Zunahme psychosozialer Belastungen moderner

Werbung
Manual

AAT 2010
Bewunderung
Die Trainingshantel für Ich-Souveränität und Sozialbalance
aat-company  hamelner modell  Domeierstr. 6  31785 Hameln  Tel. 05151/23204
2
Manual 2010
I.
STAND DER DINGE
Die Gewalt: Wo kommt sie her – wo will sie hin?
II. GESCHICHTE DES ANTI-AGGRESSIVITÄTS-TRAININGS
Die „Geschäftsidee“ des AAT: Bezähme den Ärger
III. DIE LEHRE VON DER BEWUNDERUNG
Wer bewundert, der schlägt nicht
IV. AKTUELLES DESIGN: DAS KLASSISCHE AAT
Körpergefühl stärkt Icherleben
V. AUSBLICK
Aktuelle Orientierungslinien: Consulting, Spieltheorie und Neuropsychologie
Anlagen
Literatur
Personalien
Es ist nicht der Kritiker, der zählt, nicht der Mann,
der darauf aufmerksam macht, wie der starke Mann stolpert,
oder wo die Männer der Tat ihre Taten hätten besser machen können.
Die Anerkennung gebührt dem Mann, der tatsächlich in der Arena steht,
dessen Gesicht von Staub und Schweiß und Blut befleckt ist,
der tapfer kämpft, der irrt und Fehler macht, wieder und wieder,
weil es keine Leistung ohne Irrtum und Fehler gibt,
der die große Hingabe kennt, der sich für eine würdige Sache erschöpft,
der bestenfalls am Ende das Erringen des Triumphes kennt
und der schlimmstenfalls weiß, wenn er versagt, während er viel wagte,
dass sein Platz nie unter den ängstlichen und kalten Seelen sein wird,
die weder Sieg noch Niederlage kennen. (Theodore Roosevelt)
3
I.
STAND DER DINGE
Die Gewalt: Wo kommt sie her – wo will sie hin?
Die Gewalt eskaliert: Bloß ein blöder Spruch? Die Übergriffe werden unverständlicher,
„sinnloser“, menschenfeindlicher und sind für den einigermaßen selbstzufriedenen „IchInhaber“ nicht nachvollziehbar: Keineswegs und keinesfalls! Einmischer in der U-Bahn
werden drangsaliert und getötet, Zivilcourage entfällt zumeist aus mangels erworbener
Selbstverteidigungsinstrumente. Damit einhergehend (realistischerweise) wegen fehlenden
Mutes und fehlender Wirksamkeits-Zuversicht entstehen Selbstverachtung, Schuldgefühle
und eben Solidaritätslücken beim Mitmenschen (Beobachter der Gewaltübergriffe). AmokAngst (hier geht es um die Gruppe der dünnarmigen gefrusteten Kopfkinder) führt zu AmokPanik trotz „objektiv“ geringer Anzahl von Übergriffen („Nadel im Heuhaufen“): Hier ist die
Mittelschicht (Gymnasien und Universitäten als exklusiver Ort) direkt betroffen.
Kriegsähnliche Handlungen werden zu Kriegen: Traumatisierte, „unbeteiligte“ Bevölkerung
und traumatisierte Kriegsrückkehrer finden keinen therapeutischen Raum. Opfer erster Art
und Opfer zweiter Art rutschen in die totale Ich-Diffusion, sinnentleert, ohne Hoffnung und
oftmals fern der Heimat .... .
Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten – die in liberal-demokratische Kulturräume als
Migrationskinder „einwandern“ – sind in den Jugendstrafanstalten oftmals die Härtesten der
Harten: Ohne Angst, ohne Vorbehalt, ohne Mitleid und quasi „Gewissen-los“ gehen sie durch
die „steinerne Wand“: Kaum jemand kann sie aufhalten, kaum jemand kann sie erreichen,
keine Idee greift: Das Leben hat ihnen ihre Menschlichkeit genommen und sie entziehen nun
den aktuellen Mitmenschen das Recht auf Menschenwürde.
Stand der Dinge: Ärger statt solidarische Bewunderung, Abgrenzung statt Einbeziehen und
letztlich destruktives Agieren statt Fürsorge auch im eigenen Ich. Wenig Chance für
Selbstfürsorge und damit Grundlage für Fremdfürsorge.
Oder geht da nicht doch noch was ...?
Zunächst einmal sind Auswirkungen aktueller gesellschaftlicher Trends nicht gerade
hoffnungsspendend. Jacobi (2009; S. 20) sieht eine kontinuierliche Stresszunahme in den
letzten Jahrzehnten:
„2008: noch nie gab es Umwälzungen wie in den letzten 20 Jahren (Globalisierung,
zusammenhängender Verwerfungen am Arbeitsmarkt, Finanzkrise, Terrorismus,
Wiedervereinigung, Europäische Union).
1988: noch nie gab es Umwälzungen wie in den 20 Jahren (Wertewandel im Zuge von 1968,
Kalter Krieg mit Aufrüstung und Kriegsangst, Terrorismus, Umweltzerstörung aber auch
Gewinn an Emanzipation und Freiheitsgrade).
1968: noch nie gab es Umwälzungen wie in den letzten 20 Jahren (Aufbauarbeit und Notstand
der Nachkriegszeit, Atomwaffen und Kalter Krieg, Vielzahl weiterer Kriege, Werteverfall,
Nicht-Auseinandersetzung mit Nazivergangenheit aber auch Gewinn an Wohlstand).“
Die aktuelle Zunahme psychosozialer Belastungen und psychischer Störungen differenziert
der Autor nach 2 Lebensbereichen (Gesellschaft; Arbeitswelt), wobei neben der Mobilität und
der Instabilität vor allen Dingen die Veränderungen im Arbeitsleben als Risikofaktoren
hinsichtlich einer „zunehmenden Kluft zwischen biologischer und sozialer Reifung“ (Jacobi,
2009, S. 20) hervorgehoben werden:
4
Zunahme psychosozialer Belastungen moderner Gesellschaften
Gesellschaft
 Individualisierung /
Singularisierung,
Anonymität
Arbeitswelt
Primat der
Ökonomie
 Wissensintensives
Dienstleistungs- und
Informationszeitalter
 Mehrfachbelastungen
Zeitmangel
 Wertekrise
Autoritätskrise
Instabilität
 Bildungsexpansion
 Migration
 Entpersönlichte
Kommunikation,
neue Medien
 Schwinden traditioneller
Unterstützungssysteme
(z.B. Familienstruktur)
 Vermehrte „Emotionsarbeit“
bei personenbezogenen
Dienstleistungen, erhöhte
Anforderungen an
Servicequalität
 Arbeitsverdichtung
Mobilität
keine Arbeit
zu viel Arbeit
 Unsicherheit zukünftiger
ökonomischer
Entwicklungen (z.B.
hinsichtlich
Altersversorgung)
 Zunehmende
Kluft zwischen
biologischer und
sozialer Reifung
 Globalisierung/
Wettbewerb
 Freiheit und Leistungsdruck
 Erosion der Normalarbeit/
diskontinuierliche
Erwerbskarrieren,
mangelnde Planbarkeit
 Flexibilität, Präsentismus
permanente Erreichbarkeit
 Arbeitsplatzunsicherheit
(„hire and fire“), Zeit- und
Leiharbeit
Demografie
 Missverhältnis zwischen
wahrgenommener Arbeitsbelastung und (materieller
und immaterieller)
Entlohnung
(„Gratifikationskrisen)
Der zunehmende Zerfall der Gesamtgesellschaft in Parallelgesellschaften mit zum Teil hochspezialisiertem Wertecanon und zum Teil abartiger (weil Nicht-Gruppenmitglieder extrem
ausgrenzender) Eigennormierung wird von Haslam und Reicher (2008, S. 50) als eine dieser
Stressfolgen ausgewiesen: „In der falschen Gruppe kann der Bravste zum brutalen
Menschenquäler werden – evtl. sogar zum Massenmörder.“ Die Bereitschaft zum „Bösen“
(zum Quälen und Unterwerfen von andersdenkenden Mitmenschen und Mitmenschen aus
anderen Parallelwelten) wird aktuell im Kontext der sogenannten Gehorsamkeitsexperimente
(Milgram) wie folgt eingegrenzt: „Brutalität tritt auf, wenn Menschen sich stark mit Gruppen
identifizieren, die eine gewaltbereite Ideologie verfolgen. Dies führt dazu, dass sie diese
Ideologie von sich aus weiterführen wollen in kreativer Weise und sogar mit Stolz“ (Haslam
und Reicher, 2008, S. 51). Menschen sind nach dieser „Logik des Bösen“ insbesondere dann
5
zu brutalsten Taten in der Lage, wenn sie – nicht unwissend sondern willentlich – annehmen,
genau das Richtige (für ihre Gruppe) zu tun. Kersten spricht von einem „Scham-Wut-Zyklus“
als zentrale Ursache für die Chronifizierung unmoralischer Gefühle. Unterschwellig und
indirekt wahrgenommene ständige Erniedrigung – einhergehend mit Scham- und
Schuldgefühlen – führen zu extremer Wut, die letztlich insbesondere die „Männlichkeit“ des
Gewalttäters ursprünglich in Frage stellt und nun im Sinne gewalttätiger Kompensation auf
den Plan gerufen hat. Die in der Kindheit und Jugend eindringende Wahrnehmung
„empfundener Verweigerung von Respekt“ führt zu einem extremen „Respektanspruch“,
ohne dass tatsächlich Respekt erlaubende Kompetenz vorliegt: „Respekt wird einfach dafür
verlangt, dass ich stärker bin als du“: „Delinquenz ist demnach der Versuch, von einem
Zustand der Scham in einen der Schuld zu kommen und dann wird die Gewalt gegen
Mitmenschen eine Möglichkeit, der Schande des eigenen offen gelegten Minderwerts zu
entgehen“ (Kersten, 2009, S. 38). Hier wird insbesondere die Erniedrigung und
Verweiblichung von männlichen Opfern als Lust- und Statusgewinn erlebt, so dass ein „Ideal
von der eigenen Maskulinität“ verdichtet wird. Diese „Schamdynamik“ der Schamtäter ist
Grundlage eines grandiosen individuellen Umwandlungsprozesses: „Scham wird in Schuld
und Großartigkeit verwandelt“ (Kersten, 2009, S. 38).
