Dissertation_Annett_Puggel

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Die Wirkung der organisationalen Absorptionsfähigkeit
auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften
Modell und empirische Überprüfung im Kontext von Prozessinnovationen
D isse rtati on
zur Erlangung des Doctor rerum politicarum (Dr. rer. pol.)
an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
der Technischen Universität Chemnitz
Vorgelegt von Dipl.-Psych. Annett Puggel am 31. August 2011
Verteidigt am 26. Januar 2012
Gutachter:
Prof. Dr. Peter Pawlowsky
Professur Personal und Führung, Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Rainhart Lang,
Professur für Organisation und Arbeitswissenschaft, Technische Universität Chemnitz
Ich danke Gott, meinem HERRN
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.
Ihm sei Ehre in Ewigkeit!
Römer 11,36
Ich danke den Menschen, die ein Stück Weg mit mir gingen
An erster Stelle danke ich herzlich meinem Mann, der mir für meine
Forschungsarbeit den Rücken frei hielt und so manches mit mir
(er)trug. Danke an ihn und an unseren Sohn für ein wunderbares Leben
neben dieser Arbeit. Ein großer Dank an meine Eltern und Großeltern,
die mir diesen Weg ermöglicht haben.
Meinem Betreuer und Erstgutachter Professor Peter Pawlowsky danke
ich für die Lernchancen und Entfaltungsräume an seinem Lehrstuhl
sowie den schnellen und kritischen Review der ersten Version dieser
Arbeit. Ich danke Professor Reinhart Lang für die Übernahme des
Zweitgutachtens und den angenehmen inhaltlichen Austausch. Den
Entscheidern beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft
und Kunst sowie der Sächsischen Aufbaubank danke ich für die
Promotionsförderung, die mir ein konzentriertes wissen¬schaftliches
Arbeiten erlaubte.
Meinen Freunden und Kollegen danke ich für ihre fachliche wie
menschliche Begleitung: Dank an Silke Geithner für stete Ermutigung
und anregende Diskussionen. Dank an Astrid Oehme und Diana Rösler
für den kurzen methodischen Draht und eine belastbare Freundschaft.
Dank an Daniela Menzel und Stefan Hauptman für den engagierten
und konstruktiven Review erster Teile dieser Arbeit. Dank an Lutz
Gerlach für den Kontakt zur Absorptionsfähigkeit und seine Zurufe auf
den letzten Kilometern. Dank an Aylin Gözalan, Wiebke Mandel und
Simone Schmid für das gemeinsame Arbeiten am Fragebogen. Dank an
Renate Puggel und Ursula Steinbrich für das Korrekturlesen mehrerer
Kapitel. Dank an Gitte Händel und Rainer Zaumseil für ihr Vertrauen in
meine Leistungsfähigkeit und Person.
Bedanken möchte ich mich auch bei allen Teilnehmern der Befragung
Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010 sowie bei Gustav
Naujoks für die enge Zusammenarbeit mit seinem Unternehmen.
Die Wirkung der organisationalen Absorptionsfähigkeit
auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften
Modell und empirische Überprüfung im Kontext von Prozessinnovationen
Annett Puggel
2012
Permanente URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:ch1-qucosa-83963
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. V
Tabellenverzeichnis ................................................................................................. XI
Abstract ................................................................................................................... 1
1
Einleitung ......................................................................................................... 3
1.1. Problemstellung und Zielsetzung .................................................................................. 3
1.2. Aufbau der Arbeit ........................................................................................................ 11
2
Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung .................................... 15
2.1. Kennzeichen von Prozessinnovationen ....................................................................... 15
2.1.1. Begriffsbestimmung ......................................................................................... 15
2.1.2. Besonderheiten von Prozessinnovationen ....................................................... 19
2.2. Führungskräfte als Verantwortungsträger für Prozessinnovationen.......................... 21
2.2.1. Innovationsförderliches Verhalten von Führungskräften ................................ 22
2.2.2. Die positive Einstellung gegenüber Veränderungen als Bestandteil der
innovationsförderlichen Führung ..................................................................... 27
2.3. Innovationsbereitschaft von Führungskräften ............................................................ 29
2.3.1. Konzept der Innovationsbereitschaft ............................................................... 29
2.3.2. Innovationsbereitschaft und Veränderungsbereitschaft ................................. 37
2.4. Ansatzpunkt für die Förderung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften .......................................................................................................... 41
2.4.1. Informationen und Wissen als Grundlage einer Beeinflussung ....................... 42
2.4.2. Konzept der Absorptionsfähigkeit .................................................................... 47
II
Inhaltsverzeichnis
3
Hypothesen und Wirkungsmodell ................................................................... 59
3.1. Innovationsbereitschaft als Prozess und Zustand ....................................................... 59
3.2. Hypothesen zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften ............................................................ 63
3.2.1. Wirkung der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit................................ 65
3.2.2. Wirkung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit ............................. 69
3.2.3. Wirkung der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit ............................... 73
3.3. Zusammenfassung des Wirkungsmodells ................................................................... 75
4
Empirische Überprüfung ................................................................................. 79
4.1. Methode ...................................................................................................................... 79
4.1.1. Stichprobe ........................................................................................................ 79
4.1.2. Fragebogen ....................................................................................................... 83
4.1.2.1. Messung der Innovationsbereitschaft von Führungskräften .................... 84
4.1.2.2. Messung der organisationalen Absorptionsfähigkeit ................................ 90
4.1.3. Durchführung ................................................................................................. 100
4.2. Ergebnisse ................................................................................................................. 101
4.2.1. Itemanalyse und Skalenbildung...................................................................... 101
4.2.1.1. Innovationsbereitschaft der Führungskraft ............................................. 101
4.2.1.2. Organisationale Absorptionsfähigkeit ..................................................... 111
4.2.2. Überprüfung der Hypothesen ........................................................................ 125
4.2.2.1. Innovationsbereitschaft als Prozess und Zustand ................................... 125
4.2.2.2. Wirkung der organisationalen Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft der Führungskraft ............................................. 137
4.3. Diskussion .................................................................................................................. 166
4.3.1. Methodik ........................................................................................................ 166
4.3.2. Itemanalyse und Skalenbildung...................................................................... 167
4.3.2.1. Innovationsbereitschaft der Führungskraft ............................................. 168
4.3.2.2. Organisationale Absorptionsfähigkeit ..................................................... 171
4.3.3. Überprüfung der Hypothesen ........................................................................ 176
4.3.3.1. Diskussion zum Modell der Innovationsbereitschaft .............................. 176
4.3.3.2. Diskussion zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft der Führungskraft ............................................. 181
Inhaltsverzeichnis
5
III
Resümee ....................................................................................................... 195
5.1. Zusammenfassung der Erkenntnisse......................................................................... 195
5.2. Implikationen für Forschung und Praxis.................................................................... 201
5.2.1. Forschungstheoretische Implikationen .......................................................... 201
5.2.2. Forschungsmethodische Implikationen ......................................................... 203
5.2.3. Implikationen für die Unternehmenspraxis ................................................... 204
5.3. Fazit ........................................................................................................................... 205
Literaturverzeichnis .............................................................................................. 207
Anhang ................................................................................................................ 225
A
Operationalisierung der Wettbewerbsvorteile .............................................. 227
B
Innovationsbereitschaft – Itemanalyse und Skalenbildung............................. 229
C
Absorptionsfähigkeit – Itemanalyse und Skalenbildung ................................. 237
D
Überprüfung der Hypothesen ........................................................................ 245
Abbildungsverzeichnis
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1-1.
Vereinfachte Darstellung der bisherigen empirischen Befunde zur
innovationsförderlichen Führung .............................................................. 10
Abbildung 1-2.
Grobaufbau der vorliegenden Arbeit ........................................................ 13
Abbildung 2-1.
Drei-Komponenten-Modell der Einstellung übertragen auf die
Innovationsbereitschaft
als
positive
Einstellung
gegenüber
organisationalen Neuerungen. .................................................................. 31
Abbildung 2-2.
Modell der Stressbewältigung nach Lazarus (1966), Lazarus und
Folkman (1984), Lazarus (1999).. ............................................................... 34
Abbildung 2-3.
Modell der Innovationsbereitschaft .......................................................... 36
Abbildung 3-1.
Modell
der
allgemeinen
Determinanten
von
Innovations-
bereitschaft ................................................................................................ 63
Abbildung 3-2.
Wirkungsmodell zum Einfluss der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften .......................................... 75
Abbildung 4-1.
Verteilung der Unternehmen nach Branchen: Vergleich zwischen
Grundgesamtheit 2007 laut Statistischem Bundesamt (2010) und
der Stichprobe der vorliegenden Untersuchung mit N=668 ..................... 82
Abbildung 4-2.
Histogramm mit Normalverteilungskurve zur Frage nach der
Notwendigkeit gezielter Veränderungen im Unternehmen, um
wettbewerbsfähiger zu werden ............................................................... 102
Abbildung 4-3.
Histogramm mit Normalverteilungskurve des Items 13.3 Bei uns ist
man
Veränderungen
gegenüber
sehr
aufgeschlossen
zur
Operationalisierung der wahrgenommenen Veränderbarkeit der
Situation ................................................................................................... 107
Abbildung 4-4.
Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten
Variable Innovationsbereitschaft............................................................ 111
Abbildung 4-5.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
des
Gesamtwertes
Absorptionsfähigkeit ................................................................................ 125
VI
Abbildung 4-6.
Abbildungsverzeichnis
Modell der postulierten Wirkungszusammenhänge mit Fokus auf
die Prozess- und Zustandsvariablen der Innovationsbereitschaft zur
Einordnung der empirischen Analyse ...................................................... 126
Abbildung 4-7.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 130
Abbildung 4-8.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 131
Abbildung 4-9.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 133
Abbildung 4-10.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 133
Abbildung 4-11.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 135
Abbildung 4-12.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 136
Abbildung 4-13.
Modell der postulierten Wirkungszusammenhänge mit Fokus auf
die Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft zur Einordnung der empirischen Analyse............................ 138
Abbildung 4-14.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 141
Abbildung 4-15.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 142
Abbildung 4-16.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 145
Abbildung 4-17.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 146
Abbildung 4-18.
Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell............. 153
Abbildung 4-19.
Ausprägung des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der
wahrgenommenen Veränderbarkeit in Abhängigkeit von der
Ausprägung der organisationalen Absorptionsfähigkeit ......................... 156
Abbildung 4-20.
Die im erweiterten Modelltest berücksichtigten Variablen und
deren Einbettung im Wirkungsmodell .................................................... 160
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 4-21.
VII
Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten
und
indirekten
Effekten
Absorptionsfähigkeit
und
der
den
ersten
Dimension
wahrgenommenen
der
Heraus-
forderungen auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf .............. 163
Abbildung 4-22.
Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten
und
indirekten
Effekten
der
zweiten
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit und der Beurteilung der Mitarbeiterleistung
sowie der Fehlertoleranz im Unternehmen auf die wahrgenommene Veränderbarkeit ................................................................. 165
Abbildung 5-1.
Zusammenfassung
Regressionen
der
zur
Ergebnisse
Vorhersage
der
des
multiplen
linearen
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit
durch die Indikatoren der beiden Bewertungsprozesse ......................... 198
Abbildung 5-2.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Strukturmodellierung zur
direkten und indirekten Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften ........................................ 199
Abbildung 5-3.
Zusammenfassung
Regressionen
zur
der
Ergebnisse
Vorhersage
der
des
multiplen
linearen
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit
aus der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit .............................. 200
Abbildung B-1.
Histogramm mit Normalverteilungskurve der aus 29 Items per
Mittelwert gebildete Variable Herausforderungen, denen das
Unternehmen gegenübersteht ................................................................ 229
Abbildung B-2.
Boxplot für das Item 5.9 Qualitätswettbewerb als Herausforderung ..... 230
Abbildung B-3.
Histogramm
mit
Wettbewerbsvorteile
Normalverteilungskurve
durch
die
Entwicklung
der
Skala
neuartiger
Produkte/Dienstleistungen ...................................................................... 234
Abbildung B-4.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
der
Skala
Wettbewerbsvorteile durch kostengünstige Produktion ........................ 234
VIII
Abbildung B-5.
Abbildungsverzeichnis
Histogramm mit Normalverteilungskurve des Items „[Unser]
besseres Management/Geschäftsführung ist ein Wettbewerbsvorteil
gegenüber
dem
Hauptkonkurrenten“
zur
Operationalisierung der aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers ............................................................. 235
Abbildung B-6.
Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten Skala
Mitarbeiterleistung
als
Ressource
für
Veränderungen
im
Unternehmen........................................................................................... 236
Abbildung B-7.
Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten Skala
Fehlertoleranz im Unternehmen ............................................................. 236
Abbildung C-1.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
der
Skala
Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen von externem Wissen ........................ 238
Abbildung C-2.
Histogramm
mit
Absorptionsfähigkeit
Normalverteilungskurve
der
2A_Systematik:
Skala
Systematische
unternehmensinterne Auswertung von Informationen und Wissen ...... 239
Abbildung C-3.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
der
Skala
Absorptionsfähigkeit 2B_Austausch: Formeller und informeller
Austausch von Erfahrungen zwischen Organisationsmitgliedern ........... 240
Abbildung C-4.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
der
Skala
Absorptionsfähigkeit 2C_Technik: Technische Möglichkeiten zur
Speicherung und Verteilung von Informationen ..................................... 241
Abbildung C-5.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
der
Skala
Absorptionsfähigkeit 2_Gesamt als Mittelwert der drei Subskalen
AF2_A, AF2_B und AF2_C ........................................................................ 241
Abbildung C-6.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
für
das
Item
Prozessinnovationen – „Wir verschaffen uns durch neue Verfahren,
Methoden
oder
Herstellungsprozesse
fast
immer
einen
Marktvorteil.“ .......................................................................................... 243
Abbildung C-7.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
für
die
Skala
Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP .................................................. 243
Abbildungsverzeichnis
Abbildung D-1.
