Albert, D., Kapp, F., & Voss, F. (2008). Psychologische Aspekte von E – Learning Readiness: Beitrag des Arbeitsbereichs Allgemeine Psychologie, Institut für Psychologie, Universität Graz zu einer D-ELAN Checkliste. Unpublished manuscript, 15 pages. Psychologische Aspekte von E – Learning Readiness: Beitrag des Arbeitsbereichs Allgemeine Psychologie, Institut für Psychologie, Universität Graz zu einer D-ELAN Checkliste Stand: 15. März 2008 Prof. Dietrich Albert, Felix Kapp, Fides-Ronja Voß1 [email protected], [email protected], [email protected] Gliederung: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 1 Einleitung Psychologisch relevante Dimensionen der E-Learning Readiness Relevante Aspekte auf der institutionellen Ebene Relevante Aspekte auf der individuellen Ebene Relevante Aspekte auf der inhaltlichen Ebene Zusammenfassung Literatur Autoren in alphabetischer Reihenfolge genannt 1 1.Einleitung Im Rahmen der Erstellung einer E-Learning Readiness Checkliste soll ein Instrument entworfen werden, mit dessen Hilfe es möglich ist Voraussetzungen für E-Learning zu schaffen bzw. Voraussagen über den Erfolg der Einführung einer E-Learning Maßnahme zu treffen, sowie Faktoren zu identifizieren, die im Vorfeld der Einführung verbessert werden müssen. Der Beitrag der Universität Graz stellt relevante Dimensionen dar, die aus psychologischer Sicht eine Bedeutung für die erfolgreiche Implementierung von E-Learning Maßnahmen haben. E-Learning wird hier verstanden als jegliches Lernen, das durch Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt wird (Sambrook, 2003). Diese breite Definition beinhaltet sowohl verschiedene Formen der Vernetzung (Intranet, Internet etc.) als auch unterschiedliche Kontexte (Lernen am Arbeitsplatz, externe Weiterbildungen etc.) sowie Arten der Lernaktivitäten (Selbstreguliertes Lernen, blended learning etc.). Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, E-Learning einzusetzen. Genauso unterschiedlich wie die Anwendungsmöglichkeiten sind auch die Anforderungen, die an Institutionen, Lerner und Materialien bei der jeweiligen Implementierung von E-Learning Maßnahmen gestellt werden. Trotz dieser Vielfalt der Anforderungen soll mit der zu erstellenden Checkliste eine allgemeine Aussage über die erfüllten Voraussetzungen bzw. die Readiness einer Institution für eine solche Implementierung getroffen werden. Aus einer Literaturrecherche, die sowohl bereits existierende Instrumente zur Erfassung der E-Learning Readiness beinhaltete, als auch psychologische Theorien berücksichtigte, gingen mehrere Dimensionen der E-Learning Readiness hervor. Im Folgenden soll kurz auf die verschiedenen Dimensionen und Einflussfaktoren eingegangen werden. 2 2.Psychologisch relevante Dimensionen der E-Learning Readiness Die psychologische Forschung behandelt einzelne Aspekte der durch E-Learning entwickelten Lernszenarien, wie z.B. informatives tutorielles Feedback für multi-mediale Lernumgebungen (Narciss & Huth, 2004), die Entwicklung solcher Lernszenarien, wie z.B. die Gestaltung einer solchen Lernumgebung zur Förderung des selbstregulierten Lernens (Narciss, Proske & Körndle, 2007) als auch die Evaluation von E-Learning (Hense & Mandl, 2006). Von besonderem Interesse für die Benennung relevanter Dimensionen von Anforderungen sind Untersuchungen, die sich mit der Implementierung von E-Learning Maßnahmen und den dabei auftretenden Problemen beschäftigt haben. Bürg, Rösch und Mandl (2005) benannten Akzeptanzprobleme, die sich in einer unzureichenden