Welche Antworten finden „Anti-Aggressivitäts-Trainings“ für ein solches Identitätstragendes Tatmotiv von Gewalt? Wenn Gewalt zur Abwehr von Schamgefühlen ein
„sinnliches Vergnügen“ (Kersten, 2009, S. 39) vermittelt, muss genau dieses Konzept
(Scham) im Bewusstsein des Täters umgewandelt werden: „Das kann nur geschehen, indem
Scham als soziale Erfahrung, als Missbilligung erlebbar wird, die das Selbstbild nicht
erniedrigt und vernichtet, sondern ihm eine Chance zu Veränderung bietet.“ Im Klartext: Der
dumpfe, stumpfe und sich in eine „Parallelwelt“ flüchtende Gewalttäter muss benennen
lernen, was ihn in seiner Kindheit erniedrigt hat, wer ihn erniedrigt hat, wie er ihn erniedrigt
hat und wie er, der Ex-Gewalttäter, sich aus diesem Beschämungsszenario seiner Kindheit
und Jugend als jetzt zunehmend emanzipierter „Erwachsener“ in seiner Ich-Konstruktion
heraus arbeiten möchte. Die wahre Emanzipation des „verblödeten“ Exschlägers besteht
darin, die ursprünglichen Bedingungen seines Rachefeldzuges selbst erkennen, benennen und
verändern zu können. Hierdurch entsteht seine Chance für persönliches Charisma.
II. GESCHICHTE DES ANTI-AGGRESSIVITÄTS-TRAININGS
Die „Geschäftsidee“ des AAT: Bezähme den Ärger
Die Zeitrechnung begann um 1984: Jetzt gibt es gut ein Viertel Jahrhundert AAT.
Deliktspezifisch, gemeindenah und emanzipatorisch steht auf den Fahnen geschrieben: Noch
immer werden härteste Schläger – auch und gerade in Jugendgefängnissen – auf den Heißen
Stuhl gesetzt, um Einsicht (Reversibilität der Perspektive), Mitgefühl (Gefühlstraining) und
insbesondere Selbsterkenntnis und Selbstoptimismus (der Mensch als Architekt seines Ichs
und als lebenslanger Verwalter seines Ichs) zu erfahren. Die vier Trainingsphasen in dem
6monatigen Programm dieser Gruppentherapie haben nichts von ihrer Dringlichkeit verloren:
Am Ende steht aktives Einsetzen für Schwächere als Grundlage von Stolz auf mich selbst.
Körperliche Stärke wird durch geistige Stärke ergänzt – das Gegenteil passiert bei den
Kopfkindern: Sie müssen ihre körperliche Fitness als lebenswichtige Balance für physische
Selbstverteidigung erst als Ergänzung ihres „intellektuellen Wasserkopfes“ genauso mühsam
erlernen. Der „Deduktiv-Induktive Paternoster“ des AAT bietet letztlich Ich-Optimierung
für alle (Körperkinder und Kopfkinder).
Was aber ist heute die „Geschäftsidee“ des AAT?
Grandiose Gewalt bedarf grandioser Therapie: Einfühlsamkeit ist die Methode – Begeisterung
ist das Ziel. Begeisterung für das eigene Ich, für das eigene Leben, für die eigene
6
Friedfertigkeit, für die eigene Wirksamkeit, für die eigene Zukunft und möglicherweise auch
für das „eigene Leben nach dem Tod“. Aus Begeisterung des Ich-Inhabers für sein Ich wird
Begeisterung für die Ich-Inhaber um ihn herum. Ablehnung, Feindseligkeit und
Vernichtungsbereitschaft bilden den negativen Pol. Akzeptanz, Liberalität und allgemeiner
Respekt vor dem „so-sein“ des anderen definieren die neutrale Region – gefordert aber sind
Bewunderung, Begeisterung und eigenes Charisma-Training als Grundlage für die einzige
Überlebensformel: Jeder einzelne Ich-Inhaber liebt sein (das) Leben – keiner liebt den Tod!
Nur wenn ich mich für die kleinen Geniepunkte des direkten Mitmenschen im unmittelbaren
sinnlichen Umgang (Ich spüre ihn) begeistere, habe ich ein Schutzschild gegen Zerstörung
unserer Lebensform. Je mehr ich mich in die Lebensäußerungen des anderen verliebe, um so
mehr verliebe ich mich in das Prinzip Leben und um so weniger hadere ich mit meinem
eigenen Schicksal, wie schwer (Handicaptheorie) es immer auch sein mag.
Die Geschichte des AAT ist letztlich die Geschichte der „Zähmung des eigenen Ärgers“:
„Auffällig ist zunächst, mit welcher Hartnäckigkeit der Ärger sich behauptet, unabhängig von
seinem momentanen Grund. Ganz von selbst stellt er sich ein und wie er sich zur Not vom
Zaun brechen lässt, versteht jede und jeder schon von Kindesbeinen an: Einem Menschen
arges, schlechtes, schlimmes zugefügt – das ist auch sprachlich die Herkunft des Ärgers.
Meiner freien Bewegung und Entfaltung steht der andere im Weg, der meine Bedürfnisse
nicht genügend beachtet, meine Lust untergräbt, meine Erwartungen enttäuscht,
Abmachungen, Regeln, Werte missachtet, mir Privilegien entzieht und in meine Machtsphäre
übergreift“ (Schmid, 2009, S. 55). Der Schläger hat eine extrem geringe Ärgerschwelle:
Schon das Angucken oder das Nicht-Angucken, schon das versehentliche Berühren oder das
nicht ausreichende Ausweichen beim Entgegenkommen oder vielleicht ein falsche Wort im
Gespräch mit einem Dritten kann aus dem Ärgerimpuls den „Auslöser“ für sofortigen
körperlichen Übergriff (Züchtigung, Zerstörung) auslösen. Schlimmer noch: Ärger wird
vorsätzlich gesucht, selbst wenn nach außen und in der konkreten Situation eigentlich alles in
Ordnung zu sein scheint. Denn: Ärger ist im Prinzip das Ventil für eingelagerte Schmach, die
aus dem unbewussten Reservoire – je mehr es angefüllt ist – sofort und krachend
„hochschnellt“. Schmid sieht von daher den Ärger auch als ein Element der Gesundheit: „Im
selben Maß, in dem Ärger forciert wird, löst er sich auch wieder auf. Ihn für einen Moment zu
verstärken, erscheint geradezu als Element der Gesundheit ...“ (Schmid, 2009, S. 56). Die
„Vorteile“ des Ärgers können von daher unter verschiedenen Aspekten fokussiert werden:
1. Entlastung
2. Abwechslung
3. Zyklischer Charakter (wie wachen und schlafen, essen und satt sein)
4. Aufbruch aus Unterdrückung und Beklommenheit durch ertragene Unwahrheit
5. Klärendes Gewitter auch im sozialen Umfeld
Letztlich ist der Ärger so eine Möglichkeit des Ich-Inhabers, seine Existenz aus dem Status
der Armseligkeit und Unterdrückung in einen Moment der „gnadenlosen Überlegenheit“ zu
überführen: Im Erleben wie im Handeln. Erst dann, wenn dem Ärgernden diese
„Grundberechtigung“ von der Umwelt zugestanden wird, kann er - der Ich-Inhaber – über die
Aggressivität den Ärger auch schnellstmöglichst auflösen und ablegen: Das Gefühl von
Genugtuung kann dann übergehen in die Bereitschaft der sofortigen Wiedergutmachung.
 Aus Ärger wird Hass,
 aus Hass wird Zerstörungshandeln,
 aus Zerstörungshandeln wird Entlastung,
 aus Entlastung wird Schuldgefühl,
 aus Schuldgefühl wird Wiedergutmachungsbereitschaft,
 aus Wiedergutmachungsbereitschaft wird Friedensbereitschaft.
7
Die Geschichte des Anti-Aggressivitäts-Trainings ist letztlich die Geschichte, wie der
Schläger seinen Ärger erkennt, ihn reflektiert und ihn so „ausleitet“, dass andere (Opfer) –
die eigentlich mit dem Ärger nichts zu tun haben – nicht zu Schaden kommen. Der Schläger
lernt im AAT, wie er die Wut auf „seine Wirklichkeit“ zu einer Verständigung mit dem
konkreten Mitmenschen (der in der Regel mit dieser eingelagerten Kränkungswirklichkeit
nichts zu tun hat) abtrennen kann und abtrennen muss: Sonst übernimmt er letztlich den
Willkürpart, den er ja an den ungerechten Autoritäten seines bisherigen Lebens gehasst hat.
