1 Die Vermessung des Gröninger Fasses von Dipl. - Physiker Ludger Winkelmann Einleitung Am 22. und 23. April 2005 haben Burghard Schmanck, Rita und Ludger Winkelmann gemeinsam das Gröninger Faß im Jagdschloß Spiegelsberge in Halberstadt vermessen und fotografiert. Burghard Schmanck hatte die älteste Beschreibung des Heidelberger Fasses in lateinischen Distichen von 1595 von Antonius Praetorius übersetzt und von daher dieses Meßprojekt angeregt. Rita Winkelmann plante und organisierte die Messung. Die Auswertung der Meßreihen wurde dann von Ludger Winkelmann durchgeführt. Die Methoden und Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. 1. Zur Meßmethode Die Vermessung des Fasses wurde mit einem Laserlängenmeßgerät und einer selbstjustierenden Fadenkreuzwasserwaage durchgeführt. Diese erzeugt unter der Einwirkung der Schwerkraft eine horizontale und eine vertikale Laserlinie in der ganzen Raumtiefe, die als Bezugslinien für vertikale und horizontale Längenmessungen genutzt wurden. Da der Laserfleck einen Durchmesser von weniger als 0,5 cm hat, ist die Messgenauigkeit besser als +/- 0,5 cm. Das Längenmeßgerät hat eine Genauigkeit von +/- 0,5 mm. Die Meßaussage wird weit mehr eingegrenzt durch die Rauhigkeit und Unebenheiten der Faßwandungen. Daher erscheint eine Ungewißheit von +/- 1 cm realistisch. Volumenangaben sind daher höchstens auf ganze m3 sinnvoll. 2. Die Form des Fasses Die ersten Messungen galten der Form des Fasses. Dazu wurde der Durchmesser des Kreises vermessen, den die inneren Daubenkanten an den beiden Enden des Fasses einschließen; dieses geschah vertikal, horizontal und in weiteren durch Leitern erreichbaren Durchmessern. In allen Messungen ergab sich der gleiche Durchmesser von 4,37 m. Damit läßt sich die Annahme eines kreisförmigen Faßquerschnittes über die ganze Länge gut vertreten. Die innere Länge des Fasses wurde zu 7,56 m festgestellt. Die äußere ist auf einer Seite 8,48 m, auf der anderen 8,33 m. Das Faß liegt nicht horizontal, sondern neigt sich von der Rückseite zur Einstiegseite um 10 cm. Möglicherweise wurde das Faß nicht ganz original wiederaufgebaut. Es wurde mindestens einmal, und zwar 1912, überarbeitet. Es soll ursprünglich 93 Dauben gehabt haben1; jetzt zählt man nur 92 Dauben. Entsprechend liegen diese nicht straff an den Faßreifen an, sondern in einem Abstand, der zwischen 2 cm und 4 cm schwankt und im Mittel etwa 3 cm beträgt; es ist mit Keilen - nicht vollumfänglich - fixiert, für die ursprüngliche Aufgabe untauglich. Rechnet man mit 3 cm, so hätte eine zusätzliche Daube von ca. 19 cm Platz. Allerdings ist es möglich, daß es ursprünglich nur 92 Dauben waren und der um 0,03 m kleinere Radius durch 1 Dieter Coburger: Das Riesenweinfaß an der Bode, Selbstverlag des Autors, Halberstadt, 1999, S. 17 2 Trockenschrumpfung eingetreten ist. Die Trockenschrumpfung vom grünen zum trockenen Holz (15% Restfeuchte) beträgt quer zur Faser je nach Holzart 10% bis knapp 20%, längs der Faser nur 1% bis 2%. Die Faßreifen sind mit längsfasrigen Hölzern gefertigt und schrumpfen nur wenig. Es sei hier nur angedeutet, daß diese Eigenschaft des Holzes für das wechselnd feuchte Weinfaß ein erhebliches Problem für den Erbauer des Riesenfasses darstellt. Küfer jedenfalls sagen, daß man mit einer verminderten Daubenzahl kein Faß mehr zusammensetzen kann. Allerdings könnte man vielleicht zwei zerstörte Dauben durch