Hinweise zu Didaktik und Methoden

Werbung
Hinweise zu Didaktik und Methoden
Modul 3: Sekundärrecht der EU
Einführung
Modul 3 befasst sich mit der Entstehung des Sekundärrechts der EU. Der Unterschied zwischen Primärrecht (von den Mitgliedstaaten geschaffen und nur von ihnen einstimmig zu
ändern) und Sekundärrecht (Rechtsetzung durch die Organe der EU im Rahmen ihrer primärrechtlich begrenzten Befugnisse) muss deutlich gemacht werden.
Modul 3 ist praxisbezogen. An einem konkreten Beispiel wird der Ablauf der Gesetzgebung
in der EU und die Zusammenarbeit der daran beteiligten Organe und Ausschüsse dargestellt. Das „ordentliche Gesetzgebungsverfahren“, das in Artikel 294 AEUV in juristisch knapper Form dargestellt ist, kann auf diese Weise veranschaulicht werden. Vor allem werden die
Zeitabstände zwischen den einzelnen Stationen (Lesungen) erkennbar und der Aufwand an
Detailarbeit und Sachverstand deutlich, der mit der Gesetzgebung verbunden sein kann.
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren des Lissabon-Vertrags entspricht dem Mitentscheidungsverfahren (Kodezisionsverfahren), das im Maastrichter Vertrag neu eingeführt
worden war (Art. 189b EGV Maastricht, zuletzt 251 EGV Nizza) und seit 1. November 1993
gilt. Es hat seit Gründung der EWG mehr als 35 Jahre gedauert, ehe das Parlament in
Straßburg zumindest in einigen Politikbereichen gleiches Recht in der Gesetzgebung erhielt
wie die Mitgliedstaaten im Rat. Erst seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags sind die beiden
legislativen Organe in nahezu allen Politikbereichen, in denen die EU Gesetze erlassen
kann, gleichberechtigt.
Als Beispiel für eine Gesetzgebung wurde in Modul 3 das Entstehen einer Verordnung gewählt, nicht einer Richtlinie. Der Grund: Die Verordnung ist ein Endstadium im Gesetzgebungsprozess, die Umsetzung in nationales Recht wie bei Richtlinien entfällt also. Der Gesetzgebungsprozess ist folglich eher dem einer nationalen Gesetzgebung vergleichbar. Außerdem obliegt bei Verordnungen auch der Erlass von Durchführungsbestimmungen der
Union, so dass der Prozess vom Gesetzentwurf über die Verabschiedung bis zur Umsetzung
in den Verwaltungen geschlossen dargestellt werden kann. Der Unterschied zwischen Verordnungen und Richtlinien ist möglicherweise leichter zu verstehen, wenn die Bezeichnungen herangezogen werden, die der (gescheiterte) Verfassungsvertrag dafür vorgesehen hatte: Verordnung = Europäisches Gesetz; Richtlinie = Europäisches Rahmengesetz.
2
Die Novel-Food-Verordnung wurde für die Darstellung ausgesucht, weil sie einen Bereich
betrifft, der für das tägliche Leben der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger von großer Bedeutung ist. Verbraucherschutz ist ein Anliegen, dem die EU (vor allem das Europäische
Parlament und die Kommission) sich in beachtenswerter Weise widmet. Der zweite Grund
für die Wahl der Novel-Food-Verordnung ist die hohe Beachtung, die das Thema bis heute in
den Medien und in der öffentlichen Diskussion erfährt. Gentechnik ist ein äußerst umstrittenes Gebiet. Dozentinnen und Dozenten sollten dabei unabhängig von ihrer persönlichen
Einstellung auf sachliche Wortwahl achten. Genmanipuliert ist ein häufig, aber polemisch
verwendeter Begriff. Korrekt ist die Bezeichnung genverändert.
Es empfiehlt sich, vor dem Einstieg in die Praxis das Wichtigste der Theorie des Gesetzgebungsverfahrens zu vermitteln. Dieses „Gerippe“ der europäischen Gesetzgebung besteht
aus Folgendem:
A. Entwürfe für Gesetze kann nur die Kommission vorlegen, sie hat das Initiativrecht. Die
Kommission kann aber kein Gesetz erlassen.
B. Gesetze werden von Parlament und Rat gemeinsam erlassen. Beide behandeln den Entwurf in zwei Lesungen.
C. Die Lesungen mit Abstimmung sind der Abschluss langwieriger Behandlungen des Entwurfs in Fachausschüssen. Zwischen Vorlage eines Gesetzentwurfs und seiner Verabschiedung können Jahre liegen. In der Legislaturperiode 2004 bis 2009 vergingen für die erste
Lesung im Durchschnitt 15,2 Monate, für die zweite Lesung 31,3 Monate, für die Vermittlung
mit dritter Lesung 43,7 Monate.
