Hintergrundwissen zur Dehn- und Kraftkontrolle – Rückschlüsse auf die Haltung Statik und Dynamik der Wirbelsäule „Auf zwei Beinen stehen“ ist für jeden Menschen eine selbstverständliche Sache. In Wirklichkeit ist die aufrechte Haltung ein komplexes und fein abgestimmtes Zusammenspiel zwischen Knochen (Wirbelsäule), Bändern und Muskeln, deren jeweilige Aufgaben über das Nervensystem (Gehirn, Rückenmark und periphere Nerven) koordiniert werden. Das knöcherne Grundgerüst der Wirbelsäule ist die Stütze des Menschen, die dafür sorgt, dass er den täglichen Aufgaben des Lebens aufrecht entgegentreten kann. Ganz gleich, wie sich der Körper bewegt, ihre in sich bewegliche Struktur balanciert jede Position und gleicht sie aus. Kleinste Veränderungen in der Wirbelsäulenstruktur wirken sich dabei auf das Gesamtgefüge und damit auf die Körperhaltung aus. Voraussetzung für jegliche gezielte Bewegung sind Haltungspositionen, in denen stabil das Gleichgewicht gehalten und der Erdanziehungskraft aktiv entgegen gewirkt werden kann. Demnach ist Haltung immer ein aktiver Prozess, der ohne Muskulatur als Gegengewicht zur Schwerkraft nicht tragbar wäre. Jede deutlich werdende Haltung entspricht einem spezifischen Spannungszustand in der Muskulatur, der ausschlaggebend für die Organisation des knöchernen Systems ist. Somit beeinflussen sich die Muskulatur und das Skelettsystem wechselseitig. Ohne Muskelspannung würde die Wirbelsäule wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Zudem stabilisieren zahlreiche Bänder (kräftige Faserzüge) unterschiedlicher Länge die Wirbelsäule. Kräftige kurze Bänder (z. B. zwischen den Fortsätzen) und lange Bänder (z. B. auf der Vorder- u. Hinterseite der Wirbelkörper) erstrecken sich über die gesamte Länge der Wirbelsäule. Sie fixieren die Bandscheiben in ihrer Position zwischen den Wirbelkörpern und verbinden die Wirbel miteinander. Die langen Bänder beeinflussen den Spannungszustand und die Form der Wirbelsäule. Kurze Bänder begrenzen das Bewegungsausmaß und bilden den Schutz vor abrupten Bewegungen. In ihrer Gesamtheit unterstützen sie wie „Gummizüge“ die Arbeit der Muskulatur. Neben der statischen Haltearbeit hat die Muskulatur noch eine dynamische Funktion. Über ihre Fähigkeit sich aktiv zusammenziehen zu können bewegt sie die Knochen und Gelenke. Bei normalen Bewegungen arbeiten entsprechend statische und dynamische Muskeln zusammen. Die Unterscheidung zwischen statischer oder dynamischer Muskulatur richtet sich nach ihrer Faserzusammensetzung (siehe unter Verkürzung oder Abschwächung der Muskulatur). Da die meisten Muskeln gemischt aufgebaut sind, kann je nach Bedürfnis, mehr die dynamische oder die statische Komponente eines Muskels ausgebildet werden. Im Sinne der Entlastung der Wirbelsäule ist es z. B. die Ausbildung einer kräftigen Rumpfhaltemuskulatur. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 1 von 9 Die Rumpfmuskulatur im Überblick Die Haltung des Menschen ist eine aktive Leistung und Daueranforderung der Muskulatur. An der Haltung sind im Grunde alle großen Muskelgruppen beteiligt (Anlage 14): Der Rumpf wird durch die Rücken- und Bauchmuskulatur dynamisch verspannt. Da sich der Rücken von der äußeren Schädelbasis bis zur Afterfurche erstreckt, sind hier zusätzlich die Nacken- und Schulterblattbereiche einbezogen. Der Rückenmuskulatur kommt im Hinblick auf die Stabilisation der Wirbelsäule beim Sport und im Alltag sowie beim Haltungsaufbau eine zentrale Rolle zu. Sie kann mit der Vertauung eines Segelschiffes verglichen werden und stellt bei diesem Vergleich die verstellbaren Halteseile der Wirbelsäule da (Anlage15). Eine Vielzahl von Muskeln verspannen dazu die Wirbelsäule, die in