Sprache

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Neuropsychologie der
Sprache
Sprachverarbeitung
Modell des Sprachverstehens und der Sprachproduktion
Das Sprachbenutzermodell besteht aus einem System von Verarbeitungseinheiten.
Sprachproduktion:
 konzeptuelles System (Gedanken und Absichten formen)
 grammatisches Enkodierungssystem (Ausdruck von Gedanken und Absichten)
 phonologisches Enkodierungssystem (passende Wörter suchen; deklinieren und
konjugieren)
 Artikulator
Sprachrezeption:
 Spracherkennungssystem
 Worterkennungssystem
 Satzanalysesystem
 Konzetuelles System (Äußerungen interpretieren)
Verarbeitungsebenen Sprachproduktion:
1. Konzeptualisierung (thinking for speaking)
 Kommunikative Intention (was?)
 Linearisierung (in welcher Reihenfolge ?)
 Art des Diskurses (Form ?)
 = Umsetzen kommunikativer Intentionen in präverbale Botschaften (=konzeptuelle
Strukturen; eignen sich als Eingabe für den Formulator)
2. Formulierung
 Abbildung präverbale Botschaft auf wohlgeformte sprachliche Repräsentation. Erstellen
phonetischen Plans – geschieht automatisch
 Formulator setzt präverbale Botschaften in phonetische Pläne um, 2 Schritte:
 Präverbale Botschaft wird übersetzt in syntaktische Oberflächenstruktur
 Kodierungssystem erstellt für jede Oberffächenstruktur einen Plan, dieser kann durch
den Artikulator akustisch realisiert werden
 grammatische Kodierung: zu jedem Konzept in präverbaler Botschaft wird das
dazugehörige Lemma aktiviert; die syntaktische Info in den verschiedenen aktivierten
Lemmas muß zu einer syntaktischen Struktur kombiniert werden (Satzbau)
phonologische Kodierung: 3 Schritte:
 Bildung morphologischer Repräsentation (anhand Lemmainfo)
 Durch Morphemcodes erhält Kodierungssystem Zugang zur segmentellen Repräsentation des Wortes
 Umsetzung segmentelle Repräsentation in phonetische Pläne
3. Artikulation
 Umsetzung phonetischer Plan in artikulatorisches Motorprogramm und Ausführung
dessen – geschieht auch automatisch(ca.100 verschiedene Muskeln beteiligt)
 Artikulator liefert Steuerinstruktionen für Muskelgruppen in Artikulationsorganen
(Atemorgane, Stimmbänder, Zunge, Gaumenzäpfchen, Lippen usw.); Steuerbefehle
Artikulator sind global (z.B. Lippenschluß), Kontrollzentren auf niedrigerem Niveau
regeln Details, Prinzip der hierachischen Kontrolle auch in anderen Bereichen Motorik
-0-
A)
1)
2)
3)
4)
Strukturelles Wissen
phonologisches Wissen
lexikalisch-semantisches Wissen
synaktisches Wissen
konzeptuell-interpretatives Wissen
B) Prozedurales Wissen
 Anwendung der verschiedenen Wissensquellen in der Zeit
 zeitliche Bedingungen der Aktivation von verschiedenen Wissensquellen müssen
eingehalten werden, wenn normale Sprachverarbeitung stattfinden soll (sowohl in
Sprachproduktion als auch im Sprachverstehen)
Kodierung von linguistischer Information
A) Lexikalisch-semantische Information
Inhaltswörter:
Substantive
Verben
Adjektive
 offene Klasse (kann beliebig erweitert werden)
B) Syntaktische Information
Funktionswörter (automatisch verarbeitet, daher nicht beachtet):
Artikel
Präpositionen
Konjunktionen
Funktionsmorpheme: Kasus
Tempus
 geschlossene Klasse
Probleme der akustischen Sprachwahrnehmung
1) Segmentation eines Sprachstromes in einzelne identifizierbare Wörter
2) Segmentation und Erkennen einzelner Sprachlaute innerhalb eines Wortes
Kategoriale Wahrnehmung:
 Bsp.: eindeutige Grenze zwischen „ba“ und „pa“ (VOT-Grenze: 26.8 ms) (Kuhl &
Miller 1978)
 können schon 4-monatige Kinder (Saugfrequenz) (Eimas et al. 1971)
 bei Japanern: Unterschied „ra“ vs. „la“ schlechter wahrnehmbar als bei Amerikanern
(Miyawaki et al. 1975)
Übersicht: Sprachverstehen und Sprachproduktion
Sprachverstehen:
 Input (= sprachlicher Reiz) ist vollständig kontrollierbar bzw. manipulierbar
 Output (= Ergebnis des Verstehensprozesses) ist nur indirekt erschließbar
 On-line-Messung der beteiligten Prozesse möglich
-1-
Sprachproduktion:
 Input (= Intention) ist kaum kontrollierbar bzw. manipulierbar
 Output (= Äußerung) ist vollständig analysierbar
 z. B. Pausenlängen analysieren  Schluß auf Planungseinheiten
Sprachproduktion
Modelle der Sprachproduktion
 Konzeptualisierung   Formulierung   Artikulation
 Was will ich sagen? In welcher Reihenfolge? (Linearisierung) In welcher Form? 