eine entsprechend breitere Daube ersetzen. Man mag sich wundern, daß die Küfer die aufwendige, bauchige Form eines Fasses wählen. Aber nur so ist die einzelne Daube durch die Faßreifen in jeder Bewegungsrichtung auch ohne Reibung fixiert. Sie ist in Längsrichtung wegen der sich ändernden Breite blockiert. Wegen ihrer Krümmung in Längsrichtung ist sie auch gegen Drehen um ihre Längsachse und wegen des konischen Querschnitts gegen Hineinstürzen ins Innere gesichert. Bei einem zylindrischen Faß könnte schon bei geringem Trockenschrumpfen im Leerzustand eine Daube herausfallen und das Faß einstürzen. Die Faßböden sind Kugelabschnitte von 10 cm Höhe. Damit werden sie bei Belastung radial gedehnt und pressen sich in die Daubennut und leiten so die Belastungskräfte an die Wandung ab. 3. Die Innenmessung Nach der Innenlänge wurde das innere Faßprofil vermessen. Von einer Laserlinie als Bezug, die die vordere und hintere Faßunterkante (an der tiefsten Stelle) gerade berührt, wurde das Längsprofil der untersten Faßdaube und unabhängig davon der Faßdurchmesser mit einer Schrittweite von einem Meter gemessen. Während die Profilvermessung problemlos durchzuführen war, machte die Durchmesserbestimmung einige Maßnahmen zur Erreichung größter Genauigkeit nötig. Das Lasermeßgerät wurde parallel zu den Faßböden geschwenkt, bis der größte Wert angezeigt wurde, dann in dieser Stellung parallel zur Längsachse, bis der kleinste Wert erschien: dieser war der zu messende Durchmesser. 4. Die Auswertung Die Messreihen wurden ausgewertet nach den Methoden der statistischen Regressionsanalyse: 1. Unter der Annahme eines parabelförmigen Faßprofils; das Volumen wurde als Volumenintegral des Rotationsparaboloids berechnet. Zwei Ergebnisse aus quadratischer Regression zweier unabhängiger Meßreihen. 2. Es wurde eine Kontrollrechnung nach einer Methode analog zur Keplerschen Faßregel durchgeführt. Es zeigte sich, daß alle Regressionsanalysen Korrelationskoeffizienten von über 99% hatten und daß beide Ergebnisse für das Faßvolumen dicht beieinander lagen. Mit einem mittleren Radius von 2,44 m, wie er sich aus unseren Messungen ergibt, folgt nach den Regeln der Fehlerfortpflanzung aus einem Fehler der Längenmessung von 0,005 m ein Fehler des berechneten Volumens von 0,7 m3 . Auch ohne statistische Ermittlung des Längenfehlers, für die das Datenmaterial nicht ausreicht, wird man einen solchen Mindestfehler sicher annehmen dürfen. 3 5. Die Meßwerte und die daraus bestimmten Funktionen Bezugspunkt für Messungen entlang der Längsachse des Fasses ist der Anfang der untersten Daube am Einstieg. Die entsprechende Variable wird mit x bezeichnet. ( a ) Profilmessung. x 0,3 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 7,86 m y 0 0,085 0,19 0,25 0,295 0,265 0,19 0,095 0 m ( b ) Faßradius x 0 m y 2,19 m 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 7,86 2,35 2,42 2,50 2,55 2,52 2,40 2,35 (2,27 ) Der Innenraum des Fasses beginnt bei x = 0,3 m. Die Länge beträgt also 7,56 m. Die Faßmitte liegt demnach bei x = 4,08; dabei ist das Faß als symmetrisch in Längsrichtung angenommen worden. Macht man diese Stelle zum Bezugspunkt einer neuen Länge x`, so erhält man die Tabellen ( a/ ) Profil x/ -3,78 m x/ m y m yB m -3,08 -2,08 -1,08 -0,08 0,92 1,92 2,92 3,78 14,2884 9,4864 4,3264 1,1664 0,0064 0,8464 3,6864 8,5264 14,2884 0,00 0,085 0,19 0,25 0,295 0,265 0,19 0,095 0,00 -0,006 0,090 0,195 0,259 0,282 0,265 0,208 0,110 -0,006 2 = 0,003 m als mittlere quadratische Abweichung zwischen y und yB nach f1 . ( b`) Faßradius; yB = y - berechnet x/ -4,08 -3,08 -2,08 m x/ m y m yB m -1,08 -0,08 0,92 1,92 2,92 3,78 2 16,6464 9,4864 4,3264 1,1664 0,0064 0,8464 3,6864 8,5264 14,2884 2,19 2,35 2,42 2,50 2,55 2,52 2,40 2,35 ( 2,27 ) 2,19 2,34 2,44 2,51 2,53 2,51 2,46 2,36 2,24 σ = 0,009 m als mittlere quadratische Abweichung zwischen y und yB nach f2. 