I.1.09 Berücksichtigung von Begleiterkrankungen

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I.1.09 Berücksichtigung von
Begleiterkrankungen
Im Herzsport ist neben dem Primärproblem, der Herzerkrankung, immer
auch mit körperlichen Einschränkungen aufgrund von zusätzlichen, meist
andersartigen Erkrankungen (Sekundärerkrankung
oder
besser
Sekundärproblem) zu rechnen. Hierzu gehören (siehe „Materialien
Herzsport“ III.6.2)
 arterielle Durchblutungsstörungen
 Venenerkrankungen
 Arthrose speziell in den Gelenken der oberen und unteren
Extremitäten
 Wirbelsäulen-Erkrankungen
 Osteoporose
 Asthma
 Diabetes
 Tumorerkrankungen
 Neurologische Erkrankungen
 Einschränkungen des Sehvermögens
 aber auch Verletzungen oder Operationen, die zu einer
Behinderung oder wenigstens zu einer eingeschränkten
Bewegungsfähigkeit geführt haben.
Die
genannten
Erkrankungen
führen
oft
zu
erheblichen
Bewegungseinschränkungen, zum anderen sind es auch Erkrankungen,
die durch Sport positiv beeinflusst werden können, wenn gewisse Aspekte
berücksichtigt
werden.
So
sind Wirbelsäulen-schonende
und
rückengerechte Übungen zu wählen, um einerseits WirbelsäulenErkrankungen vorzubeugen und andererseits Bewegungsmöglichkeiten
trotz entsprechender Beschwerden aufzuzeigen. Bei OsteoporosePatienten gilt es neben dem Haltungsaufbau auf fließende kontinuierliche
Bewegungsabläufe ohne stärkere Erschütterungen hinzuarbeiten. Ebenso
wie Teilnehmende mit Arthrose in den unteren Extremitäten sollten
Teilnehmende mit Osteoporose möglichst in der Entlastung arbeiten. Eine
Belastung mit gemäßigter Intensität und Dauer ist anzustreben, um
entsprechende Körperteile nicht zu stark und zu lange zu belasten. Bei
der Wahl der Geräte, etwa harte oder weiche, langsame oder schnelle
Bälle, sind Osteoporose- sowie Marcumar-Patienten beziehungsweise
eventuelle Sehbehinderungen zu berücksichtigen. Beim Aufwärmen oder
in der Gymnastik sollte die Übungsleiterin grundsätzlich auch Übungen
zur Durchblutungsförderung der unteren Extremitäten auswählen, um Ve-
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nenerkrankungen und arteriellen Durchblutungsstörungen entgegenzuwirken. Stretching-Übungen gehören ebenfalls in jede Sportstunde, um
den Verlust der Flexibilitätsfähigkeit auszugleichen.
Sekundärprobleme müssen ernst genommen werden, weil sie oftmals die
eigentliche Schwierigkeit des Herzsports darstellen (siehe auch
Gestaltung der Herzsportstunde, I.2.10). Das bedeutet aber auch, dass
die Übungsleiterin genau Bescheid weiß,
1. welche Sekundärprobleme bei ihren Teilnehmenden auftreten;
2. wie sich entsprechende Sekundärprobleme auf die Bewegungs- und
Belastungsfähigkeit auswirken;
3. wie und ob diese Sekundärprobleme durch Bewegungstherapie zu
beeinflussen sind und
4. worauf man bei entsprechenden Sekundärproblemen unbedingt
achten muss:
a) welche Bewegungen sind zu vermeiden?
b) Welche Bewegungen sind besonders zweckmäßig?
c) welche Dosierung ist möglich?
Im Einzelnen bedeutet dies:
Diabetes
Insbesondere durch Ausdauerbelastung kann der Blutzuckerwert positiv
im Sinne einer verstärkten Reduzierung beeinflusst werden (siehe I.3.1).
Es handelt sich hier um einen aktuellen Effekt. Hypoglykämische
Zustände sind zu vermeiden. Sinkt der Blutzuckerwert zu stark ab, ist die
Versorgung der Gehirnzellen mit Energie nicht mehr gewährleistet. Daher
ist es sinnvoll, vor Beginn des Sports den Blutzuckerwert zu bestimmen,
die Insulingabe zu senken oder eine kleinere Kohlenhydratmahlzeit
einzunehmen.
Da bei Diabetikern mit zunehmender Krankheitsdauer häufig Probleme im
Bereich der Sinnesorgane / Nervensystems als auch im Bereich des
Gefäßsystems auftreten, sollten viele Übungen zur Koordinationsschulung
als auch zum Gefäßtraining angeboten werden. Überhöhte Druckanstiege
sind zu vermeiden.
Wirbelsäulenerkrankungen
Sowohl aufgrund des Alters als auch krankhaft bedingte Veränderungen
der Wirbelsäule müssen bei der Auswahl des Sportangebotes
berücksichtigt werden.
Wirbelsäulenerkrankungen bringen oft Verkrampfungen der Muskulatur
und muskuläre Dysbalancen mit sich, die ausgeglichen werden sollen. Es
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muss darauf geachtet werden, dass bereits bestehende Erkrankungen
nicht durch ungeeignete Übungen verschlechtert / verstärkt werden.