Vorwissen des Adressaten, Konversationsmaximen, sozialer Kontext...
 Abbildung der präverbalen Botschaft auf eine sprachliche Repräsentation; Erstellung eines
phonetischen Planes (automatisch)
 Umsetzung des phonetischen Planes in ein artikulatorisches Motoprogramm und
Ausführung desselben (automatisch; beim Sprechen ca. 100 Muskeln beteiligt)
Inkrementelle Produktion:
Jede Planungseinheit durchläuft die Planungsebenen seriell. Allerdings können
unterschiedliche Planungseinheiten zum gleichen Zeitpunkt auf unterschiedlichen Ebenen
verarbeitet werden.
Sprechfehler
Definition: „A slip of the tongue is an involuntary deviation in performance from a speaker’s
current phonological, grammatical or lexical intention.“ (Boomer & Laver 1968)
Sprechfehleranalyse als Mittel:
 zur Erschließung unbewußter / verdrängter Motive (Freud 1901)
 zur Analyse von Sprachproduktionsprozessen
 zum Nachweis der psychologischen Realität linguistischer Konstrukte (linguistischer
einheiten und Regeln)
Fragestellungen bei der Analyse von Sprechfehlern:
 Welche Einheiten treten miteinander in Wechselwirkung? (z. B. Wörter, Morpheme,
Silben, Phoneme, ...)
 Unter welchen Randbedingungen bzw. bei welchen Eigenschaftsbeziehungen treten
entsprechende Versprecher auf? (z. B. Identität der syntaktischen Kategorie, semantische
und phonologische Ähnlichkeit)
 Über welche Distanz treten die verschiedenen Vertauschungsfehler auf? (z. B.
Unterschiede bei Wort- und Lautvertauschungen)
Fehlerarten:
 Phonemfehler (einzelne Laute)
-2-
 Reim oder Onset (keep a tape  teep a cape; Sorte von Tacher) vertauscht
 Morphemfehler
 they were talking Turkish  they were Turkish talking (Morphemvertauschung)
 even the best teams lost  even the best team losts (Morphemverschiebung)
 Wortfehler
 oft Nomen mit Nomen oder Verb mit Verb vertauscht
 finger  toe
 Evidenz für unterschiedliche Verarbeitungsphasen
 2 Teilprozesse des lexikalen Zugriffs (nach Garret):
 Aktivierung einer semantisch-syntaktischen Repräsentation: Lemma
 Aktivierung einer phonologischen Repräsentation: Lexem
 2 Ebenen: funktionale (Lemma)  positionale (Lexem)
resultierende Sprachproduktionsmodelle:
 Diskret-serielle Modelle: Lemma  Lexem (Garret, Levelt)
 diskretes 2-Stufen-Modell (Levelt et al. 1991): das Lemma, welches am meisten
aktiviert wird, gibt Aktivation an entsprechendes Lexem weiter
 Kaskadierende Modelle: zwar beide Stufen nacheinander, aber Lemma braucht für Lexem
noch nicht abgeschlossen zu sein
 alle Lemmata geben Aktivation weiter, aber in dem Maße, in welchem sie aktivert
werden
 Interaktive Modelle: sogar Rückwirkungen von Lexem auf Lemma (Dell)
 spreading-activation model: verschiedene Lemmata aktiviert  verschiedene Lexeme
 Rückaktivationen
Probleme bei der Analyse von Sprechfehlern:
 Dürfen wir von Fehlern zurückschließen auf Prozesse, die der fehlerfreien Produktion
zugrundeliegen?