Nutzung widerspiegeln, als Hauptproblem einer erfolgreichen Implementierung von E-Learning Maßnahmen. Merkmale der Institution, des Individuums und der Lernumgebung wurden als relevant für die Akzeptanz von E-Learning identifiziert (Bürg & Mandl, 2004). In Anlehnung an diese Gliederung werden drei relevante Dimensionen vorgeschlagen, welche in einer Checkliste hinsichtlich der Merkmale der einzelnen Dimensionen Anforderungen abfragen sollten. Trotz sehr unterschiedlicher Anwendungsbeispiele von E-Learning kann man in allen Szenarien bestimmte Aspekte wiederfinden. So gibt es immer einen Lerner (bspw. der/die Mitarbeiterin in einem Unternehmen), für den die Maßnahme konzipiert ist. Es gibt eine Institution oder einen Rahmen (bspw. im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung in einer Firma) in dem der Lernprozess stattfindet. Der Lerngegenstand, d.h. die Ziele und das Material (bspw. soziale Kompetenz verbessern an Hand von multimedial aufbereiteten Situation in denen die Arbeit in einem Team thematisiert wird), können sehr unterschiedlich sein, spielen aber im Lernprozess immer eine zentrale Rolle. Daraus ergeben sich drei Ebenen relevanter Aspekte: Institutionelle Ebene Umfasst Merkmale der Institution wie z.B. Einstellung des Managements, Kommunikationsstruktur der Institution Individuelle Ebene Umfasst individuelle Voraussetzungen der beteiligten Personen, die erfüllt sein müssen wie z.B. Medienkompetenz, Motivation Inhaltliche Ebene 3 Umfasst Merkmale der Lernumgebung, des Wissensgebiets, des aufbereiteten Lernmaterials Diese drei Ebenen sind keine voneinander unabhängigen Dimensionen. Natürlich wird der Inhalt der E-Learning Maßnahme von der Institution beeinflusst, in der die Maßnahme implementiert wird, so legen die Organisationsziele diesen Inhalt fest. Die Institution hat auch Einfluss auf motivationale Faktoren der Mitarbeiter, welche wiederum ein Merkmal auf der individuellen Ebene darstellen. Diese Abhängigkeiten sind schematisch in Abb. 1 dargestellt. Ebenen der E-Learning Readiness Institution Inhaltliche Ebene Individuelle Ebene Abb.1: Dimensionen der E-Learning Readiness: Inhaltliche Ebene, Individuelle Ebene und Institutionelle Ebene. Die Neueinführung von E-Learning hängt auf der einen Seite von Voraussetzungen im Bereich der oben erwähnten Ebenen ab (z.B. Material, Lerner, Institution), auf der anderen Seite von der richtigen Gestaltung des Prozesses der Einführung. So spielt bei der Einführung von Innovationen immer auch die Kommunikation eine Rolle. Wird beispielsweise eine neue Art der Weiterbildung in einem Unternehmen implementiert, diese aber nicht angekündigt beziehungsweise einfach eingeführt, dann kann es trotz des Vorhandenseins der Voraussetzungen auf der Ebene der Akteure, des Materials etc. dazu kommen, dass die Weiterbildungsmaßnahmen nicht den erwünschten Erfolg bringen. Anhand dieses Beispiels soll verdeutlicht werden, dass ein rein statischer Vergleich der vorhandenen Merkmalsausprägung mit dem Soll-Profil nicht ausreicht, sondern der Prozess der Implementierung berücksichtigt werden muss. Im Folgenden wird auf die einzelnen Ebenen näher eingegangen. 