4 Für die Faßkontur wird zunächst eine Parabel angenommen. Aus der Profilmessung ergibt sich für diese Parabel nach quadratischer Regression eine Funktion f1, aus der zweiten Tabelle eine Funktion f2. f1: y = -0,0201567x2 + 0,2820136 mit r = -0,997 aus Profilmessung f2: y = -0,0204708x2 + 2,5315069 mit r = -0,993 aus Durchmesserbestimmung Für die Volumenberechnung wird statt f1 die Funktion f1n : y = - 0,0201567x2 + 2,5315069 verwendet, um auf den richtigen Durchmesser zu kommen. Das ergibt folgende Tabelle: x m yB m -4,08 -3,08 -2,08 -1,08 -0,08 0,92 1,92 2,92 3,78 2,196 2,34 2,444 2,51 2,53 2,514 2,457 2,359 2,243 Beide Meßreihen liefern Durchmesser, die fast völlig übereinstimmen. Die mittlere quadratische Abweichung zwischen ihnen ist σ = 0,001 m. 6. Das Volumen ohne Abzüge Das Faß mit ebenen Faßböden und ohne innere Verstrebungen wird als Rotationskörper der Graphen von f1 und f1n aufgefaßt. Das Volumen ergibt sich dann als V 2 3, 78 f x dx 2 0 3 f1n : V = 141 m f2 : V = 141 m3 Ausführlich: f1n : V = 2π ∙ [ 8,1258511∙ 10-5 ∙ 3,78 5 -0,0340178 ∙ 3,78 3 + 6,4085272 ∙ 3,78] = 141,05 ] m3 f2 : V = 2π ∙ [ 8,3810731 ∙ 10 -5 ∙ 3,78 5 - 0,0345479 ∙ 3,78 3 + 6,4085272 ∙ 3,78] = 140,89 m3 Als Bruttovolumen erhalten wir also V = 141 m 3 Zur weiteren Kontrolle ergibt sich nach einer Näherungsformel für ein parabolisches Faß mit größtem Durchmesser D, kleinstem d und Länge h: V ≈ 0,05236 (8 ∙ D 2 + 4 ∙ D ∙ d+ 3 ∙ d 2 ) = 142 m 3 7. Korrekturen a) Die Faßböden sind nicht eben, sondern Kugelabschnitte mit r = 2,24 m und h = 0,10 m. Da der Boden sich nach innen wölbt, ist das Volumen zweimal abzuziehen: Va =2 ∙ [- h (3r 2 h 2 ) ] = - 0,158 m 3 6 5 b) Beide Faßböden sind am Rand verjüngt indem eine Nut in Form eines rechtwinkligen Dreiecks mit den Katheten a = 10,5 cm und b = 5,5 cm ausgespart ist. das Volumen ist hinzuzufügen und beträgt Vb = 2 ∙ π ∙ 2,24 m ∙ ab = 0,081 m 3 c) Die Faßböden werden innen durch je einen Querriegel in der Mitte verstärkt. Die Länge ist 4,63 m, die Breite in der Mitte 0,18 m und die Tiefe 0,20 m. Am Rande ist die Tiefe 0,30 m. Dies Volumen ist zweifach zu subtrahieren, also insgesamt Vc : Vc = - 0,473 m d) Im Innern ist ein Stützreifen der Breite 0,14 m und der Dicke 0,175 m; der Außendurchmesser 5,08 m. Sein Volumen Vd : Vd = - 0,391 m 3 Damit beträgt die Volumenkorrektur Vk = - 0,942m 3 Der Meßgenauigkeit angepaßt korrigieren wir das Gesamtvolumen um - 1 m3 . Daß der hintere Faßboden offenbar schief eingesetzt ist, wirkt sich nicht aus, da die innere Faßlänge in der Mitte unten gemessen wurde. 8. Endergebnis Zusammenfassend wird nach allen bisherigen Korrekturen das Gesamtvolumen von uns mit V = (140 +/- 1,5 ) m 3 angegeben. 