DEN FREIEN Was keiner sagt, das sollt Ihr sagen; was niemand wagt, das sollt Ihr wagen. Wo andere sich lassen lenken, da müßt Ihr, Freie, selber denken. Sagt nein, wo jeder and're nickt, bejaht, wo sich der Feigling drückt. Wo niemand geht, da geht allein, wo keiner ist, da sollt Ihr sein. Glaubt, wo and're Zweifel hegen, wo alles ruht, sollt Dir Euch regen. Und wisset wohl: Wenn Dir nicht wacht, seid um die Freiheit Dir gebracht! Otto Rudolf Braun Festveranstaltung 40 Jahre Parteifreie Gewerkschafter Österreichs 3. Oktober 1992 in Linz Zum Geleit Der tiefere Sinn jeder gesellschaftspolitischen Veränderung sollte sein, der Persönlichkeit des Menschen mehr Spielraum zur individuellen Entfaltung, mehr Freiheit zu sichern. Auch die Gewerkschaftsbewegungen in allen europäischen Ländern entspringen aus diesem Ideal. Kaum eine andere Zeit ist von gesellschaftspolitischen Änderungen so geprägt wie die jetzige. Umsomehr Bedeutung erlangt der Umstand, die Möglichkeiten der Formung der Gesellschaft, ihre Mitgestaltung nicht zu verschlafen. Die traditionellen Gewerkschaften haben sich von einer lebendigen Kampforganisation der Arbeitnehmer zu Institutionen in unserer Gesellschaft gewandelt, mit dem Zug zur Erstarrung. Die Parteifreien Gewerkschafter haben schon sehr früh erkannt, daß diese Erstarrung hauptsächlich deshalb passiert, weil Funktionsträger des Staates, der Parteien auch Funktionsträger in der Gewerkschaftsbewegung sind. Deshalb ist eine der wesentlichsten Bedingungen für die parteifreie Gewerkschaftsarbeit immer gewesen, daß führende Parteifunktionäre nicht gleichzeitig leitende Funktionen in den Interessensvertretungen der Arbeitnehmer haben sollten. Gewerkschaftsarbeit darf niemals Selbstzweck sein, nämlich angebliche Interessen der Arbeitnehmerschaft als Vorwand für den Machtkampf einzelner Institutionen zu nehmen. Ihre Aufgabe kann und darf nur darin bestehen, Entfaltungsspielraum und Freiheit für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu erweitern, ihm zu helfen, sich zur vollen, freien Persönlichkeit zu entfalten. Die Parteifreien Gewerkschafter haben in der Verwirklichung dieses Gedankens eine lange und gute Tradition. Jede andere Entwicklung ist eine Fehlentwicklung und ist abzulehnen. Als Bundesobmann der Parteifreien Gewerkschafter Österreichs bin ich stolz darauf, daß wir unsere Zielsetzung seit 40 Jahren nie ändern mußten. Viele Aufgaben stehen uns bevor. Eine der wesentlichsten Aufga-ben der Parteifreien Gewerkschafter in der nächsten Zukunft wird es sein, verstärkt an die ca. dreißig Prozent nicht gewerkschaftlich organisierter (parteiunabhängiger) Betriebsräte heranzutreten. Diese Aufgabe ist nicht leicht, da parteifreie Gewerkschafter zumeist auch besondere Individualisten sind. Das 40-jährige Bestandsjubiläum möge den Kolleginnen und Kol-legen der Parteifreien Gewerkschafter Österreichs Ansporn sein für eine weiterhin erfolgreiche Arbeit im Dienste der Arbeitnehmer. Dank und Anerkennung spreche ich allen Mitgliedern und Funk-tionären für ihre Treue und Mitarbeit aus. In der Geschichte der PFG ist der heutige Tag ein Meilenstein auf dem Weg zum Jahr 2000. “ Glück auf“ Herbert Pfeifer Bundesobmann GESCHICHTE Schon vor vielen Jahren haben weitdenkende Menschen klar erkannt, daß eine Gewerkschaft auf Dauer nur erfolgreich für ihre Mitglieder tätig sein kann, wenn sie von Parteieinflüssen momentanen Zeitströmungen, kurzfristigen Stimmungen völlig unabhängig ist. Im Jahre 1945 wurde der "überparteiliche Gewerkschaftsbund" gegründet, wohl wissend, wie wichtig die Überparteilichkeit ist. Dennoch wurden aber nur die Fraktionen der Sozialisten, der christlichen Gewerkschafter und der Kommunisten als Mitglieder des überparteilichen Gewerkschaftsbundes anerkannt. Viele Gewerkschaftsmitglieder, die keiner dieser Partei fraktionen angehörten, aber auch viele Parteimitglieder, die die Gewerkschaftsarbeit wirklich überparteilich sehen wollten, waren von Anbeginn von jeder Mitbestimmung ausgeschlossen. Beeindruckend ist, daß diese Erkenntnis schon im Jahre 1952, also vor 40 Jahren vorhanden war und neben anderen Umständen zur Gründung der Parteifreien Gewerkschafter geführt hat. Zielsetzung der Parteifreien Gewerkschafter war schon damals, daß die gesetzlichen und freiwilligen Interessensvertretungen der Arbeitnehmer weitgehend von der Einflußnahme durch