Universität zu Köln Philosophisches Seminar Sommersemester 2010 PS: Kripke: „Name und Notwendigkeit“ Dozent: Jens Kipper Protokollantin: Gabriele Reichel Sitzungsprotokoll Sitzungsdatum: 19.05.2010 1. Themenkomplex: Wiederholung der bisherigen Themen und Zusammenfassung Die heutige Sitzung wurde mit der Frage eröffnet, welche philosophischen Theorien zur Semantik von Namen zur Zeit von Kripkes Vorträgen bereits entwickelt waren, in welcher Hinsicht sich Kripkes Theorie unterscheidet und welche Begriffe für seine Argumentation von Bedeutung sind. Vor Kripke versuchten die Sprachphilosophen Frege und Russell Theorien zur Semantik von Namen zu entwickeln. Ihr Konzept war es, die Semantik von bestimmten Eigennamen wie z. B. ‚Aristoteles‘, ‚Köln‘, ‚Moses‘ etc. in einer Bedeutungstheorie auszudrücken. Diese Theorie wird als die Theorie des Deskriptivismus bezeichnet. Die Hauptthese des Deskriptivismus besagt, dass Namen synonym sind mit Kennzeichnungen bzw. Beschreibungen. Frege und Russell waren beide der Meinung, dass Eigennamen bestimmte Beschreibungen bzw. Kennzeichnungen abkürzen. Die Theorie von Gottlob Frege Frege vertritt die Auffassung, dass Namen nicht nur einen Referenten, sondern auch einen Sinn haben. Frege sieht ein Problem darin, dass einige Leute mit einem Namen etwas anderes verbinden können als andere. Gegeben sei das Beispiel der Venus. Sie wird einerseits als Morgenstern, andererseits als Abendstern bezeichnet. Der Referent von ‚Venus‘ ist der Planet selbst – die Venus. ‚Morgenstern‘ bzw. ‚Abendstern‘ haben jeweils den gleichen Referenten, aber einen anderen Sinn. So wird die Venus mit dem ‚hellsten Objekt am Morgenhimmel‘ und dem ‚hellsten Objekt am Abendhimmel‘ assoziiert. Diese Aussage gibt zusätzlich die Bedeutung des Namens an und kann gleichzeitig die Referenz festlegen. Die Theorie von Bertrand Russell Nach Russell sind Namen nichts anderes als abgekürzte Kennzeichnungen. Beispiel: 'Hesperus' ist die Abkürzung der Kennzeichnung ‚das hellste Objekt am Abendhimmel‘, 1 'Phosporus' ist die Abkürzung der Kennzeichnung ‚das hellste Objekt am Morgenhimmel‘. Möglicherweise kann für jeden Namen eine Kennzeichnung gefunden werden, die synonym mit dem Namen ist. Kripkes Theorie fokussiert den Begriff 'Namen‘ auf die echten Eigennamen. Seine Kritik setzt daran an, dass nach der Theorie von Frege und Russell jeder verwendete Name nur eine Beschreibung haben darf, die mit ihm verbunden ist. Nach Kripke ist diese Eindeutigkeit nicht gegeben. Kripke lehnt jede Form eines Deskriptivismus ab. Als nächstes wurde die Frage in den Raum gestellt, wie ein Sprecher in die Lage versetzt worden ist, die Kennzeichnung eines Namens zu kennen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Sprecher die Kennzeichnung aufgrund seiner Begriffskompetenz kennt und sie mit dem jeweiligen Namen assoziiert. Und umgekehrt, wer den Namen versteht, sollte die Kennzeichnung kennen. Der Sprecher weiß implizit, was der Name bedeutet, wofür er steht. Das was der Sprecher mit einem Ausdruck verbindet, ist a priori für ihn zugänglich. Beispiel: ‘Aristoteles war der letzte große Philosoph der Antike'. Die Wahrheit dieser Aussage weiß der Sprecher per Begriffsbesitz, also a priori. Voraussetzung ist, dass ‚der letzte große Philosoph der Antike‘ tatsächlich die mit dem Namen verbundene Kennzeichnung ist. Apriorität und Notwendigkeit Vor Kripke wurden diese beiden Begriffe nicht so klar abgegrenzt. Vor Kripke ist man davon ausgegangen, dass alles was a priori ist notwendig ist und umgekehrt. Kripke bestreitet das. Apriorität ist nach Kripke eine erkenntnistheoretische (epistemische) Eigenschaft. Im erwähnten Fall der Begriffskompetenz eines Sprechers handelt es sich um apriorische Evidenz aus der Perspektive des Sprechers. Als Beispiel war gegeben: ‘Junggesellen sind unverheiratete Männer'. Bei der Notwendigkeit handelt es sich um eine metaphysische Eigenschaft. Entitäten und Objekte besitzen nach Kripke notwendige Eigenschaften, die ihnen in allen möglichen Welten zukommen. Beziehen wir das auf eine Aussage, so hat diese den Status ‘notwendig‘, wenn der Inhalt in allen möglichen Welten wahr bzw. falsch ist. Wäre der Wahrheitsgehalt der Aussage in einer Welt wahr und in einer anderen falsch, ist der Inhalt der Aussage kontingent. Die Notwendigkeit, die den Dingen selbst zukommt, bezeichnet Kripke als de-re Notwendigkeit. Als Beispiel sei gegeben: Ein hölzerner Tisch ist notwendig aus Holz. Aus diesen Erkenntnissen leitet Kripke den Begriff des „starren Designators“ ab. Dieser bezeichnet in jeder Welt das gleiche Objekt. Nach Kripke sind Namen starre Designatoren. So ist 'Aristoteles' dann ein starrer Designator, wenn er in jeder Welt das gleiche Objekt bezeichnet. 