4 3. Institutionelle Ebene Die aus psychologischer Sicht relevanten Aspekte der institutionellen Ebene können in zwei Untergruppen mit den entsprechenden Merkmalen zusammengefasst werden. Die erste Untergruppe betrifft das Management. Hier ist vor allem die „Einstellung des Management“ zum E-Learning als Merkmal zu beachten. Um mit der vollen Unterstützung der Organisationsleitung rechnen zu können, muss diese den Nutzen eines solchen Programms erkennen und es ermöglichen, dass E-Learning als Teil des Produktionsprozesses angesehen wird. Hilfreich ist es zum Beispiel, wenn die Organisation „life long learning“ bereits als Teil ihrer Unternehmensphilosophie ansieht und Lernen bzw. Weiterbildung einen hohen Stellenwert hat. Je nachdem wie positiv die Einstellung des Managements zum E-Learning ist, wird es auch die Mitarbeiter, also die Lerner, in ihrer Teilnahme an den Programmen fördern. Dies kann durch eventuelle finanzielle Boni geschehen, oder durch Freizeitausgleich, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Ein weiteres Merkmal ist die „Erfahrung des Managements“ mit der Implementierung solcher und ähnlicher Systeme. Organisationen, die in der Vergangenheit bereits praktische Übung in der Planung, Implementierung und Auswertung gehabt haben, werden Strategien entwickelt haben, diese Prozesse reibungsloser ablaufen zu lassen, als diesbezüglich unerfahrene Organisationen. Aufgrund mangelnder Erfahrung kommt es zu unerwarteten Situationen, für die es keinen Handlungsplan gibt. Dadurch kann es zu Verzögerungen oder Teilausfällen kommen. Schließlich spielt auch die Entscheidungsfreiheit des Managements eine Rolle. Ungünstig wäre eine Einschränkung der Entscheidungsgewalt beispielsweise durch Abhängigkeit von einem Mutterkonzern. Solche Einschränkungen können aber auch durch firmenpolitische oder rechtliche Hindernisse entstehen oder ökonomischer Natur sein. So wird es zum Beispiel einem Unternehmen in angespannter wirtschaftlichen Lage schwer fallen sowohl die finanziellen Mittel bereit zu stellen, als auch seinen Mitarbeitern, also den Lernern, den nötigen Freiraum zu geben, ihre Arbeitszeit in Weiterbildungen zu investieren. Die zweite Untergruppe betrifft die Struktur des Unternehmens, die sich wiederum direkt auf die Kommunikation auswirkt. Wenn eine Änderung innerhalb der Arbeitsabläufe geplant wird, ist es wichtig, dass alle Teilnehmenden über diese Änderungen und deren Folgen informiert sind. Scholl (2007) geht auf verschiedenste Grundkonzepte einer Organisation ein. So beschreibt er ein gutes Wissensmanagement im Unternehmen als Voraussetzung für betriebliche Veränderungen (vgl. auch Wilpert 2007). Wissensmanagement sagt etwas darüber aus, wie gut eine Organisation seine Mitglieder mit Informationen versorgen und 5 Wissen so aufbauen kann. Scholl nennt die Organisationskultur als wichtigsten Faktor für das Wissensmanagement. In einer angemessenen Organisationskultur werden Fehler im gewissen Rahmen toleriert, Mitarbeiter zum Wissensaustausch ermutigt und eigenverantwortliches Handeln und Lernen gefördert. Darüber hinaus muss die Organisation flexibel sein, um auf unerwartete Ereignisse während des Implementierungsvorganges schnell reagieren zu können und daraus resultierende Modifikationen in alle relevanten Bereich weiterleiten zu können. Flexible Organisationen zeichnen sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit und damit eher unbürokratische Strukturen aus und weisen gleichzeitig eine starke Beteiligung (Involvement) der Mitglieder im Sinne der Identifikation und Motivation der Mitarbeiter auf. Die Identifikation und Motivation kann laut Scholl vor allem durch eine verstärkte Partizipation der Mitarbeiter gefördert werden. Je mehr die Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligt werden, desto ausgeprägter ist die Motivation und Zufriedenheit. Das Ausmaß von