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Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
Kooperation und Interessenvertretungen
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Kooperation und Interessenvertretungen
Zur historischen Entwicklung von Interessenverbänden
Definition für Interesse
 Interesse, d.h. subjektiv empfundene und „verhaltensorientierende“ Ziele und Bedürfnisse von einzelnen
und Gruppen in einem sozialen Umfeld.1
 Mit Interessenverfolgung ist i.d.R. eine Umverteilung
von Ressourcen verbunden.
1
Weber, J.: Die Interessengruppen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1977, S. 31 oder auch Rudzio, W.: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1987; oder Wagner, B.: Bedürfnisorientierte Unternehmenspolitik, Stuttgart 1990.
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Verzahnung mit der Politik
 Starke Ausdifferenzierung der Interessenvertretungen; d.h.
viele Interessengemeinschaften wie Verbände und Vereinigungen waren bis 1945 häufig mit politischen Parteien verzahnt.
 Diese Entwicklung ist seit 1945 nicht mehr wie im früheren
Maße zu beobachten.
Integrationsbemühungen des Staates gegenüber Interessenverbänden
 Die zweite Entwicklung betrifft das Verhältnis der Interessengemeinschaften zum Staat.
 Vor der Weimarer Republik waren die Interessengruppen gesellschaftliche Kräfte vor den „Toren des Staates“.
 Während der Zeit der Weimarer Republik wurde versucht,
diese Gruppen in das staatlich politische Leben zu integrieren.
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In der Bundesrepublik Deutschland ist das freie Organisieren von Interessen grundgesetzlich verankert (Artikel 9).
Auszug aus dem Art. 9 (GG)
(1) Alle Deutschen haben das Recht Vereine und Gesellschaften
zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zweck oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten sind verboten.
(3)
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses
Recht einschränken oder zu behindern suchen sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. ...
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Frage:
Wo ist die Abgrenzung von Interesse und Politik?

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Der Unterschied zwischen Interessengruppen gegenüber den politischen Parteien besteht darin, daß Interessengruppen die Mitglieder hinsichtlich ihrer Interessen
nur in einem bestimmten Rollenzusammenhang ansprechen (z.B. Autofahrer, Angestellte, Raucher, Nichtraucher,
Hauseigentümer, Mieter) und sich auf die politische Einwirkung und Mitwirkung nur in diesem konkreten Anliegen beschränken, aber nicht selbst für Regierungsverantwortung kandidieren.
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Ökonomisches Spektrum von organisierten Interessen
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
Als ein Abgrenzungsmerkmal zwischen verschiedenen Interessengruppen kann die politische Einflußnahme fungieren.

Für das Wirtschafts- und Arbeitsleben sind nur solche organisierte relevant, die mittelbar oder unmittelbaren Einfluß auf das
eigene Geschehen und Handeln haben.

Verbände hingegen, sind als frei gebildete, primär dem
Zweck der Interessenvertretung nach außen dienende Organisationen zu verstehen.

Weiterhin sind öffentlich-rechtliche Institutionen wie
z.B. die Industrie- und Handelskammern, als auch ortsbegrenzte Gruppierungen (Bürgerinitiativen) zu den Interessenorganisationen zuzurechnen.
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I. Interessenorganisationen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich
1.) Unternehmens- und Selbständigenorganisationen

Branchenverbände

Kammern

Arbeitgeberverbände
2.) Arbeitnehmerverbände

Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)

sonstige Gewerkschaften
3.) Verbraucherverbände
4.) Berufsverbände
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II. Verbände im sozialen Bereich
1.)
2.)
3.)
Kriegsfolgenverbände
Wohlfahrtsverbände
sonstige Sozialverbände
III. Bürgerinitiativen
(keine weitere Systematisierung)
VI. Vereinigungen im Freizeitbereich
(keine weitere Systematisierung)
V. Ideele Vereinigungen
(keine weitere Systematisierung)
VI. Verbände öffentlicher Gebietskörperschaften
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Interessenorganisationen im Wirtschafts- und Arbeitsbereich
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
Im Rahmen der Interessenverbände nehmen die Interessenorganisationen des Wirtschafts- und Arbeitsbereiches
eine dominante Rolle ein, weil sie primär als Gestaltungsinstrumente der Mitglieder in Bezug auf Verteilungsaspekte
genutzt werden.

Um die eigenen Interessen zu vertreten, ist es also unabdingbar, entsprechenden Organisationen beizutreten.

