Predigt im Gottesdienst im Grünen (oder in der Nordbergkirche) am 28.08.11 Die Heilung einer verkrümmten Frau am Sabbat Lukas 13,10-17 Und er lehrte in einer Synagoge am Sabbat. Und siehe, eine Frau war da, die hatte seit achtzehn Jahren einen Geist, der sie krank machte; und sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr aufrichten. Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, sei frei von deiner Krankheit! Und legte die Hände auf sie; und sogleich richtete sie sich auf und pries Gott. Da antwortete der Vorsteher der Synagoge, denn er war unwillig, dass Jesus am Sabbat heilte, und sprach zu dem Volk: Es sind sechs Tage, an denen man arbeiten soll; an denen kommt und lasst euch heilen, aber nicht am Sabbattag. Da antwortete ihm der Herr und sprach: Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder seinen Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke? Sollte dann nicht diese, die doch Abrahams Tochter ist, die der Satan schon achtzehn Jahre gebunden hatte, am Sabbat von dieser Fessel gelöst werden? Und als er das sagte, mussten sich schämen alle, die gegen ihn gewesen waren. Und alles Volk freute sich über alle herrlichen Taten, die durch ihn geschahen. (Gebückt:) Nein, einen Hexenschuss habe ich nicht. Es tut auch nicht weh. Ich stehe nur so, weil ich spüren will, wie das ist, wenn man krumm ist. Krumm war eine Frau zur Zeit von Jesus, vor 2000 Jahren. Verkrümmt steht da in der Bibel. Verbogen. Nicht mehr aufrecht. Die Frau erlebte: Wie das ist, nicht aufschauen zu können. Andere schauen über einen hinweg. Man kann nur den unteren Teil der Menschen sehen, die Füße sehen. Es ist eigenartig, anderen nicht in die Augen sehen zu können. Freut sich, drückt ihre Dankbarkeit aus. 18 Jahre sind eine lange Zeit. Das verändert einen. Ich kann mir vorstellen, da wird man dann zurückhaltender. Leiser. Irgendwie gebunden von diesem Krummsein. Gott, du hast mich gesehen. Du hast mich aufgerichtet…. Das ist mehr als nur eine Verbiegung des Körpers. Hier steht: Sie hatte seit 18 Jahren einen Geist, der sie krank machte. - Das ganze hat ein Nachspiel. Der Synagogenvorsteher ist unwillig. „Lasst euch doch am Werktag heilen.“ Hätte die nicht noch einen Tag länger krumm gehen können? „Heuchler“ sagt Jesus. Eure Tiere würdet ihr ohne zu fragen aus dem Brunnen holen. Egal, ob es Sabbath ist, oder nicht. Weil sie euch etwas bedeuten. - Die verkrümmte Frau. Aber was erzähle ich, ich lese jetzt aus Lukas 13 die Erzählung. - Da ist sie also im Gottesdienst. In einer Synagoge am Sabbat. Vielleicht hat sie da Geborgenheit erlebt. Vielleicht. Da schauen alle in eine Richtung und nicht immer zu ihr. Sie kann sich zurückziehen, die Augen zu machen, fühlt sich Gott ganz nah. Vielleicht ist sie dann Innerlich ein bisschen gerader. Diesen Sabbat ist Jesus in der Synagoge und lehrt. Niemals würde sie in die Mitte stehen… Würde nie sagen zu ihm: heile mich. Andere haben das getan. Jesus gegenüber. Haben gerufen bis sie allen auf die Nerven gingen. Und diese Frau? Abrahams Tochter, seit 18 Jahren gebunden, die jetzt frei werden konnte? Bedeutet sie euch gar nichts? Aber vielleicht ist der Synagogenvorsteher Typisch Mann: Er hat die Verantwortung für die Regeln und Traditionen in der Synagoge. Gleich findet er einen starken Spruch Es sind sechs Tage, an denen man arbeiten soll; an denen kommt und lasst euch heilen, aber nicht am Sabbattag. Führungsstark, engagiert. Engagiert sich für das Notwendige. Ist nicht das Ganze wichtiger als diese eine Frau? Und warum gerade heute? Dieser Mann ist fast zu aufrecht. Er kann sich nicht mehr hinabbeugen. Jesus ruft sie von sich aus, von vorne. Sagt zu ihr: Frau, sei frei von deiner Krankheit. Und legt die Hände auf