9. Nachbemerkung zur Volumenbestimmung Das Faß muß ursprünglich wegen des oben erwähnten Trockenschwundes einen um etwa 0,03 m bis 0,04 m größeren Radius gehabt haben. Genau läßt sich das jedoch nicht ausmessen. Dann war das Volumen ungefähr143 m 3 bis 144 m3 . Wenn das Faß völlig gefüllt ist, herrscht am Boden ein Druck von ca. 50 000 pascal, entsprechend 0,5 bar. dieser erzeugt in der Wand eine tangentiale Zugbelastung von m kg F = pr∙ 7,56 m = 9,81 2 1000 3 5,06m 1m 2,53m 7,56m = 949 428 N ≈ 950000 N s m Dieser müssen 24 Faßreifen das Gleichgewicht halten. Dazu muß jeder Reifen eine Zugbelastung von ca.40 000 N aushalten. Das ist die Gewichtskraft einer Masse von etwas mehr als 4000 kg. 10. Zur Standfestigkeit des Fasses Seit Anfang des sechzehnten Jahrhunderts ist auch in Deutschland der Gebrauch der sog. arabischen Zahldarstellung und effizienter Algorithmen üblich. Dennoch konnte der Erbauer des Fasses, Michael Werner, keine Standfestigkeitsberechnung für seine Konstruktion durchführen. Denn es gab noch keine Festigkeitslehre. Diese wurde erst im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts von Galileo Galilei (1564 - 1642), Robert Hooke (1635 - 1703) und Jakob Bernoulli (1654 - 1705) entwickelt. Auf Erfahrung konnte er sich nur eingeschränkt 6 verlassen, da man Erfahrungen an kleinen mechanischen Systemen nicht ohne weiteres auf große hochrechnen kann. Dies wird erst durch die Lehre der mechanischen Ähnlichkeit ermöglicht, an die erst recht niemand dachte. (Ein Strohhalm der Höhe des Eiffelturms wäre nicht mehr schlank wie der Halm, sondern so behäbig wie der Turm.) So ging es dem Erbauer wie dem Schiffsbauer: er baute ein Unikat, das sofort gelingen mußte; einzige Hilfe: sein technischer Instinkt. Daß es so etwas gibt, konnte ich am Beispiel eines Baustatikers erleben, der auch bei komplexen Neukonstruktionen die Bemessungen festlegte und sie dann vom Rechner nur noch bestätigen lassen mußte. Auch der Physiker Enrico Fermi (1901 - 1954) fiel mit dieser Gabe auf. Wir können heute rechnerisch die Konstruktion überprüfen. Für das Folgende muß ich jedoch vorausschicken, daß die ganze Komplexität der Konstruktion nicht erfaßbar ist; es muß vereinfacht werden; das wird jeweils genau angemerkt. Das Faß steht und fällt im wahrsten Sinne des Wortes mit den Faßreifen. Jedenfalls solange es nicht durch Trockenschrumpfung zusammenstürzt, wie es bei Weinfässern nach langem Leerstand durchaus vorkommt. Quer zur Faser kann Holz beim Trocknen um mehr als 10% schrumpfen. Bei einem Umfang von etwa 15 m kann dies leicht die Breite einer Daube von 0,17 m erreichen. Vermutlich soll der innere Faßreifen dies fatale Ereignis verhindern. Möglicherweise war er auch eine Bauhilfe. Für die Berechnung wird das Faß idealisierend als Kreiszylinder mit Wänden, deren Stärke klein gegen den Radius sind, angesehen. Daher braucht man nur die axiale und tangentiale Spannung in der Wandung zu betrachten und kann diese in der Wand als konstant ansehen. Nimmt man als Radius r = 2,53 m, so erhält man sicher die größtmögliche Belastung des realen Fasses. Allerdings sind die Verhältnisse in der Nähe der Deckel nicht elementar berechenbar. Zunächst werden alle Kräfte je Meter Faßlänge berechnet. Später wird auf die volle Länge hochgerechnet. Die mechanische Belastung entsteht durch den hydrostatischen Druck des eingefüllten Weines, des Holzes der Wandung und der Faßreifen. Von dem Gewicht der Faßreifen soll ganz, von dem der Wandung zunächst abgesehen werden. Ferner wird der Wand keine statische Stützwirkung zugewiesen. Die Faßreifen werden wie flexible Gummibänder ohne