Die Geschichte des AAT ist letztlich die Geschichte der Verantwortungsübernahme des
Täters für sein Opfer, das er willkürlich als „Ausleitungskanal für eingelagerte eigene innere
Wut“ missbraucht hat: Die Geschichte der Nicht-Wiederholung dieses erst mentalen und dann
körperlichen Missbrauchs. Der Gewalttäter (Schläger) ist des Missbrauchs schuldig, wobei
die Missbrauchten oftmals genauso hilflos sind, wie die Kinder beim Kindesmissbrauch: Sie
haben nicht gelernt, körperlich zu verteidigen, weil sie in einer intellektuell kognitiven
Nachkriegsgesellschaft zumeist körperlos (wehrlos) sozialisiert sind. Ekel vor den eigenen
Missbrauchshandlungen ist die beste Versicherung vor Missbrauchswiederholung. Diesen
Ekel kann der Ex-Täter vor allen Dingen durch Verantwortung für den jeweiligen
Mitmenschen (der, der ihm gerade gegenüber steht) entwickeln: Er (der Ex-Täter) übernimmt
nun selbst die Verantwortung für sein Ich und für sein zukünftiges Verhalten und bürdet es
nicht mehr willkürlich dem Gegenüber auf: „Doch wenn die Menschen heute für ihr Leben
selbst verantwortlich werden, droht ihnen zugleich eine massive Überforderung ... Sich an den
Wirkungen des eigenen Handelns orientieren, birgt überhaupt ein hohes Risiko des
Scheiterns. Man kann nicht vorhersagen, ob man das wirklich erreicht, was man beabsichtigt.
Man kann sich verrechnen, sich täuschen oder es können einfach unglückliche Umstände
eintreten. So erreicht man beruflich, familiär oder sozial häufig nicht das, was man wollte. Ja,
man kann sogar total abstürzen“ (Schönherr-Mann, 2009, S. 70). Dieses sogenannte
„Individualrisiko“ ist der Preis für den Ich-Inhaber, wenn er auf Selbstbestimmung,
Autonomie, Gleichheit aber auch Liberalität und Demokratie pocht: Das Riskante an dieser
Individualisierung sind letztlich die Freiheiten, die nur durch die Verantwortung für das
jeweils konkrete Gegenüber eingelöst werden können. Insofern ist jeder Einzelne für die
ganze Welt verantwortlich und muss jeder Einzelne selbst die feinsten Auswirkungen seines
eigenen Tuns beachten.
Aus der Geschichte des Anti-Aggressivitäts-Trainings lässt sich eine „Grundregel für den
Schläger“ ableiten.
 Suche sofort, wenn Du jemanden begegnest, das eine Gute an ihm.
 Versuche, Dich sofort darin zu verlieben.
 Versuche, ihm dies zurück zu melden.
 Versuche, ihn zu unterstützen, in dem was er gerade probiert. Verliebe Dich darin, ein
Unterstützer (Supporter) zu sein.
 Versuche, so oft wie möglich, in jeder Sekunde deines Lebens, ein Belohner und kein
Bestrafer zu sein.
Ein Belohner stimmt zu, ein Belohner unterstützt, ein Belohner freut sich auch an den
kleinsten Erfolgen des Gegenübers -–ein Bestrafer ist oft hinterlistig und verlogen und
armselig. Du warst ein Bestrafer – du emanzipierst dich zum Belohner. „Du liebst dich
dafür“!
Die Frage lautet nun: Wie wird aus dem Schläger ein Bewunderer mit Begeisterung für sich
selbst und mit Begeisterung für den anderen?
8
III. DIE LEHRE VON DER BEWUNDERUNG
Wer bewundert, der schlägt nicht
Neid und Ärger oder Bewunderung? Kritik und Abwertung oder Lob?
Bewunderung und Lob sind aktive Verhaltensweisen: Ich entscheide mich! Bei Bewunderung
und Lob geht es in allererster Linie nicht um das, was beim anderen ankommt, sondern um
das, was in mir selbst geschieht: Ich bringe meine euphorisierenden Transmitter an die
synaptischen Endpunkte, ich belohne mich selbst, ich bin stolz auf meine Kreativität, auf
meine Großzügigkeit und dafür, dass es Sinn macht, „mich auf die Welt geholt zu haben“.
Sekundär belohne ich den anderen: Lächeln kommt tausendmal zu dir zurück. Aber auch hier
ist wichtiger: Wenn ich lächle, werde ich fröhlich. Frieden geht immer nur von innen nach
außen: Frieden mit mir, erlaubt erst Frieden mit dir. Wenn ich in mir selbst einen
ausbalancierten und (vielleicht auch) charismatischen Zustand erwirke – also durch meine
eigene Entscheidung bewusst herstelle – habe ich die Belohnung durch mehr Freude, durch
mehr Fröhlichkeit, durch mehr Selbstbewusstsein, durch mehr Stolz auf mein Ich und durch
viel mehr gute Beziehungen zu denen, die gleichzeitig mit mir leben. Entscheide ich mich für
Neid und Ärger, verunstalte ich die innere Atmosphäre in meinem Ich. Entscheide ich mich
für Lob, Anerkennung, Bewunderung und im Extremfall auch mal für Begeisterung (und ich
und nur ich entscheide mich), dann entscheide ich mich für diese hoch gepriesene Leichtigkeit
des Seins - vom Anfang bis zum Ende der mir geschenkten Anwesenheitszeit.
Ärger hingegen ist das Gegenteil von Bewunderung: Das breite Band der neutralen
Empfindungen für Menschen richtet sich immer dann in unserem inneren Ich nach unten,
wenn wir uns ungerecht und willkürlich behandelt fühlen. Der minimale Ärger (graues Feld)
kann sich zu extremster Empörung (tiefschwarzes Feld) verdichten, so dass am Ende Hass
und völlige Ablehnung des anderen Menschen entstehen. Man ärgert sich aktiv. Das
Gegenteil vom aktiven Ärger ist die aktive Bewunderung: Man sucht bewusst einen Punkt,
den man am anderen toll findet und erkennt erst einmal kleine Elemente, Details und
„Gründe“, um die Bewunderung zu verdichten. Zunehmende Bewunderung führt dann im
Ergebnis zu Sympathie und vielleicht sogar zu „Liebe“ wenn dazu auch noch mehrere IchAnteile einer Person meine Bewunderung erlauben.
Je stärker der Wahrnehmungsimpuls fürs Ärgern und Bewundern ist, um so stärker ist die
resultierende Empfindung von Empörung und Hass auf der einen Seite und von Sympathie
und Liebe auf der anderen Seite. Ärgern und Bewundern sind Prozesse, die ich aktiv steuere
(ich entscheide in meinem Ich darüber); Empörung und Hass sowie Sympathie und Liebe sind
folglich Ergebnisse dieses aktiven Prozesses.
Je länger ich Ärger in mich hineinfresse, um so größer wird der Multiplikationsfaktor vor
allem für den nächsten Ärgerimpuls von der gleichen Person / aus der gleichen Situation:
Baue ich den Grundärger vorher ab, ist die Gefahr, dass sich die Dinge ins Extreme steigern,
eher gering. Der gleiche (in diesem Fall positive) Effekt besteht bei der Bewunderung: Habe
ich einen angenehmen Vortrag kleinerer Bewunderungspunkte, sind die nächsten
Bewunderungsanlässe – auch wenn sie für sich genommen gar nicht mal soviel stärker sind
als die „anfänglichen“ - mit einem Multiplikationsfaktor verbunden, der die
Gesamtbewunderung hochschnellen lässt. Ärger und Bewunderung sind sich selbst
verstärkende Prozesse über deren Anfangsbedingung aber auch über deren Fortsetzung ich
selbst entscheide.
9
Ärger-Faß
Idealisierung
+ 100
Bewunderungs-Region
+ 20
+ 10
Neutrale Region
- 10
- 20
Ärger-Region
- 100
Explosion
Es gibt also verschiedene Modalitäten mit Gefühlen umzugehen: Man kann sich empören,
man kann ablehnen, sich hierbei dann vielleicht auch zu einer neutralen Position durchringen
und man kann bewundern.
Die drei großen Gefühlsregionen haben zwar alle ihren Sinn – bei den ersten Beiden sollte
man aber möglichst nur „kurz“ verweilen:
Gefühlsregion I: Ärger und Wut
Sich ärgern und wütend sein, führt zu Erregungszuständen, die mit Kontrollverlust aber auch
mit „destruktiver Hormonausschüttung“ einhergehen. Sie aktivieren uns, um einen Zustand
sehr schnell und nachhaltig zu verändern – man sollte aber möglichst selten in die Notlage
kommen, dies benötigen zu müssen.
Gefühlsregion II: Angst und Depression
Wenn wir uns durch Selbstmitleid von dem Ärger zur Depression emotional
„hinüberbewegen“, haben wir schon etwas gewonnen: Wir sind nicht mehr so agitiert und
letztlich nicht mehr so „auffällig“ – wir haben aber auch noch nicht wirklich etwas gewonnen:
Wir sind eher resignativ, neutralisiert, hadernd mit dem Schicksal, finden das Leben nicht
lebenswert und haben möglicherweise auch Angst, uns (aus dem Haus) zu bewegen. Erst
durch Hoffnung und Optimismus auf einen besseren Zustand kommen wir langsam in die
„richtige Richtung“ zum Gefühlspol III.
Gefühlsregion III: Freude und Euphorie
Freude ist ein flüchtiges Gefühl: Kaum ist es da, schon ist es wieder weg. Wir können es nicht
behalten – wir müssen es aber lebenslang anstreben und es uns möglichst selbst erarbeiten
(letztlich wird einem ja doch nichts geschenkt). Disziplin aufbauen, um für einen kleinen
Moment Freude (manchmal vielleicht sogar Euphorie) zu erleben – wie geht das? Man muss
die positiven Aspekte einer Situation, eines Gegenstandes oder einer Person (vielleicht auch
einer Gruppe) fokussieren und herausarbeiten – ich muss mich hineinsteigern, ich muss
vielleicht ein wenig übertreiben und ich muss lernen, nachhaltig (vielleicht auch manchmal
vorbehaltlos) zu bewundern. Die Fähigkeit, zu bewundern ist die Grundlage, um möglichst
häufig die Ziele Freude und Euphorie zu erreichen.