IX
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 245
Abbildung D-2.
a) Histogramm
der
Residuen
mit
Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen ............... 245
Tabellenverzeichnis
XI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1.
Überblick zu theoretischen Konzepte der Absorptionsfähigkeit....................... 54
Tabelle 2-2.
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit sowie zu erwartende Resultate
auf Unternehmensebene .................................................................................. 57
Tabelle 4-1.
Verteilung der Unternehmen nach Mitarbeiterzahl und Umsatz ..................... 82
Tabelle 4-2.
Übersicht zur Operationalisierungen der Innovationsbereitschaft oder
der individuellen Bereitschaft für organisationale Veränderungen in
bisherigen empirischen Untersuchungen ......................................................... 86
Tabelle 4-3.
Übersicht zur Operationalisierung der untersuchten Dimensionen der
Innovationsbereitschaft .................................................................................... 90
Tabelle 4-4.
Übersicht zur Operationalisierungen der Absorptionsfähigkeit in
bisherigen empirischen Untersuchungen, die für die vorliegende
Untersuchung herangezogen wurden ............................................................... 92
Tabelle 4-5.
Übersicht zur Operationalisierung der Dimensionen der Absorptionsfähigkeit für die vorliegende Arbeit .................................................................. 98
Tabelle 4-6.
Inhaltliche
Schwerpunkte
der
Herausforderungen,
Unternehmen gegenüber sehen – Mittelwert (
denen
sich
Standardabweichung
(SD), Median und Fallzahl (N) je Faktor ........................................................... 104
Tabelle 4-7.
Faktoren
der
Wettbewerbsvorteile,
erstellungsprozesse
zurückführbar
die
sind
auf
–
die
Leistungs-
Mittelwert
(
,
Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item........................... 106
Tabelle 4-8.
Ergebnisse der Leistungserstellungsprozesse als Wettbewerbsvorteil
gegenüber Hauptkonkurrenten – Mittelwert (
, Standardabweichung
(SD), Median und Fallzahl (N) je Item .............................................................. 107
Tabelle 4-9.
Skala Mitarbeiterleistung – Mittelwert (
, Standardabweichung (SD),
Median und Fallzahl (N) je Item ...................................................................... 108
Tabelle 4-10.
Skala Mitarbeiterleistung – Trennschärfe und interne Konsistenz ................. 109
XII
Tabelle 4-11.
Tabellenverzeichnis
Skala Fehlertoleranz – Mittelwert (
, Standardabweichung (SD),
Median und Fallzahl (N) je Item ...................................................................... 109
Tabelle 4-12.
Zusammenfassung der Skalen, die den Veränderungsbedarf und die
Veränderbarkeit der Situation erfassen – Itemanzahl, Fallzahl (N),
Mittelwert (
Tabelle 4-13.
Skala
, Standardabweichung (SD), Median und Verteilungsform ..... 110
Absorptionsfähigkeit
1-Erkennen
–
Mittelwert
(
,
Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item........................... 112
Tabelle 4-14.
Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 113
Tabelle 4-15.
Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik: Systematische unternehmensinterne Auswertung von Informationen und Wissen – Mittelwert (
,
Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item........................... 115
Tabelle 4-16.
Skala Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 116
Tabelle 4-17.
Absorptionsfähigkeit
2B_Austausch:
Formeller
und
informeller
Austausch von Erfahrungen zwischen Organisationsmitgliedern –
Mittelwert (
, Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je
Item ................................................................................................................. 117
Tabelle 4-18.
Skala Absorptionsfähigkeit2B_Austausch – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 118
Tabelle 4-19.
Absorptionsfähigkeit
2C_Technik:
Technische
Möglichkeiten
zur
Speicherung und Verteilung von Informationen – Mittelwert ( ),
Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item........................... 119
Tabelle 4-20.
Skala Absorptionsfähigkeit 2C_Technik – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 120
Tabelle 4-21.
Absorptionsfähigkeit
3-Verwerten
–
Mittelwert
(
,
Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item........................... 121
Tabelle 4-22.
Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 122
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4-23.
XIII
Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP – Trennschärfe und interne
Konsistenz ........................................................................................................ 123
Tabelle 4-24.
Zusammenfassung
der
Skalen,
die
die
Dimensionen
der
Absorptionsfähigkeit erfassten – Itemanzahl, Fallzahl (N), Mittelwert (
,
Standardabweichung (SD), Median und Verteilungsform .............................. 124
Tabelle 4-25.
Korrelationsmatrix
zu
Bewertungsprozessen
und
Bewertungs-
ergebnissen als Bestandteil des Konstruktes Innovationsbereitschaft Zusammenhänge zwischen dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf
und der wahrgenommenen Veränderbarkeit mit den Indikatoren der
Bewertungsprozesse ....................................................................................... 127
Tabelle 4-26.
Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes aus den
wahrgenommenen Herausforderungen und den Wettbewerbsvorteilen
durch neuartige Produkte/Dienstleistungen sowie durch kostengünstige
Produktion (N=612) ......................................................................................... 132
Tabelle 4-27.
Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit
aus
den
Herausforderungen an das Unternehmen und den Wettbewerbsvorteilen durch neuartige Produkte/Dienstleistungen (N=631) ..................... 134
Tabelle 4-28.
Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit
aus
der
aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers,
der Beurteilung der Mitarbeiterleistung sowie der Fehlertoleranz im
Unternehmen (N=639) .................................................................................... 136
Tabelle 4-29.
Korrelationsmatrix
zu
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf,
wahrgenommener Veränderbarkeit und den drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit ....................................................................................... 139
Tabelle 4-30.
Schrittweise
Regression
Veränderungsbedarfes
zur
aus
Vorhersage
den
drei
des
wahrgenommenen
Dimensionen
der
Absorptionsfähigkeit – Modellkennwerte der vier Regressionsschritte
(N=518) ............................................................................................................ 143
XIV
Tabelle 4-31.
Tabellenverzeichnis
Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Regressionsschrittes zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes aus allen drei
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit (N=518) ............................................. 144
Tabelle 4-32.
Schrittweise
Regression
zur
Vorhersage
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit aus den drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit Modellkennwerte der vier Regressionsschritte (N=519) ................................ 147
Tabelle 4-33.
Schrittweise Regression zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus der
zweiten
und
dritten
Dimensionen
der
Absorptionsfähigkeit
-
Modellkennwerte der zwei Regressionsschritte (N=664) ............................... 148
Tabelle 4-34.
Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Regressionsschrittes zur
Vorhersage der Veränderbarkeit aus der zweiten und dritten
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit (N=664) ............................................. 149
Tabelle 4-35.
Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage der Veränderbarkeit aus den Subskalen der zweiten
Absorptionsfähigkeitsdimension (N=662) ....................................................... 150
Tabelle 4-36.
Kennwerte der Extremgruppen je Dimension der Absorptionsfähigkeit
(Gruppenbildung anhand des 25. und 75. Perzentils der Ausprägung der
jeweiligen Absorptionsfähigkeit) ..................................................................... 151
Tabelle 4-37.
Ergebnisse der Zweifaktoriellen Varianzanalysen zur Überprüfung der
Interaktionseffekte der einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
bezogen auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf ............................ 152
Tabelle 4-38.
Überprüfung
der
Unterschiede
im
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf zwischen Unternehmen mit geringer und mit
großer Absorptionsfähigkeit ............................................................................ 155
Tabelle 4-39.
Überprüfung
der
Unterschiede
in
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit zwischen Unternehmen mit geringer und mit großer
Absorptionsfähigkeit ....................................................................................... 155
Tabelle 4-40.
Vergleich des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes mit der
wahrgenommenen Veränderbarkeit in den Gruppen mit niedriger und
sehr
hoher
Absorptionsfähigkeit
Standardabweichungen
(SD),
Differenz
-
Mittelwerte
( ),
der
Mittelwerte
und
Effektstärken der Mittelwertsunterschiede (d)............................................... 157
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4-41.
XV
Zusammenfassung der Ergebnisse zur Überprüfung der Hypothesen 2.1
bis 2.8 .............................................................................................................. 157
Tabelle 4-42.
Faktoren, die der Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen zugrundeliegen
sowie die dazugehörigen Items ....................................................................... 161
Tabelle 4-43.
Zusammenfassung
der
Ergebnisse
zur
Vorhersagbarkeit
des
Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit aus den jeweiligen
Indikatoren
der
zugrundeliegenden
Bewertungsprozesse
(Hypothesentest) ............................................................................................. 180
Tabelle 4-44.
Zusammenfassung
der
Befunde
zur
Beeinflussung
des
wahrgenommenen Veränderungsbedarfes durch die drei Dimensionen
der Absorptionsfähigkeit (Hypothesentests) .................................................. 187
Tabelle 4-45.
Zusammenfassung
der
Befunde
zur
Beeinflussung
der
wahrgenommenen Veränderbarkeit durch die drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit (Hypothesentests) ......................................................... 192
Tabelle B-1.
Ergebnisse der Faktorenanalyse zu 29 Herausforderungen, denen ein
Unternehmen gegenüberstehen kann ............................................................ 231
Tabelle B-2.
Ergebnisse der Faktorenanalyse zu Wettbewerbsvorteilen eines
Unternehmens................................................................................................. 232
Tabelle B-3.
Itemkennwerte für den Faktor Wettbewerbsvorteile durch neuartige
Produkte/Dienstleistungen ............................................................................. 233
Tabelle B-4.
Itemkennwerte
für
den
Faktor
Wettbewerbsvorteile
durch
kostengünstige Produktion ............................................................................. 233
Tabelle B-5.
Skala
Wettbewerbsvorteile
durch
die
Entwicklung
neuartiger
Produkte/Dienstleistungen: Trennschärfe und interne Konsistenz ................ 233
Tabelle B-6.
Itemkennwerte
für
den
Faktor
Wettbewerbsvorteile
durch
Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter .................................................................. 235
Tabelle B-7.
Itemkennwerte für den Fragen nach der Fehlertoleranz im Unternehmen ... 236
Tabelle C-1.
Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen ..................... 237
XVI
Tabelle C-2.
Tabellenverzeichnis
Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik:
Systematische unternehmensinterne Auswertung von Informationen
und Wissen ...................................................................................................... 238
Tabelle C-3.
Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 2B_Austausch:
Formeller und informeller Austausch von Erfahrungen zwischen
Organisationsmitgliedern ................................................................................ 239
Tabelle C-4.
Itemkennwerte
für
die
Skala
Absorptionsfähigkeit
2C_Technik:
Technische Möglichkeiten zur Speicherung und Verteilung von
Informationen.................................................................................................. 240
Tabelle C-5.
Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten ................... 242
Tabelle D-1.
Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse zur Struktur der ersten
Dimension der Absorptionsfähigkeit ............................................................... 246
Abstract
1
Abstract
Ausgehend von der Relevanz personeller Führung für die Entwicklung und
Umsetzung von Prozessinnovationen in Unternehmen betrachtet die vorliegende Arbeit die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften als eine Determinante des innovationsförderlichen Führungsverhaltens sowie der Innovativität von Unternehmen. Im Zentrum der
Arbeit standen die Fragen nach der Entstehung und nach der Förderung der Bereitschaft von
Führungskräften für Prozessinnovationen. Für die Beantwortung dieser Fragen wurde das
Modell der Innovationsbereitschaft von Gebert (1987, 2002) herangezogen und mit etablierten
Modellen der individuellen Veränderungsbereitschaft in Beziehung gesetzt. Demnach resultiert
die Bereitschaft für organisationale Neuerungen aus dem Erkennen eines Veränderungsbedarfes sowie der Wahrnehmung einer Veränderbarkeit der unternehmensinternen
Situation, womit ein zweistufiger, kognitiver Informationsverarbeitungsprozess beschrieben
wurde. Dieser Prozess wird durch die Auseinandersetzung mit Wissen und Informationen
beeinflusst, wie auf der Grundlage empirischer Forschung zur individuellen Veränderungsbereitschaft, zur persuasiven Kommunikation sowie der Mikropolitik gezeigt werden konnte.
Da im Kontext von Innovationen insbesondere neuem, unternehmensexternem
Wissen sowie dessen Verknüpfung mit bereits vorhandenem, internem Wissen ein hoher
Stellenwert zukommt, wurde das Konzept der organisationalen Absorptionsfähigkeit (Cohen &
Levinthal, 1990) genutzt, um Möglichkeiten zur Förderung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften auszuleuchten. Als Synthese der bisherigen Arbeiten zur Absorptionsfähigkeit
sowie Arbeiten zum individuellen und organisationalen Lernen, wurde für die vorliegende
Arbeit Absorptionsfähigkeit als dreidimensionales Konstrukt definiert und als das Erkennen,
Aufnehmen und Verwerten von neuem, unternehmensexternem Wissen verstanden.
Aufbauend auf diesen drei Dimensionen wurde ein Modell zur Beeinflussung der
Innovationsbereitschaft abgeleitet und entsprechende Hypothesen dazu formuliert.
Mit einer quantitativen Untersuchung wurde das postulierte Wirkungsmodell
empirisch überprüft. Dazu wurden 668 Geschäftsführer einer nach Größe und Branche für
Deutschland repräsentativen Stichprobe kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem
standardisierten Fragebogen um ihre subjektive Bewertung der Unternehmenssituation
gebeten. Die Analysen bestätigten, dass die Innovationsbereitschaft von Führungskräften
durch die drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit beeinflusst wird. Dabei zeigte sich, dass
der Kontakt zu externem Wissen (erste Dimension) den wahrgenommenen Veränderungsbedarf erhöhte, während die systematische Verarbeitung und Weitergabe dieses Wissens
(zweite Dimension) die wahrgenommene Veränderbarkeit der Unternehmenssituation positiv
beeinflussen konnte.