 Wie zuverlässig ist die Sammlung der Fehler?
 es könnte sich um Fehler des Hörers handeln
 zu viele Fehler, so daß nicht alle aufgezeichnet werden können
 fehlerhafte Klassifikation des gehörten Fehlers bzw. alternative Interpretation
 Off-line Daten erlauben nur bedingt Rückschluß auf zeitliche Koordination der beteiligten
Prozesse
Ferber: läßt Band mit Fehlern von 4 Vpn abhören und Fehler heraussuchen  kein einziger
Versprecher von allen 4 übereinstimmend notiert...
dennoch: bis vor kurzem wichtigste Datenquelle für Sprachproduktionsprozesse
Weitere Effekte beim Produzieren und Verstehen von Wörtern
Dissoziationen semantisch-syntaktischer Aktivierung und phonologischer Aktivierung:
-3-
 im Tip-of-the-tongue-state
 im anomischen Zustand bei aphasischen Patienten
 Stroop-effect: beim Benennen der Farbe wird Wortreiz als Störgröße automatisch
mitverarbeitet (aber nicht umgekehrt)
 Wort-Bild-Interferenz-Paradigma (z. B. Lupker 1979)
Schriefers, Meyer & Levelt (1990): Cross-modales Bild-Wort-Interferenz-Paradigma
 Wörter akustisch dargeboten, Bilder sollten benannt werden
 Bild: SCHAF
 Distraktoren:
 BUCH  unrelatiert
 ZIEGE  semantisch relatiert
 SCHAL  phonologisch relatiert
 zusätzlich: 3 unterschiedliche Auftretenszeitpunkte (SOA) des Distraktors: -150 ms, 0 ms,
150 ms
100
80
60
unrelatiert (BUCH)
40
semantisch (ZIEGE)
20
phonologisch (SCHAL)
0
-20
-150 ms
0 ms
150 ms
-40
 erst Lemma, dann Lexem! (keine Überlappung der beiden Prozesse)
 Unterstützung für diskretes 2-Stufen-Modell
Levelt et al. 1991:
 Prinzip wie oben, aber akustischer Distraktor immer danach
 Bild: SCHAF
 Distraktoren wie oben, aber zusätzlich:
 ZIERDE (phonologisch relatiert zu ZIEGE)
 Frage: Wird semantischer Konkurrent (Ziege) auch phonologisch mitaktiviert?
 Ergebnis: ZIERDE und BUCH gleich
  keine phonologische Mitaktivierung
  Lemma vor Lexem
 weitere Unterstützung für diskretes 2-Stufen-Modell
Untersuchungen über Pronomina:
 der Mantel  „er“
 Frage: Geht es vom Lemma „er“ direkt zum Lexem /er/ oder wird Lexem /mantel/
mitaktivert?
 Untersuchung über „Mütze“ und „sie“:
 Mütze und Eis auf Bild, akustisch (richtig) benannt
 dann nur eines der Objekte auf Monitor, aber vergrößert
 Vpn.: über Nomen oder Pronom beschreiben: die Mütze  Sie ist groß.
 akustische Distraktoren zu Mütze, semantisch und phonologisch (z. B. MÜLL)
-4-
 Ergebnis: analog oben: semantischer Konkurrent (hier Nomen) phonologisch nicht aktiv
Gegenbefund:
Schriefers et al. 1990:
 Bild: HAHN
 Distraktor: GOCKEL (ähnlich GONDEL)
 RTs unterschiedlich!
 semantischer Konkurrent phonologisch aktiv!