10
Gefühlsdiagramm
Grundgefühl
Grundgefühl
Transportergefühl
Wut
Zorn
Ärger
Hass
Feindseligkeit
Mitleid
Mitgefühl
Nachsicht
Grundgefühl
Transportergefühl
Trauer
Hilflosigkeit
Angst
Resignation
Depression
Sehnsucht
Freude
Hoffnung
Optimismus
Zuversicht
Liebe
Frohsinn
Fröhlichkeit
Vom (Selbst-) Mitleid, vom Ärger und von der Wut hin zur Traurigkeit, zur Angst und zur
Resignation; von diesem hilflosen und bestenfalls neutralen Gefühlspol durch Optimismus
und selbsteingeredeter Zuversicht hin zu dem Gefühlspol Freude, Fröhlichkeit und vielleicht
auch manchmal Euphorie, das ist der Weg im Gefühlsdiagramm.
Ärger und Wut werden durch Empörung verhaltensmäßig ausgedrückt und verstärkt.
Traurigkeit und Angst sowie Resignation (Selbstneutralisierung) werden durch Ablehnung
und Stillhalten verhaltenstechnisch ausgedrückt und verstärkt.
Fröhlichkeit, Freude und Euphorie werden durch Bewunderung verhaltenstechnisch
hervorgerufen.
Statt zu empören und statt abzulehnen, diszipliniere ich mich zur Selbstbewunderung und zur
Fremdbewunderung: Möglichst oft, möglichst immer und möglichst intensiv!
Bewunderungstraining ist die Grundlage für Liebe: Wer ständig versucht (und es oft ja auch
schafft) zu bewundern, wird immer öfter und immer intensiver lieben.
Das Vierfelderschema der Bewunderung bezieht sich auf das Objekt der Bewunderung
(Selbstbewunderung, Fremdbewunderung) und auf das Ausmaß der Bewunderung (punktuelle
Bewunderung, Gesamtbewunderung)
Objekt
Selbstbewunderung
Fremdbewunderung
Punktuelle
Bewunderung
Geniepunkt
Evidencepunkt
Umfassende
Bewunderung
Vertikales Wissen
Charisma
Intensität
11
Umfassende Bewunderung einer anderen Person führt dazu, dieser Person auch einen
gewissen Charismawert zuzuschreiben: Ich nehme bei ihr in der Regel hohe Intelligenz, hohe
energetische Ausstattung und ein hohes Ausmaß an moralisch ethischer Verantwortung
(Güte, Gutmütigkeit) wahr.
Punktuelle Bewunderung ist einfacher: Ich suche mir einen Verhaltensaspekt oder ein
Persönlichkeitsmerkmal eines Mitmenschen (oder von mir selbst) heraus und fange an, es
„anzubeten“. Während des „Anbetungsprozesses“ fallen mir immer mehr Details ein, die mir
Recht geben, das dieser und genau dieser Punkt bewundernswert ist. Eine „sich selbst
ergänzende Prophezeiung“, eine Wundertüte, die sich immer mehr von allein füllt. Wie
wunderbar: Schon wieder ein Grund, etwas zu bewundern. Nämlich die Art, mit dem Leben
umzugehen .... Wenn der bewunderte (Evidence-) Punkt dann auch noch der selbst
wahrgenommene Geniepunkt des Gegenübers (Ichinhabers) ist, dann bin ich als
Fremdbeurteiler der Anderen tatsächlich eine Belohnung – und zum Glück keine Bestrafung.
Frieden - was willst Du mehr?
Stärker als Bewunderung ist die Begeisterung: Sie bezieht sich mehr auf soziale
Gemeinschaften (Bewegungen) und basiert auf dem Grundphänomen der Kohäsion: „Es ist
die Grundvoraussetzung für eine weitergehende Form der Geistesgemeinschaft „von unten“,
die der sozialen Bewegungen“ (Veken, 2009, S. 189). Insbesondere die Sehnsucht nach
Unabhängigkeit aufgrund von gemeinsamer Wut, gemeinsamen Frust aber auch gemeinsamer
Angst der Mitstreiter wird Protest und Aufbruchstimmung (negative Emotionen) in
„gebündelte Angriffsenergie“ für ein positives Ziel“ gewandelt. Grundlage dieser
Begeisterung sind eine quasi gleichzeitig wahrgenommene aber zunächst nicht bewusste tief
verwurzelte Sehnsucht. In diesen „Geistesgemeinschaften kommen die Ideale nicht von oben
und außen, sie kommen von unten und innen“ (Veken, 2009, S. 192). Diese dezentral
organisierten, durch einen gemeinsamen Geist angetriebenen Begeisterungsstürme finden sich
z.B. wieder in der sogenannten Grass-Roots-Army, die sich in der „Obamanie“ ausgedrückt
hat. Eine solche Begeisterungskultur kann nur ins Leben gerufen werden, wenn sich die
„Euphorie ins kollektive Gedächtnis der Gemeinschaft einprägt“ (Veken, 2009, S. 200).
Hierbei geht es um gemeinsame Erregungsmuster aber auch um Rituale, um Begriffe,
Gesetze, Symbole und letztlich auch um das – oftmals eine – Idol. Auslösend sind immer
wieder neu geschaffene magische Momente als „Nukleus jeder Geistesgemeinschaft“, wobei
die Möglichkeit der Mitgestaltung jedem einzelnen das Gefühl von Wirksamkeit (wirklich
etwas bewegen zu können) vermittelt. Das gemeinsame Schwärmen, der „produktive Rausch“
lässt sich nach Veken in vier Entwicklungsstufen beschreiben:
1. Abkehr von Bestehendem
2. Schaffung einer neuen mentalen Heimat (z.B. Szene)
3. Aneignung einer anderen Denkwelt mit eigener Sprache
4. Aufgehen des Einzelnen in etwas Größerem.
Diese Form der „Begeisterung für eine gemeinsame grandiose Idee“ (negativ ausgedrückt:
Massenwahn) mit dem möglichen Versprechen für den Gründer (Guru), „unsterblich“ werden
zu können, ist im Prinzip das Gegenteil der hier im AAT vorgeschlagenen
Bewunderungskultur: Ich bewundere, weil ich Respekt, Achtung und Faszination vor den
einzelnen Lebensäußerungen des Gegenübers habe – ich will nicht bewundert werden, weil
ich Ruhm und Ehre im Sinne eines „patriotischen Aufbruchs“ zur Erweiterung meines
eigenen Ich-Gefühls benötige.
Kollektive Begeisterungsstürme haben oft den Nachteil, dass es immer auch einen Gegner
gibt: Begeisterung basiert auf einem Entweder-Oder-Konzept und setzt schließlich
Gehorsamkeitsempfindungen in Gang – Bewunderung ist eher ein Sowohl-als auch-Gefühl,
das die Größe des anderen als Ergänzung der eigenen Größenanteile erkennbar macht:
„Milgram vergleicht die Gehorsamsbegabung mit der Sprachbegabung und behauptet für sie
12
ähnlich spezifische Hirnstrukturen. Diese gestatten dem Einzelnen innerhalb eines
gesellschaftlichen Gefüges zwei Handlungsweisen: Einen selbstbestimmten, autonomen
Modus zur Befriedigung eigener Bedürfnisse und einen systemgebundenen Modus, wenn er
in eine größere Organisationsstruktur eingebunden ist. In diesem Zustand übernimmt der
Einzelne nicht mehr die Verantwortung für seine Handlungen sondern sieht sich als
Instrument zur Durchführung der Wünsche Anderer“ (Goddemeier, 2008, S. 360). Von daher
entspricht Bewunderung eher dem probaten und bewährten Modus einer Langzeitehe als
gemäßigte Form intimer Organisation, die auf einer Art Tauschhandel basiert ... .
Liebesbeziehungen sind bei dieser Form der Vernunftehe wie zwei Register, die
unterschiedliche Formen der Kommunikation und Organisation bereitstellen und derer sich
die Partner nach vernünftigen Erwägungen bedienen können. Das Balancieren zwischen
gegensätzlichen Bindungsmustern und widersprüchlichen Erwartungen erfordert freilich
Wachheit, Fairness und die Bereitschaft zu Nachsicht, Großzügigkeit und resignativer Reife“
(Brenner, 2009, S. 83). Dieses Konzept der „Co-Evolution“ (Kunst des gemeinsamen
Wachsens) wird durch den alltäglichen Bewunderungsauftrag, den sich der jeweilige IchInhaber gibt, quasi aus der Vertrautheit der Ehe in die Spontanität der Alltagsbeziehungen
„übertragen“. Ausgangsmotiv dieser „dyadischen Kohäsion“ ist vielleicht das Bedürfnis jedes
einzelnen Menschen, „sich nicht nur aus sich selbst heraus zu verwirklichen, sondern in
Wechselwirkung mit anderen Personen, mit denen er unbewusste Grundannahmen teilt“
(Binkert, 2009, S. 75). Von daher kann aus dieser Bewunderungsbereitschaft auch die
zusammengesetzte Fähigkeit für ein „Gelungenes Leben“ abgeleitet werden: Shenk (2009, S.
32) berichtet über eine jahrzehntelange Langzeitstudie von Vaillants (Was das Leben gelingen
lässt) und resümiert: „Vaillants besonderes Interesse gilt dem Einfluss der Beziehungen auf
dem Lebenslauf. Es sind die sozialen Fertigkeiten und keineswegs die intellektuelle Brillanz
oder soziale Herkunft, die uns erfolgreich altern lassen ...“ Junkers (2009, S. 80) zitiert
Goethe hinsichtlich der Kompetenz, Älterwerden nicht als rastlose Tätigkeit und als „immer
weiter“ im Sinne einer schlechten Ewigkeit erleben zu müssen, sondern den Ruhestand als
Phase der Innenschau, des Rückblicks und der personalen Vollendung erleben zu dürfen:
„Der ist der glücklichste Mensch, der das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Verbindung
setzen kann.“ Die tägliche Bereitschaft, Größen-Ich und Geborgenheits-Ich des Anderen zu
erkennen und seine diesbezüglichen Integrationsbemühungen zu bewundern, ist letztlich
lebenslange Didaktik für den beobachtenden (bewundernden) Ich-Inhaber.