2
Abstract
Bisherige Prozessinnovationen, als Bestandteil der dritten Absorptionsfähigkeitsdimension,
reduzierten den wahrgenommenen Veränderungsbedarf, während bisherige inkrementelle
Prozess- und Strukturveränderungen im Unternehmen, ebenfalls Bestandteil der dritten
Dimension, positiv auf die Einschätzung der Veränderbarkeit wirkten.
Zusammengefasst präzisierte die vorliegende Arbeit, wie Innovationsbereitschaft von
Führungskräften entsteht und wie sie durch die organisationale Absorptionsfähigkeit gefördert
werden
kann.
Deutlich
wurde,
dass
dafür
die
Unterscheidung
von
zwei
der
Innovationsbereitschaft zugrundeliegenden Bewertungsprozessen notwendig ist, weil das
Erkennen, das Aufnehmen und das Verwerten von unternehmensexternem Wissen an diese
Prozesse in unterschiedlicher Weise ansetzen. Mit der Dissertation wurde daher sowohl das
Konzept der Innovationsbereitschaft geschärft, als auch durch die Verknüpfung dieser
individuellen Bereitschaft mit der organisationalen Absorptionsfähigkeit ein Beitrag für das
Verständnis der Innovativität von Unternehmen geleistet.
Hinweis zur Förderung
Die Dissertation wurde aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Union
sowie durch den Freistaat Sachsen im Zeitraum 09/2009 bis 08/2011 gefördert.
1 Einleitung
3
1
Einleitung
1.1.
Problemstellung und Zielsetzung
Innovationen sind für die Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen wirtschaft-
lichen Erfolg von Unternehmen maßgeblich. Ihre positive Wirkung wurde empirisch mehrfach
bestätigt (z. B. Akgün, Keskin & Byrne, 2009; Aragón-Correa, García-Morales & Cordón-Pozo,
2007; Calantone, Cavusgil & Zhao, 2002; Carol Yeh-Yun Lin & Mavis Yi-Ching Chen, 2007; Ho,
2011; Jiménez-Jiménez & Sanz-Valle, 2011; Keskin, 2006; Oke, Burke & Myers, 2007; OteroNeira, Lindman & Fernández, 2009; Salavou & Avlonitis, 2008; Walker, Damanpour & Devece,
2011), aktuelle Meta-Analysen etwa von Bausch und Rosenbusch (2006) und Bowen, Rostami
und Steel (2010) fassen die Erkenntnisse differenziert zusammen. Als Innovation gelten dabei
qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die in einem Unternehmen erstmalig zur
Anwendung kommen (Hauschildt & Salomo, 2007; OECD/Statistical Office of the European
Communities, 2005, S. 46) und einen konkreten wirtschaftlichen und/oder sozialen Nutzen
stiften (Neubauer, 2000, S. 87). Sie ermöglichen den Aufbau und die Verteidigung von
Wettbewerbsvorteilen und sichern so das längerfristige Bestehen am Markt (Bausch
& Rosenbusch, 2006, S. 126; Bowen et al., 2010; Damanpour, 1991; Walker et al., 2011;
Wofford, Whittington & Goodwin, 2001, S. 405). Bleibt man auf der organisationalen Ebene,
dienen Innovationen nicht nur der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, sondern unterstützen
auch die Verwirklichung von sozialen und flexibilitätsbezogenen Unternehmenszielen (Thom,
2001, S. 55). Sie entstehen als Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen oder als
Antizipation zukünftiger Herausforderungen einer Organisation und können darüber hinaus
selbst als Mittel des Wandels eingesetzt werden (Krause, 2004). Schumpeter (1912 zitiert nach
Bass & Riggio, 2006, S. 102) als einer der Pioniere der Innovationsforschung sah in ihnen die
treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung, Van de Ven (1986) verdeutlichte die positive
Konnotation des Begriffes Innovation, der durchweg mit Fortschritt und Verbesserung
assoziiert
wird,
"Innovation
ist
in
den
letzten
Jahren
zu
dem
Desiderat
wirtschaftswissenschaftlicher Forschung avanciert“ kommentierte Gärtner (2007, S. 129) das
inzwischen weite Feld der Innovationsforschung.
Aufgrund der wirtschaftlichen Relevanz beschäftigt sich ein Hauptgebiet dieser
Forschung mit den Determinanten organisationaler Innovativität (Gärtner, 2007; Krause, 2004;
Sammerl, 2006; Wofford et al., 2001). Unter Innovativität wird dabei die Fähigkeit eines
Unternehmens verstanden, neue Produkte erfolgreich am Markt einzuführen oder sich durch
die Kombination von Strategie, innovativem Verhalten und Prozessen neue Märkte zu
erschließen (Wang & Ahmed, 2004; S. 304, Wolfe, 1994, S. 408). Zentral sind dabei die
4
1 Einleitung
Offenheit für neue Ideen und deren Niederschlag in der Entwicklung und Vermarktung neuer
Produkte sowie der Erneuerung unternehmensinterner Abläufe, weshalb i.d.R. die
Implementierung von Produkt- und Prozessinnovationen als Operationalisierung von
Innovativität verwendet wird (vgl. Akgün et al., 2009, S. 104; Calantone et al., 2002, S. 517;
Damanpour, 1991, S. 588; Jung, Wu & Chow, 2008, S. 588; Santos-Rodrigues, Dorrego &
Jardon, 2010, S. 55; Wang & Ahmed, 2004, S. 307). Trotz langer Forschungstradition ist die
Befundlage zu den Erfolgsbedingungen organisationaler Innovationen nicht einheitlich (vgl.
z. B. Gärtner, 2007; Krause, 2004; Sammerl, 2006). Als einzige Variable, die stets positiv mit
Innovativität korrelierte, fand Krause (2004) in ihrem Review bisheriger Forschungsarbeiten die
Variable Führung1. Auch Mumford und Licuanan (2004, S. 164) zogen aus den Ergebnissen
mehrerer Studien den Schluss, dass Führung für die Generierung neuer Ideen und Produkte
besonders erfolgskritisch ist. Henard und Szymanski (2001) zeigten mit ihrer Metaanalyse von
41 empirischen Untersuchungen, dass Führung ein wesentlicher prozessbezogener
Erfolgsfaktor im Innovationsmanagement ist2. Aktuelle Studien z. B. von Aragón-Correa et al.
(2007), García-Morales, Jiménez-Barrionuevo und Gutiérrez-Gutiérrez (im Erscheinen),
Gumusluoglu und Ilsev (2009), Jansen, Vera und Crossan (2009), Jung et al. (2008), LlorénsMontes, Ruiz-Moreno und García-Morales (2005), Makri und Scandura (2010), Matzler,
Schwarz, Deutinger und Harms (2008) und Somech (2006) belegten ebenfalls die positive
Wirkung von Führung auf die Entstehung und Implementierung von Innovationen in
Unternehmen.
Wird dieser Einfluss von Führung auf die organisationale Innovativität untersucht,
steht mehrheitlich das Verhalten von Führungskräften im Zentrum. Häufig wird dazu das obere
Management insbesondere Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzende (z. B. Aragón-Correa et
al., 2007; Jung et al., 2008, Matzler et al., 2008) bzw. strategische Führungskräfte (Jansen et
al., 2009), aber auch Führungskräfte auf den unteren Hierarchiestufen der Organisation (z. B.
auf der Teamebene bei Eisenbeiss, van Knippenberg & Boerner, 2008; Somech, 2006)
fokussiert. Zentral ist dabei die Frage nach dem innovationsförderlichsten Führungsstil (vgl.
Jung, Chow & Wu, 2003, S. 525) und damit nach Führung auf der Mikroebene. Diese wird
verstanden als personelle, unmittelbare Führung von Organisationsmitgliedern im Unterschied
zum Management als Steuerung der gesamten Organisation auf der Makroebene (Staehle,
Conrad & Sydow, 1999). Allerdings liegt für den Führungsbegriff auf Mikroebene kein
einheitliches Verständnis vor (vgl. Bass & Bass, 2008; Hentze, Graf, Kammel & Lindert, 2005;
1
Neben Querschnittstudien verwies Krause (2004) dabei auch auf Ergebnisse von Längsschnittstudien
im Rahmen des Minnesota Innovation Research Program, einem umfangreichen Forschungsprojekt u.a.
zu Determinanten von Innovationen (z. B. Van de Ven & Poole, 1990; Van de Ven, Angle & Poole, 2000;
kritische Würdigung z. B. bei Geisler, 2002).
2
Relevante Faktoren hierbei waren z. B. das Ausmaß der Unterstützung für neue Initiativen, ein
strukturiertes Vorgehen sowie eine professionelle Projektimplementierung.
1 Einleitung
5
Neuberger, 2005; Yukl, 2006, S. 8; Wunderer, 2009). Als Zusammenfassung der Aussagen
verschiedener Autoren definierte Yukl (2006, S. 8) Führung als “influencing others to
understand and agree about what needs to be done and how to do it, and the process of
facilitating individual and collective efforts to accomplish shared objectives”. In der GLOBEStudie3 (2004) wird Führung länder- und disziplinübergeifend verstanden als „the ability to
influence, motivate, and enable others to contribute to the effectiveness and success of the
organization of which they are members“ (zitiert nach Bass & Bass, 2008, S. 23). Ein zentraler
Aspekt dieser personellen Führung im Innovationskontext ist wie dargestellt das Verhalten der
Führungskraft, welches als Führungsstil bezeichnet wird (vgl. Bass & Bass, 2008; Hentze et al.,
2005; Neuberger, 2005; Yukl, 2006; Wunderer, 2009). Die Bedeutung des Führungsstils für die
Erklärung der generellen Wirkung von Führungskräften auf die organisationale Innovativität
bestätigten z. B. Elenkov und Manev (2005). Sie zeigten in einer Studie mit 1774 Befragten aus
270 europäischen Unternehmen, dass sich der durch das obere Management auf Innovationen
ausgeübte Einfluss knapp zur Hälfte durch den Führungsstil des oberen Managements und
damit durch die Führung auf der Mikroebene erklären lässt. Auch Hsu, Chen und Lin (2008)
belegten mit einem Review von 21 empirischen Studien zum Einfluss des oberen
Managements auf organisationale Innovationen, dass eine bedeutsame Wirkung vom
Führungsstil des Geschäftsführer bzw. der Verantwortungsträger im oberen Management
ausgeht.
Im Zentrum aktueller Studien zur Wirkung des Führungsstils auf Innovativität steht
vor allem die transformationale Führung (z. B. Aragón-Correa et al., 2007; Elenkov & Manev,
2005; Eisenbeiss et al., 2008; García-Morales et al.; 2011; Gumusluoglu & Ilsev, 2009; Jansen
et al., 2009; Jung et al., 2008; Matzler et al., 2008; Oke, Munshi & Walumbwa, 2009), womit
der generellen Entwicklung in der Führungsforschung seit der grundlegenden Arbeit von Bass
(1985) gefolgt wird. Bass (1985, 1999) unterschied zwischen transaktionaler und
transformationaler Führung, wobei letztere durch die vier Merkmale „idealized influence,
inspirational leadership, intellectual stimulation and individual consideration“ gekennzeichnet
ist (Bass, 1999, S. 11). Demnach agiert ein Führender als moralisches und fachliches Vorbild,
vermittelt eine emotional begeisternde Vision, Sinn und Gemeinschaftsgefühl, stellt das
bisherige Vorgehen immer wieder in Frage, formuliert Probleme auf neue Weise und fördert
jeden Mitarbeiter entsprechend dessen Bedürfnisstrukturen und Fähigkeiten individuell als
Coach (ebd.). Bereits in seinen ersten Ausführungen 1985 ging Bass davon aus, dass dieses
3
GLOBE („Global Leadership and Organisational Behaviour Effectiveness“) ist eine internationale Studie
zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Nationalkultur, Unternehmenskultur und bevorzugten
Führungstechniken und -stilen in 62 Ländern weltweit. In mehrere Phasen und mit verschiedenen
methodischen Zugänge arbeiten im Projekt etwa 170 Sozialwissenschaftler und Managementforschern
seit 1993 unter der Federführung von Robert J. House (University of Pennsylvania, USA) zusammen
(GLOBE; House, Hanges, Javidan, Dorfman & Gupta, 2004).
6
1 Einleitung
Führungsverhalten besonders bei organisationalen Veränderungen effektiv ist, weil
Mitarbeiter kreativer, zufriedener und leistungsfähiger werden. Zahlreichen Studien
bestätigten
die
positive
Wirkung
des
transformationalen
Führungsstils
auf
die
Mitarbeiterleistung (Überblick z. B. bei Bass, Avolio & Bass, 1994; Moss, Ritossa & Ngu, 2006;
Metaanalysen von Judge & Piccolo, 2004; Lowe, Kroeck & Sivasubramaniam, 1996), die
Mitarbeiterkreativität (z. B. Gumusluoglu & Ilsev, 2009) und die Innovativität von
Unternehmen (z. B. Aragón-Correa et al., 2007; García-Morales et al.; 2011; Matzler et al.,
2008).