mehreren Schichten übereinander liegen und bildlich rechts sowie links der Wirbelsäule angeordnet sind. Sie leisten als „Strecker des Oberkörpers“ einen großen Teil der täglichen Arbeit. Tiefliegende Rückenmuskeln sind so angelegt, dass sie unmittelbar auf das Achsenskelett einwirken können. Sie werden M. erector spinae genannt. Dabei verbinden kurze, aber kräftige Muskeln die einzelnen Wirbel untereinander und dienen damit der Stabilisierung der Haltung insgesamt (Abb. rechts). Darüber liegende lange Muskeln erstrecken sich entlang der gesamten Wirbelsäule. Beginnend am Becken ziehen sie nach oben zu den Wirbeln und Rippen bis zum Hinterkopf. Sie sind verstärkt für die Streck- und Drehbewegungen des Oberkörpers zuständig. Die oberflächlichste Gruppe der Rückenmuskeln besteht aus dreiecks- oder rautenförmigen großflächigen Muskeln (z. B. M. trapezius und M. latissimus dorsi), die an den Dornfortsätzen ansetzen und zu den Schultern und der Hüfte ziehen. Sie werden auch als dorsale Gliedmaßenmuskeln bezeichnet und verbinden demnach den Schulter-Arm-Bereich und den Hüft-Bein-Bereich mit der Wirbelsäule. Bei Bewegungen der Arme oder Beine gewährleisten sie die stabile Haltung im Oberkörper. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 2 von 9 Die Bauchmuskeln setzen sich hauptsächlich aus schrägen und geraden Anteilen zusammen. Durch die unterschiedliche Verlaufsrichtung und die sich kreuzenden Zugsysteme sind eine Vielzahl von Rumpfbewegungen möglich (Anlage 16). Gerade Bauchmuskeln sind für die Beugung des Oberkörpers nach vorne zuständig, die schrägen Bauchmuskeln sind an der Seitwärtsneigung und Rotationsbewegung beteiligt. An den Bewegungen der Beine sind sie nur indirekt durch Anpassung und Fixierung der Lage des Beckens involviert. Neben diesen Bewegungsfunktionen haben die Bauchmuskeln eine indirekte Haltefunktion. Durch ihre Verbindung des Brustkorbes mit dem oberen Rand des Beckens in der Körperlängsachse umfassen sie wie eine Bandage (verankert an der Lendenwirbelsäule) schützend den Bauchraum. Die vordere Bauchwand hält den Druck, der durch das Gewicht der Organe und der Erdanziehungskraft entsteht und befreit die Wirbelsäule von einer zusätzlichen Last. Bei Anspannung, zum Beispiel beim Anheben einer schweren Last, wird die Bauchwand gestrafft und der Druck im Bauchraum erhöht sich. Dadurch wird die Wirbelsäule zu ihrer Entlastung von vorne wie durch ein „hartes Kissen“ gestützt und gleichzeitig die Rückenmuskulatur weniger belastet (Anlage 17). Synergist, Agonist und Antagonist Ein Muskel arbeitet bei einer Bewegung niemals allein. Für die Bewegungsdurchführung ist immer das Zusammenspiel gegensätzlich wirkender Muskeln notwendig. Der Agonist (Spieler) führt die Bewegung aus, während der Antagonist (Gegenspieler) dafür sorgt, das die Bewegung in Gegenrichtung erfolgen kann. Als Agonisten werden demnach die Muskeln bezeichnet, die eine Bewegung aktiv, d. h. durch Kontraktion ihrer Fasern bestimmen. Es sind also die Hauptbewegungsmuskeln. Der Antagonist ist nicht nur der Gegenspieler, sondern bremst und dosiert die Arbeit des Agonisten. Die Kennzeichnung von Agonist bzw. Antagonist ist in Abhängigkeit von der Bewegung variabel. Soll zum Beispiel der Arm im Ellenbogen gebeugt werden, ist der Bizeps der Agonist, während der Trizeps gedehnt wird und den Antagonist zum Bizeps darstellt. Umgekehrt verhält es sich, wenn der Arm wieder in eine gerade Position gebracht werden soll. Dann wird der Trizeps zum Agonisten, weil er den Arm streckt. Der Bizeps wird hingegen gedehnt und fungiert jetzt als Antagonist des Trizeps (Anlage 18). Im Überblick stehen sich in der Tabelle die Agonisten und Antagonisten der wichtigsten