ungarnaufstand

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UNGARN-AUFSTAND 1956
Blutiges Ende von mutigem Aufstand
Eine Demonstration löste die Erhebung gegen das KP-Regime aus.
Die Terrorherrschaft von KP-Generalsekretär Matyas Rakosi und seiner Geheimpolizei AVH
(Staatssicherheitsbehörde) hat Ungarn - kaum von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs
erholt - nicht nur den wirtschaftlichen Ruin gebracht. Angst, Leid, Unterdrückung gehörten
zum Alltag.
Menschen wurden verfolgt, deportiert, Familien um ihr Hab und Gut gebracht. Die Zahl jener,
die betroffen waren, geht in die Millionen. Doch 1956 setzte sich das Volk zur Wehr.
Massendemo als Auslöser
Am 23. Oktober demonstrierten auf Budapester Straßen
Hunderttausende. Studenten, Arbeiter, Vertreter der Intelligenz
gingen gemeinsam auf die Barrikaden. Doch der Versuch des Volkes,
sich von der kommunistischen Unterdrückung zu befreien, wurde
zunächst blutig erstickt.
Auf dem Pflaster der Brody-Sandor-Straße vor dem ungarischen
©Bild: APA
Rundfunkgebäude in Budapest fielen die ersten Opfer der Revolution.
Die Todesschüsse des Geheimdienstes wurden aber zum Signal. Schwere Straßenkämpfe
entbrannten. Noch am selben Tag wurde das riesige Stalin-Monument gestürzt. Das Volk
bewaffnete sich und Soldaten wie Offiziere des ungarischen Heeres liefen zu den
Aufständischen über.
Imre Nagy verpasst seine Chance
Noch in der ersten Nacht gab die Parteispitze dem Druck der Straße nach und machte den
1955 wegen seiner Reformbestrebungen abgesetzten Imre Nagy erneut zum
Ministerpräsidenten. Doch Nagy verpasste seine Chance und stellte keine Forderungen an die
stalinistischen Machthaber.
Inzwischen hatte das Zentralkomitee der KP bereits die sowjetischen Truppen zur Hilfe
gerufen. Die Panzer der Roten Armee erreichen Budapest in den frühen Morgenstunden des
24. Oktober. Ein paar Tausend bewaffnete Aufständische traten gegen 2.000 Panzer an.
Premier Nagy forderte das Volk im Radio auf, die Waffen niederzulegen.
KP setzt Kadar ein
Der Aufruf blieb ohne Echo. Vor dem Parlament schossen die ungarischen Kommunisten auf
ihr eigenes Volk. Hunderte von Menschen starben. Am selben Tag wurde noch der vom Volk
tief gehasste Parteichef Ernö Gerö, der Nachfolger und Weggefährte Rakosis, geopfert.
Der linientreue Janos Kadar übernahm die Funktion des Ersten Sekretärs der KP. Im
Rundfunk kündigte Kadar die Niederschlagung des Aufstands an.
Sowjettruppen ziehen sich zurück
Ministerpräsident Nagy erhielt scheinbar größeren politischen Spielraum aus Moskau. Denn
Nagy versprach dem Volk Reformen wie die Wiedereinführung des Mehrparteiensystems,
Pressefreiheit, den Abzug der Sowjettruppen und die Entmachtung der Geheimpolizei. Am
29. Oktober zogen sich die Sowjets nach blutigen Kämpfen zurück.
Die Schießereien ließen nach, Racheakte wurden jedoch immer häufiger. Aufständische
eroberten das Hauptquartier der Kommunistischen Partei und richteten ihrerseits ein Blutbad
unter Geheimpolizisten und Parteifunktionären an.
Nagy proklamiert Neutralität
Während das Volk die von Nagy
versprochenen Errungenschaften feierte, erkannte der Premier, dass Moskau seine Zusage des
vollen Truppenabzugs nicht einhielt. Am 1. November 1956 fällte Nagy eine wichtige
Entscheidung und verkündete vom Balkon des Parlaments den Austritt Ungarns aus dem
Warschauer Pakt und die Neutralität des Landes.