Syntaktische Effekte
Meyer (1996): Cross-modales Bild-Wort-Interferenzparadigma (s. o.)
 gleichzeitige Darbietung der Bilder von PFEIL und TASSE (vgl. Folie 12)
 2 unterschiedlich komplexe Äußerungsformate verlangt:
 Exp. 1 & 3: „der Pfeil und die Tasse“ (phrase)
 Exp. 2 & 4: „Der Pfeil ist neben der Tasse.“ (sentence)
 Distraktoren:
 Exp. 1 & 2: semantisch relatiert vs. unrelatiert
 Exp. 3 & 4: phonologisch relatiert vs. unrelatiert
 Ergebnisse:
 semantisch: Priming bei beiden Bildern, sowohl bei phrase als auch sentence 
Lemma
 phonologisch: Priming nur für das erste Target (welches früher im Satz vorkommt),
wieder sowohl bei phrase als auch sentence  Lexem
Sprachverstehen
Was für Kenntnisse braucht man in der Sprache?





Phonologie: System von Sounds in der Sprache (Gunter vs. Günter)
Prosodie
Semantik: Bedeutung von Wörtern in einem Satz
Syntax: grammatikalische Regeln - Reihenfolge der Wörter im Satz
Pragmatik: Soziale Regeln (z. B. indirekte Fragen: Könnten Sie bitte die Tür öffnen?)
Linguistische Einheiten




Wörter
Phrasen (größere syntaktische Einheiten, vgl. Folie 29)
Sätze
discourse (§§, Geschichten)
Arten von Sprachverarbeitungsmodellen
seriell:
Semantik
Phonologie  Lexikalischer Zugriff  Integration etc.
Syntax
-5-
parallel:
Semantik

Phonologie

Lex. Zugriff

Syntax
inkrementell / kaskadierend:
 Mischform aus beiden
Bei seriellen Modellen:
 ausschließlich bottom-up
 Syntax unabhängig von Semantik
 kein direkter Effekt der vorangegangenen Wörter auf die Worterkennung (dieser Einfluß
kommt erst später)
 jeder Verarbeitungsschritt ist autonom
Frage: seriell oder interaktiv (= parallel)?
Swinney (1979): Cross-modal-Priming über ambige Wörter
 siehe Folien 37 und 38
 Resultat: In der initialen Phase des Wortverstehens ist der Kontext ohne Einfluß. Drei
Silben später jedoch läßt sich ein Einfluß erkennen.
 pro serielles Modell
Marslen-Wilson & Tyler (1980): Interaktive Theorie des lexikalen Zugriffs nach OnlineExperimenten
 3 Kontextarten:
 normal prose (sem+, syn+)
 syntactic prose (sem-, syn+)
 random word order (sem-, syn-)
 3 verschiedene monitor-Aufgaben:
 Identifizierung: LEAD
 Reim-Monitoring: BREAD (Phonologie)
 Kategorie-Monitoring: KIND OF METAL (Semantik)
 Vorhersagen der Modelle:
 seriell: nur akustisch-phonologische Info beachtet  kein Effekt der Kontextarten
 parallel: normale Reihenfolge mehr Info als syntaktische, letztere als zufällige
 Ergebnisse:
-6-
700
600
RT
500
normal
400
syntaktisch
300
zufällig
200
100
0
identisch
Reim
Kategorie
 paralleles Modell; Kontext hat Einfluß, aber Messung erst hinter dem Wort
Frage: Ab wann genau hat der Kontext Einfluß?