Neben diesem Hauptforschungsstrang zur transformationalen Führung existieren
einzelne Studien, die die Wirkung weiterer Führungsstile auf das innovationsbezogene
Verhalten von Mitarbeitern sowie die Innovativität der Gesamtorganisation beleuchten. So
unterschied z. B. Bossink (2007) auf der Grundlage von Nadler und Tushman (1990) zwischen
charismatischem, instrumentellem, strategischem und interaktivem Führungsstil. Unter
charismatischem Verhalten fasste Bossink (2007, S. 139) das Formulieren einer Vision, die
Motivierung von Mitarbeitern zu innovativen Handlungen sowie die Erhöhung der
Innovationsgeschwindigkeit. Eine instrumentelle Führung schafft dagegen Strukturen,
kontrolliert und belohnt Mitarbeiter. Strategische Führung erfolgt als Nutzung der
Positionsmacht und interaktive Führung wird in Form einer Kooperation mit den Geführten
sowie deren Weiterbildung durch den Führenden umgesetzt. Somech (2006) verglich die
Wirkung des partizipativen mit dem direktiven Führungsstil, wobei er unter partizipativ die
Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen durch den Führenden verstand und direktiv als
Vorgabe eines Entscheidungs- und Handlungsrahmens für die Mitarbeiter basierend auf der
Vision des Führenden operationalisierte (S. 135). Krause, Gebert & Kearney (2007)
untersuchten Konsequenzen eines delegativ-partizipativen sowie eines konsultativ-beratenden
Führungsstils bei der Implementierung von Prozessinnovationen, d.h. bei Neuerungen in der
unternehmensinternen Leistungserstellung. Die Bezeichnung delegativ-partizipativ bezogen sie
darauf, inwieweit den Mitarbeitern die Verantwortung für eine Prozessinnovation übertragen
wurde (delegativ) und inwieweit Mitarbeiter Mitspracherecht und Einflussmöglichkeiten bei
der Innovationsimplementierung eingeräumt bekamen (partizipativ). Unter einem konsultativberatenden Stil fassten Krause et al. (2007, S. 17) die Einflussnahme des Führenden auf die
Geführten durch das Anbieten von
Ratschlägen,
professioneller Anleitung sowie
Hintergrundinformationen zur Prozessinnovation.
Wie die zuletzt genannte Studie weiterhin zeigte, kommt Führungskräften
insbesondere
bei
Prozessinnovationen
in
Unternehmen
eine
tragende
Rolle
zu.
Prozessinnovationen sind Neuerungen der Leistungserstellungsprozesse innerhalb eines
Unternehmens (Thom, 2001, S. 55), indem neue Elemente in die Produktions- oder
Dienstleistungsprozesse
des
Unternehmens,
in
Entscheidungsprozesse
oder
Informationssysteme eingeführt und damit eine bedeutsame technologische und/oder
1 Einleitung
7
administrative Verbesserung erreicht werden (Damanpour, 1991, S. 561; Knight, 1967, S. 482;
OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 49). Mit diesen Maßnahmen
sollen u.a. die Produktivität gesteigert, Gewinnmöglichkeiten verbessert, Rohstoff und Energie
eingespart, die Sicherheit erhöht oder Umweltschäden vermieden werden (Reichstein & Salter,
2006, S. 674; Thom, 2001, S. 55). Trotz dieser wirtschaftlichen Bedeutung für Unternehmen
sind sie seltener Gegenstand der empirischen Forschung (Reichstein & Salter, 2006, S. 653). Im
Unterschied zu Produktinnovationen, d.h. neuartigen Produkten oder Dienstleistungen eines
Unternehmens (Thom, 2001, S. 55; OECD/Statistical Office of the European Communities,
2005, S. 47), müssen Prozessinnovationen nicht am Markt sondern innerhalb des
Unternehmens durchgesetzt werden, wofür die Unterstützung der Organisationsmitglieder im
besondere Maße notwendig ist (Hauschildt & Salomon, 2007). Zudem resultieren
Prozessinnovationen
zu
großen
Teilen
aus
praktischen
Erfahrungen
in
der
unternehmensinternen Leistungserstellung und setzen eine hohe Vertrautheit mit den
dazugehörigen Abläufen, Methoden und Werkzeugen voraus (Gopalakrishnan, Bierly &
Kessler, 1999). Daher kommt den Führungskräften auch die Aufgabe zu, solche Mitarbeiter von
der Neuerung zu überzeugen und in deren Umsetzung einzubinden, die originär nicht mit der
Generierung und Implementierung von Innovationen betraut sind, aber über notwendiges
Wissen und Erfahrungen bezüglich der zu erneuernden Geschäftsprozesse verfügen.
Zusammengefasst
sind
Prozessinnovationen
damit
„gesamtunternehmerische,
organisationsweite Such-, Lern- und Problemlösungsprozesse […] die von allen Mitarbeitern
mitzutragen sind“ (Blessin, 2001, S. 14), wobei die Führungskräfte die zentralen Schnittstellen
in diesen Prozessen sind, weil sie aufgrund ihrer Position im Unternehmen „die Individuen
[sind], die das Recht und die Macht haben, Innovationsprozesse in Gang zu setzen und
Ressourcen freizugeben, um Innovationen zu bewältigen“ (Hauschildt & Salomo, 2007, S. 24;
vgl. dazu auch Jansen et al., 2009, S. 6 f.). Ebenso können sie durch ihr Verhalten Innovationen
verzögern oder blockieren und damit als Barrieren für Neuerungen wirken (Mirow, Hölzle &
Gemünden, 2007, S. 110). Vor diesem Hintergrund richtet diese Arbeit ihren Fokus auf
Führungskräfte im Kontext von Prozessinnovationen.
Dabei stellt sich die Frage, was dazu beiträgt, dass Führungskräfte Innovationen
anstoßen und wie oben skizziert das Verhalten ihrer Mitarbeiter erfolgreich auf die Entstehung
und Durchsetzung von Innovationen im Unternehmen auszurichten. Ein zentraler Aspekt
solcher innovationsförderlichen Führung wird darin gesehen, dass die Führungskraft selbst
eine positive Einstellung gegenüber Wandel und Veränderungen hat (Damanpour, 1991;
Damanpour & Schneider, 2006; Garau Vadell & Orla-Sintes, 2008; Musteen, Barker III &
Baeten, 2010). So zeigte die Metaanalyse von Damanpour (1991, S. 567 ff.), dass die positive
Einstellung von Führungskräften gegenüber Veränderungen zu einer signifikanten Steigerung
der organisationalen Innovativität führte, wobei sich insbesondere die Anzahl der radikalen
Innovationen in einem definierten Zeitraum deutlich erhöhte (ebd., S. 561 f.). Mit einer
8
1 Einleitung
weiteren Studie wiesen Damanpour und Schneider (2006) nach, dass die Einstellung des
oberen Managements sowie die Unternehmensgröße einen stärkeren Einfluss auf die
Übernahme von Innovationen hatten, als externe Umfeldfaktoren (wie Dynamik oder
gesellschaftlicher Wohlstand) sowie demographische Merkmale der Führungskräfte (wie
Ausbildung, Berufserfahrung, Alter). Bezogen auf den Dienstleistungssektor fanden Garau
Vadell und Orla-Sintes (2008) dass die positive Einstellung von Führungskräften gegenüber
technologischen Neuerungen neben dem Faktor Unternehmensgröße eine schnellere
Einführung von Internetplattformen für den Kontakt mit Kunden und die Auftragsabwicklung
im Tourismusgewerbe begünstigte. Musteen et al. (2010) belegten schließlich, dass sich eine
„liberale Einstellung gegenüber Wandel“, definiert als Offenheit für Wandel und Risiko, in der
strategischen Suche nach und Entwicklung von Innovationen niederschlug. Demgegenüber
resultierte
aus einer „konservativen Einstellung“
des oberen Managements eine
Verteidigungsstrategie, die sich in der kontinuierlichen Verbesserung von Bestehendem und
der Vermeidung von Innovationen zeigte. Die Autoren interpretierten ihre Befunde darüber
hinaus als Beleg dafür, dass die Einstellungen von Führungskräften gegenüber Veränderung
deren Verhalten determiniert, welches u. a. in den entsprechenden Unternehmensstrategien
sichtbar wurde (Musteen et al., 2010, S. 374).
Diese Verbindung von Verhalten und Einstellung wird seit der klassischen Feldstudie
von LaPiere (1934) immer wieder diskutiert und ist Gegenstand zahlreicher empirischer
Studien (Überblick siehe z. B. bei Armitage & Conner, 2001; Eckes & Six, 1994; Glasman &
Albarracín, 2006; Kim & Hunter, 1993; Kraus, 1995). Eckes und Six (1994 S. 253) sahen als
Ergebnis
ihrer
501
Studien
beinhaltenden
Metaanalyse,
die
eine
geschätzte
Populationskorrelation von r=.39 ergab, die Behauptung widerlegt, dass zwischen Einstellung
und Verhalten nur ein loser Zusammenhang bestünde. Mit einem signifikanten Koeffizienten
von r=.38 bestätigte auch die 88 Studien umfassende Metaanalyse von Kraus (1995) den
positiven Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten. Verstärkt wurde dieser
Zusammenhang insbesondere durch die Stabilität der Einstellung, ihrer schnellen
Verfügbarkeit, der hohen Konsistenz zwischen affektiver und kognitiver Komponente sowie
den unmittelbaren, persönlichen Erfahrungen der Befragten. Höhere Korrelationen fanden sich
auch, wenn die Einstellungs- und Verhaltensmessung übereinstimmten, die Daten nur aus
Selbstauskünften und nicht von Studierenden generiert wurden. Analog dazu zeigte die
Metaanalyse von Kim und Hunter (1993) basierend auf 138 Einzelkorrelationen, dass die
Bereinigung um methodische Artefakte (z. B. Stichprobenfehler, Skalenniveau der Daten,
Reliabilität der Messung) sowie die Übereinstimmung in der Messung von Einstellung und
Verhalten zu einem Anstieg des Zusammenhanges auf r=.79 führten. Glasman und Albarracín
(2006) fanden in ihrer Metaanalyse mit 128 Studien ebenfalls einen signifikanten
Zusammenhang von r=.52 und bestätigten die moderierende Wirkung der schnellen
Abrufbarkeit sowie der zeitlichen Stabilität einer Einstellung. Ausschlaggebend waren darüber
1 Einleitung
9
hinaus die persönliche Erfahrung mit dem Einstellungsobjekt und dass die Befragten ihren
Einstellungen u. a. aufgrund tiefgründiger Informationsverarbeitung mehr vertrauten.
Aufgrund
der
empirischen
Datenlage
kann
zusammengefasst
von
einem
signifikanten, hohen Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten ausgegangen
werden, der durch weitere Faktoren moderiert wird. Zentral hierbei sind zunächst die Stabilität
und Verfügbarkeit der betrachteten Einstellungen sowie die persönlichen Erfahrungen mit
dem Einstellungsobjekt. Diese Befunde sprechen für eine enge Verbindung zwischen der
positiven Einstellung gegenüber Veränderung und dem innovationsförderlichen Verhalten von
Führungskräften. Noch enger wird diese Verbindung, wenn eine hohe Übereinstimmung
zwischen der betrachteten Einstellung und dem entsprechenden Verhalten besteht. Diese
Forderung nach einer Korrespondenz geht auf die Arbeit von Ajzen und Fishbein (1977) zurück,
wonach Einstellungen und Verhalten hinsichtlich der vier Aspekte Handlung, Gegenstand der
Handlung, Kontext der Handlungsausführung und Zeitkomponente spezifiziert werden können.
Wenn beide Maße im Grad ihrer Spezifik übereinstimmen, lassen sich belastbare Aussagen
über den Zusammenhang von Einstellungen und Verhalten treffen. Zahlreiche empirische
Studien bestätigten in der Zwischenzeit diese sogenannte Korrespondenzhypothese (vgl.
Glasman & Albarracín, 2006; Kim & Hunter, 1993; Kraus, 1995).
Überträgt man deren Befunde nun auf den Kontext von Prozessinnovationen, so
muss die betrachtete Einstellung, welche als Grundlage eines innovationsförderlichen
Verhaltens gelten soll, inhaltlich eine große Übereinstimmung mit dem betreffenden Verhalten
aufweisen. Diese inhaltliche Übereinstimmung findet sich im Konstrukt der individuellen
Innovationsbereitschaft, die eine Form der positiven Einstellung gegenüber Veränderungen
darstellt (vgl. Bouckenooghe, 2010, S. 501). So konnte Krause (2004) in ihrer empirischen
Untersuchung von Verantwortlichen für Prozessinnovationen nachweisen, dass deren
Innovationsbereitschaft einen beträchtlichen Anteil der Varianz in ihrem Verhalten zur
Ideengenerierung/-prüfung
sowie
der
Ideenimplementierung
erklärte.
Cunningham,
Woodward, Shannon, MacIntosh, Lendrum, Rosenbloom et al. (2002) bestätigten mit einer
Längsschnittstudie ebenso, dass Mitarbeiter und Führungskräfte häufiger und aktiver an
organisationalen Veränderungsmaßnahmen des Unternehmens teilnahmen, wenn ihre
Bereitschaft für diese Veränderung im Vorfeld bereits hohe Ausprägungen hatte.
Fasst man die bisher zitierten Studien zusammen, kommt der Bereitschaft von
Führungskräften für (Prozess-) Innovationen eine zentrale Stellung im Verständnis der
innovationsförderlichen Führung zu, da sie sowohl in Zusammenhang mit dem
innovationsbezogenen Verhalten der Führungskraft als auch mit der letztendlichen
Innovativität des Unternehmens im positiven Zusammenhang steht (vgl. Abbildung 1-1).