Fazit: Was soll und wird Bewunderung nun letzt endlich bewirken? Vielleicht ist die
Möglichkeit des „Aufblühens“ ein interessanter Sammelpunkt für all die Aktivitäten und die
Ergebnisse des Bewundernden. Metzger u. Frederikson (2009, S. 24) verweisen auf einen
diesbezüglichen Aufblühtest (Floureshing), der ermöglicht, die vielen kleinen positiven
Emotionen zu akzentuieren: „Allerdings bin ich mir sicher, dass wir jede dieser Emotionen als
Möglichkeit in uns tragen. Oft genügt ein wenig Aufmerksamkeit, um ein Gefühl
wahrnehmen zu können. Wenn ich die Verbindung zu meiner eigenen Faszination, meiner
Neugier oder meiner Dankbarkeit einmal hergestellt habe, dann können diese Emotionen zu
einer immer stärkeren Kraftquelle für mich werden .... Weil schwache, negative Gefühle
bereits starke Auswirkungen auf unseren Körper haben. Ein einziger Tropfen Negativität
verändert uns, ein Tropfen Positivität jedoch nicht. Umgekehrt ist es so, dass wir uns fast
permanent in einer leicht positiven Stimmung befinden. Anders gesagt: Die ganz milden
positiven Gefühle sind so etwas wie unsere emotionale Nullstufe. Um uns zu verändern,
müssen wir das Gute also ein bißchen stärker empfinden. Langfristige Effekte werden von
relativ sanften Gefühlsänderungen ausgelöst. Nach allem was wir wissen, führt der Weg zu
einem besseren Leben nicht über mehr Euphorie oder Ekstase“ Nach Metzger u. Frederikson
(2009, S. 26) sind es insbesondere „Fotoalben des Glücks“, die jemand in die Hand nehmen
sollte, wenn er einen emotionalen Abschwung befürchtet. Die Stärkung der „Resilienz“
gegenüber Kränkungen und Demütigungen aber auch gegenüber Ängsten und Depressionen
besteht demnach in drei täglichen Übungen, die alle irgendwie irgend etwas mit
Bewunderung zu tun haben:
13
1. Positive Selbsttest: Schreib auf – wie in einem Haushaltsbuch – was du am Tag Schönes
erlebt hast. Hierdurch steigt der Anteil der erlebten positiven Emotionen schon am
nächsten Tag.
2. Nutze freundliche und liebende Meditationen: Entwickle ein tiefes Gefühl des
Wohlwollens dem anderen Menschen gegenüber.
3. Aufbau einer Erinnerungsmappe: Zehn verschiedene positive Situationen, die für
Glücksgefühl, Geborgenheit, erlebte Liebe oder auch Wirksamkeit stehen, sollen als
Erinnerungsbilder vom Individuum ständig abrufbar sein.
Bewundere Dich – bewundere den Anderen: und du wirst aufblühen. Wer aufblüht benötigt
keine Gewalt ...
IV. AKTUELLES DESIGN: DAS KLASSISCHE AAT
Körpergefühl stärkt Icherleben
Das Manual AAT 2009 bleibt weiterhin die Basis für viele Adaptionen und Folgeprojekte
im sozial-pädagogischen Kontext. Dieses "Hamelner Modell" feierte im Jahr 2006
20jähriges Jubiläum als ältestes, bestes, bewährtestes, am meisten verbreitetes und
wirksamstes Anti-Gewalt-Training in Deutschland. Dem Vier-Phasen-Konzept und den
eingewobenen Handlungsmodulen kann sich kaum einer der „Schwersttäter“ entziehen. Die
Langzeiteffekte bezüglich der Legalbewährung könnten durch institutionell verordnete
Nachbetreuungsprojekte im Sinne eines anhaltenden Opferschutzes jedoch noch optimiert
werden.
Die vier Phasen
1. Biographische Analyse:
Im Sinne einer öffentlichen, transparenten und individuell "gestalteten" Anamnese
(Wandzeitung)
wird dem Ex-Täter ein umfassender Gesamtüberblick seiner bisherigen
Kränkungen, Demütigungen, Entwicklungslinien aber auch Bedürfnisse, Wünsche und
Visionen "geschenkt". Es ist sein Soll-Lastenbuch, es ist sein Auftragsbuch für
Entwicklungsmöglichkeiten.
2. Konfrontationsphase (Heißer Stuhl):
In direkter Konfrontation (Tonbandinterviews o.ä.) wird dem Täter durch seinen eigenen
"Heißen Stuhl" und durch die Mitwirkung bei den Konfrontationen der (ca. 7) weiteren
Teilnehmer ermöglicht, eine tiefe Abscheu gegen Gewalt (sich von der Gewalt scheiden
lassen) zu empfinden. Die Parteilichkeit für die Unversehrtheit des Körpers und der Psyche
eines jeden gleichzeitig mit ihm diese Erde bevölkernden Mit-Menschen und eben der Ekel
vor eigener und fremder Gewalt sind das "Nadelöhr" durch das der Täter durch muß. Erst
dann ist er, wenn er seine eigenen –oftmals seit frühester Kindheit in ihm entstandenen
Blockaden (mit Hilfe des „Heißen Stuhls“) auflöst, frei für das Selbst-Management
(Kompetenztraining) als lebenslange Versicherung gegen kompensative Gewaltanwendung
zum Nachteil eines "Unschuldigen Dritten".
3. Attraktivitätstraining:
10 Kernmodule und gegebenenfalls 8 Ergänzungsmodule dieses Kompetenztrainings werden
im Sinne jeweils abgeschlossener Unterrichtseinheiten so vermittelt, dass durch tägliches,
konkretes Selbsttraining der Kompetenzrückstand (Entwicklungshandicap, Kenntnishandicap,
Motivationshandicap) aufgeholt werden kann (Modulbeschreibung siehe Folgeseiten).
14
4. Realisationsphase:
Vom Kunden zum Verkäufer – vom Konsumenten zum Produzenten: Als Mitwirkender im
AAT-Team (Tutor), als Guardian-Body (Schützer der Schwachen in öffentlichen
Veranstaltungen) oder als Didakt (gestaltet Unterrichtseinheiten gegen Gewalt in Schulen
zusammen mit dem Lehrerteam) wird der Ex-Täter und AAT-Absolvent "vom Empfänger
zum Sender": Er gibt der Gesellschaft (Gemeinde) einen Teil der in ihn investierten Mittel
zurück, indem er sich jetzt aktiv für Friedlichkeit einsetzt. Gleichzeitig erhöht er hiermit seine
Selbstfestlegung in Bezug auf eigene Friedlichkeit und eigene ständige
Kompetenzerweiterung und er praktiziert aktive indirekte Wiedergutmachung (unterstützt
Friedlichkeit, denkt dabei an seine frühere Opfer), so dass prosoziales Handeln früheres
Schuldempfinden und früher erlebte Selbstkasteiung verringert.
Das AAT als handlungswirksamer Arm für „Friedlichkeit im Täter" ist also ein Geschenk an
den Täter – die Verhinderung oder die Vermeidung von Konfrontation als "Einstieg für sein
Wachstum" ist das Schlimmste, was Sozialpädagogen dem Täter antun können. Jeder und
jede, die sich mit seiner Noch-Gewalt arrangieren sind Feinde des Täters: Wer sich selbst als
gewaltakzeptierend, gewaltbereit oder gewalttätig beschreibt, etikettiert sich in den Augen der
Umwelt als asozial: die Mitwelt benötigt keine „Bestrafer“
Der Schulterschluss mit seinen Opfern, die Handreichung zur Versöhnung und das gierige
Bemühen um Wiedergutmachung hat also eine Voraussetzung: Der Täter schließt Frieden mit
seinem "mickrigen Ich". Er schließt Frieden mit seinem "Schicksal", mit seinem bisherigen
Leben, mit all den Handicaps, Benachteiligungen, Demütigungen und Kränkungen, die bisher
für ihn als ganz kleines Wesen, als kleiner Junge und als Jugendlicher, vorgesehen waren. Er
schließt Frieden mit den Handicaps, denen er aus eigener Kraft (der Mensch als Nesthocker)
zumindest zuerst nicht entrinnen konnte, die vom Leben (Schicksal) über ihn "drübergestülpt"
wurden, die bisher seine Vorsehung waren, die ihm als "kleine Mülldeponie" bisher psychisch
verschmutzt haben. Er hat diesen ganzen Dreck in sich eingelagert und er konnte es nicht
verhindern. Nun ist er Verfechter von Menschenverachtung und Feindseligkeit. Durch die
Konfrontation muss die Wende geschafft werden.
Der "Heiße Stuhl" ist keine Bestrafung, sondern das grösste Geschenk, das der Täter in
seinem bisherigen Leben je erhalten hat. Der "Heiße Stuhl" ist die einzige Chance, durch die
er sich von seinem inneren Faschismus und seiner Menschenverachtung – er verachtet sich
selbst und er verachtet andere – loslösen kann. Der "Heiße Stuhl" ist sein Rettungsanker und
ein Strohhalm, an dem er sich festhalten kann: Das Überbrückungskabel zu seinem neuen Ich.
Die fünf Handlungsmodule im AAT sollen ohne anfängliche Wirkungsbegründung
(Rechtfertigungszwang bzw. Legitimationszwang der Behandler) als sofort wirksames,
sinnliches und direkt verhaltensgeleitetes Kompetenztraining eingesetzt werden.
Die therapeutische Formel lautet: Körper führt – Geist folgt. Anders ausgedrückt: Vertraue
der Weisheit des Meisters (des Behandlers), wiederhole die vorgeschlagene Übung
mindestens zehn mal und begründe du dann, warum es für dich gut ist...!