Unternehmen und Selbständige sind i.d.R. dreifach
organisiert:
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1.)
... in frei gebildeten Branchenverbänden, mit den
einflußzielen:

Wirtschafts-, Steuer- und sozialpolitische Entscheidungen bzw. Rahmenbedingungen

Die Einzelverbände beschäftigen sich mit speziellen Fragestellungen (z.T. regionsbezogen), die
Dachverbände sind dagegen auch übergreifenden gesellschaftspolitischen Fragestellungen engagiert.
Beispiel:
Der Bundesverband der dt. Industrie ist mit 35 Branchenvereinen und 355 speziellen Fachverbänden und Arbeitsgemeinschaften extrem breit gegliedert.
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Der Dachverband unterhält Hauptabteilungen für:

Wirtschafts-, Wettbewerbs- und allg. Unternehmensfragen,



2.)
industrielle Struktur und Entwicklung,
Finanzpolitik und Recht
Außenwirtschaft.
...in Arbeitgeberverbänden, um die Unternehmen und
Selbständigen gegenüber den Gewerkschaften zu Vertreten.
In diesem Rahmen führen die entsprechenden Fachverbände die
tarifpolitischen Verhandlungen (Löhne u. Gehälter, Arbeitsbedingungen  „Manteltarifverträge“).
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
Die Dachorganisationen, die Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände übernimmt weitgehend die
Darstellung in der Öffentlichkeit (Arbeitgeber-Image)

...weiterhin konzentriert sie sich auf allgemeine tarifrechtliche Fragen (z.B. generelle Verkürzung/Verlängerung
der Arbeitszeiten, Rentenregelungen, Aussperrungsregelungen).
3.)
...in den öffentlich rechtlichen Kammern. Den Kammern gehören Unternehmen und Selbständige zwangsweise
an.

Die Aufgaben der Kammern sind gesetzlich festgelegt.
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