Zwitserlood (1989): Messung innerhalb des Wortes
 cross modal priming paradigm (vgl. Folie 40)
 visuelle Wörter: SCHIFF vs. GELD (zusätzlich Pseudowörter)  Aufgabe: Entscheidung,
ob Wort meiner Sprache
 akustischer Prime: KAPITÄN vs. KAPITAL
 4 Wortfragmente, etwa KAP, KAPI, KAPITÄ, KAPITÄN
 4 Satzkontexte (s. Folie 42), der 4. nur als Kontrollbedingung (ohne Targets)
 Ergebnisse:
 bei ersten zwei Fragmenten: Wörter noch identisch  RTs gleich
 danach: immer stärkerer Erleichterungseffekt für Target
 umso stärkere Erleichterung, je länger Kontext (s. Folie 44)
 beim anderen Wort: RT wird mit jedem Fragment länger, am schnellsten beim langen
Kontext
 Interpretation:
 Kohorten-Modell: sobald man Wortanfang hört, wird Kohorte aktiviert (KAP 
Kapitän, Kapital, Kaplan, ...)
 je mehr von einem Wort dargeboten, desto kleiner wird Kohorte
 ab einem bestimmten Punkt: kein anderes Wort mehr möglich: word-recognition-point
Sprache und funktionelle Gehirnstruktur
The Cognitive Subtraction Paradigm
 bei PET-Studien (finden auf Einzelwortebene statt, vgl. Petersen et al. 1988)
 Annahme der Additivität kognitiver Funktionen (und der ihnen zugrundeliegenden
neuronalen Prozesse)
 einfachste Version: Vpn in 2 Aufgaben untersucht: Ziel-Aufgabe und Baseline-Aufgabe
 untersuchter Prozeß darf nur in Ziel-, nicht jedoch in Baseline-Aufgabe wirken
  Subtraktion der Hirnaktivität der Baseline- von der Ziel-Aufgabe
 Erweiterung: Entwurf hierarchischer Designs mit steigender Komplexität der einzelnen
Stufen (= pure insertion)
 Bsp.: (Petersen et al. 1988)
-7-
  Kreuz am Bildschirm betrachten   ein Wort betrachten / hören   Wort
vorlesen oder nachsprechen   zu einem Substantiv passendes Verb generieren
 Messung des cCBF-Anstiegs, Differenz ermöglicht Lokalisation (vgl. Donders)
 Kritik:
 Annahme der Additivität muß nicht haltbar sein
 Übungseffekte / Habituation des cerebralen Netzwerkes an sich wiederholende Stimuli
 nachlassende Aufmerksamkeit der Vpn
PET-Studien zur Sprachlokalisation
 Zatorre et al (1992): Geräusche, Silben, Betonungsmuster  temporale und frontale
Areale (BA 22, 42, 44, 45, 6)
 Price et al. (1992): linearer Anstieg des rCBF mit Zunahme der words per minute im
linken mittleren temporalen Gyrus (MTG)
 Wise et al. (1991): reale vs. Pseudowörter  linker posteriorer Anteil des STG als
„Lexikon“ für Perzeption und Produktion
 Wise et al. (1996): lexikalischer Zugriff im mittleren Anteil des STS
 Price et al. (1997) & Zatorre et al. (1996): Untersuchung phonologischer Verarbeitung
visuell und auditiv (Silbenzählen)  linker und rechter inferiorer frontaler Gyrus
PET-Studien zur Satzverarbeitung – Syntax
PET und fMRI (vgl. Folie 66)
-8-
 visuelle Präsentation von Sätzen (ohne Syntaxaufgabe), Subtraktionsparadigma 
inferior frontale Areale links (Broca-Area)
 auditive Präsentation von Sätzen  superior temporale Anteile bilateral, keine BrocaAktivierung
FMRI-Studie MPI
Ziel: Identifikation phonologisch / semantisch / syntaktischer Subsysteme durch Vergleich der
Verarbeitung von verschiedenem auditiven Input bei den gleichen Vpn
Design: EKP-Design – verschiedene auditive Stimuli in zufälliger Reihenfolge
Stimuli:
1) normal prose (sem+, syn+)
2) syntaktisch korrekt (aber mit Pseudowörtern)
3) Wortlisten (ohne Syntax)
4) Pseudowortlisten
Ergebnisse:
1) alle auditiven Stimuli  bilaterale Aktivation in Heschl’s gyri und planum temporale
2) Satzbedingung (1&2) vs. Wortlistenbedingung (3&4): stärkere Aktivation bei
Satzverarbeitung posterior STG (superior temporal gyrus) und STS (superior temporal