Biegesteife und nur auf Zug belastet betrachtet. Der eingefüllte Wein erzeugt einen höhenabhängigen Druck. Wenn h die vom oberen Faßrand gemessene Höhe ist, gilt für den Druck p(h) p(h) = ρ ∙ g ∙ h kg m mit ρ als Massendichte des Weins, etwa 1000 3 , g = 9,81 2 und 0 m ≤ h ≤ 5,06 m. Der m s Druck erzeugt Kräfte auf die Wandung, die die Wandung nach außen zu drücken suchen. Dadurch wird im Faßreifen eine Zugkraft erzeugt, die dem Faßdruck entgegenwirkt. Es gilt jetzt, diese Zugkraft pro Meter Faßlänge zu berechnen. Die in 9) verwendete Formel gilt für Rohre mit einem über den ganzen Querschnitt konstanten Druck. Ist sie hier anwendbar? Man könnte argumentieren, die unterste Daube spürt den vollen Druck und weiß nicht, daß die anderen Dauben einem geringeren Druck ausgesetzt sind. Die in ihr erzeugte Zugkraft ist aber im ganzen Reifen wirksam. Eine quantitative Betrachtung ergibt folgendes: r = Radius des Fasses, x = Winkel im Bogenmaß x , wenn α der Winkel im Gradmaß ist. 180 0 7 In der Zeichnung ist das Faß im Querschnitt dargestellt, dessen Länge wir zunächst mit 1m annehmen. Unter dem Winkel x im Bogenmaß werde ein kleines Stück vom Winkel dx ausgeschnitten. Auf dieses Stück der Fläche dA = r∙ dx ∙ 1m wirkt die Kraft G = p(x) ∙ dA ∙1m . Ihr halten die beiden gleichgroßen, tangential gerichteten Zugkräfte F das Gleichgewicht. Diese Zugkräfte müssen von den Faßreifen auf gebracht werden und sollen hier berechnet werden. Es gilt G dx dx F sin F 2 2 2 für kleine Winkel x. Mit p(x) = gρ r ( 1 + cos x ) folgt F gr 2 (1 cos x) ∙ 1m Für x = 0, also am Boden des Fasses, nimmt sie den größten Wert an: m F = 2gρr2 = 2∙ 9,81 2 ∙ 2,532 ∙ m2 ∙ 1m = 125 587N s ≈ 125 600 N Auf die Länge des Fasses von 7,56m ergibt sich eine Zugkraft von rund F = 950 000 N Dies verteilt sich auf 24 Reifen. Wir denken uns die Last gleichmäßig auf die Reifen verteilt. Auf jeden einzelnen Reifen entfallen dann etwa 40 000 N. Daß die Reifen an den Stirnseiten doppelte Breite haben, hängt mit Randeffekten zusammen, speziell mit der großen Kraft in Längsrichtung von Boden und Wölbung, und soll hier nicht weiter berücksichtigt werden. Die inneren Reifen haben eine Querschnittsfläche von A = 0,03145 m2 . Das ergibt eine N tangentiale Zugspannung von σt ≈ 1 300 000 2 Wenn erstklassiges Eichenholz verwendet m worden ist, was man wohl annehmen darf, dann ist eine Zugspannung von σ = 10 000 000 N zulässig2. Es wurde also mit einem Sicherheitsfaktor von etwa 8 gearbeitet. Die m2 Faßreifen sind aus gebogenen Hölzern überblattend zusammengesetzt. Dabei wurden die Verbindungsstellen beidseitig mit seitlich eingelegten, etwa 1m langen, 0,08m breiten und 0,01m dicken Flacheisen überbrückt, um den vollen Kraftschluß zu erhalten. Die Eisen wurden mit je drei Schrauben von ca. 2,5cm Durchmesser befestigt. kg Eichenholz hat eine Dichte nicht weit von 1000 3 . Um die Zugspannung, die durch die m Gesamtmasse von Faßwandung und Füllung verursacht wird, zu berechnen, müssen wir in der obigen Rechnung also nur den Radius um die Wandstärke erhöhen; diese beträgt 0,18 m. Dann erhalten wir eine Zugkraft von etwa 1 100 000 N Dann steigt die Last für den einzelnen Reifen auf 44 000 N, die Zugspannung auf σt = 1 400 000 N2 m Der Sicherheitsvorsprung ist immerhin noch durch den Faktor 7 gegeben. 