Keine individuell einklagbaren Ansprüche aus der UN-Behindertenrechtskonvention In der zwischen den Bundesländern und dem Bund öffentlich geführten Debatte über die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe vor dem Hintergrund der Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland wird von interessierter Seite zunehmend die Auffassung vertreten, mit der Ratifizierung der Konvention durch den Bundesgesetzgeber seien subjektiv-rechtliche und damit einklagbare Ansprüche auf bestimmte Leistungen für Menschen mit Behinderungen entstanden. Dieses ist auf jeden Fall nicht richtig, soweit durch die Konvention Ansprüche beschrieben werden, die bislang noch nicht durch nationales Recht begründet worden sind! Somit ergibt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Ratifikation der Konvention durch die Bundesrepublik Deutschland ergeben: Die Ratifikation hat für Deutschland rechtliche Bedeutung nach außen. Deutschland bindet sich im Außenverhältnis an die UN-Behindertenrechtskonvention und verpflichtet sich gegenüber der internationalen Gemeinschaft, aber auch gegenüber den in Deutschland lebenden Menschen, die Konvention einzuhalten und umzusetzen. Im internationalen Vergleich gehen die Staaten mit Blick auf den Start der Umsetzung der Konvention sehr unterschiedlich um. Manche Staaten erbringen Umsetzungsleistungen vor Ratifikation. Andere wiederum ergreifen Umsetzungsmaßnahmen erst im Anschluss daran. Der späteste Zeitpunkt für den Beginn der Umsetzung ist in jedem Fall das Inkrafttreten in Deutschland. Denn die Klausel über die Umsetzungsverpflichtung wird gemeinhin so verstanden, dass spätestens kurz nach dem Zeitpunkt der Ratifikation Maßnahmen zu ergreifen sind. Diese Maßnahmen sollen geeignet, konkret und auf die Verwirklichung der Konventionsrechte ausgerichtet sein. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, bereits vor der Ratifikation die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um anschließend zeitnah die wirksame Umsetzung einleiten zu können. Verpflichtungen, die aus der UN-Behindertenrechtskonvention erwachsen, richten sich primär an die Träger staatlicher Gewalt. Die Adressaten in Deutschland sind die Parlamente auf der Ebene von Bund und Ländern, welche die Konvention im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung umzusetzen haben. Die Bundesländer sind im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Umsetzung der Konvention verantwortlich. Neben den Parlamenten sind Behörden und Gerichte sowie die Körperschaften öffentlichen Rechts ebenfalls Adressaten der Normen, da diese an Gesetz und Recht gebunden sind. Die Konvention verpflichtet die staatlichen Organe in Bund und Ländern dazu, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung zu gewährleisten und zu fördern. In Folge gebietet sie, geeignete Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu ergreifen. Insbesondere in Bezug auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, wie sie auch in der Konvention normiert sind, verpflichtet sich Deutschland, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Ressourcen, nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen. Demzufolge würden gesetzliche Anpassungen allein nicht ausreichen. Entscheidend für die Umsetzung der Konvention ist vielmehr auch eine Änderung der rechtlichen Praxis. Die Umsetzung ist daran zu messen, ob die Bestimmungen der Konvention, insbesondere die dort anerkannten Rechte, auch faktisch verwirklicht sind. Für die Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, die das innerstaatliche Recht ausführen, gewinnt die UN-Behindertenrechtskonvention erst durch die Festlegungen im nationalen deutschen Recht verbindliche Bedeutung. Dieses gilt insbesondere für die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem SGB XII. Die bestehenden Vorschriften des Sozialhilferechts müssen daher vom Gesetzgeber auf den Prüfstand gestellt werden. Soweit die aktuelle Rechtslage den Vorgaben der Konvention noch nicht entspricht, muss eine Anpassung der einschlägigen Vorschriften erfolgen. So klar diese Konsequenz aus staatsrechtlicher Sicht grundsätzlich ist, so verschieden kann allerdings die Bewertung konkreter Regelungsinhalte des deutschen Sozialrechts und der Notwendigkeit ihrer Anpassung sein. Ursache dafür ist der globale Blickwinkel der Vereinten Nationen und der hohe Abstraktionsgrad des Konventionstextes und seiner Begrifflichkeiten, der im weltweiten Vergleich bei höchst unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in den einzelnen Vertragsstaaten ansetzt. Die Bundesregierung hat anlässlich mehrerer Verlautbarungen in jüngster Vergangenheit (so vor dem Teilhabebeirat am 29.04.10 in Bonn) deutlich gemacht, dass „eine Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe keine verhandelbare Option sei“. Vor dem Hintergrund der finanziellen Herausforderungen, die insbesondere durch eine Umsteuerung auf personenzentrierte Hilfen (persönliche Assistenz) und die auf Inklusion ausgerichteten Maßnahmen zur Sozialraumgestaltung (Infrastruktur) entstehen, darf angesichts der finanziellen Notlagen in vielen Bundesländern bezweifelt werden, ob insbesondere ein neues Leistungsrecht des Bundes noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann. Insbesondere die sich in direkter Umsetzungsverantwortung befindenden kommunalen Sozialhilfeträger in Schleswig-Holstein sind allerdings gut beraten, wenn Sie sich frühzeitig entscheiden, vorbereitende Maßnahmen (insbesondere im Hinblick auf ihre Sozialräume) zu treffen.