sulcus) rechte Seite
3) normal prose (1) generell weniger Aktivation als syntaktisch (2); bei (2) zusätzlich
Aktivation im linken frontalen Operculum
4) Wortlisten (3&4): Reduktion der Aktivation im rechten STG im Vergleich zu (2&3); bei
richtigen Wörtern im Vergleich mit Pseudowörtern: Aktivation homotopischer Cortex
rechte Seite
Fazit Leipziger Studien:
 cerebrales Netzwerk, welches sprachliche Funktionen unterstützt, ist bilateral organisiert,
wird aber von linker Hemisphäre dominiert
 posteriore Anteile des superioren temporalen Cortex (STG und STS) sind an Verarbeitung
von Syntax und Semantik beteiligt
 anteriore Anteile (temporales Operculum) und ein Anteil des linken frontalen Operculums
sind nur bei der Satzverarbeitung (nicht bei Wortlisten) aktiv
 kleines Areal im linken und rechten frontalen Cortex (superior-dorsaler Anteil der BrocaArea)  Sequenzierung des phonologischen Inputs
 Semantik kann (wenn überhaupt) im posterioren Anteil des STS isoliert werden
 Komponenten des Sprachnetzwerks organisieren sich momentanen Anforderungen (Input
weicht von natürlicher Sprache ab) und Aufgaben („jugdment vs. repair“) entsprechend
Elektrophysiologie der Sprache
ERP und Semantik




für Semantik sensitive Komponente: N400
„Thomas aß Bratwurst mit ...“ HONIG (N400 groß) vs. SENF (klein)
je unerwarteter Wort, desto größer N400
je später Wort im Satz, desto kleiner N400 (weil Wörter i. d. R. besser in den Kontext
eingebaut werden können)
 abhängig von persönlichem Wissen: Mein Name ist TOBIAS (klein, weil richtig) vs.
THOMAS (groß)
-9-
 mehrdeutiger Text ohne Überschrift (Bsp. Wäschewaschen)  N400 größer
 bedingt als Lügendetektor anwendbar
 ambige Wörter  dominante und subdominante Bedeutung
Bsp: DER BALL WURDE VOM ...
a)
b)
c)
d)
Kind (dom) geworfen (dom),... N4 am kleinsten
Kind (dom) eröffnet (sub),... N4 am größten
Tänzer (sub) geworfen (dom),... N4 relativ groß
Tänzer (sub) eröffnet (sub),... N4 relativ klein
  b wird als am ungewöhnlichsten empfunden
ERP und Syntax
 garden-path-Sätze: „Der Mann sah die Frau mit dem Fernglas“  P600
 Osterhout & Holcomb (1992):
EEG bei „TO“ betrachtet:
a) planned to conceal the transaction (einfach)
b) persuaded to buy the stock (grammatikalisch schwieriger)  größere P6 als bei a)
 zunächst grammatikalisch einfachere Variante gewählt
Bei syntaktischen Verletzungen i. d. R. zwei Komponenten identifiziert:
 LAN und P600
 bei Verletzung der Phrasenstruktur: ELAN
Modell des Sprachverstehens
1. Phase
Erstellen einer initialen
Phrasenstruktur auf der Basis
von WortkategorieInformationen
frühe, links anteriore
Negativierung
ELAN (100-200 ms)
2. Phase
lexikalische Integration
3. Phase
Reanalyse oder Korrektur
Negarivierung um 400 ms
links-anterior: LAN
centro-parietal: N400
späte, parietale Positivierung
P600
„Die Gans wurde im
gefüttert.“
LAN: „Das Mädchen wurde
gelaufen.“
garden-path, oder: „Das sind
die Arbeiterinnen, die die
Managerin entlassen haben.“
Experiment Hahne & Friederici:
Ziel: Interaktion zwischen Phrasenstrukturverletzung und einer semantischen Verletzung
herausfinden
Auditiv; 4 Bedingungen
1) korrekt: „Das Baby wurde gefüttert“
2) syn+, sem-: „Das Lineal wurde gefüttert“  N4
3) syntaktisch falsch (Phrasenstrukturverletzung): „Die Gans wurde im gefüttert“  ELAN
& P600, keine N400
4) seman. & syntakt falsch: „Die Burg wurde im gefüttert“  ELAN & P600, keine N400
- 10 -
Fazit:
Phrasenstrukturverletzung, welche früh entdeckt wurde (ELAN), kann lexikal.