sie. Er übersieht diese Frau mit ihrem Leid, ihrem Schmerz, ihren Begrenzungen. Für so etwas wie Barmherzigkeit, Mitgefühl und Verständnis scheint er zu aufrecht zu sein. Und: Sie richtet sich auf. Richtet sich endlich auf. Und lobt Gott. Typisch Frau Könnte man zu der gekrümmten Frau sagen. Zumindest damals galt das wohl: typisch, dass sie gar nicht zu Wort kommt. Gar nicht will. Sie bittet erst gar nicht. Hält sich am liebsten im Hintergrund, hat sich vielleicht abgefunden mit ihrer Verbiegung. Aber sie ist präsent. Nach 18 Jahren „unter der Knechtschaft Satans“ wie Jesus das nennt, ist sie im Gottesdienst in der Nähe Gottes geblieben. Trotz aller Hoffnungslosigkeit. Und typisch Frau ist vielleicht auch, dass sie ihre Gefühle zeigen kann. Freude, Glück, Dankbarkeit. Und sie verbindet das mit dem Lob Gottes. Hier ist Gott am Werk, nicht der Zufall oder ein Alleskönner. Unter der Berührung durch Jesus wird aus der ängstlichen Frau, die sich wahrscheinlich schämte über ihre verkrümmte Haltung ein aufrechter Mensch. Und am Ende steht: dass sich alle schämen mussten, die gegen Jesus waren. Und: Typisch Jesus. Typisch ist eher, dass er untypisch ist, einen anderen Weg geht. Nicht planbar, nicht für den Synagogenvorsteher, die Frau die Volksmenge. Er übersieht die gebeugte Frau nicht, sieht das Verkrümmte, Sprachlose, Hilflose. Er weiß, wo Schmerz und Leid einen Menschen unfähig gemacht haben, sich überhaupt noch zu erkennen zu geben. Er weiß auch, wenn ich mich nicht traue zu schreien, nicht mehr auf mich aufmerksam machen kann, ich es nicht schaffe, mich in den Mittelpunkt zu stellen. Typisch Jesus, dass er dieser Frau und uns – so weit entgegenkommt, dass ihr gar nichts weiter übrig bleibt, als das Geschenk der Heilung anzunehmen. Und typisch für Jesus ist, dass er die Auseinandersetzung nicht scheut. Er findet klare Worte für sein Gegenüber. Beschützende und mitfühlende Sätze für einen Menschen, der gelitten hat. Und gute Vergleiche für den Synagogenvorsteher. Hei, eure Tiere, die hättet ihr sofort aus dem Brunnen gezogen. Ja, und was wäre in dieser Geschichte: typisch ich? Neige ich dazu, Kleines, Langsames und Verkümmertes und Fremdes zu übersehen? Weil ich zu aufrecht bin? Oder beugt mich manche Last, die ich gerne los hätte? Typisch Jesus, das er uns sieht und auf uns wartet. Warum haben die Leute diese Geschichte mit Jesus weiter erzählt? Weil es da um ganz wichtige Grundthemen geht. Verkrümmt sein. Aufgerichtet werden. Sich nicht trauen, zu reden, und von Gott, von Jesus trotzdem ernst genommen zu werden. Angeschaut werden. Die Geschichte tut gut. Und jetzt sage ich etwas ganz Grundlegendes: Das, was wir da in der Geschichte miterleben, ist Gottes Wirklichkeit, das ist seine Haltung uns gegenüber. Die Frau lobt Gott, weil Jesus ihr so begegnet, wie er es tat. Gott ist durchsichtig. Und undurchsichtig. Darum kam Jesus: Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Gott deutet und erklärt uns seine Gedanken, seine Einstellungen, seine Art – am Leben und am Weg Jesu. Er schreibt seine Liebe zu uns in das Leben Jesu hinein. Ein Gott, der so unbedingt helfen will und aufrichten. Ein Gott, der mich genauso ernst nimmt, wie Jesus diese Frau. Viele Menschen haben diese Geschichte erlebt, meditiert, durchgespielt, um das zu erfassen Sie haben den gehört, der gesagt hat: Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet. Lass euch von mir in den Dienst nehmen und lernt von mir. Und das war die große Entdeckung bis heute: Jesus lebt, er ist bis heute Gott für uns. Darum haben sie auch zu Jesus „Herr“ gesagt. Nur weil man ihn nicht sieht, soll das nicht möglich sein? Christentum bedeutet: mit Jesus Christus in Verbindung kommen und darin bleiben. Amen.