. ½l □ca. 1l □
ca. 1½l □
mehr □
Andere:___________
mehr □
1.4.2 Konsumieren Sie Opiate und Benzodiazepine?
Heroin
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
Opium
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
Morphin
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
L-Polamidon®
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
Subutex®
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
Codein
Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
Andere:______________ Menge:___________
nie □
manchmal □
immer □
oft □
2. Gründe für den Benzodiazepinkonsum
95
2.1 Ich konsumiere Benzodiazepine... (0-10, inwieweit trifft das zu?
0= gar nicht 10= trifft zu)
..., weil meine körperlichen Schmerzen dann nachlassen (unabhängig von Entzugserscheinungen).
gar nicht
trifft zu
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0
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9
10
..., um das entstehen von Entzugserscheinungen (Krachen) zu verhindern.
gar nicht
trifft zu
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9
10
…, um vorhandene Entzugserscheinungen abzuschwächen.
gar nicht
trifft zu
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9
10
..., weil ich die schnelle Wirkung durch das Lutschen mag.
gar nicht
trifft zu
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9
10
…, weil ich die schnelle Wirkung durch den intravenösen Konsum mag.
gar nicht
trifft zu
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10
..., um in Verbindung mit Alkohol ein stärkere Wirkung zu erreichen.
gar nicht
trifft zu
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1
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10
..., um in Verbindung mit Opiaten ein stärkere Wirkung zu erreichen.
gar nicht
trifft zu
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10
..., weil mir die Substitutionsmedikamente zu niedrig dosiert sind.
gar nicht
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0
trifft zu
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10
..., weil es mir dann leichter fällt, auf den Strich/ Anschaffen zu gehen.
gar nicht
trifft zu
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..., weil ich sie von meinen Freunden/ Bekannten bekomme.
gar nicht
trifft zu
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10
..., weil die Blauen Lippen (wie beim Medikament Somnubene®) ein Erkennungsmerkmal der Szene sind.
gar nicht
trifft zu
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..., weil ich sie mir leisten kann – Substitutionsmedikamente sind am Schwarzmarkt zu teuer.
gar nicht
trifft zu
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..., weil es angenehm ist meinen Alltag zu vergessen.
gar nicht
trifft zu
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..., um zu entspannen.
gar nicht
trifft zu
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10
..., weil ich mir sicher sein kann, was ich kaufe. Ich erkenne an der Verpackung den Inhalt.
gar nicht
trifft zu
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…, weil die Wirkung der Tabletten immer gleich ist – ich weiß wie viel ich davon nehmen muss.
Gar nicht
Trifft zu
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…, um den Rausch zu genießen.
gar nicht
trifft zu
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10
…,um tief schlafen zu können.
gar nicht
trifft zu
□
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10
97
..., weil sie leicht und immmer verfügbar sind
gar nicht
trifft zu
□
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10
3. Sozialstatistik
3.1 Geschlecht
männlich……………………□
weiblich…………………….□
3.2 Wie alt sind Sie?
Alter in Jahren: __________
3.3 Familienstand:
ledig .......................................................................................................................................□
verheiratet / in Lebensgemeinschaft lebend ...........................................................................□
geschieden / getrennt lebend ................................................................................................□
verwitwet ................................................................................................................................□
3.4 Welchen höchsten Schulabschluss haben Sie?
keinen Pflichtschulabschluss ..................................................................................................□
Pflichtschule abgeschlossen ..................................................................................................□
Lehre / berufsbildende mittlere Schule ...................................................................................□
Matura (und Höheres) ............................................................................................................□
3.5 Wie ist Ihr derzeitiger Berufsstand? Sind Sie...?
voll berufstätig ........................................................................................................................□
teilzeitbeschäftigt ....................................................................................................................□
geringfügig beschäftigt ...........................................................................................................□
arbeitssuchend .......................................................................................................................□
in Pension ..............................................................................................................................□
3.6 In welcher Höhe liegt Ihr monatliches Einkommen?
bis zu 752€ .............................................................................................................................□
zwischen 753- 1000€ .............................................................................................................□
über 1000€ .............................................................................................................................□
3.7 Wo leben Sie?
eigene Wohnung ....................................................................................................................□
Dauerwohnplatz .....................................................................................................................□
Übergangswohnheim/Betreutes Wohnen ...............................................................................□
Notquartier/Straße ..................................................................................................................□
Bekannte ................................................................................................................................□
98
Sonstiges: _________________ ............................................................................................□
99
15 Persönliche Daten
Name:
Fabian Grümayer
Geburtsdatum:
7.9.1987
Geburtsort:
Wien
Nationalität:
Österreich
Schulbildung
Schule:
Oberstufenrealgymnasium
Schwerpunkt
Hochschulzugang:
AHS Matura
Abschlussdatum:
Juni 2006
Leistungskurse:
k.A.
mit
biologischem
Studium
Dauer:
2 ½ Jahre
Hochschule:
FH Campus Wien
Abschluss:
Frühjahr 2013
Titel der Diplomarbeit/
Masterarbeit:
Blaue Lippen – blaue Venen
BetreuerIn der
Diplomarbeit/ Masterarbeit:
FH-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Raab-Steiner
Studienfächer:
Studiengangsleitung; quantitative Methoden, Soziale
Diagnose, Psychologie;
Eine Studie zum Benzodiazepinkonsum bei den
KlientInnen der akzeptierenden, niederschwelligen
Drogenarbeit
Berufspraxis
Sozialmedizinische
Drogenberatungsstelle
Ganslwirt
Vertretungsdienste
Vertretungsdienste seit 2010
Suchthilfe Wien gGsmbH,
Jedmayer
100
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