Kutter, P.: Affekt und Körper. Neue Akzente der Psychoanalyse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2001. 182 Seiten, Euro 19,90. Der Autor möchte mit diesem Buch nachweisen, wie eng Affekt und Körper, zwei in der traditionellen Psychoanalyse „sträflich vernachlässigte Bereiche“ (S. 10) miteinander verflochten sind, dass sie sogar ein untrennbares Ganzes bilden, das nur durch unser abendländisch-kartesianisches Denken getrennt wird. Als Vertreter einen der Selbstpsychologie nahe stehenden und insgesamt für Befund von Nachbarwissenschaften offenen Psychoanalyse hat sich Kutter schon einen Namen gemacht. Im vorliegenden Buchband konzentriert er sich darauf, bestimmte Aspekte und Themen, die seine These der Vernachlässigung der affektiv-körperlichen Dimension zugunsten des unbewussten Fantasielebens in Psychoanalyse stützen, zusammenzutragen und zu kommentieren. So berichtet er im ersten Kapitel über psychoanalytische Arbeiten zu den Affekten ganz allgemein, zu kategorialen Affekten und auch zur Leidenschaft, und rezipiert hier vor allem Freud, Bion und Klein. Als Brücke zum körperlichen Erleben berichtet er über Sterns Kategorie der Vitalitätsaffekte – ein Konzept, das sich für die frühe Basierung seelisch-körperlicher Repräsentanzen eignet. Nach einer kurzen Zusammenfassung wichtiger affekttheoretischer Schriften folgt eine Affektsystematik mit knappen Hinweisen zum psychoanalytischen Umgang mit Affekten im analytischen Prozess. Ein zweiter Abschnitt ist der Säuglingsforschung und der psychoanalytischen Selbstpsychologie gewidmet. Kutter würdigt auf diese Weise, wie verdient sich die Säuglingsforschung – allen voran Daniel Stern – um die Erforschung des frühen körperlich-affektiven Erlebens gemacht hat. In diesem Abschnitt findet man einen der Kernsätze dieses Buches: „Das Selbst ist der Motor unserer Entwicklung. Die Substanz dazu liefern die Affekte. Der Körper ist das Substrat...“ (S. 59). Kutter weist nach, wie eng unser Selbstgefühl körperliches Erleben einschließt. Wie auch Daniel Stern hat Kutter eine Vorliebe für das affektive Erleben in der Musik und greift hier in einem eigenen Kapitel wiederum auf die Vitalitätsaffekte Stern zurück. Die Stimmmelodie der elterlichen Bezugspersonen in ihrer Auswirkung auf die kindliche Affektlage ist für diesen vergleichbar mit der Wirkung von Musik bei Erwachsenen: sie erfasst uns ganzheitlich-körperlich, bewegt uns, ergreift uns – und löst, je nach „Vitalitätskontur“, unterschiedliche Affekte in uns aus. Eigene Kapitel beschäftigen sich im Speziellen mit den Themen „Sexualität“ und „Aggression“ – Kutter differenziert hier Ärger, Wut, Hass, Gewalt und Grausamkeit und scheut sich auch nicht, Stellung zu nehmen zu Freud´schen Todestriebhypothese. Dazu stellt er die – wie er selbst meint – „gewagte“ Hypothese an, ob sich die Idee des Vorhandensein eines Todestriebes nicht auf einer Abwehrebene bewegt – einer Abwehr destruktiver elterlicher Wünsche gegenüber ihren eigenen Kindern. Zur Untermauerung dieser Idee zieht Kutter u. a. Schriften aus dem alten Testament heran. Es werden also sehr basale Fragen in diesem Buch berührt, so auch Frage nach dem Sinn des Lebens, die nicht unbedingt als klassisch-psychoanalytische Frage bezeichnet werden kann, sondern von dieser eher den Existenzphilosophen und Theologen überlassen wird. Merkwürdigerweise nähert sich Kutter der Sinnfrage des Lebens über Ausführungen zur Sexualität, die mir in dieser Bezugnahme etwas unklar geblieben sind (S. 98 f.). Auch über so manch andere Bereiche, wie über Liebe und die Affektdimension bei psychosomatischen Störungen erfährt man einiges, sodass dieses Buch als ein Mix von für jede Form von Psychotherapie wichtigen Themen angesehen werden kann und somit – auch wegen der leichten Lesbarkeit – Kolleginnen und Kollegen aller Fachrichtungen empfohlen werden kann. Im letzten Kapitel befasst sich Kutter mit der Frage, in welchem Verhältnis Psychoanalyse und Körpertherapie zueinander stehen, dies besonders am Beispiel der Tanztherapie. Er gelangt dabei resümierend zur Auffassung, dass sich eine ergänzende Behandlung im Sinne eines aufeinander abgestimmten kombinierten psychoanalytisch-tanztherapeutischen Behandlungsrahmens bei bestimmten Patienten anbietet. Kritisch ist dazu anzumerken, dass Kutter an dieser Stelle nicht auf die sich seit etwa zehn Jahren im Methodenfeld neu etablierende Strömung der „analytischen Körperpsychotherapie“ eingeht, deren „Essential“ gerade darin besteht, diese an sich sicher berechtigte Form des Vorgehens – die aber wiederum die kartesianische Trennung von Körper und Psyche festschreibt – zu überwinden und die beiden Bereiche in einer Therapieform zu vereinigen. Dazu gibt es ja mittlerweile eine Reihe von Schriften – wie von Tilmann Moser, Günter Heisterkamp, Gisela Worm und noch anderen – die in Kutters Darstellung leider keinen Platz finden. Dass natürlich körperbezogenes Arbeiten in der Übertragung mit Angst und Risiko für den Therapeuten verbunden sein kann, versteht sich von selbst. Ob Kutter hier ein Stück körperbezogene Selbsterfahrung fehlt, oder ob es an der Form der Tanztherapie liegt, die er kennen gelernt hat, dass er sich eine Methodenintegration nicht so gut vorstellen kann, fällt mir schwer zu beurteilen. Trotz dieser Kritik: ein anregendes und lesenswertes Buch, das sich auch für Studenten und Psychotherapieausbildungskandidaten als einführende Lektüre gut eignet. Peter Geißler, Neu-Oberhausen bei Wien Keine Ausw. Auf Technik!