10
1 Einleitung
Einstellung der Führungskraft
Organisationale Innovativität
Innovationsbereitschaft
Häufigkeit von
Prozessinnovationen und deren
Anteil am Unternehmenserfolg
Verhalten der Führungskraft
Innovationsförderliches
Verhalten
Abbildung 1-1. Vereinfachte Darstellung der bisherigen empirischen Befunde zur
innovationsförderlichen Führung
Ausgehend
von
dieser
Schlüsselposition
der
Innovationsbereitschaft
von
Führungskräften für die Generierung und Implementierung von Prozessinnovationen in
Unternehmen lauten die zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit:
1) Wie entsteht die Bereitschaft für Prozessinnovationen bei Führungskräften?
2) Wodurch kann diese Innovationsbereitschaft gefördert werden?
Bisherige Untersuchungen zur individuellen Innovations- oder Veränderungsbereitschaft
konzentrierten sich vor allem auf Mitarbeiter in Unternehmen und lassen sich nur begrenzt auf
die Spezifik der Führungskräfte übertragen. So fanden bspw. Bouckenooghe (2008) und Holt,
Armenakis, Feild und Harris (2007) eine bereitschaftsförderliche Wirkung der Partizipation, d.h.
der Teilhabe an Entscheidungen sowie der Implementierung der organisationalen
Veränderung. Diese Bedingungen sind bei Führungskräften jedoch in der Regel gegeben (vgl.
z.B. Hauschildt & Salomo, 2007, S. 24; Jansen et al., 2009, S. 6 f.), womit andere Faktoren für
die Innovationsbereitschaft dieser Personengruppe bedeutsam werden. Daher konzentriert
sich die vorliegende Arbeit auf Befunde zur Einstellungsänderung durch persuasive
Kommunikation (vgl. Aronson, Wilson & Akert, 2010, S. 237 ff.) sowie zur Wirkung
mikropolitischer Einflussstrategien in Unternehmen (vgl. Neuberger, 2006) und greift daraus
die Bedeutung von Wissen und Informationen für die Förderung der Innovationsbereitschaft
heraus. Damit wird gleichzeitig eine Verbindung zu den generellen Erfolgsfaktoren von
Prozessinnovationen geschaffen.
Wie in mehreren Studien gezeigt wurde, ist der Umgang mit Wissen in Unternehmen
ein Kernaspekt des erfolgreichen Management von Innovationsprozessen (vgl. z. B. Adams et
al., 2006; Amara, Landry, Becheikh & Ouimet, 2008; Blume & Gerstlberger, 2007; Calantone et
al., 2002; Damanpour, 1991; Garcia-Morales, Ruiz-Moreno & Llorens-Montes, 2007; Reichstein
1 Einleitung
11
& Salter, 2006). Dabei kommt insbesondere der Verknüpfung von bestehendem,
unternehmensinternen mit neuem und unternehmensexternem Wissen eine Schlüsselrolle zu
(Adams et al., 2006, S. 29). Diese Verbindung wird unter dem Begriff absorptive capacity
diskutiert, worunter die Fähigkeit von Organisationen, Gruppen und Individuen verstanden
wird, relevantes unternehmensexternes Wissen zu erkennen, in die eigene Organisation
aufzunehmen und letztendlich in wertschaffende Produkte oder Dienstleistungen umzusetzen
(Cohen & Levinthal, 1990; Dyer & Singh, 1998; Lane, Koka & Pathak, 2006; Zahra & George,
2002). Diese organisationale Absorptionsfähigkeit beschreibt damit sowohl Prozesse der
Aufnahme und Nutzung unternehmensexternen Wissens als auch Verarbeitungsprozesse
innerhalb des Unternehmens. Aufgrund dieser umfassenden Sichtweise sowie ihrer Relevanz
für Innovationsprozesse wird die Absorptionsfähigkeit herangezogen, um die Förderung der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch die Auseinandersetzung mit neuem
Wissen zu analysieren. Dafür soll die Verbindung von Absorptionsfähigkeit und
Innovationsbereitschaft sowohl theoretisch abgeleitet als auch empirisch überprüft werden.
Diese Verknüpfung von organisationaler Absorptionsfähigkeit mit individueller Innovationsbereitschaft ist in dieser Art bislang nicht erfolgt und verspricht neue Erkenntnisse, wie die
Bereitschaft für organisationale Veränderungen speziell bei Führungskräften gezielt beeinflusst
werden kann.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht folglich darin, die Wirkung der
Absorptionsfähigkeit im Unternehmen auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften im
Kontext von Prozessinnovationen zu spezifizieren und diese Wirkung empirisch zu testen. Auf
diese Weise wird das Verständnis der innovationsförderlichen Führung differenziert, indem
durch die betrachteten Konzepte auch eine Verbindung zwischen organisationaler Ebene, der
Gruppenebene und dem Individuum geschaffen wird. Damit will die Arbeit einen Beitrag zur
Innovationsforschung leisten, indem die Grundlagen des innovationsbezogenen Verhaltens
von Führungskräften in Unternehmen genauer bestimmt werden.
1.2.
Aufbau der Arbeit
Nachdem die Problemstellung der vorliegenden Dissertation dargestellt und die
Zielsetzung formuliert wurden, soll nun der Gang der Untersuchung und damit der Aufbau der
Arbeit kurz erläutert werden (vgl. auch Abbildung 1-2).
Zunächst werden im Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen der Fragestellung
erarbeitet. Dazu werden als erstes Prozessinnovation sowie das innovationsbezogene
Führungsverhalten in diesem Kontext näher erläutert. Im Anschluss daran wird ein Modell der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften als Grundlage einer innovationsförderlichen
Führung vorgestellt. Dieses Modell sieht Innovationsbereitschaft vordergründig als einen
kognitiven Informationsverarbeitungsprozess, in Folge dessen positive wie negative Emotionen
12
1 Einleitung
sowie innovationsförderliche oder -hemmende Handlungen resultieren. Aufbauend auf diesem
Modell werden die Möglichkeiten zur Beeinflussung der Bereitschaft aufgezeigt und der Fokus
auf die Auseinandersetzung mit neuem Wissen und Informationen gelegt. Um die Wirkung
dieser Auseinandersetzung zur spezifizieren, wird das Konzept der Absorptionsfähigkeit
herangezogen. Diese Fähigkeit von Organisationen, Gruppen und Individuen beschreibt, wie
unternehmensexternes Wissen, das für das eigene Unternehmen bedeutsam ist, identifiziert,
in das Unternehmen aufgenommen und nutzbringend umgesetzt werden kann.
Im Kapitel 3 wird dann die Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften im Detail analysiert und ein Modell sowie die
entsprechende Hypothesen für dessen empirische Überprüfung abgeleitet.
Für diese Überprüfung des Modells wurde ein quantitativer Zugang in Form einer
Befragung von Geschäftsführern in kleinen und mittleren Unternehmen gewählt.
Entsprechend werden im Kapitel 4 zunächst die Stichprobe, der konzipierte Fragebogen sowie
die Durchführung der Befragung vorgestellt. Nach der Itemanalyse und Skalenbildung erfolgen
die statistischen Tests zur Überprüfung der Hypothesen. Die Ergebnisse dieser Tests werden
anschließend interpretiert und vor dem Hintergrund andere Befunde diskutiert.
Als
Resümee
der
Arbeit
werden
im
Kapitel
5
die
Haupterkenntnisse
zusammengefasst und Implikationen für die Führungs- und Innovationsforschung sowie die
Unternehmenspraxis abgeleitet. Mit einem Gesamtfazit und Ausblick schließt die Arbeit.
1 Einleitung
13
1 Einleitung
Problemstellung und Zielsetzung
Gang der Untersuchung
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
2.1 Prozessinnovationen als Kontext der Fragestellung
2.2 Führungskräfte als Verantwortungsträger für Prozessinnovationen
2.3 Innovationsbereitschaft als Teil der innovationsförderlichen Führung
2.4 Absorptionsfähigkeit als Determinante der Innovationsbereitschaft
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Empirisch überprüfbares Modell
zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft
4 Empirische Überprüfung
Operationalisierung der Konstrukte, Skalenbildung, statistischer Test der
Hypothesen, Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
5 Resümee
Zusammenfassung und Ausblick
Implikationen für Forschungstheorie, -methodik und Unternehmenspraxis
Abbildung 1-2. Grobaufbau der vorliegenden Arbeit
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
2
15
Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
In diesem Kapitel werden im Unterkapitel 2.1 zunächst der Begriff Prozessinnovation
definiert
und
die
Besonderheiten
dieser
Innovationsart
im
Unterschied
zu
Produktinnovationen vorgestellt. Im Unterkapitel 2.2 werden der Stand der Forschung zum
innovationsförderlichen Führungsverhalten aufgearbeitet und als eine wesentliche Grundlage
dafür im Unterkapitel 2.3 die Innovationsbereitschaft als positive Einstellung gegenüber
organisationalen Neuerungen vorgestellt. Im Unterkapitel 2.4 werden Möglichkeiten zur
Beeinflussung
der
Innovationsbereitschaft
aufgezeigt
und
dazu
das
Konzept
der
Absorptionsfähigkeit eingeführt. Zusammengefasst stellt das Kapitel 2 die theoretische Basis
für das Wirkungsmodell zur Förderung der Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch
die organisationale Absorptionsfähigkeit dar, welches in Kapitel 3 in eine empirisch
überprüfbare Form gebracht wird.
2.1.
Kennzeichen von Prozessinnovationen
Ziel dieser Arbeit ist es, die Entstehung und Förderung der Innovationsbereitschaft
von Führungskräften im Rahmen von Prozessinnovationen zu analysieren. Dazu werden
nachfolgend der Begriff Prozessinnovation geklärt und die spezifischen Merkmale derselben
herausgearbeitet.
2.1.1.
Begriffsbestimmung
Innovationen lassen sich allgemein definieren als „qualitativ neuartige Produkte oder
Verfahren, die sich gegenüber einem Vergleichszustand ‚merklich‘ […] unterscheiden."
(Hauschildt & Salomo, 2007, S. 7). Diese Definition fasst verschiedene Ansätze zusammen, die
übereinstimmend die Neuartigkeit als ein wesentliches Kennzeichen von Innovationen
herausstellen. Basierend auf dem wirtschaftswissenschaftlichen Theorem der Zweck-MittelBeziehung handelt es sich nach Hauschildt und Salomo (2007, S. 7) dabei um eine neuartige
Zweck-Mittel-Kombination. Entweder ergeben sich aus der Nachfrage neue Zwecke oder eine
Technologie bietet neue Mittel zur Erfüllung von bisherigen Zwecken oder beide Aspekte
werden verändert. Entscheidend ist, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten
Form verknüpft werden. Das Phänomen der Neuartigkeit ist ebenso das Kernelement der
OECD-Definition im Oslo Manual (2005), welches als standardisiertes Werkzeug zur Erhebung
und Interpretation von Innovationsdaten in Europa die internationale Vergleichbarkeit
gewährleisten soll. Innovation bedeutet hiernach "[…] the implementation of a new or
significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method, or a
16
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
new organisational method in business practices, workplace organisation or external
relations." (OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 46). Abstufungen in
der Neuartigkeit werden als Innovationsgrad bezeichnet. Auf einer dichotomen Skala verortet,
wird häufig von radikalen versus inkrementellen Innovationen gesprochen. Als radikale
Innovation wird dabei die Entdeckung von etwas vollständig Neuem bezeichnet, inkrementell
sind dagegen deutliche Verbesserungen von Existierendem (z. B. Oke et al., 2009, S. 64). Im
englischen Sprachraum werden dafür auch die Bezeichnungen „explorative innovation“ und
„exploitative innovation“ verwendet (z. B. Jansen et al., 2009, S. 7). Die Entdeckung neuer
Möglichkeiten kann etwa mit der Entwicklung eines neuen Produktes gleichgesetzt werden,
die Nutzung von Bekanntem dagegen mit der Differenzierung bestehender Produkte
(Hauschildt & Salomo, 2007, S. 17). Erstere zielt dabei auf die Gewinnung neuer Kunden und
Märkte ab, letztere auf bereits vorhandene Kunden, wobei radikale Innovationen seltener sind
als inkrementelle (Jansen et al., 2009, S. 13). Bezogen auf Unternehmensprozesse entscheidet
die Neuartigkeit der Ergebnisse auch darüber, ob es sich um einen Innovation oder den ihr
übergeordneten organisationalen Wandel4 handelt (Knight, 1967, S. 479).