Integrationsprozesse (N400) blockieren
zum Modell allgemein:
 P600 tritt nur auf, wenn keine N400
 LAN und N400 beeinflussen sich nicht  in 2.Phase verlaufen Semantik und Syntax
parallel
 P600 und N400 stehen im Zusammenhang: Wenn Problem Semantik N4  keine
syntaktische Korrektur P6; Problem Syntax LAN dann auch P6
 ELAN bei groben syntaktischen Fehlern (die Burg wurde im gefüttert)  dann keine
Untersuchung der Semantik N400; aber P600
 LAN bei kleineren syntaktischen Fehlern (Sie bereist den Land)
 Auf der einen Seite: serielle Verarbeitung von Syntax und Semantik (3 Phasen) autonom.
 Auf der anderen Seite: parallele Verarbeitung, da sich Komponenten gegenseitig
beeinflussen (interaktiv): ELAN Einfluß auf N4 und LAN; N4 Einfluß auf P6
Cloze Probability
Cloze Prob
High
Gender
congr.
Sentence
Sie bereist das Land mit einem kräftigem Kamel
High
incongr.
Sie bereist den Land auf einem kräftigen Kamel  LAN; P600
Low
congr.
Sie befährt das Land mit einem alten Wartburg  N4 (befährt
schlechtes Bsp.; besser: noch falscher, z. B. „beleidigt“)
Low
incongr.
Sie befährt den Land mit einem alten Wartburg N4; LAN
Fazit:
Gender Info & semant. Info unabhängig voneinander verarbeitet
 N400 als Funktion der semantischen cloze Probability (low) unabhängig von der
Geschlechts argeement Verletzung (cong./incongr.)
 LAN als Funktion von Geschlechts agreement Verletzungen unabhängig von
semantischen Variablen
 P600 als Funktion von beiden: gender-agreement-Verletzung und cloze probability
- 11 -
Sprache bei Patienten
Klassische Unterscheidung von Aphasien
Broca
Wernicke
motorisch
syntaktisch
geschlossene Klasse
 kurze, agrammatische Sätze (v. a.
Präpositionen und Konjunktionen fehlen)
 grammatische Morpheme fehlen („Ich
gehe jetzt essen.“  „gehen essen“)
 Output zögernd, mit langen Pausen
zwischen isoliert produzierten Wörtern
 aber: fast normales Sprachverständnis
sensorisch
semantisch
offene Klasse
 Sprachproduktion scheinbar ungestört,
aber lange, verschränkte Sätze
 inhaltsleere
Phrasen
(
schwer
verständlich), oft ohne gramm. Satzende
 Wortfindungsstörungen
(v.
a.
bei
Inhaltswörtern, z. B. „Hund“  „Tier mit
4 Beinen, Fell, ...“)
Broca:
 Pt. „Tan-tan“
 Läsion war nicht nur cortical (wie von Broca angenommen), sondern auch subcortical
 Pt. konnte Sprache verstehen: variierte bei Antworten das Wort „tan“
 Läsion in BA 44 (Pars opercularis, z. T. Pars triangularis des Gyrus frontalis inferior)
Wernicke:
 Läsion in BA 42 und 22
 Verständigung Pt. – Therapeut muß teilweise mit Bildern geschehen (wegen des stark
gestörten Sprachverständnisses)
 semantische Paraphrasien („Mein linkes Auge ist taub.“)
Neuere Perspektiven
Caramazza & Zurif (1976), Friederici (1982):
 Der Mann fotografiert den Hund.
S–P–O
 Den Hund fotographiert der Mann.
O–P–S
 Broca-Pt.: 2. Satz nicht möglich: Hunde können nicht fotografieren...
 erschließt Bedeutung schließlich doch aufgrund seines Weltwissens
 aber: „Den Mann fotografiert die Frau.“  Broca-Pt. bricht ein...