Der Regierungschef ersuchte zugleich die USA und die UNO um Hilfe. Doch dieser Hilferuf
blieb ungehört. In den USA war Präsident Dwight D. Eisenhower mitten im Wahlkampf und
somit nur zu einer "moralischen Unterstützung" Ungarns bereit. Wegen des UngarnAufstands wollte Eisenhower es sich nicht mit den Sowjets verderben. Diese wussten
wiederum, dass sich der Westen zu diesem Zeitpunkt gerade mit der Suez-Krise beschäftigte.
Rote Armee rollt über Ungarn hinweg
Am 4. November um 4.00 Uhr morgens marschierten Sowjettruppen in Budapest ein diesmal mit 6.000 Panzern, mit Artillerie und Flugzeugen. Die Rote Armee besetzte das ganze
Land.
Drei Tage später flüchtete Nagy in die jugoslawische Botschaft. Am 15. November mussten
die Ungarn den Widerstand gegen die militärische Übermacht aufgeben. Die Tür zur Freiheit
wurde wieder zugeschlagen.
Blutige Rache der Sieger
Der Aufstand des ungarischen Volkes gegen das kommunistische Regime wurde am 5.
November 1956 von den sowjetischen Panzern niedergewalzt.
Es folgte eine Zeit der blutigen Abrechnung des Regimes mit den Aufständischen:
Gerichtsverfahren gegen 35.000 Personen, 230 vollstreckte Todesurteile, 26.000 Gefangene,
100.000 Internierte.
Die Vergeltung der Sieger beschränkte sich nicht nur auf die Anführer der Revolution. Rund
200.000 Menschen flüchteten ins Ausland.
Nagy wird vom KGB entführt
Premier Imre Nagy, dem freies Geleit zugesagt worden war, wurde beim Verlassen der
jugoslawischen Botschaft vom sowjetischen Geheimdienst KGB nach Rumänien entführt.
Im Juni 1958 wurde er in einem Schauprozess zum Tod verurteilt, hingerichtet und
gemeinsam mit einigen Gefährten in der hintersten Ecke eines Budapester Friedhofs
verscharrt.
Jahrzehntelang Tabuthema
Das Thema Revolution 1956 war über 30 Jahre lang tabu. Der blutige Herbst sollte im
"Gulaschkommunismus" von Parteichef Kadar ganz einfach vergessen werden. Die "weiche
Diktatur" mit im Ostblock einzigartigen Freiheiten wie Westwaren und Westreisen machte
Ungarn zur "lustigsten Baracke des sozialistischen Lagers".
Nach der Zeit der Repressalien folgte ab den frühen 60er Jahren die Zeit des Verschweigens.
1989: Rehabilitierung von Nagy
Erst 31 Jahre später war die Zeit reif für eine Neubewertung der Ereignisse. Der Märtyrer
Imre Nagy wurde rehabilitiert, exhumiert und neu bestattet. Das Land neigte das Haupt vor
einem Mann, der vom Hochverräter zum Nationalhelden avancierte.
Das war die Zeit, als der ungarische Staatsminister und Chefreformer Imre Pozsgay 1989 den
Mut hatte zu erklären: Die Ereignisse vom Herbst 1956 waren keine Konterrevolution, wie
von den Kommunisten behauptet, sondern ein Volksaufstand.
Erster Prüfstein für neues Österreich
Trotz Angst vor russischem Einmarsch nahm Österreich die Flüchtlinge mit offenen
Armen auf.
Als am 24. Oktober 1956 die ersten Meldungen über einen Aufstand in Ungarn gegen das
kommunistische Regime Österreich erreichten, erschien das vielen in der Staats- und
Militärführung Österreichs wie auch in der hiesigen Bevölkerung wie die Rückkehr eines
Albtraums.
Erst ein Jahr zuvor waren die Alliierten endgültig abgezogen und hatte das Land seine "immer
währende Neutralität" erklärt - und schon war die Gefahr eines Krieges an Österreichs
Grenzen, gar einer sowjetischen Invasion wieder da. Als dann der Flüchtlingsstrom einsetzte,
halfen die Österreicher trotz der möglichen Gefahr beherzt und nach allen Kräften.