Partizipationsmöglickeiten variiert von verstärkter Information über Mitberatung bis zur gleichberechtigten Mitentscheidung. In Tabelle 1 sind die ausschlaggebenden Elemente, die in die E-Learning Readiness Checkliste aufgenommen werden sollten zusammengefasst. Tab. 1: Elemente der institutionellen Ebene Elemente der institutionellen Ebene Unterpunkte der einzelnen Elemente Management Einstellung des Managements Erfahrung des Managements Entscheidungsfreiheit des Managements Struktur Wissensmanagement innerhalb der Organisation Flexibilität der Organisation Partizipationsstruktur der Mitarbeiter 6 4. Individuelle Ebene Die individuelle Ebene betrifft Eigenschaften, Fähigkeiten und Motivation des Lernenden, die eine erfolgreiche Implementierung von Innovationen wie z.B. E-Learning entweder erleichtern oder behindern können. Bürg, Rösch und Mandl (2005) weisen darauf hin, dass eine mangelnde Nutzung von ELearning seitens der Mitarbeiter auch durch eine mangelnde Akzeptanz begründet sein kann. Sie unterscheiden dabei zwischen der Einstellungsakzeptanz mit einer affektiven (gefühlsmäßigen) und einer kognitiven (verstandesmäßigen) Komponente, und der Verhaltensakzeptanz als Folge. Die affektive Komponente der Einstellungsakzeptanz betrifft motivational-emotional Aspekte. Semmer und Udris (2007) beschreiben nach der prozesstheoretischen Erklärung der Motivation die Gesamtmotivation als Produkt der subjektiv wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis eintritt und der individuellen Bewertung dieses Ergebnisses. Angewendet auf die E-Learning Implementierung würde sich die Motivation des Mitarbeiters, hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Projekt, als Produkt ergeben aus der Überzeugung des Mitarbeiters, dass diese Maßnahme tatsächlich erfolgreich durchgeführt wird und der persönlichen Bewertung dieses Erfolges. Das bedeutet, dass ein Mitarbeiter, der zwar von dem Nutzen des E-Learnings überzeugt ist, allerdings nicht daran glaubt, dass sich diese Art des Lernens in dem Unternehmen erfolgreich etablieren wird, nach der WertErwartungs-Theorie trotzdem nur eine geringe Gesamtmotivation zeigen wird, sich mit ELearning auseinander zu setzen. Zu beachten ist dabei, dass der „Wert“ des Ergebnisses zwei verschiedene Quellen haben kann. Wenn der Wert in dem Ergebnis selbst liegt, handelt es sich um intrinsische Motivation, liegt der Wert aber in einer Folge des Ergebnisses, dann handelt es sich um extrinsische Motivation. In diesem Fall ist das Ergebnis als Mittel zur Folge wichtig. Intrinsische Motivation würde in diesem Fall z.B. bedeuten, dass der Mitarbeiter sich mit E-Learning auseinandersetzt, weil er selbst an einem Lernerfolg interessiert ist. Ein in Aussicht gestellter finanzieller Bonus stellt dagegen einen extrinsischen Motivator dar. Die von Bürg, Rösch und Mandl (2005) durchgeführte Studie hat ergeben, dass die intrinsische Motivation als Persönlichkeitsmerkmal einen signifikanten Einfluss auf die Einstellungsakzeptanz der Mitarbeiter gegenüber E-Learning haben. Die kognitive Komponente bezieht sich laut Bürg, Rösch und Mandl (2005) auf Fähigkeiten des Individuums und die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen unter Berücksichtgung 7 des persönlichen Kontexts. Sie haben in ihrer Studie den subjektiven Lernerfolg als Einfluss gebende Variable extrahiert. Bei dem Einsatz von neuen Medien kommen aber auch den bereits etablierten Konzepten der Kommunikations- und Medienkompetenz eine zentrale Rolle zu (s.h. Six und Gimmler, 