Bibelstunden 40. Woche 2002; Galater 3,15-5,15 In den Texten der vergangenen Woche warnte Paulus ausdrücklich davor, dem Evangelium noch etwas weiteres Heilsnotwendiges an die Seite zu stellen. Aus diesen Texten erhob Martin Luther die vier Grundsätze der Reformation, die hier noch einmal ausdrücklich genannt seien: solus christus – allein Christus (Gal 2,20 / 3,13) sola gratia – allein die Gnade (Gal 5,4) sola fide – allein der Glaube (Gal 3,11+26 / 5,6) sola scriptura – allein die Schrift (Gal 1,8 + 11-12) Das Problem der Galater waren Judenchristen, die ihnen sagten, sie müssten sich erst beschneiden lassen und erst Juden werden, um Christen werden zu können. Dem gegenüber stellte Paulus in den ersten Kapiteln das Evangelium aus Christus, Gnade, Glaube und basierend auf der Uroffenbarung Christi an die Apostel. Paulus warnt davor, sich angesichts des neuen, ewig gültigen Bundes, den Christus gestiftet hat, auf den alten Bund einzulassen, dessen Zeichen die Beschneidung ist. Wenn schon, denn schon... In dieser Woche breitet er die vollen Konsequenzen für den aus, der sich beschneiden lässt. Die ganze Wucht dieser Konsequenzen kommt am klarsten in Gal 5,3 zum Ausdruck: „Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.“ Noch einmal sei gesagt, dass dies für uns ein starkes biblisches Gesprächsargument gegen alle ist, die sagen: „Ich brauche den Glauben an Jesus nicht, ich halte mich an die zehn Gebote, das reicht.“ Ähnlich wie der Hebräerbrief nimmt Paulus sich im Galaterbrief Zeit, die Linie vom Alten zum Neuen Testament zu ziehen: Drei Personen spielen hier die Hauptrolle: Abraham, Mose und Christus. Dabei sind Abraham und Christus der Rahmen des Heilsgeschehens. Der von den Juden hochverehrte Mose ist heilsgeschichtlich nur der Mittler eines Zwischenstadiums zwischen dem Abfall der Menschheit zum Tod und dem endgültigen Heil zum Leben in Christus. Wir müssen uns noch einmal verdeutlichen: Das Alte Testament ist nicht der Beginn Gottes mit der Welt, sondern NUR (!) ein Zwischenstadium. Es steht zwischen der Schöpfung und Sündenfall auf der einen Seite und Heil und Vollendung der Welt auf der anderen Seite. Das AT ist also weder Anfang noch Ende der Geschichte Gottes mit den Menschen! Nun aber biblisch und der Reihe nach. Wichtig ist hier der Abschnitt Gal 3,1-4,7 Abraham: Abraham bekam eine doppelte Verheißung Gottes, a) ein Nachkomme b) Segen allen Völkern Der Nachkomme war zunächst Isaak, der dem Abraham und seiner Frau Sara mit über 90 Jahren geschenkt wird. Biologisch unmöglich, aber eben darin kommt das Entscheidende an Abraham zum Ausdruck: Er glaubte Gott und lebte aus diesem Glauben (1Mo 15,6). Aus welchem Nachkommen aber kam denn der Segen für alle Völker? Nicht aus Isaak, sondern aus Jesus Christus. Jesus Christus ist also die eigentliche Erfüllung der Verheißung Gottes an Abraham (Gal 3,16-17). 1 Paulus löst die jüdische Verbindung zwischen Abraham und Mose und bringt sie in eine neue Verbindung: Abraham und Christus. Damit löst er auch Beschneidung (die ja von Abraham kam) und Gesetz von der Rettung. Paulus sieht genau hin: Zuerst kamen Gottes Verheißung und Abrahams Glaube. Die Beschneidung kam später (1Mo17,10+11). Weitere 430 Jahre später kam das Gesetz des Mose (Gal 3,17+19). Das Heil aus der Abrahamsverheißung war aber schon vor aller Beschneidung und allem Gesetz auf dem Wege (Gal 3,18). Das ganze Gesetz ist nichts als ein Zuchtmeister auf dem Wege von der Verheißung zur Erfüllung. Es war NIE der Weg zum Heil der Welt (Gal 3,19+23-26). Gesetz und Rettung haben NICHTS miteinander zu tun!! Das ist wichtig für alle Glaubensgespräche. Bringen wir es auf den Punkt: Gott ist Schöpfer der Welt; darum will er auch die ganze Welt retten. Diese Rettung besteht aber nicht darin, Jude unter dem Gesetz des Mose zu sein, sondern darin, an Christus zu glauben (Gal 3,28). Paulus zeigt auf, dass der Gesetzesglaube und die Gerechtigkeit aus dem Gesetz noch nie der Heilsplan Gottes für diese Welt war. Was gehen den Christen die Gebote (das Gesetz) an? Paulus geht nun dazu über, die Galater am Kragen aus dem Gesetzessumpf zu ziehen. Der Jude war Knecht in doppelter Hinsicht: a) Seine weltliche Begierde knechtete ihn und trieb ihn von Gottes Gesetz weg (Röm 7,8) b) Das Gesetz knechtete und verurteilte ihn dafür ständig (Röm 7,11) Bisher standen zwischen Gott und Menschen immer noch das Gesetz als Bedingung und die Schuld als Hindernis. Aus beidem befreit Christus. Das Gesetz erfüllt er, die Sünde trägt er schuldlos für uns. Der Weg zu Gott ist ohne Bedingungen frei und alle „Neuverschuldung“ hat ihren Platz am Kreuz gefunden. Wie ist das mit meinem Gewissen? Wie alttestamentlich glaube ich oft noch? Paulus und Jesus gebrauchen als Folgerung dieser Befreiung zwei verschiedene Bilder: Paulus spricht von der Gotteskindschaft des Glaubenden. Damit spielt er besonders auf das Erbe an – ewiges Leben im Reich Gottes. Jesus spricht von der Freundschaft (Joh 15,15-16) Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie im Gesetz die Knechtschaft sehen. Endlich frei!! Wie ein Triumphschrei klingt Gal 5,1. Welche Möglichkeiten der Lebensgestaltung als Christ haben wir, wenn wir dieses Wort ernst nehmen? Paulus kann es sich leisten, wie Jesus das Gesetz auf einen Satz zu verdichten (Gal 5,14 / Mt 22,37-40). Nehmen wir also mal alle Opfervorschriften, alle Sabbatgebote, alle kleinlichste Regelung der Alltagsgeschäfte aus unserer Beziehung zu Gott und zueinander heraus. Tun wir mal so, als wäre es wirklich so: Gebote sind weg – Liebe ist da. Sie steht zur Verfügung, man muss sich nur von Gott mit ihr füllen lassen. Was bedeutet das doppelte Liebesgebot für - unsere Ehe? - unsere Kindererziehung? - Unser Geschäftsgebaren? - unsere nachbarschaftlichen Verhältnisse? - unsere Verhältnisse in Gemeinschaft und Gemeinde? - unsere Prioritätensetzung im Leben - ... Ja, wir bleiben auch die Alten, vergessen oft die Liebe, aber da können wir getröstet sein mit Gal 2,20! LKG Verden, Prediger Gerd Voß, 1.10.2002 2