Die Handlungsmodule entwickeln eine eigenständige Dynamik und Plausibilität für den
Anwender: Er spürt eine innere Befreiung von Feindseligkeit, von Misstrauen, von
Hilflosigkeit und letztlich von Zerstörungsbereitschaft. Die Handlungsmodule vertreiben Neid
und vermitteln Wohlwollen. Positiv ausgedrückt: Das einzelne Handlungsmodul wird
vorrangig zu einer besseren Beziehung zum eigenen Ich und – in der Folge – zu einer
Verantwortungsübernahme für das Ich des anderen (für das Du) und letztlich für das Ich der
Gruppe (für das Wir) eingesetzt. Es entsteht Achtung vor der eigenen Person und vor dem
„Heiligen Auftrag“, das eigene Ich zufriedenstellend durchs Leben zu manövrieren, Achtung
und Respekt vor dem - absolut gleichen – Auftrag des anderen und Dankbarkeit für die
15
Existenz des anderen und der Gruppe (das Kollektiv) als räumlich und zeitlich einzig wahre
(spürbare, anwesende) Mit-Menschen.
Die Gier auf persönliche Kompetenzerweiterung soll durch die Handlungsmodule in Gang
gesetzt werden – der Respekt vor dem eigenen Ich soll durch tägliche
Anstrengungsbereitschaft und Willenskraft transportiert und die Sinnstiftung soll (von innen
nach außen; vom Ich zum Du) positioniert werden. Die Handlungsmodule sind der
verhaltensgesteuerte Rahmen für Erweiterung von Reflektion, Einsichtsfähigkeit, „Glauben“
und somit von Selbst-Coaching.
Die Kunst des Therapeuten liegt darin, ein Anfangsvertrauen (Vertrauensvorschuss) in
Bezug auf die Folgsamkeit des Klienten herzustellen. Danach funktionieren die
Handlungsmodule als sich selbst regulierende Systeme innerhalb des Klienten, der dadurch
auch seine Rolle (vom Klienten zum Selbst-Therapeuten) wechselt. Letztlich wird er selbst
zum „Meister“ (Animateur) der Kompetenzerweiterung und des Größenwachstums seiner
Mit-Menschen.
Die Haupt-Wirkungsrichtung der fünf Handlungsmodule:
1. Entspannungs-Training
Die eigene Mitte finden, sich von äußeren Reizen weniger erreichen lassen, sich
entschleunigen, physiologische Erregungsparameter absenken.
2. Aufmerksamkeits-Training
Die Konzentration und damit die Informationsaufnahme optimieren (Empfängerstatus);
die Möglichkeit, bei konkurrierenden „Anbietern“ die Aufmerksamkeit anderer Menschen
auf sich zu ziehen, verbessern (Senderstatus).
3. Anti-Blamier-Training
Offensivität steigern, Handlungspielräume (Freiheitsgrade) erweitern; Bewertungshoheit
über das eigene Ich gewinnen und absichern; Kränkbarkeit durch andere reduzieren;
Fröhlichkeit von innen nach außen verbreiten.
4. Synchronisations-Training
Gefühl für den anderen entwickeln, lernen sich hinzugeben, sich einzubringen, sich in
einen „gemeinsamen Tag zu verlieben“; Geborgenheitsgefühl (Wir-Gefühl) genießen.
5. Nähe-Training
Sich als großzügig (Spender) in Bezug auf die Vermittlung positiver Gefühle beim
anderen erleben; lernen, etwas anzunehmen ohne Schuldgefühle (einen unmittelbaren
Kompensationsimpuls) zu entwickeln; Mißtrauen abbauen; Hingabefähigkeit steigern.
Die Weiterentwicklung der Handlungsmodule (vgl. auch die ausführliche Übersicht im
Manual 2008) als zusätzliches Handwerkzeug bleibt mithin ständige Aufgabe der „Hüter des
Konzeptes“ (vgl. Anlage).
Bei der Aktualisierung des Konzeptes steht also auch und speziell das „Körperschema“ des
Schlägers im Fokus des therapeutischen Handelns. Die Auswirkungen der
Körperschemastörung lassen sich nach Weigel in drei große Bereiche gliedern:
1. Reduzierung in der Körperwahrnehmung
„Der Körper gilt als triebhaft, launisch, impulsiv, ekelhaft, falsch und unberechenbar. Er
ist der Feind und negativ. Der Körper ist nicht mehr Teil des Ichs sondern ein Objekt, das
nach einem Ideal zu formen ist (Weigel, 2006, S. 123). Die extreme Form der Kontrolle
des Schlägers über seinen Körper besteht auf eine vollkommene Reduzierung des Körpers
hinsichtlich Kampfkraft und Schmerzunempfindlichkeit: Beugt sich der Körper diesem
Doppelideal ist er in Ordnung – ansonsten ist er schwach und unmännlich.
2. Veränderungen der Körperbewegungen
Der Schläger neigt dazu, abgehakte, „zackige“ und hervorgeprustete“ Bewegungslinien –
bei gleichzeitig versteinerter Mimik – in Gesten zu vollziehen: Starre und
16
Unbeweglichkeit im Rumpf, Bewegung der Extremitäten eng am Körper, sich
wiederholende und monotone Bewegungen und geringe Unterscheidung in den
Körperbewegungen bei unterschiedlicher emotionaler Lage. Der Schläger hat verlernt,
sich weich, schwingend und „selbstvergessend“ zu bewegen: Seine Haltung wird durch
viel Kontrolle, Luft anhalten und hastig-ungeordnete Bewegungsabläufe – bei ständiger
Bereitschaft, sich zu überfordern und über Schmerzgrenzen zu gehen – geprägt.
3. Übernahme von fremden Selbstanteilen
Ähnlich wie bei eßgestörten Menschen achtet der Schläger nicht mehr auf Informationen
aus dem Körper selbst (er übergeht sie), so dass er keine Dissonanz zwischen seiner
„Hartleibigkeit“ (Stahlpanzer um die Brust) einerseits und vielleicht tief vergrabenen
inneren Gefühlen nach Geborgenheit, Anlehnung und Fürsorglichkeit erlebt.
Das gestörte Körperschema zeigt sich von daher in den folgenden Aspekten:
1. Negative Gefühle dem eigenen Körper gegenüber, wenn dieser Muskelmasse oder
Schlagkraft verliert.
2. Ignoranz gegenüber eigenen inneren Körpersignalen von Krankheit, Schwäche oder
Erschöpfung.
3. Stereotype Bewegungsmuster, die letztlich einen hohen Wiedererkennungswert für die
Mitglieder der Ingroup haben.
4. Einseitig angriffsorientiertes Identitätsgefühl: Der Körper als Erfüllungsgehilfe von
Feindseligkeit, Hass und Zerstörungskompetenz.
Speziell die Handlungsmodule erlauben andere Lernerfahrungen des Ich-Inhabers, so dass
durch gezielte Übungen der Körper wieder gespürt wird. Die Wahrnehmung einzelner
Bewegungen und derer Koordination mit den Atmungsabläufen erhöht die Achtsamkeit
hinsichtlich des „inneren Geschehens“: Der Schläger lernt wieder Empathie und Mitgefühl
mit sich selbst zu erleben. Speziell das Nähetraining aber auch das Anti-Blamiertraining
schaffen komplexe Handlungsmuster, die durch verschiedene Gefühlslinien (Ärger und
Ablehnung, Traurigkeit und Angst, Fröhlichkeit und Liebe) hindurchlaufen: Der
Zusammenhang zwischen Bewegung und Beweglichkeit und Gefühltem wird (wie das
Einmaleins oder das ABC) völlig neu erlernt.
Im Rahmen des Induktiv-Deduktiven-Paternosters wird der Klient also speziell durch die
Handlungsmodule zunächst zum Psychologen und dann zum Philosophen seiner eigenen IchEntwicklung, wobei ihm die körperbezogenen Therapieanteile in Verbindung mit seiner
emotionalen „Untersozialisation“ durch sein eigenes (Trainings-) Handeln im AAT bewusst
werden. Der Schläger kann quasi den Kampf gegen seine eigenen Symptome (Scham, Neid,
Missgunst, Ungerechtigkeitserleben) selbst steuern und selbst weiterführen und vollenden, da
er zu der emotional wirksamen Erkenntnis kommt, dass seine Symptome „einen in sich
sinnvollen wenn auch gescheiterten Lösungsversuch für Probleme darstellen“ (Fischer, 2009,
S.12). Letztlich werden seine Symptome (Selbstverpflichtung zu aggressiven Übergriffen
gegenüber Unschuldigen) für ihn selbst überflüssig. Speziell diese „Kombination von
entwicklungs- und trainingsorientiertem Therapiestil“ (Fischer, 2009, S. 11) kann als direkte
Antwort auf die Verursachungslinie von Gewalt im Sinne einer „trainingsorientierten
Intervention“ gelten. Hierbei steht das „Wollen-Können“ im Vordergrund der
„therapeutischen Animation“: Selbstverpflichtung und innere Bindung als persönliche
Vorsatzbildung stehen im Rahmen der modernen „Willensforschung im Vordergrund des
Interesses“. Durch veränderte und damit belohnende Körperarbeit spürt auch der Schläger,
dass er seinen Willenstest (nachdem er sich für das AAT entschieden hat) tatsächlich
bestehen kann. „Der Wille als Steuermann“ (vgl. Huber, 2010, S. 31). Letztlich kann die
Entscheidung für Gewaltfreiheit (der unbedingte Wille hierzu) speziell durch Selbstbelohnung
(entlastendes und genussbetontes Körperschema) „chronisch gestärkt“ werden.