2007). Diese beiden Kompetenzbereiche werden in der Literatur als getrennte Konzepte angesehen, allerdings mit starken Interdependenzen. Die Grenzen zwischen den für Kommunikation und Mediennutzung notwendigen Kompetenzen sind fließend. Six und Gimmler (2007) unterscheiden auf der Ebene der Kommunikationskompetenz zwischen ressourcenbezogenen sowie prozess- und ergebnisbezogenen Kriterien. Abbildung 2 (in Anlehnung an Six und Gimmler, 2007) zeigt die gegenseitigen Abhängigkeiten der Kommunikationsweise von den ihr zugrunde liegenden Ressourcen unter Einbeziehung motivationaler Faktoren. Ressourcenbezogene Konzepte legen ihren Schwerpunkt vor allem auf die Voraussetzungen die ein Lerner, für einen kompetenten Umgang mit Medien mitbringen muss. Kognitive Ressourcen Ressourcen Verhaltensbezogene Ressourcen Motivationale Faktoren Kommunikationsweise Abb. 2 Wechselseitige Abhängikkeiten der Kommunikation und der ihr zugrunde liegenden Ressourcen unter Einbeziehung motivationaler Faktoren (in Anlehnung an Six und Gimmler 2007) Als wesentliche ressourcenbezogene Kriterien nennen Six und Gimmler (2007)vor allem Strukturwissen und Strategie- und Handlungswissen wie zum Beispiel das Kennen der eigenen Ziele sowie Kenntnisse über die zugehörigen Bedingungen für die Zielumsetzung, sowie die passenden Handlungspläne, Strategien und Taktiken. Relevant sind außerdem 8 individuelle Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie etwa Selbstregulation, Selbstaufmerksamkeit oder Informationsverarbeitungskompetenz. Schließlich sind auch motivationale Faktoren, wie beispielsweise Kommunikationsinteresse oder Selbstwirksamkeit oder soziale Ängstlichkeit von Bedeutung. Zusätzlich zu den Voraussetzungen, die an das Individuum, also den Lerner gestellt werden, spielt auch dessen Verhalten selbst im jeweiligen Kontext eine Rolle. Six und Gimmler (2007) unterscheiden hier zwischen akteursbezogene Verhaltenskriterien und Verhaltenskriterien, die auf den Interaktionspartner bezogen sind. Unter akteursbezogenes Verhalten fällt etwa Flexibilität unter kontinuierlichen Ist-Soll Vergleichen oder Aufmerksamkeit gegenüber potenziellen Problemen und Lösungsoptionen, aber auch die eigene Selbstkontrolle. Unter Verhaltenskriterien, die auf den Interaktionspartner bezogen sind versteht man zum Beispiel die Klarheit der Botschaften oder Erkennen von Zielen, Erwartungen und Strategien des Partners. Es gibt aber auch ereignisbezogene Kriterien wie Effektivität, Effizienz oder Zufriedenheit. Im Zusammenhang mit unserer Fragestellung kommt außer der Kommunikationskompetenz auch dem Aspekt der Medienkompetenz eine wichtige Funktion zu. Ähnlich wie E-Learning selbst, ist dieser Begriff allerdings weit gefasst und nicht klar abgegrenzt. Laut Gapski (2001, zitiert nach Six und Gimmler, 2007)) versteht man unter Medienkompetenz im Allgemeinen die Fähigkeit für einen kritischen, selbstbestimmten, kreativen und verantwortlichen Medienumgang. Das Konzept von Six und Gimmler (2007) bietet einen guten Überblick über Kriterien der Medienkompetenz. Sie beziehen sich auf die individuellen Ressourcen des Nutzers, die wichtig für den Umgang mit verschiedensten Medien sind und decken damit deren vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Bereich E-Learning gut ab. Zentrale Elemente sind hier das Wissen über verschieden Medien und ihre Einsatzmöglichkeiten sowie die zugehörige Technikkompetenz. Bestimmte Reflexions- und Bewertungskompetenzen beschreiben die Fähigkeit zur Bewertung einzelner