2 Als nächstes Thema wurde in der Sitzung der Begriff der „Personalen Identität“ besprochen. Die persönliche Entwicklung hängt mit Veränderungen von Eigenschaften zusammen. Ändert sich die Eigenschaften eines Menschen, wird er nicht zu einer anderen Person. Viele Eigenschaften ändern sich auch verursacht durch die Umwelt. Die personale Identität muss von qualitativer Identität (Identität in allen Eigenschaften) unterschieden werden. Diese variablen Eigenschaften entsprechen den bereits erwähnten kontingenten Eigenschaften. Als Beispiel war gegeben: Wenn Kennedy nicht erschossen worden wäre, wäre Nixon nicht Präsident der USA geworden. Aussage: Nixon ist nicht Präsident der USA. ‚Nixon‘ ist der starre Designator, denn Nixon bleibt Nixon, egal ob er Präsident ist oder nicht. 'Präsident der USA‘ ist kein starrer Designator, sondern ein funktionaler Ausdruck, der nicht immer dieselbe Person bzw. dasselbe Objekt bezeichnet. 2. Themenkomplex: Die Bündeltheorie Im zweiten Teil der Sitzung wurden die sechs Thesen des Deskriptivismus, die Kripke herausgearbeitet hat, besprochen, und warum diese Thesen nach Kripke falsch sind. Kripke bezieht sich auf die Bündeltheorie, die u. a. von Searle und Wittgenstein vertreten wird. In Wirklichkeit verbinden wir einen 'Namen' mit unterschiedlichen Beschreibungen, einem Bündel oder einer Familie von Eigenschaften, die auf den Namen referieren. A muss die (meisten) der Eigenschaften a, b, c, d etc. haben, um A zu sein. Die Disjunktion dieser Eigenschaften ‚A ist a oder b oder c‘ wäre a priori bekannt oder notwendig. Es wurde die Frage in den Raum geworfen, ob es nicht sein kann, dass A nichts von diesen Eigenschaften hat. Trifft keine Eigenschaft zu, ist A nicht mehr A. Zur Bündeltheorie haben wir zwei Ideen untersucht. Idee a) Die Bündeltheorie ist die Theorie der Bedeutungswiedergabe von Namen. In diesem Fall ist die Notwendigkeit Bedingung. Idee b) Die Bündeltheorie ist nur die Theorie der Referenzfestlegung. Zur Referenzfestlegung muss Apriorität vorausgesetzt werden. Als Beispiel war der Ausdruck 'Leben' gegeben mit den folgenden Bedingungen: Reproduktion, Bewegung, Stoffwechsel, abgeschlossener Organismus, Wachstum. Trifft nichts davon zu, ist das fragliche Ding nicht am Leben. Als nächstes wurde der Begriff der Bedeutungsgleichheit analysiert. Bedeutungsgleichheit erfordert modale Äquivalenz. Wir verwenden die Sprache, um Informationen auszutauschen. Dabei schließen wir tatsächliche Möglichkeiten aus. Mit ‚a = b‘ wird keine Möglichkeit ausgeschlossen. 'a' hat denselben Informationsgehalt wie 'b'. 3 Als letztes Thema der Sitzung wurden die sechs Thesen diskutiert, welche Kripke aus dem Deskriptivismus abgeleitet hat. Folgende Abkürzungen seien gegeben: 'X' steht für einen Namen A steht für den Sprecher Ψ steht für das Bündel von Eigenschaften 1. These: Für alle Namen 'X' gibt es ein Bündel von Eigenschaften Ψ, so dass A annimmt, X hat Ψ. 2. These: A nimmt an, dass Ψ nur einem Individuum zukommt. 3. These: Wenn Ψ genau einem Individuum entspricht, dann ist dieses Individuum der Referent von 'X'. Ψ legt die Referenz tatsächlich fest. Hier ist nach Kripke eine Gewichtung der Eigenschaften zu berücksichtigen. Diese ist durch eine Abstimmung festzulegen, wobei Kripke den Begriff 'Abstimmung' metaphorisch versteht. Nach Strawson hingegen sind alle Eigenschaften gleich wichtig. 4. These: Wenn Ψ nicht genau einem Individuum zukommt, dann referiert der 'Name' nicht. Es handelt sich dann um einen leeren Namen. 5. These: ‚Wenn X existiert, dann kommt X die meisten der Ψs zu‘ weiß der Sprecher apriori. Diese These hängt mit der Bedeutung zusammen. Die Thesen 1 – 5 beziehen sich nur auf die Referenzfestlegung, nicht auf die Bedeutung. 6. These: ‚Wenn X existiert, dann kommt X die meisten der Ψs zu‘ drückt Notwendigkeit aus. 4