Das Übungsangebot stammt aus der Wirbelsäulengymnastik und
Rückenschule. Es sind wirbelsäulenschonende und rückengerechte
Übungen zu wählen. Wichtig ist dabei die symmetrische (rechts- und
linksseitige) Kräftigung der haltungsaufbauenden Muskulatur (Gesäß,
Bauch, Schultergürtel, Nacken).
Spezielle Therapie kann im Rahmen des Herzsports nicht geboten
werden!
Osteoporose
Bei Osteoporose-Patienten sind zwei Aspekte zu beachten:
Erstens können poröse Knochen sehr schnell brechen. Dementsprechend
muss auf Übungen verzichtet werden, die verbunden sind mit stärkeren
Einwirkungen auf den Körper, etwa Stöße oder große Hebel. Es sind
Bewegungsaufgaben mit körperlicher Auseinandersetzung oder
Sturzgefahr zu vermeiden und eher weiche oder leichte Geräte zu wählen
oder entsprechende Aufgabenstellungen zu suchen bzw. Anweisungen zu
geben. Das Heben und Tragen schwerer Gegenstände ist zu vermeiden.
Zweitens kann im Rahmen des Herzsports zwar keine gezielte
Osteoporose-Therapie stattfinden, aber die Frakturgefährdung kann
positiv beeinflusst werden. Ziel ist, durch Verbessern der Muskelkraft, den
Knochenaufbau zu fördern, und durch Verbessern der Koordination und
durch Falltraining zur Sturzprophylaxe Frakturen zu vermeiden.
Im Vordergrund stehen demnach Übungen zur Kräftigung von Rücken-,
Bauch-, Bein- und Armmuskulatur, möglichst durch dynamische Übungen,
um gleichzeitig auch die Koordination zu fördern, sowie
abwechslungsreiche Übungen zur Koordinationsschulung. Auf fließende
kontinuierliche Bewegungsabläufe ohne stärkere Erschütterungen ist
hinzuarbeiten. Bei fortgeschrittener Osteoporose ist es günstiger, in der
Entlastung zu arbeiten.
Es gibt zwei Problemzonen, denen man stets Beachtung schenken sollte
und wo man förderliche Reize setzen kann. Brustkyphose: Durch
Kräftigung des Trapezmuskels kann dem Fortschreiten der Buckelbildung
entgegengewirkt werden.
Hüfte: Durch Kräftigen und Dehnen der Hüftmuskulatur kann die
Beweglichkeit des Hüftgelenkes positiv beeinflusst werden, so dass auch
das Gehen und Ausgleichbewegungen im unebenen Gelände verbessert
werden.
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Arthrose
Durch Arthrose sind viele Bewegungen eingeschränkt. Aber nur durch
Bewegung wird die Versorgung eines Gelenkes angeregt. Die Versorgung
ist wiederum wichtig für die Funktionalität eines Gelenkes.
Bei Vorliegen einer Arthrose sollte im Herzsport beachtet werden:
-
Langsames aber richtiges Aufwärmen
-
Bis an den Schmerz heran, aber nicht in den Schmerz hinein üben
-
Unphysiologische Bewegungen vermeiden!
Arterielle Durchblutungsstörungen (pAVK)
PAVK ist besonders charakterisiert durch ständiges „Stehen bleiben
Müssen“,
die
Schaufenster-Krankheit,
bedingt
durch
die
Durchblutungsstörungen in Becken und Beinen. Ziel einer Einflussnahme
durch Sport ist, die schmerzfreie Gehstrecke zu verlängern. Dies wird
erreicht durch
-
eine verbesserte Koordination und damit geringerem O2-Verbrauch
bei gleicher Belastung und durch
-
eine verbesserte muskuläre O2-Ausschöpfung,
Verschiebung der aerob-anaeroben Schwelle
d.h.
einer
An Bewegungsangeboten sollen im Vordergrund stehen:
Gefäßtraining: Übungen zur Verbesserung der lokalen aeroben Ausdauer
im Bereich der unteren Extremitäten durch Koordinations- und
flexibilitätsfördernde Übungen, Geh-, Lauf oder Ergometertraining.
Dabei darf die Belastung nie über die Schmerzgrenze hinausgehen,
Krafttraining und Pressatmung sind zu vermeiden.
Venenerkrankungen
Kranke Venen bewirken eine Stauung in den unteren Extremitäten.
Dadurch entstehen Krampfadern, Beinschwellungen und Ödeme bis hin
zu Beingeschwüren oder offenen Beinen mit erhöhter Thrombosegefahr.
Es gilt im Herzsport, diese Stauungen zu vermeiden:
-
Bewegen der Wadenmuskeln durch Gehübungen, Fußgymnastik
-
keine längeren Stehphasen,
Halbentlastung üben
-
Hautverletzungen vermeiden (bei Gefährdung für offene Beine)
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besser
in
der
Entlastung
oder
Asthma
Asthma-Kranke haben besonders Schwierigkeiten bei Abkühlung bzw.
