Interview Maria Sanchez Maria Sanchez (44), Heilpraktikerin für Psychotherapie in Hamburg, entwickelte als ehemals selbst übergewichtige Frau nach langem Experimentieren und Suchen das Konzept SEHNSUCHT UND HUNGER, mit dem sie heute erfolgreich Betroffenen hilft. Frau Sanchez, wie kam es dazu, dass Sie das Konzept SEHNSUCHT UND HUNGER entwickelt haben? Ich kenne den Kampf mit dem Gewicht und das daraus resultierende Leid aus eigener Erfahrung. Bis vor einigen Jahren war ich 30 Kilo schwerer als heute und sehr im Diätenwahnsinn und Essenskampf gefangen. Ich fühlte mich verzweifelt und war sehr resigniert. In anderen Lebensbereichen war ich diszipliniert, nur beim Essen entglitt mir immer wieder die Kontrolle. Ich fühlte mich fremdbestimmt und das war frustrierend. Irgendwann habe ich dann für mich beschlossen, mich nicht mehr selbst ständig zu kontrollieren oder reglementieren, sondern stattdessen zu erforschen, was eigentlich los war. Mich faszinierte, dass sich natürlich schlanke Menschen keine Gedanken um das Essen machen und dennoch ihr schlankes Gewicht halten können. Was also war bei mir anders? Ich beschloss herauszufinden, warum ich immer mehr essen wollte, als mein Körper brauchte. So begann mein Essensheilungsweg, der mich über drei Jahre im Trial und Error Verfahren die Gründe für meine Essproblematik entdecken und Übungen entwickeln ließ. Das daraus resultierende Konzept habe ich SEHNSUCHT UND HUNGER genannt. Wie haben Sie entdeckt, dass Sie selbst eine emotionale Esserin sind? Ich fühlte mich oft nach einer Mahlzeit sehr voll, konnte aber dennoch nicht mit dem Essen stoppen. Es war schnell klar, dass es hierbei nicht um das Befriedigen eines körperlichen Hungers gehen konnte. Biologisch war ich satt, aber etwas in mir blieb dennoch weiterhin hungrig und wollte immer mehr. Was also war es, das Hunger hatte, aber nicht mit Essen gestillt werden konnte? Als ich begann, dies zu erforschen, wurde deutlich, dass ich über das Essen versuchte, Gefühle abzudämpfen. Deshalb wählte ich damals den Begriff “emotionales Essen“ und bezeichnete mich als emotionale Esserin. Warum essen wir eigentlich emotional? Essen hat die Fähigkeit, uns von einem seelischen Unwohlsein zumindest zeitweilig abzulenken. Wenn wir etwas Unangenehmes fühlen, ist dies durch bestimmte Empfindungen im Körper wahrzunehmen. So kann sich bei Wut unser Magen zusammenziehen oder wir spüren einen Druck auf der Brust. Bei emotionalen EsserInnen taucht dann irgendwann der Jieper nach beispielsweise etwas Süßem auf. Es ist kein Zufall, dass es uns dann nicht nach Karotten gelüstet, sondern nach Lebensmitteln, die einen stärkeren Geschmacksreiz haben wie z. B. Schokolade oder Chips. Durch das Essen dieser Nahrungsmittel lenken wir unsere Aufmerksamkeit weg vom unangenehmen Körperempfinden hin zum Mund, wo wir etwas angenehm Süßes oder Salziges schmecken. Außerdem bringen wir unseren Körper dazu, in einen Verdauungsvorgang zu gehen, was ihn vom emotionalen Stresslevel runter in eine verdauungsbedingte Schwere bringt. Wir fühlen uns dann beruhigter. Mit anderen Worten: Wir essen emotional, weil wir mit bestimmten Gefühlen – mit emotionalem Stress – noch keinen anderen Umgang finden konnten. Wie kann man lernen, den emotionalen Hunger zu erkennen und zu bearbeiten? Ein sehr wichtiger erster Schritt auf dem Essensheilungsweg ist die Unterscheidung von körperlichem und emotionalem Hunger. Ohne diese Unterscheidung verwechseln wir häufig das eine mit dem anderen und haben keine Orientierung. Da körperlicher Hunger bedeutet, dass unser Körper Energie in Form von Kalorien benötigt, wird dieser im Laufe der Zeit immer stärker, während emotionaler Hunger kommt und geht. Durch bestimmte Übungen kann der körperliche vom emotionalen Hunger fühlbar unterschieden werden. Im nächsten Schritt zeigen wir den Betroffenen dann wirkungsvolle Übungen, wie sie mit den aufkommenden Emotionen arbeiten und diese auflösen können. So kann die Kopplung von Essen und Emotion nach und nach entkoppelt werden. Es liegt mir am Herzen zu betonen, dass es hierbei nicht um einen Schalter geht, der einfach umzulegen ist, sondern um einen Prozess, bei dem sich die Betroffenen liebevoll kennen und sich selbst zu helfen lernen. Eine Diät, wozu ich auch eine Ernährungsumstellung zähle, ist deshalb auf Dauer wirkungslos, da sie diese tiefer liegenden Emotionen niemals berühren kann. Es gibt mittlerweile viele Konzepte, die sich mit dem Thema Achtsamkeit und emotionalem Essen auseinandersetzen. Was ist das Besondere