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Sie dürfen sich offiziell nicht in Interessenauseinandersetzungen einmischen.
Allerdings sind die Kammern faktisch Interessenvertretungen
der regionalen Wirtschaft indem sie z.B. Realsteuerhebesätze, Bauleitplanungen der Kommunen, regionale Raumplanung, Verkehrs- und
Wirtschaftsförderungsmaßnahmen durch bestimmte Handlungen oder
Unterlassungen prinzipiell beeinflussen können.
Die Aufgaben der Kammern bestehen in Stellungnahmen und
Informationen zur Lage der Wirtschaftszweige bzw. der Berufsgruppenentwicklung.
Diese Gutachten bzw. Stellungnahmen werden für staatliche
Einrichtungen erarbeitet.
Eine zusätzliche öffentliche Funktion besteht durch die Kontrolle der Berufsausbildung und Abnahme der berufsqualifizierenden Prüfungen.
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An der folgenden Aufstellung können Sie die Zielrichtung und
den Adressaten der 3 vorgestellten Interessenorgansationen erkennen:
Arbeitsteilige Repräsentanz der Unternehmen2
Art des Interesses
Wirtschaftspolitisches
Brancheninteresse
Raumbezogenes allgemeines Wirtschaftsinteresse
Arbeitgeberinteresse
2
Repräsentanz
Branchenverbände
Einflußadressat
Staat (Bund)
Kammern
Kommunen, Länder
Arbeitgeberverbände Gewerkschaften
Vgl. Rudzio, W.: Die organisierte Demokratie, Stuttgart 1982, 2.A., S. 18
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 Eine ähnlich öffentlich-rechtliche Institution wie die
Kammern für die Arbeitgeberinteressen gibt es für die
Arbeitnehmer nicht (frühere Ausnahme: Arbeiterkammer Bremen).
 Die Integrationsbemühungen in die vorhandenen
Kammern blieben in den siebziger und achtziger Jahren erfolglos.
Verbraucherverbände
 .... entwickelten sich in Dtl. im Gegensatz zu anderen
Ländern (z.B. USA) verhältnismäßig schwach, obwohl
ein starkes öffentliches Interesse besteht.
 Unter der Hauptorganisation, der Arbeitsgemeinschaft
der Verbraucherverbände, die 1953 gegründet wurde,
sammelten sich regionale Verbraucherzentralen.
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 Die ökonomische Macht der Verbraucherverbände manifestiert sich in der Einflußnahme auf das konkrete (oft
kurzfristige) Käuferverhalten. (Z.B. Stiftung Warentest)
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Interessenorganisationen außerhalb der Wirtschaft
 Interessenorganisationen, die eigene oder fremde soziale,
häufig materielle Interessen gegenüber dem Staat vertreten, gelten als Verbände im sozialen Bereich.
 Sie sprechen den Staat in seiner Umverteilungsfunktion an. So z.B. die Haus- und Grundstückseigentümervereine, freie Wohlfahrtsverbände,
DRK, Caritas.
 Freizeitvereinigungen sind meist nach innen gerichtete
Vereine, deren Mitgliedsstärke nicht auf ein entsprechendes politisches Gewicht schließen läßt. (Siehe dazu z.B.
den ADAC)
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 Ähnlich auch ideele Vereinigungen die nur partiell den
Charakter von Interessenverbänden aufweisen.
 Anders die Kirchen - sie üben gesellschaftspolitischen Einfluß aus.
In diesem Kontext z.B. die Position zur Bevölkerungsexplosion in
der sog. III Welt, die Regelungen zum § 218 (Schwangerschaftsabbrüche) oder die Feiertagsregelungen im Zusammenhang mit der
Pflegeversicherung ab 1995.
 Bürgerintiativen konzentrieren sich meist auf Einzelfragen. Sie ergänzen häufig eine bestimmte Interessenrepräsentanz im regionalen
Bereich und erfüllen lokal spezifische kommunalpolitische Interessen.
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Konfliktfähigkeit organisierter Gruppen
Der Interesseneinfluß von Interessenorganisationen wirkt
grundsätzlich in jeder Phase des politischen Entscheidungsprozesses. Entscheidungsprozesse weisen i.d.R.
immer die selbe Struktur auf. Z.B.:
 Problemerkennung,
 Zielformulierung,
 Alternativensuche,
 Bewertung,
 Entschluß,
 Realisation und Kontrolle3
3
Siehe dazu Ausführlich bei Kahle, E.: Betriebliche Entscheidungen, München 1990.
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 Bei der Durchsetzung von Interessen kommt es also u.a. darauf an,
möglichst frühzeitig in den Entscheidungsprozeß einzugreifen.
 Gleichfalls hängt es vom allgemeinen Informationsstand ab,
inwieweit Interessenorganisationen darüber informiert sind
welche Entscheidungsprozesse tatsächlich, aber nicht offensichtlich, eigene Interessenslagen tangieren.
 Von daher ist der Organisationsgrad von Interessengruppen
der erste wichtige Schritt in Richtung Konfliktfähigkeit organisierter Gruppen.
 Einflußfaktor Finanzkraft (bei Unternehmensorganisationen,
aber auch noch bei Gewerkschaften relativ hoch, Sozialverbände und ideele Vereinigungen und BI`S eher niedrig einzustufen.)
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 Mitgliedsstärke (bei Unternehmensverbänden und ideelen
Vereinigungen tendenziell niedrig.)
 Stellung im System der Interessenorganisationen (gibt es
konkurrierende Organisationen, z.B. DGB und andere Arbeitnehmerorganisationen (Gegenteil: Landwirtschaftsverbände)
oder bestehen sogar „Gegenverbände“, wie z.B. Verband der
Hauseigentümer contra Mieterschutzbund.)
 Rechtliche Privilegien (die Beamtengewerkschaft verfügt z.B.
nicht über das Druckmittel des Streiks)
 Formen struktureller Macht, d.h., die unterschiedliche Fähigkeit der Verbandsmitglieder die Allgemeinheit durch Leistungsverweigerung unter Druck zu setzen. (Beispiele: Streiks
(Müllabfuhr, öffentlicher Nah- u. Fernverkehr), Aussperrung,
Investitionsvolumen, Preisgestaltung)
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 Ein weiteres Instrument zur Durchsetzung ist die sog informelle Macht.
Sie besteht in der Fähigkeit von Personen über ihre strukturelle
Position in einer Interessengemeinschaft hinaus (andere Rollenzusammenhänge), Wirkungen auszuüben, die nur mit ihren
individuellen Umgebungsbdingungen bzw. Vernetzungen zu
tun haben (z.B. „gute Freundschaften“, Beziehungen, „eine
Hand wäscht die andere“, eingesetzes informelles Wissen).4
4
Siehe dazu z.B. Crozier, M./Friedberg, E.: Macht und Organisation, Königstein 1979; oder Küpper, W./Ortmann, G. (HG): MikropolitikOpladen 1988; oder Empter, S.: Handeln, Macht und Organisation, Augsburg 1988.
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Als Abschluß und Diskussionsanregung drei konkurrierende Thesen zur Ungleicheit des Druckpotentials von Interessen:
1. Kapitalthese  Es besteht eine Übermacht kapitalbezogener Interessen gegenüber Arbeitnehmerinteressen.
2. Disparitätenthese  Strukturelle Privilegierung derjenigen Interessen, die ökonomisch relevante Risiken provozieren können
3. Organisationsthese  Nur organisierte Interessen setzen sich
durch.
Die Interessendurchsetzung im Unternehmen vollzieht sich prinzipiell ähnlich. Die Anspruchsgruppen oder Adressaten sind nur von ihrer Zahl geringer. Die Aspekte der Konflikfähigkeit sind also in Bezug auf die konfliktären Systeme (Z.B.: Unternehmen  Staat, Arbeitgeber  Arbeitnehmer, Abteilung  Abteilung) indifferent!
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