Der zweite wesentliche Aspekt, um den Begriff Innovation zu bestimmen, ist die
Verwertbarkeit der Neuerung (Adams, Bessant & Phelps, 2006, S. 22). “Innovation is often
viewed as a good thing because the new idea must be useful-profitable, constructive, or solve
a problem. New ideas that are not perceived as useful are not normally called innovations;
they are usually called mistakes.” (Van de Ven, 1986, S. 592). Allerdings kann diese
Kategorisierung erst im Nachhinein erfolgen: “objectively […] the usefulness of an idea can
only be determined after the innovation process is completed and implemented” (Van de Ven,
1986, S. 592). Diese nachträgliche Zuschreibung, gleichzeitig das dritte Element einer
4
Nach Van de Ven und Poole (1995, S. 533 f.) lassen sich in Abhängigkeit vom zugrundeliegenden
„Motor der Veränderung“ (S. 525) die vier Formen des organisationalen Wandels „life cycle, teleological,
dialectical and evolutionary change“ unterscheiden. Stufenmodelle der Innovation, die von einer
immanenten, universellen Phasenabfolge ausgehen, zählen z. B. zur Perspektive des Lebenszyklus‘ (Van
de Ven & Poole, 1995, S. 513). Wird die Organisation absichtsvoll und in Ausrichtung auf ein formuliertes
Ziel hin verändert, können Innovationen dem geplanten und gesteuerten Veränderungen zugeordnet
werden („teleological“, z. B. Phillips, Noke, Bessant & Lamming, 2006). Maute und Locander (1994)
sahen Innovationen als soziopolitischen Prozess, indem gegensätzliche Positionen um die Vormacht
kämpfen und sich im dialektischen Konflikt eine kreative Synthese ergibt. Birkinshaw, Hamel und Mol
(2008) wählten dagegen als Zugang zu Managementinnovationen den evolutionären Wandel als
kontinuierlichen Zyklus von Variation und Selektion. Nach Van de Ven und Poole (1995, S. 532 f.)
erklären die vier Formen des Wandels jeweils einen bestimmten Aspekt des Veränderungsgeschehens,
womit die damit verbundenen Forschungsperspektiven gleichberechtigt nebeneinander stehen. In der
vorliegenden Arbeit werden die fokussierten Prozessinnovationen zum geplanten Wandel gezählt, da
das Agieren der Führungskräfte und Mitarbeiter unter dem Aspekt der Förderung gezielter
Veränderungen in den Leistungserstellungsprozessen betrachtet wird und damit die gesteuerte
Optimierung von organisationalen Mustern wie Strategien, Strukturen oder Kulturen im Zentrum steht
(Inversini, 2005, S. 10).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
17
Arbeitsdefinition, wird von den Involvierten vorgenommen. Dabei handelt es sich bei
Produktinnovationen z. B. um Kunden; bei Prozessinnovationen sind insbesondere die
beteiligten Organisationsmitglieder die relevante Bewertungsgruppe. Diese muss Neuartigkeit
und Verwertbarkeit als Merkmale der veränderten Situation wahrnehmen, auch wenn
Außenstehende das anders beurteilen (Van de Ven, 1986, S. 591 f.). So kann die Einführung
einer Technologie in einem Unternehmen als Innovation gesehen werden, während sie in
anderen Unternehmen bereits genutzt und als Imitation bezeichnet wird. Das Oslo-Manual der
OECD (2005, S. 46) formuliert entsprechend als Minimalanforderung an eine Innovation “the
product, process, marketing method or organisational method must be new (or significantly
improved) to the firm”. Die kleinste Referenzgröße ist damit das Unternehmen selbst, bevor
ein Bezug zur Branche oder der globalen Wirtschaft vorgenommen wird. Wenn eine
Organisation für sich erstmalig eine Neuerung entwickelt oder anwendet, liegt eine Innovation
vor.
Wie in der OECD-Definition bereits angeklungen ist, lassen sich Innovationen
entsprechend ihres Inhaltes klassifizieren. Im Blickpunkt der vorliegenden Arbeit stehen
Prozessinnovationen als Neuerungen im Leistungserstellungsprozess einer Organisation. Diese
werden von Produktinnovationen als Erneuerungen in den absatzmarktfähigen Leistungen,
also den Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens, abgegrenzt5 (Thom, 2001,
S. 55; OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 47). Während neue
Produkte und Dienstleistungen am Markt etabliert werden, müssen sich Änderungen im
Leistungserstellungsprozess innerbetrieblich durchsetzen (Hauschildt & Salomon, 2007, S. 9).
Diese Änderungen werden häufig auch als Einführung neuer Elemente in Produktions- oder
Dienstleistungsprozessen bezeichnet (z. B. Reichstein & Salter, 2006, S. 653). Knight (1967), ein
wichtiger Begründer der Innovationsprozessforschung, definierte Prozessinnovationen als “the
5
Weitere Innovationsarten sind z. B. Sozialinnovationen als Veränderungen im Humanbereich des
Unternehmens (z. B. Knight, 1967, S. 482; Thom, 2001, S. 55), Managementinnovationen als
Neuerungen der Managementpraxis, -prozessen, -strukturen oder -techniken (z. B. Birkinshaw et al.,
2008, S. 825; Santos-Rodrigues, Dorrego & Jardon, 2010; Walker, Damanpour & Devece, 2011)
Organisationsinnovationen als die Einführung neuer Arbeitsformen und -methoden (z. B.
OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 51), Marketinginnovationen als deutliche
Veränderung z. B. in der Preisgestaltung oder im Produktdesign (z. B. Carol Yeh-Yun Lin & Mavis Yi-Ching
Chen, 2007; OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 49, Wang & Ahmed, 2004,
S. 307), Dienstleistungsinnovationen, nicht nur als Pendant zu Produktinnovationen sondern als
neuartige Vertriebswege oder Verkaufsbeziehungen (z. B. Gremyr, Löfberg & Witell, 2010, S. 163). Wie
diese kurzen Erläuterungen zeigen, ist hier eine scharfe Abgrenzung zu Prozess- bzw. auch
Produktinnovationen oftmals nicht möglich. Da sich diese beiden Begriffe am umfassendsten etabliert
haben und sich zudem der Großteil der Forschung zu Erfolgsfaktoren von Innovationen auf Prozess- und
Produktinnovationen bezieht (vgl. z. B. Damanpour, 1991; Gärtner, 2007; Hauschildt & Salomo, 2007;
Wolfe, 1994), wird für die vorliegende Arbeit nur die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten
vorgenommen.
18
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
introduction of new elements in the organization's task, decision, and information system or
its physical production or service operations, the advances in the technology or the company”
(Knight, 1967, S. 482). Als Referenzgröße für die Neuartigkeit gilt auch hier das jeweilige
Unternehmen. Prozessinnovationen sind aus dieser betrieblichen Sicht „Verfahren, die
innerhalb einer Unternehmung erstmalig eingeführt werden“ (Hauschildt & Salomo, 2007,
S. 26). Die neuartigen Verfahrensweisen zielen darauf ab, die Produktivität zu steigern,
Gewinnmöglichkeiten zu verbessern, Rohstoff und Energie einzusparen, die Sicherheit zu
erhöhen oder Umweltschäden zu vermeiden (Thom, 2001, S. 55; Reichstein & Salter, 2006,
S. 653).
Dabei können die Neuerungen sowohl technologische Aspekte betreffen wie
bedeutsame
Veränderungen
im
Maschinenpark
oder
der
genutzten
Software
(OECD/Statistical Office of the European Communities, 2005, S. 49) als auch auf administrative
Aspekte abzielen wie etwa Verwaltungsabläufe oder die Organisationsstruktur (Damanpour,
1991, S. 560). Reichstein und Salter (2006, S. 677) zeigten, dass Prozessinnovationen
mehrheitlich beide Aspekte beinhalten und Manager diese entsprechend schwer voneinander
trennen können. Dass technologische und administrative Neuerungen eher gleichzeitig
auftreten, belegten Damanpour und Gopalakrishnan (2001) mit einer quantitativen Studie zur
Umsetzung von Prozess- und Produktinnovationen im Banksektor. Diese Ergebnisse
entsprechen damit auch den Erkenntnissen von Van de Ven (1986, S. 592) zum Management
von Innovationen, der wiederum auf frühere Befunde zurückgriff, die eine enge Verknüpfung
von technologischen und administrativen Innovationen bestätigten. Für die vorliegende Arbeit
spielt die Differenzierung von technologisch versus administrativ eine untergeordnete Rolle,
weshalb sie in eine Arbeitsdefinition nicht aufgenommen wird. Als Zusammenfassung der
bisherigen
Ausführungen
wird
dieser
Arbeit
folgende
Arbeitsdefinition
Prozessinnovationen zugrunde gelegt:
Prozessinnovationen sind Neuerungen im Leistungserstellungsprozess eines
Unternehmens, die innerbetrieblich umgesetzt werden. Die Neuerungen
werden im betreffenden Unternehmen entweder erstmalig selbst entwickelt
oder erstmalig angewendet. Durch die Veränderungen muss für das
Unternehmen ein Nutzen wie z. B. höhere Qualität oder geringere Kosten
generiert werden. Prozessinnovationen entstehen aus einer Abfolge von
Aktivitäten. Am Ende dieses Prozesses wird die Neuerung von den beteiligten
bzw. davon betroffenen Personen als Innovation etikettiert. Als
Vergleichsmaßstab für die Neuartigkeit dient dabei das eigene
Unternehmen. Synonym zum Begriff Prozessinnovation wird die Bezeichnung
Verfahrensinnovation verwendet.
von
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
2.1.2.
19
Besonderheiten von Prozessinnovationen
Nach der Begriffsklärung von Innovationen im Allgemeinen und Prozessinnovationen
im Besonderen, sollen nun Merkmale dieser speziellen Innovationsart diskutiert werden. Dazu
werden zunächst das Verhältnis und mögliche Verbindungslinien zwischen Produkt- und
Prozessinnovationen beleuchtet, um dann auf die Spezifik von Verfahrensneuerungen näher
einzugehen.
Das Auftreten von Prozessinnovationen steht im engen Zusammenhang mit
Produktinnovationen, was bspw. die Studien von Elenkov und Manev (2005) oder von Akgün et
al. (2009) mit einer hochsignifikanten Korrelation von r=.69 bzw. r=.52 zwischen dem
Vorhandensein von Produkt- und Prozessinnovationen in Unternehmen zeigten. Bereits
Utterback und Abernathy (1975) arbeiteten diesen Zusammenhang am Beispiel des
Produktlebenszyklus heraus. Sie gingen davon aus, dass in der ersten Phase des
Produktlebenszyklus vorrangig radikale Neuerungen am Produkt vorgenommen werden,
dagegen dann in der zweiten Phase radikale Veränderungen im Leistungserstellungsprozess
anstehen, um im zunehmenden Preiskampf die eigenen Kosten zu senken. In der dritten Phase
werden keine umfassenden Neuerungen vorgenommen, sondern Produkte und Prozesse auf
inkrementelle Weise weiterentwickelt.
Ergebnisse aus späteren Studien differenzierten diese Befunde. So fanden
Damanpour und Gopalakrishnan (2001), dass die Zahl der Produktinnovationen die Zahl der
Prozessinnovationen in jeder Phase erhöht. Außerdem zeigte sich, dass beide Innovationsarten
eher gleichzeitig denn zeitversetzt eingeführt werden. Damit wurde die Annahme, dass
Prozessinnovationen nachgelagert zu Produktinnovationen angestoßen werden, nicht
bestätigt. Zu den gleichen Ergebnissen kamen Santos-Rodrigues et al. (2010) in ihrer
Untersuchung von 68 Automobilzulieferern. Belegt ist weiterhin, dass die gleichzeitige
Innovierung von Produkten und Geschäftsprozessen die Unternehmensleistung positiv
beeinflusst, indem Produkte besser positioniert, schneller kommerzialisiert und der Markt eher
durchdrungen werden (Pisano & Wheelwright, 1995).
Trotz dieser Zusammenhänge werden Prozessinnovationen seltener eingeführt als
Produktinnovationen. Beispielsweise fanden Blume und Gerstlberger (2007, S. 231) in einer
repräsentativen Studie mit nordhessischen Unternehmen, dass 71% der Befragten in den
Jahren 2003 bis 2005 mindestens eine Produktinnovation realisiert hatten, aber nur 29% eine
Prozessinnovation. Nicht ganz so deutlich sind die Unterschiede im „Mannheimer
Innovationspanel“, der jährlichen Panelerhebung zum Innovationsverhalten deutscher
Unternehmen. Laut der aktuellen Ausgabe (Rammer, Aschhoff, Crass, Doherr, Köhler, Peters et
al., 2011) zählten im Jahr 2009 29% der Unternehmen der deutschen Wirtschaft zu den
Produktinnovatoren mit mindestens einer neuen Produkteinführung innerhalb der letzten drei
Jahre, 27% zu den Prozessinnovatoren und 14% aller Unternehmen führten sowohl Produkt-
20
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
als auch Prozessinnovationen ein (S. 3). Dabei unterschied sich der Anteil der reinen
Produktinnovationen mit 15% im geringen Maße vom Anteil der reinen Prozessinnovationen
mit 13%. Deutlicher ist dieser Unterschied jedoch in der forschungsintensiven Industrie
(Chemie- und Pharmaindustrie, Elektroindustrie; Maschinen- und Fahrzeugbau), wo 11% reine
Prozessinnovatoren einem Anteil von 31% reinen Produktinnovatoren gegenüberstanden
(ebd., S. 4).
Mögliche Gründe für einen tendenziell höheren Anteil reiner Produktinnovationen
sind, dass Prozesssinnovationen als weniger nutzbringend eingeschätzt werden, weil die
Kosten ihrer Implementierung höher erscheinen, ihre Ergebnisse weniger offensichtlich sind
und sich der geschaffene Wert schlechter abschöpfen lässt (Gopalakrishnan et al., 1999;
Damanpour & Gopalakrishnan, 2001). Zudem dauert die Umsetzung der innerbetrieblichen
Neuerungen länger und auch der Fortschritt im Verlauf ist schlechter erkennbar (Damanpour
& Gopalakrishnan, 2001; Hauschildt & Salomo, 2007, S. 9). Gopalakrishnan et al. (1999)
arbeiteten heraus, dass Prozessinnovationen stärker auf komplexem Wissen im Sinne einer
Differenziertheit des Ansatzes, der Originalität der Lösung und dem intellektuellem Anspruch
der Aufgabe basieren. Die Einbindung in mehrere Funktionsbereiche und Abläufe des
Unternehmens führt zur stärkeren Verknüpfung verschiedener Wissensbereiche. Aufgrund
kausaler Ambiguität (vgl. Barney, 1991) lässt sich dabei das Zusammenspiel einzelner
Aktivitäten schwer nachvollziehen, womit sich die Übertragung auf andere Unternehmen
erschwert. Prozessinnovationen sind eher organisationsspezifisch und weniger standardisiert
als Produktinnovationen (Damanpour & Gopalakrishnan, 2001) und bilden im Sinne des
resourced based view (Barney, 1991) Wettbewerbsvorteile für das innovierende Unternehmen.