Angst vor russischem Einmarsch
Die Hauptbefürchtung war, die Auseinandersetzungen zwischen ungarischen Aufständischen
und sowjetischen Truppen könnten auf das Burgenland übergreifen, was die Sowjetunion zum
Vorwand nehmen könnte, um erneut in Österreich einzumarschieren.
So beschreibt Manfried Rauchensteiner in seinem Buch "Spätherbst 1956. Die Neutralität auf
dem Prüfstand" die Situation. So musste die Grenzlinie umgehend deutlich markiert und ein
unkontrolliertes Überschreiten der Grenze verhindert werden.
Heer noch in Kinderschuhen
Doch das Bundesheer steckte noch in den Kinderschuhen: Die ersten Jungmänner waren nicht
einmal zwei Wochen vorher einberufen worden
Ungarn verbrüderten sich mit Österreichern
In den letzten Oktobertagen flauten dann die Kämpfe in Ungarn ab, die Revolution schien
gesiegt zu haben. Dafür zogen ganze ungarische Dorfgemeinden samt Musikkapelle über die
Grenze ins Burgenland, um sich mit den Österreichern zu verbrüdern und nach Verwandten
und Bekannten zu suchen.
Schlagartig neue Lage
Flüchtlinge gab es zunächst noch wenige, doch am 1. November änderte sich die Lage
schlagartig. Die sowjetischen Truppen, die sich bis dahin scheinbar zurückgezogen hatten,
gingen zum Angriff über; daraufhin erklärte der ungarische Regierungschef Imre Nagy die
Neutralität Ungarns und den Austritt aus dem Warschauer Pakt.
Die Niederschlagung der Revolution begann. Schlagartig schwoll daraufhin der Strom der
Flüchtlinge über die österreichische Grenze an, bald waren die Auffanglager an der Grenze
ihrer Kapazitäten angelangt.
Täglich querten Zehntausende die Grenze
Im gleichen Ausmaß, wie die sowjetischen Truppen Widerstandsnester in Ungarn zerschlugen
und schließlich am 4. November nach Budapest vorrückten, stieg die Zahl der Flüchtlinge von
Tag zu Tag an.
Täglich kamen zum Teil Zehntausende über die Grenze, davon viele über die legendäre
Brücke von Andau über dem Einserkanal. Insgesamt gelangten 70.000 Ungarn-Flüchtlinge
allein im Gebiet von Andau nach Österreich.
Grenzenlose Hilfsbereitschaft
Doch die Hilfsbereitschaft der österreichischen Bevölkerung hielt dem Flüchtlingsansturm die
Waage. Die Menschen gaben, was sie konnten, die Solidarität mit den Flüchtlingen war im
wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos.
Tausende arbeiteten freiwillig an der Verpackung von Hilfsgütern für das Rote Kreuz, die
zum Teil für die Bevölkerung in Ungarn selbst, zum Teil für die Flüchtlinge bestimmt waren.
Der österreichischen Regierung gelang es auch recht bald - wenn auch nur mit wiederholtem
diplomatischem Nachdruck -, die westlichen Länder zur Aufnahme von ungarischen
Flüchtlingen zu bewegen, wodurch das Gros der Emigranten das Land schon nach kurzer Zeit
Richtung USA, Kanada, Frankreich oder Großbritannien verließ.
Flucht dauerte Monate an
Der Flüchtlingsstrom begann allerdings erst nach Jänner 1957 zu versiegen, obwohl die
Revolution in Ungarn bereits zwischen Anfang und Mitte November als niedergeschlagen galt
- auch wenn Kämpfe in Budapest und in einigen Waldgebieten zum Teil bis Dezember und
darüber hinaus andauerten.
Offenbar verwendeten die sowjetischen Besatzer und die neue, Moskau treue Regierung unter
Janos Kadar die Emigrationswelle als eine Art "Ventil", um Oppositionelle, Aufständische
und Unzufriedene loszuwerden. Insgesamt verließen nach Schätzungen 180.000 bis 200.000
Menschen Ungarn innerhalb nicht einmal eines Jahres.
Bundespräsident Heinz Fischer erinnerte bei der Feier in Andau an diese Solidarität und
leitete daraus die Verpflichtung ab, Flüchtlingen und Menschen in Not auch heute zu helfen
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