Muskeln für die Haltung gegenüber: 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 3 von 9 Muskel/Agonist Lange Rückenmuskeln (Rückenstreckmuskulatur) Bauchmuskulatur Schräge Bauchmuskulatur Großer Brustmuskel Breiter Rückenmuskel Kapuzenmuskel (3 Teile) Vorderer Sägemuskel Hauptfunktionen Strecken und Überstrecken des Rumpfes, Halte- und Stützfunktion der Wirbelsäule, Rotation der Wirbelsäule Beugen des Rumpfes und Aufrichten des Beckens, Bauchpresse Verwringen und seitwärts neigen des Rumpfes, Bauchpresse, Aufrichten des Beckens Heranziehen, nach Vorne führen des Armes und Innenrotation (Umarmung) Heranziehen und Rückführen des Armes Heben, zurücknehmen und senken der Schulter, Feststellen des Schulterblattes Vorschieben der Schulter Deltamuskel Abspreizen und Außenrotation des Armes Großer/mittlerer Gesäßmuskel Strecken des Hüftgelenkes und Abspreizen des Beines Lenden-Darmbeinmuskel Beugen des Hüftgelenkes Hinterer Oberschenkelmuskel Strecken des Hüftgelenkes und Beugen des Kniegelenkes Vorderer Oberschenkelmuskel Beugen des Hüftgelenkes und Strecken des Kniegelenkes Wadenmuskel Fußflexion (strecken des Fußes) Wadenbeinmuskel Aufbau des Fußgewölbes Antagonist Bauchmuskulatur Rückenstreckmuskulatur Breiter Rückenmuskel, Deltamuskel Große Brustmuskel, Deltamuskel Vorderer Sägemuskel Kapuzenmuskel Große Brustmuskel, breiter Rückenmuskel Lenden-Darmbeinmuskel Gesäßmuskel, hinterer Oberschenkelmuskel Lenden-Darmbeinmuskel, vorderer Oberschenkelmuskel Gesäßmuskeln, hintere Oberschenkelmuskulatur Zehenstrecker Zehenstrecker Häufig sind bei der Ausführung einer Bewegung mehrere Muskeln beteiligt, die in eine Richtung arbeiten. Diese Muskeln werden als Synergisten bezeichnet. Sie können ganze Muskelgruppen bilden, wie beispielsweise die Bauchmuskeln. Die Gruppe der Rückenmuskeln können als Gegenspieler zur Gruppe der Bauchmuskeln angesehen werden. Zur Vermeidung von Fehlhaltungen sollten beide Gruppen ungefähr gleich stark ausgebildet sein. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 4 von 9 Verkürzung oder Abschwächung der Muskulatur Vereinfacht ausgedrückt hat die Rückenmuskulatur eine mehr stabilisierende und die Bauchmuskulatur eine mehr dynamische Funktion beim Haltungsaufbau. Der Grund ist in der eingangs erwähnten unterschiedlichen Muskelfaserzusammensetzung zu suchen. Generell unterscheiden sich tonische (statische) und phasische (dynamische) Muskelfaser voneinander. Tonische Fasern übernehmen Haltefunktionen und phasische Fasern sind für die Bewegung zuständig. Die meisten Skelettmuskeln bestehen aus einem Fasergemisch mit tonischen und phasischen Anteilen. Je nach den prozentualen Anteilen wird diese eher als statische oder dynamische Muskulatur kategorisiert. Bei überwiegend tonischen Anteilen tendiert die Muskulatur zur Erhöhung der Grundspannung und damit zur Verkürzung (mangelnde Dehnfähigkeit). Bei überwiegend phasischen Anteilen neigt die Muskulatur eher zur Kraftabnahme. Eine Spannungsänderung der Haltemuskeln wirkt sich dabei immer auch auf die Bewegungsmuskeln und umgekehrt aus. Beides beeinflusst die Wirbelsäulenstatik (Anlage 19). Allerdings gibt es anlage- und trainingsbedingt eine große Variationsbreite, was die Muskelzusammensetzung des einzelnen betrifft. Nach heutigem Kenntnisstand ist die Einteilung in zur Abschwächung neigende und zur Verkürzung neigende Muskeln individuell vorzunehmen und zwar nach den persönlichen Bedingungen, die zu einer Veränderung der Muskelverhältnisse geführt haben. Muskuläre Dysbalance Im Idealzustand besteht sowohl eine normale Länge und Dehnfähigkeit der statischen Muskulatur wie auch eine normale Kraft der dynamischen Muskeln, so dass ein muskuläres