an Ihrem Konzept im Vergleich zu anderen Ansätzen? Das Neue ist, dass es nicht nur um Achtsamkeit oder um ein Erkennen geht. Die Achtsamkeit über das, was in einem vorgeht, gehört zu einem der ersten Schritte – genau wie die Erkenntnis – reicht jedoch nicht aus, um eine dauerhafte Entkopplung von Essen und Emotion zu bewirken. Wir spüren dann, dass wir beispielsweise traurig sind und deshalb essen möchte, aber durch das Wahrnehmen und das Erkennen löst sich die Traurigkeit nicht auf. Bei SEHNSUCHT UND HUNGER nähern wir uns deshalb dem Essproblem auf unterschiedlichen Ebenen an. Gefühle wollen gefühlt werden und um sie fühlen zu können, braucht es erst einmal ein Wahrnehmen – nicht nur ein Wissen – darüber, dass sie da sind. Aber wenn ich nicht gleichzeitig lerne, im nächsten Schritt mit den aufkommenden Emotionen zu arbeiten, bleibe ich in dem kraftraubenden Teufelskreis des Essproblems weiterhin gefangen. Ich halte es für einen dauerhaften Erfolg für unabdingbar, sowohl mit der inneren körperlichen, als auch mit der mentalen Ebene zu arbeiten. Es gibt dafür Übungen, die einer persönlichen Anleitung bedürfen, da jeder Mensch individuell ist. Deshalb gibt es diese Übungen ganz bewusst auch nicht in einem Übungsbuch. Es geht eben nicht nur um ein paar neue Tipps, sondern um eine wirklich dauerhafte Lösung. Warum gibt es bei SEHNSUCHT UND HUNGER keine Regeln oder Verhaltensvorschriften? Regeln oder Verhaltensvorschriften richten sich an die mentale Ebene, also an unseren Verstand. Wir befolgen dann etwas, weil die Regel es so vorschreibt. Über Regeln oder Pläne kann ich, wenn überhaupt nur zeitweilig an Gewicht verlieren, denn die Emotionen, das tiefere Unwohlsein lösen sich durch Reglementierungen nicht auf. Wir doktern dabei nur am Symptom herum und gehen nicht an die eigentliche Ursache des Problems – unsere Gefühle Bei SEHNSUCHT UND HUNGER nutzen wir die Verhaltensänderung nur als ein Entrée in die Emotionsarbeit. Denn hier ist die entscheidende Baustelle. Der SEHNSUCHT UND HUNGER Weg ist dabei ein liebevoller Weg, bei dem es darum geht, sich selbst zu erforschen. Es geht darum, die Verantwortung für sich und seinen Körper nicht länger an einen Regel- oder Vorschriftenplan abzugeben, sondern zurück in eine Selbstbestimmtheit zu kommen. Besteht immer ein Zusammenhang zwischen emotionalem Essen und Übergewicht? Eine emotionale Essstörung ist keineswegs nur bei übergewichtigen Menschen vorhanden. Es gibt viele schlanke Personen, die kein entspanntes Verhältnis zum Essen haben. Sie müssen sich beim Essen kontrollieren, um ihr Gewicht halten zu können. Es gibt viele Normalgewichtige, die über intensiven Sport, Punkte zählen oder über die Auswahl von bestimmten Nahrungsmitteln versuchen, sich schlank halten. Der Kopf läuft, im Gegensatz zu natürlich schlanken Menschen, beim Essen immer mit. Da diese Personen ohne reglementierende Maßnahmen dick wären, nenne ich emotional essende Menschen, die schlank sind, “dünne Dicke“. Natürlich schlanke Menschen haben diese ganzen Gedanken beim Essen nicht. Sie essen, wenn sie hungrig sind – ohne auf den Fett- oder Kaloriengehalt einer Mahlzeit zu achten – und hören auf, wenn sie satt sind. Jeder, der kein entspanntes Verhältnis zum Essen hat und darunter leidet, hat ein emotionales Essproblem. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand übergewichtig oder schlank ist. Können Sie einschätzen, wie viele Menschen von emotionalem Hunger betroffen sind? Frauen sind neben den individuellen biografischen Gründen zusätzlich durch den gesellschaftlichen Druck, der in Bezug auf das Aussehen an sie herangetragen wird, häufiger vom emotionalen Essproblem betroffen. Wobei ich sagen muss, dass der gesellschaftliche Druck auf die Männer ebenfalls steigt. Grundsätzlich spielt daher das Geschlecht keine Rolle. Ich glaube, dass die Anzahl der emotional essenden Personen in unserer Gesellschaft im Gegensatz zu natürlich essenden Menschen sehr hoch ist. Das Entscheidende dabei ist jedoch, ob ein Leidensdruck besteht. Fühlt sich jemand emotional essend wohl, ist das fein. Fühlt sich aber jemand nicht wohl und möchte aus dem kraftraubenden und die Lebensqualität mindernden Essenskampf heraus, besteht Handlungsbedarf. Zu mir kommen zurzeit noch überwiegend Frauen, aber die Zahl der Männer steigt stetig an. Für weitere Informationen und Bildmaterial kontaktieren Sie bitte: ad publica Public Relations GmbH Carolin Mehler, Tel. 040 31766-325, E-Mail: [email protected], Fax: 040 31766-301, Büschstraße 12, 20354 Hamburg