D. In dieser Zeit kann die Kommission ihren Entwurf jederzeit ändern, um ihn den Vorstellungen von Parlament und Rat anzupassen. Sie kann sich gegen Änderungen des Parlaments aussprechen. Diese Änderungen können dann vom Rat nur einstimmig durchgesetzt
werden.
E. Wenn in zwei Lesungen keine Einigung über den Entwurf möglich ist, muss ein Vermittlungsausschuss einberufen werden. Über das Ergebnis wird in dritter Lesung beraten. Wird
keine Einigung gefunden, ist der Gesetzentwurf gescheitert.
Lernziele
Es gilt zu erkennen, dass
– das Recht, Gesetzentwürfe einzubringen (das Initiativrecht), nur die Kommission hat; sie
kann allerdings von Parlament und Rat oder auch von einer großen Bürgerinitiative aus mehreren Mitgliedstaaten aufgefordert werden, Gesetzentwürfe zu bestimmten Themen vorzulegen;
3
– es, gemessen an der Dauer, ein schwieriger Lernprozess für die Mitgliedstaaten war, ihre
legislative Entscheidungsbefugnis mit dem Europäischen Parlament zu teilen;
– im Europäischen Parlament nicht Regierungs- und Oppositionsparteien sitzen, sondern für
Mehrheiten wechselnde Koalitionen möglich sind.
Didaktische Absichten
Der Bereich des Sekundärrechts ist besonders geeignet, fundamentale Unterschiede zwischen Staaten oder Staatenbündnissen herkömmlicher Art und der historisch bisher einmaligen Konstruktion des Staatenverbundes in der EU zu veranschaulichen. Das Initiativmonopol
der Kommission ist ein Merkmal, das die Union von einem Staat wie der Bundesrepublik unterscheidet. Dieses Monopol wird in Medien und in der Fachliteratur oft kritisch bewertet. Es
wird als Mangel und als Zeichen des Demokratiedefizits dargestellt. Es wurde aber in den
Gründungsverträgen bewusst so gestaltet, weil die Kommission das einzige uneingeschränkt
supranationale Organ ist. Nur bei diesem Organ konnte und kann vorausgesetzt werden,
dass seine Gesetzentwürfe nicht nationale Interessen einzelner Mitgliedstaaten verfolgen. Es
ist deshalb nicht sinnvoll, die Legitimation der europäischen Gesetzgebung an der Gesetzgebung der Nationalstaaten zu messen.
ARBEITSBLATT 1 (Novel-Food-Verordnung)
Dieses Arbeitsblatt bringt ergänzende Informationen zum Einführungstext und soll anregen,
sich intensiver mit dem Thema zu befassen.
M1 fasst zusammen, welche Lebensmittel von der Novel-Food-Verordnung betroffen sind.
M2 bringt eine Zeitungsmeldung vom Februar 1999, die veranschaulicht, in welcher Weise
sich das Europäische Parlament um Änderungen in Gesetzentwürfen der Kommission bemüht.
M3 karikiert die Diskussion um die Gentomate.
M4 beschreibt das Schnellwarnsystem, das die Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefahren
schützen soll, die von Lebens- und Futtermitteln ausgehen können. Das RASFF wurde eingerichtet, nachdem Lebensmittelskandale zu Verunsicherungen der Verbraucherinnen und
Verbraucher geführt hatten.
4
M5 zeigt, welche Konflikte dadurch entstehen können, dass die USA eine grundsätzlich andere Einstellung zur Gentechnik und zu hormonbehandelten Lebensmitteln haben als europäische Staaten und die EU.
M6 ist ein Beispiel dafür, dass selbst bei genauen Vorschriften über Etikettierung noch Besonderheiten zu beachten sind, etwa bei Verkauf unverpackter Ware.
M7 stellt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vor. Im Zusammenhang damit
kann an Lebensmittelskandale wie BSE, Dioxinverseuchung, Gammelfleisch usw. erinnert
werden.
M8 listet auf, wie viele Lebensmittel und Futtermittel mit gentechnischen Veränderungen inzwischen in der EU zugelassen wurden.
M9 stellt das Label „Ohne Gentechnik“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums vor. Nach wie
vor wird im Lebensmittelhandel kein einheitliches Label verwendet.
ARBEITSBLATT 2 (Gesetzgebung von 1951 bis heute)
Arbeitsblatt 2 befasst sich mit der schrittweisen Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments in der Gesetzgebung der Gemeinschaft.
Die Materialien sprechen für sich und müssen hier nicht inhaltlich vorgestellt werden. Es soll
jedoch darauf verwiesen werden, dass die europäische Gesetzgebung nach wie vor begrenzt ist auf die Bereiche, für die die EU nach dem Vertrag ausschließlich zuständig ist oder
ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt. In den zahlreichen weiteren Bereichen wirkt
die EU in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten koordinierend, ergänzend, fördernd und
unterstützend mit, ohne eine Gesetzgebungsbefugnis zu haben.
Herunterladen