Gleichgewicht vorliegt. Ob beim Sport oder im Alltag, die meisten unserer Bewegungen entwickeln nicht alle Muskelgruppen gleichmäßig harmonisch. Das bedeutet, dass vor allem die Muskeln, die ständig gefordert werden angepasst und die vernachlässigten Muskeln weniger entwickelt sind. Durch die einerseits übermäßige Kraftentwicklung und Verkürzung der „Leistungsmuskulatur“ und andererseits durch die Abschwächung der nicht ausreichend beanspruchter Muskeln, kann z. B. eine muskuläre Dysbalance entstehen. Unter einer muskulären Dysbalance wird ein muskuläres Ungleichgewicht zwischen der Beugeund der Streckmuskulatur (Agonisten und Antagonisten) verstanden, die auf ein Gelenk einwirkt. Normal nimmt ein Gelenk in der Ruhestellung die Winkelstellung ein, in der die Muskelruhspannung von Agonist und Antagonist gleich groß ist. Wenn zum Beispiel im Armbereich die Kraftfähigkeit des Streckers (Trizepsmuskel) abnimmt, vermindert sich dadurch auch seine Ruhespannung, mit der er auf das Ellenbogengelenk einwirkt. Der Trizeps wird in Ruhe mehr gedehnt und sein Gegenspieler Bizeps (Armbeugemuskel) mehr zusammengezogen. Damit das Gelenk nicht in „Schieflage“ bleibt, ist es notwendig, den Trizeps verstärkt zu kräftigen und den Bizeps mehr zu dehnen. Ist der Trizeps zu stark entwickelt, nimmt seine Ruhespannung zu. Dadurch wird er in Ruhe entdehnt, wobei der Beugemuskel zwangsläufig mehr gedehnt wird. Ein ebenfalls gekräftigter Beuger könnte dem Strecker mehr Spannung entgegensetzen und das Gelenk in die Ruheposition zurückholen. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 5 von 9 Gründe für das Ungleichgewicht der Muskulatur sind Fehlbelastungen des Bewegungsapparates wie übertriebene, einseitige Belastungen oder eintönige Bewegungen sowie falsches Bewegungstraining. Auch aufgrund einer Verletzung und der dadurch ausgelösten Ausweichbewegung oder mangelnder Bewegung kann die Muskulatur abschwächen oder sich verkürzen. Ein Teufelskreis beginnt: Die Verkürzung unterhält die Abschwächung und umgekehrt unterhält die Abschwächung die Verkürzung. Denn ist ein Muskel verkürzt, verhindert dieser die Kräftigung des Gegenspielers. Die Gelenke und Wirbelsäule reagieren durch die Fehlbelastung mit Reizzuständen und erhöhen die Verletzungsanfälligkeit der Muskulatur. Insgesamt nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Das Missverhältnis zwischen Kraft und Dehnfähigkeit verändert die Körperstatik und wird in zunehmendem Maße für die Beschwerden am Bewegungsapparat verantwortlich gemacht. Der beste Schutz ist ein regelmäßiges und ausgewogenes Training der Muskulatur durch Dehnen und Kräftigen. Dabei ist darauf zu achten, dass je nach Beanspruchung, immer die Muskeln mit weniger Beanspruchung im Alltag oder Sport mehr gekräftigt und die anderen mehr gedehnt werden. Haltungsfehler Bei idealer Ausprägung der Muskulatur hält diese den Körper im Lot. Das heißt, wenn ein Lot am Hinterkopf des Menschen angelegt werden würde, müsste dieses im Stehen von der Mitte des Hinterkopfes, entlang der Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern, das Gesäß teilend und zwischen den Ober- und Unterschenkeln endend verlaufen. Liegen Verkürzungen oder Abschwächungen ändert sich durch die veränderte Körperstatik der Lotverlauf. Bereits kleine Abweichungen von der Normalhaltung werden als Fehlhaltung bezeichnet. Die Abweichung kann jeden Abschnitt der Wirbelsäule betreffen. Meistens könnten diese Haltungsfehler (Anlage 20) durch ein Ausgleichstraining korrigiert werden. Ohne Ausgleich kann eine gewohnheitsmäßige, aber falsche Dauerhaltung passiv oder aktiv in einen Haltungsschaden übergehen. Ab wann die Grenze zur krankhaften Haltung erreicht ist, hängt