Sie sind wertvoll, da sie die Effizienz der Leistungserstellung erhöhen, Kosten reduzieren und
sich letztendlich in der Unternehmensleistung niederschlagen (z. B. Akgün et al., 2009; AragónCorrea et al., 2007; Reichstein & Salter, 2006; Thom, 2001). Die spezifischen Ziele von
Prozessinnovationen lassen sich im konkreten Unternehmensfall nicht durch alternative
Maßnahmen erreichen, womit die Neuerungen in den Geschäftsprozessen nicht substituierbar
sind (z. B. Gopalakrishnan et al., 1999). Da diese Neuerungen sowohl in einem Unternehmen
als auch unternehmensübergreifend weniger häufig auftreten als bspw. Produktinnovationen
(z. B. Blume & Gerstlberger, 2007; Damanpour & Gopalakrishnan, 2001), können sie als selten
bezeichnet werden. Aufgrund ihrer organisationsspezifischen Entstehung und Ausgestaltung,
die aus den technischen, personellen und kulturellen Gegebenheiten des jeweiligen
Unternehmens entspringen, sind Prozessinnovationen schwer imitierbar (Gopalakrishnan et
al., 1999). Die Heterogenität von Prozessinnovationen belegten auch Reichstein und Salter
(2006, S. 665) indem sie zeigten, dass Verfahrensneuerungen aus dem Zusammenspiel von
veränderterer technologische Ausstattung, Umgestaltungen im Produktionsprozess sowie
neuen Managementpraktiken entstehen.
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
21
Das Feld der Prozessinnovationen ist dabei sehr weit. Nach Reichstein und Salter
(2006, S. 666) zählen dazu beispielsweise die Einführung neuer Maschinen und Technologien,
Änderungen im Produktionsablauf, Neuerungen der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Einführung neuer Managementpraktiken. Krause (2004, S. 235)
kategorisierte die von ihr betrachteten Verfahrensinnovationen nach deren Zielobjekt und
benannte sie entsprechend als produktions-, software- und netz-, marketing-, personal- und
controllingbezogene
Prozessinnovationen.
Diese
Innovationen
Funktionsbereiche eines Unternehmens betreffen, in denen
können
somit
alle
der Prozess der Leistungs-
erstellung neu gestaltet wird. Als Leistungserstellungsprozess wird die Transformation von
Einsatzgütern in Ausbringungsgüter bezeichnet, die der Verwirklichung von sachlichen,
formalen, sozialen und ökologischen Zielen des Unternehmens dient (Bea & Schnaitmann,
1995, S. 280). Die Umwandlung der Einsatzobjekte wie Material oder Informationen vollzieht
sich im dynamischen Zusammenwirken von Menschen, Betriebsmitteln und Arbeitsgegenstand
(REFA Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V., 1975). Geschäftsprozesse
können daher bezeichnet werden als “the complete, dynamical coordinated set of
collaborative and transactional activities that deliver value to customer” (Lewis, Young,
Mathiassen, Rai & Welke, 2007, S. 8). Sowohl dieses Bündel von Aktivitäten als auch dessen
Neugestaltung im Sinne von Prozessinnovationen werden von Menschen im Unternehmen
gesteuert. Sie sind es, die sowohl den Prozess der Leistungserstellung als auch den
Innovationsprozess planen, vollziehen und kontrollieren (Bea & Schnaitmann, 1995, S. 280).
Dabei kommt den Führungskräften eine besondere Verantwortung zu, da sie u. a.
auch solche Organisationsmitglieder von einer Prozessinnovation überzeugen, in deren
Umsetzung einbinden oder zur Generierung von neuen Lösungen motivieren müssen, die nicht
wie bspw. Mitarbeiter einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung vorrangig mit der
Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen betraut sind. Vor diesem Hintergrund wird im
nächsten Unterkapitel das innovationsförderliche Verhalten von Führungskräften als
Verantwortungsträgern des Innovationsprozess näher beschrieben, bevor auf ihre
Innovationsbereitschaft im Detail eingegangen wird.
2.2.
Führungskräfte als Verantwortungsträger für
Prozessinnovationen
Nachdem soeben das Verständnis von Prozessinnovationen, das dieser Arbeit
zugrundeliegt, dargestellt wurde, sollen in den nächsten Abschnitten aktuelle Befunde zum
innovationsförderlichen Verhalten von Führungskräften sowie deren positiver Einstellung
gegenüber organisationalen Veränderungen als Bestandteile einer innovationsförderlichen
Führung näher erläutert werden.
22
2.2.1.
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Innovationsförderliches Verhalten von Führungskräften
Von
besonderer
Relevanz
für
die
Durchführung
und
den
Erfolg
von
Prozessinnovationen ist zunächst die Funktion der Führungskräfte eines Unternehmens, weil
diese "Träger des Innovationsbewusstseins sind und Projekte als innovativ kennzeichnen oder
nicht" (Hauschildt & Salomo, 2007, S. 25). Innovationsbewusstsein bedeutet hier, die
Notwendigkeit und den Grad der Neuartigkeit einer organisationalen Veränderung zu
erkennen und das entsprechende Projekt durch die Einstufung „als 'innovativ' […] der
routinemäßigen Behandlung im 'normalen' Geschäftsgang“ zu entziehen (Hauschildt & Salomo,
2007,
S. 22
Hervorhebung
im
Original).
Das
wird
notwendig,
weil
sich
die
unternehmensalltäglichen Vorgehensweisen nicht ohne Weiteres für den Innovationsprozess
anwenden lassen. So können beispielsweise zur Bewertung kreativer Ansätze die
herkömmlichen Methoden des operativen Tagesgeschäfts nur schwer herangezogen werden
(Deschamps, 2003). Innovationsmanagement wird damit zu etwas substantiell anderem als das
Management von wiederholten Routineentscheidungen, innovative Probleme erfahren eine
andere
Aufmerksamkeit, Akzeptanz, Bearbeitungsform und wirtschaftliche Einschätzung
(Hauschildt & Salomo, 2007, S. 29).
Dank ihrer hierarchischen Position im Unternehmen sind Führungskräfte „die
Individuen, die das Recht und die Macht haben, Innovationsprozesse in Gang zu setzen und
Ressourcen freizugeben, um Innovationen zu bewältigen“ (Hauschildt & Salomo, 2007, S. 24;
vgl. dazu auch Jansen et al., 2009, S. 6 f.). Ebenso können sie durch ihr Verhalten Innovationen
verzögern oder blockieren und damit als Barrieren für Neuerungen wirken (Mirow et al., 2007,
S. 110). Speziell vor dem Hintergrund diskontinuierlicher Veränderungen in Technologien,
Märkten und Politik belegten Phillips, Noke, Bessant und Lamming (2006) die Relevanz der
Verantwortungsübernahme durch Führungskräfte für die Angemessenheit, die Stabilität und
letztlich den Erfolg von Innovationsprojekten. Als zentraler Erfolgsfaktor für die Generierung
und Implementierung von Produkt- sowie Prozessinnovationen gilt allgemein das Ausmaß der
Unterstützung solcher Initiativen durch Führungskräfte (z. B. Amabile et al., 2004; Elkins &
Keller, 2003; Hülsheger, Anderson & Salgado, 2009; Klein & Knight, 2005; Lloréns-Montes et
al., 2005; Manimala, Jose & Thomas, 2005; Pattikawa, Verwaal & Commandeur, 2006; Shalley
& Gilson, 2004). Die Übernahme von Verantwortung und die Unterstützung von
Innovationsinitiativen geschehen bspw. durch die Entscheidung über die Implementierung
neuer Ideen, das Setzen von Zielen oder das Motivieren der Mitarbeiter für Veränderungen
(z. B. Amabile et al., 2004; Aragón-Correa et al., 2007; Harbone & Johne, 2003; Jansen et al.,
2009).
Dass Führungskräften in Innovationsprozessen zunächst eine wichtige Steuerungsfunktion zukommt, bestätigte z. B. Bossink (2007) in einer Längsschnittstudie zu vier dänischen
Bauprojekten. Als innovationsförderliches Führungsverhalten erwies sich hierbei das Setzen
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
23
von konkreten Projektzielen, die Planung und Überwachung des Vorgehens, auch die
Durchsetzung bestimmter Lösungen auf Basis der eigenen formellen Macht, das gezielte
Einbeziehen von Kompetenzträgern sowie die Schaffung von Freiräumen für innovatives
Verhalten der Projektbeteiligten. Weniger erfolgreich war die Formulierung einer Vision, da
das untersuchte Projektteam nicht in der Lage war, diese Vision in die Praxis umzusetzen und
die Führungskraft keine konkreteren Ziele vorgab. Dieser Fall bestätigte damit auch die
positive Wirkung der Steuerungshandlungen, welche von der Führungskraft in den drei
weiteren Teams umfassender wahrgenommen wurde, worin Bossink (2007, S. 141) einen
Grund für die höhere Innovationsleistung dieser Teams sah.
Elkins und Keller (2003) zeigte in einem Review von 24 Studien zur Wirkung der
Führung in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, welche Aufgaben Führungskräfte über
die Steuerung hinaus in der Zusammenarbeit mit ideengenerierenden und ideenumsetzenden
Mitarbeitern wahrnehmen müssen. Demnach sind Führungskräfte neben der Planung des
Vorgehens auch für die Kommunikation innerhalb des Teams, den Kontakt zur Umwelt
außerhalb der Gruppe oder Organisation, der Schaffung eines innovationsförderlichen Klimas
sowie der Unterstützung von Innovationsinitiativen verantwortlich. Dabei sind Führungskräfte
umso erfolgreicher, je mehr sie sich in möglichst vielen Rollen engagieren und so die interne
Teamentwicklung vorantreiben, den Kontakt zu Umwelt herstellen („boundary spanning“)
sowie als Promotoren die Innovation fördern6 („championing activities“; Elkins & Keller, 2003,
S. 603).
Amabile et al. (2004) untersuchten die Wirkung des alltäglichen Führungsverhaltens
auf die Kreativität der Mitarbeiter in Projektteams verschiedener Unternehmen. Unter
Anwendung der generellen Managementaufgaben nach Yukl (2006) kristallisierten sie heraus,
dass eine positive Wirkung von der wahrgenommen Unterstützung für Innovation ausgeht.
Positiv wirkt weiterhin eine effiziente und gerechte Überwachung des Arbeitsfortschrittes, das
gemeinsame Beraten bei wichtigen Entscheidungen sowie die emotionale Unterstützung der
Mitarbeiter und die Anerkennung guter Leistungen. Als wenig innovationsunterstützend wird
dagegen eine Führungskraft wahrgenommen, die ineffizient und ungerecht überwacht (z. B. zu
häufig und ohne Verständnis von der überprüften Tätigkeit), die unklare oder unangemessene
Arbeitsanweisungen gibt oder gravierende Probleme nicht anspricht (Amabile et al., 2004,
6
Als Promotoren werden im deutschsprachigen Raum die Personen bezeichnet, die Innovationen aktiv
und intensiv fördern. In der englischsprachigen Literatur wird dafür der Begriff „Champions“ verwendet
(vgl. Mirow, Hölzle & Gemünden, 2007, S. 103). Etabliert hat sich die Unterscheidung von Hauschildt
(2001) in Machtpromotor mit hierarchischem Durchsetzungspotenzial, Fachpromotor mit
objektspezifischer Expertise sowie dem Prozesspromotor mit Organisationskenntnis und
Kommunikationsfähigkeit. Bei diesen Promotorenarten muss es sich nicht um verschiedene Personen
handeln, vielmehr kann z. B. der Geschäftsführer eines mittleren Unternehmens alle drei Rollen in sich
vereinen (Blessin, 2001, S. 14).
24
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
S. 25). Die Studie zeigt zusammengefasst, wie sich das Führungsverhalten auf Emotionen der
Geführten auswirkt und so deren Kreativität, die von Dritten anhand ihrer Flexibilität,
Produktivität und Originalität bewertet wurde, beeinflusst. Deutlich wurde dabei auch, dass
bei erfolgreichen Führungskräften das aufgaben- und beziehungsorientierte Verhalten
untrennbar miteinander verwoben sind, womit die Aussagen von Elkins und Keller (2003) zur
effektiven Führung untermauert werden.
In diesen Befunden lassen sich die aus der Lewin-Schule stammenden
Führungsfunktionen Lokomotion und Kohäsion (Wiswede, 1990, S. 4; siehe auch Hentze et al.,
2005 S. 25) wiederfinden. Unter Lokomotion fallen alle Aufgaben, die der Zielerreichung
dienen wie etwa die Zielbestimmung, Aufgabenvorbereitung, Kontrolle oder Korrektur. Mit
Kohäsion werden Aufgaben bezeichnet, die den Zusammenhalt der Gruppe sowie der
gruppeninternen Beziehungen und Interaktionen zwischen Führenden und Geführten positiv
beeinflussen. Diese Funktionen von Führung können in unterschiedlicher Weise mit
unterschiedlichem Erfolg erfüllt werden. Zur Förderung von Innovationen hat sich dabei das
transformationale Führungsverhalten als besonders effektiv erwiesen (z. B. Aragón-Correa et
al., 2007; Elenkov & Manev, 2005; Elkins & Keller, 2003; Eisenbeiss et al., 2008; García-Morales
et al.; 2011; Gumusluoglu & Ilsev, 2009; Jansen et al., 2009; Jung et al., 2008; Matzler et al.,
2008; Oke et al., 2009). Bevor auf diese Studien näher eingegangen wird, soll zunächst das
Konzept der transformationalen Führung im Allgemeinen erläutert werden.
Das Konzept der transformationalen Führung geht auf Bass (1985) zurück, der diese
Art der Führung von der transaktionalen Führung und dem laissez-faire-Stil als Abwesenheit
von
Führung
unterschied.