Wasserverlust der Atemwege bei erhöhtem Atemminutenvolumen (bei
kalter und trockener Luft), bei Luftverschmutzung und bei Einwirkung von
Allergenen, etwa Gräserpollen.
Das Ausatmen ist erschwert. Durch Stärken der Atemmuskulatur kann der
bei Asthmakranken bestehende erhöhte Atemwiderstand überwunden
werden.
Grundregeln für den Sport bei Atemwegserkrankungen sind:
-
während der Übung ruhig und gleichmäßig atmen, nicht die Luft
anhalten, keine Pressatmung
-
einatmen möglichst durch die Nase, ausatmen durch den Mund
(Lippenbremse)
-
Ausatmen länger als einatmen
-
Atemrhythmus und Übung aufeinander abstimmen
Gut geeignet sind intervallartige Belastungsformen, die ein Auskühlen der
Bronchien nicht hervorrufen, z.B. in Spielen. Ausdauerbelastungen in
langsamem Tempo werden selbst in kalter Umgebung recht gut vertragen,
da die Belastungsintensität und damit das Atemminutenvolumen und die
Luftströmung in den Bronchien relativ niedrig liegen. Vorsicht ist immer bei
höherer Belastungsintensität geboten, da Anstrengung Asthmaanfälle
auslösen kann. Das Spektrum an Sportarten, das üblicherweise dem
Herzkranken empfohlen wird, ist nicht geeignet für einen Asthmakranken!
Tumorerkrankungen
Kennzeichnend für Tumor-Patienten ist ihre Ängstlichkeit und wenig
körperliches Selbstvertrauen. Hier sollten neben körperaufbauenden
Übungen viele Spiele zur Förderung der Kommunikation und der
Interaktion stattfinden, um das Selbstwertgefühl zu stärken.
Wichtig bei Tumor-Patienten ist die Phase der Behandlung, in der sie sich
gerade befinden und wie sich diese auf ihre Belastbarkeit auswirkt. Ein
leichtes Sportprogramm hilft, eine Chemotherapie besser zu vertragen, es
treten weniger Infekte, Depressionen und Müdigkeit auf. Tumor-Patienten
klagen oft über Müdigkeit und schnelle Erschöpfung.
Neurologische Erkrankungen (Parkinson, Schlaganfall)
Schlaganfall-Patienten sind immer wieder im Herzsport zu finden, da es
sich hier auch um eine arteriosklerotische Erkrankung handelt, die dann
aufgrund zu hohen Blutdrucks zu einer Blutung ins Gehirn führt.
Teilnehmende mit Schlaganfall, die im Herzsport teilnehmen, sind meist
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weitgehend rehabilitiert, Probleme, die auftreten sind: Lähmungen,
Schwindel,
verschlechterte
koordinative
Fähigkeiten,
technisch
anspruchsvollere Bewegungen können nicht mehr ausgeführt werden.
Im Sport ist insofern darauf einzugehen, dass differenzierte
Bewegungsanweisungen zu geben sind bzw. von vornherein nur ein
spezifisches Übungsspektrum ausgewählt wird (unter Umständen muss
hier
ein
sehr
individuelles
Programm
aufgestellt
werden).
Schwindelerscheinungen können vermieden werden durch Übungen, die
nicht mit schnellen Drehungen, mit schnellen Lagewechseln, mit schnellen
Auf- und Ab-, Vorwärts- und Rückwärts-Bewegungen verbunden sind.
Schlaganfall-Patienten haben oft auch ein langsameres Auffassungs- und
Reaktionsvermögen. Insgesamt wird hier der Sport langsamer ablaufen.
Auf entsprechende Gerätewahl ist zu achten. Außerdem sind dringend
Druckerhöhungen durch statische Arbeit sowie Pressatmung zu
vermeiden. Koordinations- und Flexibilitätsschulung stehen im
Vordergrund.
Parkinson-Patienten,
gekennzeichnet
durch
Bewegungsarmut,
Muskelstarre, vorgebeugtem Gang mit kleinen Schritten und Ruhezittern,
kann man helfen durch Entspannungsübungen, speziell der
Tiefenmuskelentspannung nach Jakobsen. Ansonsten ist bei ihnen eine
intensive Koordinationsschulung besonders wichtig.
Einschränkungen des Sehvermögens (grauer Star)
Die Sehfähigkeit lässt bei vielen im Alter nach, hinzukommen auch Augenerkrankungen, die beim Sporttreiben berücksichtigt werden müssen:
-
Beugeübungen sind bei einigen Augenerkrankungen nicht erlaubt
-
Drucksteigernde Übungen sowie Pressatmung sind zu vermeiden
-
Schnelle Rückschlagspiele (etwa Badminton, Volleyball), wo der Ball
in der Luft gehalten wird, sind problematisch
-
Es sind farbintensive Geräte (Bälle) und Markierungen (Netz) zu
wählen
-
Oft bieten langsamere Fluggeräte (Bälle, Tücher) Erleichterung
Begleiterkrankungen / 1.09 / Seite 6 von 6
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