leitende Parteifunktionäre frei zu sein haben. Ziele der Parteifreien Gewerkschafter waren schon immer die Ablehnung des Kollektivismus, Bekenntnis zu den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft, einer Wirtschaft mit leistungsgerechter Entlohnung, gesicherter Beschäftigung mit einem Höchstmaß an Sozialleistungen ohne Aufgabe persönlicher Grundfreiheiten. "Führende" Parteifunktionäre sollten nicht gleichzeitig leitende Funktionen in den Interessensvertretungen der Arbeitnehmer ausüben. Diesen Grundsätzen sind die PFG bis heute treu geblieben. Mehr und mehr erkennen die Arbeitnehmer, daß nur eine klare Trennung von Parteiinteressen und Gewerkschaftsinteressen sinnvolle und wirkungsvolle Arbeit für alle gewährleistet. 40 Jahre im Dienste der Arbeitnehmer sind eine gute Basis für die Zukunft Die Arbeitnehmer brauchen uns ! Der ÖGB - Bundeskongreß faßte im Oktober 1991 einstimmig einen sensationellen Beschluß: "Der Österreichische Gewerkschaftsbund und seine Gewerkschaften wollen als “Mitgestalter der Zukunft“ Ihre Funktion als freie und unabhängige Organisation für den Schutz, und die Durchset.ung sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und gesundheitlicher Interessen der Arbeitnehmer weiter ausbauen, die Mitwirkung der Mitglieder erweitern und allen Mitgliedern gleichwertige Dienstleistungen anbieten..." Das bedingt, daß der ÖGB in der eigenen Organisation den Herausforderungen der Zeit wie wirtschaftlichen und politischem Wandel Rechnung tragen wird müssen. Die Gewerkschaft kann nicht mit Methoden und Strukturen der Vergangenheit die anstehenden Probleme lösen. Sie muß Aufgaben, die im klassischen Sinn eigentlich Aufgaben von staatstragenden Parteien wären, zumindest auf Zeit im Interesse der Arbeitnehmer übernehmen. Nur eine starke parteiunabhängige Gewerkschaft ist künftig in der Lage, unvoreingenommen Lösungen anzubieten und auch umzusetzen. Die Parteifreien Gewerkschafter Österreichs unterstützen weiterhin als "Mitgestalter der Zukunft" die Gewerkschaftsbewegung ent-sprechend ihrer Grundsätze. Für diese Aufgaben sind die Parteifreien Gewerkschafter gut gerüstet. Grundsätze parteifreier Gewerkschaftsarbeit PFG = Parteifreie Gewerkschafter Österreichs Die PFG bekeimen sich zum gemeinsamen überparteilichen Österreichischen Gewerkschaftsbund. Die PFG bilden innerhalb des ÖGB und dessen Organisationen selbständige Fraktionen. Die Täügkeit der PFG ist nur auf die Bereiche der Interessensvertre-tungen der Arbeitnehmer ausgerichtet, parteibildende Zielsetzungen werden nicht angestrebt. Ihre Tätigkeit beschränkt sich daher auf die sozialpolitische Ebene. Die PFG treten für die Gleichberechtigung aller Gewerkschaftsmitglieder ein. Es wird abgelehnt, daß nur Angehörige der Parteifraktionen in die verschiedenen Gewerkschaftsorgane berufen werden. Gewerkschaftsmit-glieder, die sich zu den PFG bekennen, müssen ent-sprechend ihrer Stärke oder gemäß dem Minderheitenschutz als Fraktion bei der Bestellung der Organe Berücksichtigung finden. Die PFG treten dafür ein, daß die in den Statuten des ÖGB und dessen Organisation festgelegten Urwahlen durchgeführt werden. Die PFG nehmen gegebenenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu allen sozialpolitischen Fragen Stellung, machen eigene Vorschläge und treten für deren Realisierung entsprechend ein. Hauptgrundsatz für die Tätigkeit der PFG ist: "Ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit verbunden mit einem Höchstmaß an persönlicher Freiheit" Die PFG sind sich der Notwendigkeit der politischen Parteien bewußt, und ihre Tätigkeit ist grundsätzlich nicht gegen sie gerichtet. Die PFG lehnen es jedoch ab, daß Interessensvertretungen wie Gewerkschaften, Arbeiter-kammern, Sozialversicherungsinstitute weiterhin Domänen der politischen Parteien bleiben. Leitende bzw. führende Parteifunktionäre sollen in den Interessensvertretungen keine leitenden bzw. führenden Funktionen ausüben. Gewerkschaftsfunktionäre, die als Nationalratsabgeordnete tätig sind, sollen bei Abstimmungen, die sie in Gewissenskonflikte mit vorgefaßten ÖGB-Beschlüssen bringen, vom Klubzwang befreit werden. Die Finanzierung der PFG erfolgt durch Mitgliedsbeiträge. Fraktions-zuschüsse von Seiten des ÖGB und der Gewerkschaften sowie unserer gesetzlichen Interessensvertretung. Spenden, die mit einer Auflage verbunden sind, werden abgelehnt.