2 W. E. Schulze/ J. Lange: Kleine Baustatik Teubner 19767 Tafel 122.1 8 Die Faßwandung erfährt in Längsrichtung die Kraft F ≈ 340 kN. Die mittlere Zugspannung in den Dauben längs der Faßachse beträgt damit etwa σa = 116 000 N2 . m Dabei ist die Wandstärke über die ganze Länge des Fasses mit 0,185 m angenommen, was allerdings nicht von uns geprüft werden konnte. Wir konnten die Daubenstärke nur an den Stirnseiten messen. Die Zugspannung ist an den oberen Dauben am kleinsten, unten am größten. Diese axiale Spannung ist für die Standfestigkeit des Fasses unkritisch. Die Faßreifen an den Stirnseiten sind, auch wegen der komplizierten Verhältnisse in der Nähe der Deckel, doppelt so breit wie die anderen ausgeführt. Das leere Faß muß schon unter einer Vorspannung stehen, damit beim Befüllen durch den entstehenden Druck keine Ausdehnung des Fasses so auftreten kann, daß zwischen den Dauben Ritzen entstehen und das Faß undicht würde. Die Vorspannung muß mindestens gleich der oben errechneten Spannung σt sein. Damit muß der einzelne Reifen eine Spannung von mindestens σt = 2 800 000 N2 m aufbringen. Der Sicherheitsfaktor beträgt nun nur noch 3,6. Dieses stimmt mit heute gebräuchlichen Sicherheitsfaktoren überein. 11. Lagerung Wenn im Laufe des Jahres der Wein allmählich entnommen wird, füllt man das entstehende Hohlvolumen heute mit Wein oder Inertgas, CO2 oder Stickstoff aus, um Oxidation des Äthylalkohols zu Essig und Aldehyd zu vermeiden. Empfohlen wird ein Gemisch von 25% CO2 und 75% Stickstoff.3 Das tat man damals nicht, obwohl CO2 aus gebranntem Kalk zu gewinnen gewesen wäre. Allenfalls gab man Glaskugeln oder gesäuberte Kieselsteine in den Wein, bis der Füllstand wieder erreicht war. Eine Methode, die hier wohl nicht in Frage kam. Daher überzog sich der Wein mit einer Schicht von Kahmpilzen. Dieser Pilz bildet Aldehyd und Essig. Diese Beeinträchtigung ist bei großen Fässern kleiner als bei kleinen. Man hatte keine Möglichkeit, die folgende Geschmacksminderung zu verhindern. Der Weingenuß damals kann mit dem heutigen wohl kaum gleichgestellt werden. 12. Faßlager Die obige Betrachtung der Standfestigkeit widmet sich nur einem kleinen Teil der gesamten Aufgabe. Ein wesentlicher Beitrag zur Standfestigkeit kommt vom Faßlager. Dieses Gerüst trägt das Faß auf 10 der Faßform angepaßten Lagerbalken mit einer starken seitlichen Stützkonstruktion. Sie umfassen fast die ganze untere Hälfte des Fasses. Jeder dieser Lagerbalken muß bei gefülltem Faß eine Gewichtskraft von etwa 160 000 N aufnehmen. Die Vermessung dieses Fußlagers lag bei unserer primären Aufgabe, das Volumen zu bestimmen, nicht in unserer Absicht und hätte unseren Zeitrahmen gesprengt. Daher wird diese Konstruktion hier nicht weiter betrachtet. 3 H. Müller - Späth, 1982 9 13. Zusammenfassung Zum Schluß die wichtigsten Daten im Überblick: Fassungsvermögen V(ist) im Istzustand V(ist) = 140 m3 +/- 1,5 m3 Vermutliches ursprüngliches Fassungsvermögen V = 143 m3 bis 144 m3 mit den gleichen Fehlergrenzen Zugspannung durch Füllung σt(f): N m2 Bei der vermutlichen Vorspannung im gefüllten Zustand σ(f+s): σt (f+s) = 2 800 000 N2 m mit dem Sicherheitsfaktor S ≈ 3,6. Damit mutet der Faßbau erstaunlich modern an: der konstruktive Aufwand ist so bemessen, daß das Maß an Sicherheit erreicht wird, das auch in heutiger Zeit und mit unseren Methoden üblich ist. Bedenkt man die damaligen Planungsmöglichkeiten, so erfüllt uns Bewunderung für Michael Werner, den genialen Erbauer. σt (f) = 1 400 000