17
Hierdurch entsteht auch eine „neue Sicherheit“ im Schläger-Ich als Grundlage von
Geborgenheit im eigenen Ich und im Du: Er erarbeitet sich Selbstsicherheit (ist seiner Selbst
sicher): „Die Griechen bezeichnen Geborgenheit übrigens als Oikos, gleichzusetzen mit
unserem Wort „Haus“, was bedeutet, bei sich zu Hause zu sein, Halt zu finden und ein
sicheres Dach über sich zu wissen. Wer sich, wo auch immer, zu Hause fühlt, erlebt sich
zugleich geborgen ... Doch Geborgenheit ist mehr als nur das Dach über dem Kopf; sie ist
jene innere Sicherheit, die durch Schutz, Wärme und Wohlfühlen zustande kommt und ein
Gefühl von Angenommensein, Nähe und Zuwendung erzeugt ... Sicherheit ist weltweit die
größte Sehnsucht der Menschen“ (Mogel, 2009, S. 78). Der Spagat zwischen Geborgenheit
und analytischem Verstand: Welches Persönlichkeitsprofil wird dem Ex-Schläger als AATTeilnehmer von uns angedient? Wie soll er sich vom Sozialarbeiter in eigener Sache über den
psychologischen Part (warum handle ich so, warum handeln Menschen so) zum eigenen
Philosophen (Bilanzierer seiner ca. 80 Jahre auf dieser Welt) emanzipieren. Eine Anleihe
nimmt das Aktuelle AAT vielleicht aus der Consulting Branche: Mc Kinsey, Roland Berger
und Co. demonstrieren in ihrem Einstellungsprofil ein cooles, „abgefucktes“ und letztlich
oberflächliches Persönlichkeitsprofil, das aber bei den „selbstbewussten KarriereÜberfliegern“ immer wieder auf ein Top-Modul hinausläuft: Auf die (selbst-) analytische
Kompetenz: „Der Berater ist ein Phänomen: Er hat tausend Masken aber kein Gesicht. Er ist
der brillante Analytiker, der Anzugträger, der Spitzenverdiener, der Unternehmensretter, der
Powerpoint-Held, der Globetrotter, der Generalist, der Alles-Wisser .... (Ludowig u. Sonnet,
2009, S. 21). Diese „studierten“ Berater sind also nicht nur akademische Überflieger, sondern
auch Anpacker und Helfer in der Krise, sympathische Good-Guys, manchmal Berater mit
Kuschelfaktor und eben immer „umsatzstarke Köpfe“ (vgl. Ludowig u. Sonnet, 2009, S. 22).
Einen solchen Glamour-Boy als Verhaltensmodel für Ich-Management (Selbstcoaching) ins
AAT einzuladen, ist ein Gebot der Stunde. Der Lernzuwachs liegt hierbei nicht nur beim
Schläger (Teilnehmer) ....
V. AUSBLICK
Aktuelle Orientierungslinien: Consulting, Spieltheorie und Neuropsychologie
Die Kompetenz, sich selbst und andere zu bewundern, in den Alltag zurück zu holen – den
Moment also wirklich als besonders zu erleben – ist die Zukunft der Sozialtherapie am
eigenen Ich und am Schläger-Ich. Was macht den Unterschied? Vor 25 Jahren – Gründung
des AAT – ging es auch darum, den Schläger für den Arbeitsmarkt fit zu machen; jetzt geht
es vermehrt darum, den Schläger auf die Casting-Gesellschaft vorzubereiten. Eine
nachhaltig neue Definition von Erfolg: Die Erfolgskultur der Marktwirtschaft ist abgekoppelt
von Arbeit und damit abgekoppelt von dem persönlichen Erfolg in der Produktivität der
Herstellung von Waren oder von Service: „Nur was sich verkauft, Renditen abwirft und sich
rechnet, wie es heute überall heißt, zählt noch als Leistung. Dies entzieht vielen alltäglichen
Leistungen, die Menschen in ihrem Berufsleben oder im familiären Umfeld erbringen, die
Rechtfertigung. Dann heißt es plötzlich, man würde ja nur kosten“ (Neckel, 2009, S. 48). Das
Ziel in der Casting-Gesellschaft hat sich also auf Perfektheit des Ichs fokussiert und vielleicht
sogar reduziert: Die „rastlose Arbeit am richtigen Selbst“ steht auf der Präsentationsbühne in
Konkurrenz zu dem richtigen Selbst des Anderen. Das Finanzielle wird zunehmend staatlich
alimentiert – die persönliche Ausstrahlung ist die knallharte Währung in der Selbstwert
berechnet wird. Diese Form von Erfolgsgesellschaft entwickelt eine neue Form von
Wettbewerbsdenken und Entsolidarisierung.
Wo wäre die alternative Ich-Definition aus Sicht von Friedlichkeit, aus Sicht von AAT ? In
dem Selbsterleben des „kleinen“, alltäglichen Handeln des Ich-Inhabers: „Erfolg könnte für
den Einzelnen schlicht bedeuten, sich über die positiven Wirkungen eigener Handlungen zu
freuen. Kurz: Erfolg hätte wieder stärker einen Kern in der Sache und wäre nicht
18
hauptsächlich als soziale Kategorie definiert, die die soziale Durchsetzung prämiert“
(Neckel, 2009, S. 49). Die perverse Entkernung von Unternehmen – früher oftmals die
betriebliche Familie des Arbeitnehmers – also die innere Ausbeutung und Auflösung von
Betrieben durch „Heuschrecken“ hat letztlich zu einer vollkommenen Entkoppelung von
Arbeitsaufwand einerseits (sofern Menschenarbeit überhaupt noch gebraucht wird) und
Einkünften (der Heuschrecken, die den Betrieb von Innen aussaugen, dann an die Wand
fahren und dann auflösen) andererseits geführt. Der Glaube an „gute Arbeit“ (hoher Aufwand,
hoher Ertrag) ist im Nebel der gesellschaftlichen Diffusion verschwunden. Wo das erarbeitete
Geld der vormals florierenden Firmen versickert, wissen einzig die Finanzjongleure der
jeweiligen „Beteiligungsgesellschaft“ (vgl. z.B. Langer, 2009), Die Entfremdung des
Menschen wird trotzdem – wie paradox und eigentlich pervers – von den Dingen die ihn
umgeben (seinem materiellen Besitz) nachhaltig mitgetragen. Schon die Gründer der jetzigen
Psychologie haben den Stellenwert des Eigentums betont: „Das Selbst eines Menschen ist die
Summe all dessen, was er sein Eigen nennen kann, nicht nur seinen Körper und seine
psychischen Kräfte, sondern auch seine Kleider und sein Haus, seine Frau und Kinder, seinen
Ruf und seine Arbeit, sein Land, seine Yacht und sein Bankkonto“ (Schäfer, 2009, S. 30/31).
Besitz – oft über die alimentierten Staatsgelder erworben – fungiert neben der
Selbstpräsentation (Casting) als „erweiterte“ Selbstbestätigung: Selbstausdruck,
Lebensrückblick, Statussymbol und zukünftiges Selbst aber eben auch die soziale (Schicht-)
Zugehörigkeit sind die durch Materie ausgedrückten Stabilitätsanker in Zeiten rasender
Veränderung und extremer Informationsüberflutung. Hierbei wird die Kluft zwischen arm
und reich gerade hier in Deutschland ständig größer: Ca. 5% aller „Verdiener“ erbringen ca.
43% des Steueraufkommens; die Anzahl der Menschen, die an der Armutsgrenze leben,
steigt ständig und die Mittelschicht schrumpft: Schon jetzt befinden sich von 40 Millionen
Werktätigen nur noch gut die Hälfte (24 Millionen) in „wirklich vollständigen
Arbeitsverhältnissen im Sinne eines sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs. Ca. 60% der
Bevölkerung zahlt überhaupt keine Steuern mehr –das wirft einen nachhaltigen Blick auf die
Einkommenslage.
Fazit wiederum: Selbst hochwertige berufliche Abschlüsse führen nicht mehr wie früher zu
garantierter Festanstellung; der Absturz und der Ausschluss von „beruflicher Heimat“ und
speziell von Einkommenssicherheit ist „überall möglich“ (vgl. Bude, 2008).
Wo ist nun der AAT-Auftrag, wo steht nun das Ich?
Breithaupt plädiert ironischerweise für ein Ende des „Ich-Zwangs“. Nach seiner Meinung
standen die letzten 200 Jahre unter dem Diktat, das innere Zentrum spüren zu müssen, sich
exklusiv abzugrenzen, originell sein zu müssen und ständig präsent sein zu müssen.
Provokante Frage: „Lebt es sich besser ohne ein Ich-Bewusstsein? Gibt es aufgrund der neuen
Medien (You Tube, facebook) jetzt statt des Ichs die Position des Schiedsrichters? Nach wie
vor geht es darum, anders, beliebter, cooler zu sein. Doch zugleich bieten die Medien ihren
Nutzern eine neue Position an: Diejenige des Schiedsrichters. Der Schiedsrichter beurteilt
andere. Und dazu braucht er selbst kein Ich. Tatsächlich gilt das Urteil regelmäßig nicht mehr
den Menschen sondern den Waren. Nur noch die Waren müssen um ein Ich und eine Identität
kämpfen. Sich selbst muss der neue Schiedsrichtermensch nicht mehr beobachten“
(Breithaupt, 2009, S. 42). Die Bewertungsängste, das bedrohliche Schamerleben, die
Blamagegefahr und das Gebot der ständigen Fitness (und der leidige damit einhergehende
permanente Trainingsauftrag) könnten entfallen – das Ich betrachtet sich selbst aus der
Distanz? Bei der Ausübung dieser wohlfeilen Statistenrolle als Zensuren-Verteiler stellt sich
gleichzeitig aber auch die Frage, aufgrund welcher Urteilskompetenz das Ich zu dem Urteil
kommen kann und soll, ab jetzt vornehmlich Zuschauer (Schiedsrichter) sein zu wollen. Auch
hierzu benötigte ich eher Ich-Kompetenz ...? Ein Zwischenmodell konstruiert Beyer durch die
Methode, entweder ein künstliches Ich oder ein geborgtes Ich (ich schlüpfe in die Rollen
eines anderen) erleichternder Weise anzunehmen: „Da hat jemand sein eigenes Ich
aufgegeben, das alte Leben, den ungeliebten Beruf in der DDR und gegen ein glamouröses
fremdes Ich eingetauscht. Als wäre sie die zweite tatkräftigere Romy, die es besser als die
19
wahre Romy vermag, sich selbst und die ihrigen vor Angriffen zu schützen. Der
Kulturbetrieb lebt von der Identifikation, von den Fans. Hier ist ein Fan in reiner absoluter
Form“ (Beyer, 2009, S. 155).