Linebarger et al. (1983):
 obiges ist abhängig davon, wie man Broca-Pt. Aufgabe stellt
 sentence judgment: falscher Satz wird im Kontrast mit korrektem dargeboten
 „Den Mann fotografieren die Frau.“  Broca-Pt. erkennt Fehler (im Kontrast mit
korrektem Satz)
weitere Differenzierung:
Analyse von syntaktisch ambigen Präpositionen (Friederici 1982):
 Peter hofft auf den Sommer.
 S – P – Objektkomplex  nur syntaktisch
 Peter steht auf dem Stuhl.
 S – P – [Präposition] + O 
lexikalisch
syntaktisch
 Broca-Pt. kann beide „aufs“ nicht unterscheiden, versteht aber Sätze
- 12 -
und
 Wernicke-Pt. kann grammatischen Unterschied erkennen, versteht aber globalen
Zusammenhang nicht
Badeley, Garrett & Zurif (1980):
 offene Klasse  Wernicke Probleme
 geschlossene Klasse  Broca Probleme
 aber: bei Automatismen verwenden auch Broca-Ptn. Konjunktionen
Adaptation der Zugriffsmechanismen:
 Priming-Experimente
 z. B. Zielwort „Katze“  semant. Prime: HUND (syntakt. z. B. über Präpositionen)
 Aufgabe: Ist KATZE Wort deutscher Sprache?
 Ergebnisse:
 Broca- und Wernicke-Ptn. bei syntaktisch und semantisch langsamer als normale Vpn.
 Hypothese: automatische Prozesse gestört
 Abstand zwischen beiden Wörtern variiert (kurzer Abstand: automatische Aktivierung
syntaktischer oder semantischer Netzwerke)
 Broca-Pt.: Verzögerung bei syntaktischem Priming
 Wernicke-Pt.: bei semantischem Priming
 bei kontrollierter Verarbeitung: Unterschiede viel geringer
Untersuchungen mit ERP:
1.1. Die Forelle wurde geangelt.
1.2. Die Schule wurde geangelt.
2.1. Die Forelle wurde im See geangelt.
2.2. Die Forelle wurde im geangelt.
BROCA-Pt.:
 1.2. N400, aber zeitlich verzögert
 2.2. keine ELAN (!) aber (verringerte) P600 (kontrolliert)
WERNICKE-Pt.:
 1.2. N400 fehlt (!)
 2.2. ELAN da, P600 da, aber verzögert
Ergänzung von Horst:
Neurokognitives Modell des Sprachverstehens (Friederici)
1) primäre akustische Verarbeitung 100ms audit. Kortizes links/rechts
2) Identifikation phonologischer Wortform durch planum temporale links
3) Segmentale phonet. Extraktion und Segmentierung durch BA44 (superior-posteriorer
Teil)
4) Identifikation Wortkategorie in BA 22
5) Strukturerstellung aufgrund Wortkategorieinfo BA44 (inferiorer Teil 150-200 ms); EKP
Befund ELAN
6) Parallel dazu lexikal.semant.Prozesse in Gang gesetzt:
 Automat. lexikal.Verarbeitung temporal Schläfenlappen links
 kontrolliert semantische Aspekte(Gedächtnis) links inferioren präfrontalen Kortex
- 13 -
7) Identifikation und Integration lexikalisch semantischer Aspekte verlangt Abgleich mit
semantischen Kortexinformation (BA 21/22 300-500 ms) N400
8) Zur gleichen Zeit auf Basis von Verb Argument Struktur Info und Verbflexions-Info
werden themat. Rollen (Agent, Instrument, Ziel etc.) festgelegt LAN
9) Ableich zwischen initial erstellten syntaktischen Struktur und lexikal.semant.Aspekten
dann Verstehen
10) Abgleich nicht problemlos möglich dann Reanalyse bzw.Korrektur der schon
verarbeiteten Struktur (P600); Lokalisation: Netzwerk von Subsystemen
Stufe 9 und 10 In Verbindung zu BA 46 (Gedächtnis)
- 14 -
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