im wesentlichen von der Art der Abweichung und dem erreichten Zustand der Knochen, Bänder und Muskulatur ab. Häufige Formabweichungen sind die Verkürzung des Körpers durch ein in sich Zusammensinken der Wirbelsäule, keine bis extrem ausgeprägte Schwingungen oder Verschiebung der Wirbelsäule in eine Richtung: Haltungsfehler Hohlkreuz Das Hohlkreuz ist einer der häufigsten Haltungsfehler und ist durch die übertriebene Ausprägung der Krümmung im Lendenwirbelbereich gekennzeichnet. Die Bildung des Hohlkreuzes ist die Folge einer Verkürzung der Muskulatur in der Beckenregion und Abschwächung der Haltemuskulatur der Wirbelsäule. Das Becken wird dadurch nach vorne unten gekippt. Das Becken ist das für die Haltung zentrale „Fundament“, mit dem die Wirbelsäule über das Kreuzbein verbunden ist. Eine Bewegung des Beckens wirkt sich immer auf die Wirbelsäule aus. Normalerweise wird ein Abkippen des Beckens nach vorne durch den gleichzeitigen Zug 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 6 von 9 der Bauchmuskulatur an den vorderen Beckenbereichen nach oben und der Gesäßmuskulatur an den hinteren Beckenbereichen nach unten verhindert. Der Hüftbeugemuskel setzt an der Innenseite der Beckenschaufel an und zieht zum Oberschenkelknochen. Bei Verkürzung kann dieser Muskel bei gleichzeitig abgeschwächten Bauch- und Gesäßmuskeln im Stehen und Gehen das Becken nach vorne unten ziehen. Damit der Oberkörper nicht nach vorne umkippt, muss er eine leicht nach hinten lehnende Stellung einnehmen, was mit einer Erhöhung der Spannung der Muskulatur in dem Bereich einhergeht. Zwar richtet sich die Wirbelsäule auf diese Weise auf, lässt im Lendenwirbelbereich allerdings eine Wölbung – das sogenannte Hohlkreuz – entstehen. Die Statik ist verändert, die Wirbel stehen nicht mehr gerade zueinander und bewirken besonders im Lendenwirbelbereich einen schnelleren Verschleiß der Wirbelsäulenstrukturen. Verkürzte Muskeln auf einen Blick: Schultermuskulatur Unterer Rücken – Lendenwirbelbereich Hüftbeuger Vordere Oberschenkel. Abgeschwächte Muskeln auf einen Blick: Brustmuskulatur Bauchmuskulatur Gesäßmuskulatur Hintere Oberschenkel. Haltungsfehler Rund- bzw. Totalrundrücken Der Rundrücken ist eine Haltung, die viele Menschen im Fernsehsessel oder am Steuer ihres Autos einnehmen. Besondere Kennzeichen sind die nach vorne gezogenen Schultern und die stärker ausgeprägte Krümmung im Brustwirbelsäulenbereich als Folge der verkürzten Brust- und schwach ausgebildeten oberen Rückenmuskulatur. Je nach Ausprägung kann die Verspannung der Brustmuskulatur Auswirkung auf die Atmung nehmen. Der Kopf sinkt durch den Rundrücken nach vorn, wodurch die Nackenmuskeln zur aufrechten Kopfhaltung stärker verspannt sind und die Halsmuskeln durch Überdehnung abschwächen. Verkürzte Muskeln auf einen Blick: Nackenmuskulatur Brustmuskulatur. Abgeschwächte Muskeln auf einen Blick: Halsmuskulatur Oberer Rücken. Beim Totalrundrücken ist die gesamte Rückenmuskulatur schwach ausgebildet und in Folge dessen die gesamte Wirbelsäule „rund“. Die Brust- und Bauchmuskeln sind verkürzt. Durch die verkürzten Brustmuskeln kann sich der Brustkorb nicht mehr voll entfalten. Die Atmung flacht ab. Da der Rücken nicht dagegen halten kann, kippt das Becken durch die verspannten Bauchmuskeln nach hinten. Es kommt zur Aufhebung der Krümmung im Lendenwirbelbereich. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 7 von 9 Als Folge schwächt die Hüftbeugemuskulatur ab. Dies wiederum bewirkt eine Überdehnung der vorderen Oberschenkel und führt zur Verspannung der Gesäß- und hinteren Oberschenkelmuskulatur mit Auswirkungen auf das Gangbild. Verkürzte Muskeln auf einen Blick: Nackenmuskulatur Brustmuskulatur Bauchmuskulatur Gesäßmuskulatur Hintere Oberschenkelmuskulatur. Abgeschwächte Muskeln auf einen Blick: Halsmuskulatur Gesamte Rücken Hüftbeuger Oberschenkelvorderseite. Haltungsfehler Hohlrundrücken Das Kennzeichen eines Hohlrundrückens ist eine Schwäche der Schulter- und Rückenmuskulatur mit einer Buckelbildung, bei gleichzeitig extrem ausgeprägter Krümmung der Lendenwirbelsäule. Im Grunde handelt es sich um die Zusammensetzung aus dem Erscheinungsbild des Rund- und Hohlrückens (Hohlkreuz). Der Hohlrundrücken entwickelt sich dabei meist aus dem Haltungsfehler des Hohlkreuzes, welches mit der Zeit durch z. B. vermehrter Inaktivität und schlechter Haltung am Arbeitsplatz in einen zusätzlichen Rundrücken übergeht. Damit ist der Hohlrundrücken weniger als Haltungsfehler, sondern eher als Haltungsschaden einzuordnen. Der schwache Muskelmantel bewirkt zum einen eine verstärkte Brustwirbelkrümmung und zum anderen die Kippung des Beckens nach vorne zur verstärkten Krümmung im Lendenwirbelbereich. Abgeschwächte Bauch-, Rücken- und hintere Oberschenkelmuskulatur sind primär dafür verantwortlich. Insgesamt vermittelt der Hohlrundrücken einen gedrungenen Eindruck. Verkürzte Muskeln auf einen Blick: Schultermuskulatur Unterer Rücken – Lendenwirbelbereich Hüftbeuger Vordere Oberschenkel. Abgeschwächte Muskeln auf einen Blick: Brustmuskulatur Bauchmuskulatur Rückenmuskulatur Gesäßmuskulatur Hintere Oberschenkel Wadenmuskulatur. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 8 von 9 Haltungsfehler Flachrücken Der Flachrücken kennzeichnet sich durch eine zu geringe bis keine Ausprägung der Wirbelsäulenschwingung. Durch das Fehlen der physiologischen Krümmungen im Hals-, Brust- und Lendenwirbelbereich fehlt dem Körper die Federwirkung und damit die Dämpfung bei Belastung. Der gesamte Druck lastet auf den Bandscheiben, die dadurch mit den Jahren anfälliger für Abnutzungserscheinungen werden. Der Flachrücken wirkt steif und durch die mangelnde Beweglichkeit ist die Muskulatur insgesamt schwächer ausgeprägt. An sich ist der Flachrücken wenig auffällig, wenn von schlechter Haltung gesprochen wird. Er bietet meist im Rückblick Erklärungen für z. B. Niederlagen in bestimmten Sportdisziplinen wie Hochsprung, bei Würfen oder Gymnastik. Damit der Flachrücken im Alter (oder früher) nicht zu Rückenproblemen führt, ist zur Entlastung der Wirbelsäule der Aufbau einer stabilisierenden Rumpfmuskulatur sehr wichtig. Skoliosen: Die Skoliosenbildung ist ein weitverbreiteter Haltungsfehler. Durch ungleich ausgeprägte Muskulatur wird die Wirbelsäule in eine Richtung gedrängt und aus ihrer optimalen Form gezogen. Bei der Skoliose neigt sich das Becken zur Seite, wodurch eine S-förmige Verschiebung der Wirbelsäule entsteht. Dadurch kommt es zu einer einseitigen Belastung des Beines. Ein Bein wird überlastet und die Hüfte und das Knie stärker in Anspruch genommen. Die Gesäßmuskulatur wird auf der einen Seite verspannt und auf der anderen Seite überdehnt. „Künstlich“ kann eine Skoliose durch einseitige Belastungen (z. B. einseitiges Tragen einer schweren Last) hervorgerufen werden. Als Schaden sind solche Skoliosen zu bezeichnen, bei denen starke seitliche Krümmungen mit einer Buckelbildung im Brust- und Rotation im Lendenwirbelbereich einhergehen. In seltenen Fällen sind die Ursachen solcher Skoliosenbildung bekannt, wodurch sich die Behandlung sehr schwierig gestaltet. Da die Wirbelsäule versucht das Ungleichgewicht auszugleichen, ist die Stabilisierung der Muskulatur auf der einen Seite und Dehnung der Muskulatur auf der anderen Seite eine Maßnahme zur Verminderung der Rückenbeschwerden. 321 P-HuB InfoLL 2007 Haltung/-schwächen / Seite 9 von 9