Letztlich wird mit dem Geschenk des Geborenseins nun wohl doch der Auftrag des
lebenslangen Selbsttrainings (speziell für den Ich-Versager: Schläger) – egal, in welcher
Kulturepoche – als persönlicher Job – verbleiben und möglicherweise bleibt der AATTrainer das Modell für friedliches, selbstakzeptierendes, gelungenes und phasengerechtes
Leben. Warum soll im AAT nicht gelingen, was z.B. bei NLP Standard ist: „Es gibt beim
NLP die Kommunikationstechnik des Modelling, ein Lernen am Modell. Hier muss man
lernen wie ein Kind, das mit der Zeit unwillkürlich die Sprache und Verhaltensmuster der
Erwachsenenvorbilder wiederholt. Dazu müsse man in einem bestimmten
Bewusstseinszustand, im Prinzip erst einmal in den eines Babys hineingeraten“ (Kramer,
2009, S. 127). Der NLP-Trainer Martin Wyse plädiert bei dem modellorientierten Ich-Tuning
dafür , eine Art Trance-Zustand einzugehen, der dem Lernenden (AAT-Teilnehmer) erlaubt,
die optimierten Modellfunktionen des Lehrers (AAT-Trainers) zu adaptieren: „Das
funktioniere mit Selbstgesprächen, es gehe darum, bewusst alle Informationen aufzunehmen
und sie dann aus dem Unterbewusstsein abzuspielen. Idealerweise erreiche man einen „FlowZustand“, in dem der Körper für einen die Arbeit macht – wie beim Autofahren, dabei denkt
man ja auch nicht mehr nach.“ Grundidee eines solchen konsequenten Modelllernens lautet:
Kann ein Mensch lernen, etwas Bestimmtes zu tun, können es grundsätzlich alle Menschen.“
In AAT-Sprache ausgedrückt: Alle Menschen auf der Welt haben zu allen Zeiten immer den
gleichen Auftrag: Ich-Architekt und Ich-Verwalter des einen eigenen Ichs zu sein - erst
danach werden Beziehungen zu parallel lebenden Ich-Inhabern aufgenommen. Idealer Weise
zu Ich-Modellen, Menschen, die ihren Ich-Job länger schon erfolgreich betreiben ...
Agenda AAT- Agenda 2010: Welche Art von Intelligenz wird für den Trainer und welche
Art von Intelligenz wird für den Trainingsteilnehmer (Schläger) künftig nötig sein? Gardner
(2009) hat letztlich fünf Denkstile extrahiert, die das persönliche Wohlgefühl im eigenen Ich
(Wie kann ich für mich eigenständig leben?) erlauben.

Diszipliniertes Denken: Beherrschung einiger weniger grundlegender Künste und
Disziplinen durch Konzentration, Disziplin, Expertenakzeptanz und Konzentration auf die
„Basics“. Hier wird auch von einer „Kultur der Disziplin“ gesprochen: Die Lehrzeit
umfasst mindestens 10 Jahre – in der Regeln ist sie lebenslang.

Synthetisches Denken: Zusammenbringen verschiedener Wissensanteile zu einer neuen
Ganzheit im Sinne interdisziplinärer Intelligenz erlaubt das Gestalten durch Herstellen
von Synthesen.

Kreatives Denken: Das „Unvorstellbare zum Bilde zu formen“ bedeutet, letztlich auch
den Weg zu einem guten Charakter und zu einem „anständigen“ Verhalten zu beleben. Es
entsteht eine „benutzbare“ Friedlichkeit: Persönliche Entwicklungslinien beim Anderen
anstoßen, ohne dass die eigenen Bedürfnisse verloren gehen. Kreativität heißt: Sowohlals-auch.

Respektvolles Denken: Beinhaltet die Loyalität für das Bemühen des „Nebenmenschen“.
Ich weiß, wie schwer es mir fällt und ich achte und bewundere wie stark er sich anstrengt.

Ethisches Denken: Der Kampf um ein gemeinsames Wertesystem der verschiedenen IchInhaber ist letztlich das höchste soziale Gut, das sich ein Kollektiv gleichzeitig lebender
Menschen in ihrer jeweiligen Epoche gegenseitig schenken können.
20
Das intelligente Verhalten des Ich-Inhabers muss letztlich die drei Gehirnbereiche
„neurophysiologisch selbst integrieren“: Das Stammhirn (lebenserhaltende Instinkte), das
limbische System (emotionales Gehirn: Maximierung von Lust und Minimierung von
Schmerz) und der Neocortex (Vernunft, Logik, Abstraktion, Planung, Sprache) müssen sich
letztlich „verbrüdern“, um Achtsamkeit (und damit Friedlichkeit) für den Ich-Inhaber selbst
und für seine Umgebung zu ermöglichen. Das Idealziel von Friedenstraining ist, dass der
Schläger sich zu einem sich selbst verbessernden Wesen (über Selbsterhaltung, Lust und
Vernunft) emanzipiert (vgl. auch Wilsen, 2007). Das emotionale Gehirn (limbische System)
scheint bei der Friedensarbeit des Ichs mit sich selbst eine zentrale Rolle zu spielen. Dies wird
auch durch die Forscher zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation“ unterstrichen: „In allen
Konflikten, die nicht auf Anhieb lösbar sind, spielen emotionale Hintergründe in der Regel
eine große Rolle. Darüber sollten sich die Menschen viel bewusster sein“ (Schönberger, 2010,
S. 42). Der Ausblick des AAT im Jahr 2010 konzentriert sich offensichtlich auf drei
wissenschaftliche Referenzbereiche:
1. Das Trainer-Ich und das Schläger-Ich als „Beratungsgegenstand“ in der
Consultingbranche: Unternehmensberater, Personaltrainer, Organisationsentwickler und
möglicherweise auch Consultingfirmen setzen sich mit den unterschiedlichen
„Firmenanteilen“ des Ich-Inhabers auseinander und versuchen durch Beratung, die
Integration der verschiedenen Antagonisten (Stammhirn, emotionales Hirn, kognitives
Hirn; Körper, Kopf, Geist; Lust und Angst; Geborgenheitswillen und
Durchsetzungsbedürfnis) zu einem Wirksamkeitskonzept zu verschmelzen. Die Zukunft
des AAT´s gehört der Consulting-Idee.
2. Neurophysiologische Heimat von Aggression, Angst aber auch Empathie, Mut, Risiko,
Unterstützung und letztlich Verantwortung werden erforscht. Brachliegende
Hirnkapazitäten, effektiveres (hirngerechtes) Lernen werden durch die aktuellen Befunde
der Neurowissenschaft (die die Gehirnabläufe „sichtbar“ macht) direkt optimierbar. Wir
wissen, dass das Gehirn ein äußerst energieaufwendiges Organ ist: Übung und
Wiederholung bewirkt, dass man zum Lösen alltäglicher Aufgaben weniger Aktivität
aufwendet und somit freie Restkapazität für kreatives, verantwortungsvolles und
friedliches Denken entwickelt (vgl. hierzu auch Becker, 2009).
3. Die Spieltheorie kann das Konzept des AAT´s auf eine noch rationalere
Interaktionsbasis zwischen Trainer und Teilnehmer stellten: Letztlich geht es immer um
die Analyse von sogenannten strategischen Entscheidungssituationen auf Trainerseite
einerseits, auf Schlägerseite andererseits und auf Gesamt-AAT-Seite zum Dritten. Die
sog. Spieltheorie untersucht hierbei die anfänglichen Interessenkonflikte und
Koordinationsprobleme in sog. strategischen Entscheidungssituationen. Der AATTrainer ist ein Stratege, der zu Frieden verführen will – der Schläger ist erst einmal ein
Stratege, der alte wirksame Instrumente nicht aus der Hand geben mag: „Die Spieltheorie
liefert eine Sprache, mit deren Hilfe sich solche Situationen analysieren lassen. Man kann
sie nämlich als Spielsituationen beschreiben, bei denen jeder Spieler nach gewissen
Regeln strategische Entscheidungen trifft“ (Holler und Illing, 2006, S. 1). Der
Strategieraum (das AAT-Training) kann letztlich auf die Erkenntnisse, die auf dem sog.
„Prisoner`s Dilemma“ (vgl. Luce und Raiffa, 1957) basieren, zurückgreifen und gibt
Hinweise über mögliche Gewinn- und Verlustphantasie der Antagonisten: „Aufbauend
auf der Beschreibung der jeweiligen Spielsituationen besteht die eigentliche Funktion der
Spieltheorie darin, ein geeignetes Lösungskonzept zu entwickeln, das von allen möglichen
Ergebnissen (Spielverläufen) diejenigen auswählt, die bei rationalem Verhalten der
Spieler als Lösung zu erwarten sind“ (Holler und Illing, 2006, S. 2).
Die Reise des AAT 2010 geht also in Richtung Consulting, in Richtung
Neurophysiologische Fundierung und in Richtung Spieltheorie. Die beste Strategie im
Umgang mit aggressiven Impulsen zu finden heißt letztlich: Opfer auf Seiten der
Mitmenschen vermeiden können und sich trotzdem und deswegen kompetent, attraktiv und
vielleicht auch „reich“ fühlen zu dürfen ...
Herunterladen