Medienprodukte und Nutzungsoptionen. Unter Selbstreflexionskompentenz versteht man die Fähigkeit, die eigene Mediennutzungsweise zu bewerten und damit zu regulieren. Auch diese ist wichtig für einen kompetenten Umgang mit Medien. Wesentlich für die Nutzung von neuen Medien sind aber auch spezielle Kommunikationskompetenzen, wie die Fähigkeit zur Entwicklung von Medieninhalten sowie zur Anwendung von Gestaltungsarten und Präsentationsformen unter Berücksichtigung von Funktionalität sowie sozialer Angemessenheit und Verträglichkeit. All diese Komponenten können einen Einfluss auf die Einstellungsakzeptanz haben. Die Studie von Mandl et al zeigt auch, dass die Einstellungsakzeptanz in letzter Konsequenz einen 9 hohen Einfluss auf die Verhaltensakzeptanz hat. Verhaltensakzeptanz misst, in welchem Ausmaß E-Learning tatsächlich genutzt wird. Wenn die Einstellungsakzeptanz der Mitarbeiter hoch ist, spiegelt sich das folglich in einer häufigeren Nutzung der Programme wieder. Alle extrahierten Elemente der individuellen Ebene sind in Tabelle 2 dargestellt. Tab. 2 : Elemente der individuellen Ebene Elemente der individuellen Ebene Unterpunkte der einzelnen Elemente Affektive Komponente der Persönlicher Wert einer erfolgreichen Einstellungsakzeptanz (Motivation) Implementierung Subjektive Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Implementierung Ausprägung der intrinsischen Motivation Kognitive Komponente der Kommunikationskompetenz mit den Einstellungsakzeptanz Faktoren: Strategie- und Handlungswissen Fähigkeiten und Eigenschaften Motivationale Faktoren Akteursbezogenene Verhaltenskriterien Interaktionsbezogene Verhaltenskriterien Ereignisbezogene Kriterien Medienkompetenz mit den Faktoren: Medienwissen und Technikkompetenz Reflexions- und Bewertungskompetenz Spezielle Kommunikationskompetenzen Subjektiv wahrgenommener Lernerfolg 10 5. Inhaltliche Ebene Auf der inhaltlichen Ebene geht es um eine Bewertung des Lernmaterials hinsichtlich seiner Einsetzbarkeit für E-Learning. In Abbildung 3 ist schematisch das Vorgehen bei der Herstellung von Lernmaterial dargestellt. Lernmaterial beinhaltet dabei sowohl das zu vermittelnde Wissen als auch die Lernumgebung in der dieses Wissen präsentiert wird. Didaktische Kompetenzen Wissensgebiet Produktion von Lernmaterialien Material Materialeigenschaften Abb. 3: Schematische Abbildung der Generierung von Lehrinhalten für eine Lernumgebung. Der besondere Kontext des E-Learning bietet einerseits umfangreiche Möglichkeiten (multimediale Aufbereitung) andererseits beinhaltet er auch besondere Anforderungen an Materialien. So eignen sich strukturierte und endliche Wissensgebiete wesentlich besser für die Darstellung in solchen Lernumgebungen als unstrukturierte offene und sich ständig verändernde Wissensgebiete. Bei der Aufbereitung eines Wissensgebietes sollten didaktische Regeln berücksichtigt werden, die dazu führen, dass das Material bestimmte Eigenschaften hat. Sambrook (2003) konnte in einer Befragung innerhalb von Unternehmen, welche ELearning als Weiterbildungsmaßnahme nutzten, Faktoren identifizieren die in Bezug auf das Material von den Nutzern als relevant wahr genommen wurden (Tabelle 3). Diese Eigenschaften wurden auch in anderen Beiträgen benannt (Cooper). Tab. 3: Von Nutzern identifizierte relevante Faktoren des Lernmaterials (Sambrook, 2003) USERFRIENDLY - the extent to which the material is easy to use, with clear instructions PRESENTATION - clear and accurate, with no mistakes such as spelling errors GRAPHICS - the number and quality of pictures and diagrams 11 INTEREST - whether the material generates interest or is found to be boring INFORMATION - the amount and quality of the content, whether there is too little or overload KNOWLEDGE - the extent to which new knowledge is gained UNDERSTANDING - whether the material is easy or difficult to understand LEVEL - whether the material is considered too basic or too deep for the learner’s current knowledge and skills TYPE OF - for example, whether deep learning or rote learning, memorising LEARNING facts LANGUAGE - whether the language was difficult to read, using jargons or lacking definitions TEXT - the amount of text and the balance with graphics Bürg, Rösch und Mandl (2005) berichten, dass die mediale und didaktische Aufbereitung auf der einen Seite für die Akzeptanz der E-Learning Maßnahme durch die Nutzer eine zentrale Rolle spielt, auf der anderen Seite erheblichen Einfluss auf das eigentliche Ziel von ELearning, nämlich erfolgreiches Lernen, hat. Für die Feststellung von gegebenen Voraussetzungen in einem Kontext, in dem E-Learning implementiert werden soll, sollte als erster Schritt die Frage gestellt werden, ob das Lernmaterial bereits vorhanden ist. Ist dies der Fall, muss das Material in Bezug auf diese Faktoren bewertet werden und festgelegten Kriterien genügen um eine erfolgreiche Implementierung der Maßnahme zu ermöglichen. Falls das Lernmaterial nicht vorhanden ist, sollte überprüft werden, ob die Organisation über die nötigen Kompetenzen zur Erstellung verfügt und welche Eigenschaften das Wissensgebiet hat. Gut aufbereitetes Lernmaterial ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von E-Learning. Aus den oben beschriebenen Recherchen ergeben sich folgende mögliche Elemente einer ELearning Readiness Checkliste, die in Abhängigkeit von der Situation erfragt werden sollten: Tab. 4: Elemente der inhaltlichen Ebene Elemente der inhaltlichen Ebene Unterpunkte der einzelnen Elemente Lernmaterial Ist das Material bereits vorhanden? Didaktische Kompetenz Repräsentation und Strukturierung umfangreicher Lehr-Lernmaterialien 12 Präsentation und multimediale Aufbereitung von Lehrmaterialien Instruktion, d.h. psychologisch begründete Aufbereitung der Lehrmaterialien Wissensgebiet Endlich, offen, strukturiert Material Sprache Information Level Etc…(siehe Tab. 3) 6.Zusammenfassung Für die Bewertung der E-Learning Readiness lassen sich aus verschiedenen psychologischen Studien drei Ebenen ableiten. Merkmale der Institution, des Individuums und des Lernmaterials/ der Lernumgebung wurden als relevant für die Akzeptanz von E-Learning identifiziert, welche wiederum eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung der Maßnahme ist. Eine Checkliste, die im Vorfeld einer Einführung von E-Learning die Voraussetzung überprüfen soll, sollte neben den technischen Kriterien auch die oben genannten Aspekte der drei Ebenen beinhalten. Für die Nutzung eines solchen Instruments ist die Beschreibung von SOLL Zuständen nötig, denen man die erhobenen Profile gegenüber stellen kann und von denen sich eventuelle Interventionen ableiten lassen. Im Rahmen der Implementierung von E-Learning sind neben den erwähnten Faktoren auf den drei Ebenen auch Komponenten des Prozesses der Einführung zu beachten. 13 7.Literatur: Bürg, O., Kronburger, K., Mandl, H. (2004). Implementation von E-Learning in Unternehmen Akzeptanzsicherung als zentrale Herausforderung. 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Bern: Hofgreve. 15