Die
transaktionale
Führung
beschreibt
zunächst
eine
Austauschbeziehung zwischen Führendem und Geführten, bei der Ersterer eine Belohnung und
Letztere die dafür erwünschte Leistung einbringen. Der Führende geht auf das unmittelbare
Eigeninteresse des Geführten ein, wenn er es dazu nutzen kann, die erwartete Leistung von
ihm zu erhalten (Bass, 1985, S. 11). Im Gegensatz dazu motiviert der transformationale Führer
zu höheren, über das Eigeninteresse der Geführten hinausgehenden Zielen, die dem Wohl der
Gruppe oder Organisation dienen (ebd.). Der transformational Führende befriedigt nicht nur
Bedürfnisse, sondern er versucht, höhere Bedürfnisse (im Sinne von Maslow, 1954) anzuregen
(Bass, 1985, S. 14). Er erreicht damit ein besonderes Engagement und eine größere
Leistungsbereitschaft auf Seiten der Geführten. Aus dem Zusammenspiel von transaktionalem
und transformationalen Führungsverhalten (bezeichnet als „full range of leadership“) ergeben
sich so außergewöhnliche Ergebnisse wie besondere Leistungen oder sehr hohe Zufriedenheit
(Bass, 1999, S. 11). Beim Konzept des full range of leadership bildet die transaktionale Führung
den Grundstock des Führungsverhaltens, herausragende Leistungen lassen sich allerdings nur
mit der transformationalen Führung erreichen, die auf diesen Grundstock aufsetzt (ebd.).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
25
Während die transaktionale Führung als reine Austauschbeziehung zwischen Führer
und Geführten angesehen wird, strebt die transformationale Führung nach einer
Weiterentwicklung. Unter Transformieren verstand Bass in erster Linie “that followers are
transformed by leaders from concern for their self-interests to concern for their group,
organization, or society” (Bass, 1999, S. 23). Der Führende erhöht also die Reife der
Mitarbeiter, ihre Ideale und ihr Bedürfnis nach Leistung, Selbstaktualisierung und dem
Wohlbefinden anderer. Zu höheren Leistungen werden die Geführten motiviert, indem der
Führende ihr Vertrauen (die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit) und den Wert der
Ergebnisse erhöht7 (Bass, 1985, S. 22). Das Verhalten von transformational Führerenden lässt
sich dabei anhand der vier Kennzeichen "idealized influence", „inspirational leadership“,
„intellectual stimulation“ und „individual consideration“ beschreiben (Bass, 1999, S. 11). Mit
"idealizd influence" wurde der frühere Ausdruck „Charisma“ ersetzt und damit die moralische
und fachliche Vorbildfunktion des Führenden herausgestellt, die zu Respekt und Vertrauen auf
Seiten der Mitarbeiter führt. Das zweite Merkmal, „inspirational leadership“ oder
„inspirational motivation“, drückt sich in einer Vision der Führungskraft aus, die die
Mitarbeiter emotional begeistert sowie Sinn und Gemeinschaftsgefühl vermittelt. Indem eine
Führungskraft das bisherige Vorgehen immer wieder in Frage stellt und Probleme neu
formuliert, regt sie ihre Mitarbeiter durch „intellectual stimulation“ zu mehr Kreativität und
Innovation an. Letztendlich fördert die individuelle Zuwendung („individual consideration“)
jeden Mitarbeiter entsprechend seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten, womit die
Führungskraft als Coach agiert. Zur Erfassung von transformationaler und transaktionaler
Führung entwickelten Bass und Avolio (1995) den Multifactor Leadership Questionnaire, der
u. a. die oben genannten Merkmale der transformationalen Führung abbildete. Die
Kurzversion MLQ 5X short dient einem Großteil der empirischen Arbeiten als Grundlage zur
Messung dieses Führungsverhaltens8.
Die Annahme von Bass (1985), dass transformationales Führungsverhalten besonders
bei organisationalen Veränderungen effektiv ist, weil Mitarbeiter dadurch kreativer,
zufriedener und leistungsfähiger werden, wurde in zahlreichen empirischen Studien bestätigt
(Überblick z. B. bei Bass et al., 1994; Moss et al., 2006; Metaanalysen von Judge & Piccolo,
2004 und Lowe et al., 1996). Bezogen auf die Innovativität des gesamten Unternehmens
zeigten verschiedene Studien, dass eine transformational-führende Geschäftsleitung förderlich
7
8
Damit baute Bass (1985) auf den Erwartungs-Wert-Theorien der Motivation auf (z. B. Vroom, 1964).
Auf die Diskussion der Faktorenstruktur des MLQ und des MLQ 5X short wird an dieser Stelle
verzichtet, da sie für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit nicht relevant ist. Verwiesen werden
kann hierzu etwa auf die Studien von Avolio, Bass und Jung (1999), Heinitz, Liepmann und Felfe (2005),
Tejade, Scandura und Pillai (2001), Podsakoff, MacKenzie, Moorman und Fetter (1990), deutsche
Versionen und deren Überprüfung liegen vor von Felfe (2006), Geyer und Steyrer (1998) und Rowold
(2005).
26
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
auf Produkt- und Prozessinnovationen wirkt (Aragón-Correa et al., 2007; Elenkov & Manev,
2005; García-Morales et al., im Erscheinen; Matzler et al., 2008). Bei Aragón-Correa et al.,
(2007, S. 353)
war
das
transformationale
Verhalten
der
Führungskraft
dadurch
gekennzeichnet, dass diese der Suche nach neuen Möglichkeiten einen hohe Priorität
einräumte, dass die Führungskraft eine mit ihren Mitarbeitern geteilte Vorstellung von
langfristigen
Organisationszielen
entwickelte,
dass
sie
der
Motivierung
von
Organisationsmitglieder eine größere Bedeutung zusprach als deren Kontrolle und dass sie als
führende Kraft im Unternehmen agierte sowie die Aktionen anderer Führungskräfte
koordinierte.
Elenkov
und
Manev
(2005, S. 391)
nutzten
für
die
Erfassung
der
transformationalen Führung die Items des MLQ, ebenso García-Morales et al. (im Erscheinen),
die insbesondere die Sinnvermittlung durch einen Mission für das Unternehmen, die
Förderung der Mitarbeiterbegeisterung sowie die Wertschätzung und Nutzung der
Mitarbeiterkompetenzen als wichtig herausstellten. Wie Jansen et al. (2009) ebenfalls anhand
der Operationalisierung mit dem MLQ zeigten, werden durch die transformationale Führung
am stärksten radikale Innovationen beeinflusst, die als Exploration über das bisherige Wissen
hinausgehen und auf die Gewinnung von Neukunden ausgerichtet sind. Matzler et al.,
(2008, S. 146) wiesen schließlich die innovationsförderliche Wirkung von Geschäftsführern
nach, die ständig nach ungewöhnlichen, neuartigen Lösungen suchten, indem sie kreative
Menschen nutzten, die Organisationsmitglieder, welche auf originelle und neuartige Weise
denken und handeln, ermutigten sowie das Ausprobieren von
Unternehmen
aktiv
unterstützten.
Speziell
in
Teams
neuartige Lösungen im
mit
Forschungs-
und
Entwicklungsaufgaben wurde der positive Einfluss der transformationalen Führung ebenfalls in
mehreren Studien belegt (vgl. Review von Elkins & Keller, 2003). Aktuelle Studien, bspw. von
Eisenbeiss et al. (2008) und Gumusluoglu und Ilsev (2009) zeigten, dass durch entsprechendes
Führungsverhalten (gemessen mit dem MLQ) die Kreativität der Mitarbeiter und die Zahl der
generierten Ideen gesteigert werden und sich gleichzeitig auch die Zahl der implementierten
Ideen und der marktorientierten Innovationen erhöht.
Im Sinne des full range of leadership wird in einigen Arbeiten auch der Stellenwert
der transaktionalen Führung diskutiert. So arbeiteten Munshi, Oke, Stafylarakis, Puranam,
Towells, Moslein et al. (2005, S. 20) und Oke et al. (2009) heraus, dass transformationale
Führung in der ersten Phase des Innovationsprozesses effektiv ist, da hier die Generierung
neuer Lösungen und damit kreative Prozesse im Mittelpunkt stehen. In der zweiten Phase
werden die neuen Ideen in konkrete Handlungen, Strukturen oder Produkte umgesetzt, wofür
eine transaktionale Führung geeigneter erscheint. Weiterhin fördert die transformationale
Führung eher explorative Handlungen und damit das Entstehen von radikalen Innovationen,
wohingegen transaktionale Führung stärker auf die Verbesserung bestehender Lösungen zielt
und damit der Exploitation und eher inkrementellen Innovationen dient. Diese Annahmen
decken sich mit den Befunden der Studie von Jansen et al. (2009) zu strategischen
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
27
Führungskräften in Finanzdienstleistungsunternehmen, die zudem den moderierenden Einfluss
von Kontextbedingungen zeigten. So hat bei hoher Umweltdynamik die transformationale
Führung negative Auswirkungen auf inkrementelle Innovationen während transaktionale
Führung in diesem Kontext negativ auf radikale Innovationen wirkt.
Zusammengefasst
drückt
sich
das
innovationsförderliche
Verhalten
einer
Führungskraft also darin aus, dass sie eine emotional begeisternde Vision vermittelt, die Suche
nach neuen Lösungen selbst forciert sowie ihre Mitarbeiter darin aktiv unterstützt. Dabei kann
für die Implementierung neuer Ideen im Unternehmen auch ein eher transaktionales
Verhalten nützlich sein, das auf klaren Zielsetzungen und Belohnungssystemen beruht. Im Kern
zeigt sich innovationsförderliche Führung darin, dass die Führungskraft als Rollenmodell für
Innovation und kreatives Problemlösen im Unternehmen auftritt und Mitarbeiter, die
alternative Wege im Unternehmen beschreiten wollen, dabei fordert und fördert. Als eine
Grundlage dieser innovationsförderlichen Führung wird im nächsten Abschnitt die positive
Einstellung einer Führungskraft gegenüber organisationalen Veränderungen herausgehoben,
um darauf aufbauend den Fokus der vorliegenden Arbeit genauer ausgeführt.
2.2.2.
Die positive Einstellung gegenüber Veränderungen als Bestandteil der
innovationsförderlichen Führung
Wird Führung als Determinante organisationaler Innovativität betrachtet, dann
kommt neben dem oben beschriebenen Verhalten insbesondere der Einstellung von
Führungskräften gegenüber Veränderungen eine bedeutsame Rolle zu (Damanpour, 1991;
Damanpour & Schneider, 2006; Garau Vadell & Orla-Sintes, 2008; Musteen et. al, 2010). So
fand Damanpour (1991) in seiner Metaanalyse zu organisationalen Einflussfaktoren auf die
Innovativität einen signifikanten positiven Zusammenhang von r=.27 zwischen der Einstellung
von Führungskräften gegenüber Veränderung und dem Vorhandensein von Produkt- und
Prozessinnovationen im Unternehmen. In einer eigenen empirischen Untersuchung stellte er
gemeinsam mit Schneider (2006) dieser Einstellung weitere Faktoren gegenüber und prüfte
deren gemeinsame Wirkung auf die Initiierung von Prozessinnovationen, auf die Entscheidung
über die Einführung sowie die letztendliche Umsetzung von Neuerungen. Dabei zeigte sich,
dass die Einstellungen des oberen Managements sowie die Größe des Unternehmens einen
stärkeren Einfluss auf die Generierung und Implementierung von Innovationen hatten, als
Faktoren in der Unternehmensumwelt oder demographische Merkmale der Führungskraft wie
etwa Alter oder Ausbildung. In ihrer Diskussion der Ergebnisse verwiesen sie auch auf Befunde
der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung, wonach die Neubesetzung einer Position im oberen
Management mit einer Führungskraft, welche Veränderungen als wichtig erachtet und
entsprechende Visionen einbringt, die Einführung von Innovationen im Unternehmen deutlich
28
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
beschleunigt
(Damanpour & Schneider, S. 231).
Eine
beschleunigte
Einführung
von
Prozessinnovationen im Zusammenhang mit der Einstellung von Führungskräften wiesen auch
Garau Vadell und Orla-Sintes (2008) nach. Demnach wurden in Tourismusunternehmen eher
Internetplattformen für den Kontakt mit Kunden und die Auftragsabwicklung eingeführt, wenn
die oberen Führungskräfte positiv gegenüber dieser Neuerung eingestellt waren. Die Wirkung
der Einstellungen des oberen Managements auf Innovationen belegten weiterhin Musteen
et al. (2010) anhand einer Stichprobe von 209 Führungskräften aus einer der größten
amerikanischen Non-Profit-Organisationen. Eine „liberale Einstellung gegenüber Wandel“,
definiert als Offenheit für Wandel und Risiko, schlug sich demnach in der strategischen Suche
nach und Entwicklung von Innovationen nieder, während aus einer „konservativen Einstellung“
des oberen Managements eine Verteidigungsstrategie resultierte, die zu kontinuierlicher
Verbesserung von Bestehendem und der Vermeidung von Innovationen führte. Darüber hinaus
interpretierten die Autoren ihre Befunde als Beleg dafür, dass die Einstellungen von
Führungskräften gegenüber Veränderung deren Verhalten determiniert, welches u. a. in den
entsprechenden Unternehmensstrategien sichtbar wurde (Musteen et al., 2010, S. 374).
Eine
Verbindung
zwischen
positiver
Einstellung
gegenüber
Veränderung,
innovationsförderlichem Verhalten und Innovativität von Unternehmen stellte auch Mumford
(2000) her. Als ein Ergebnis seines Reviews zu Kreativität und Innovation fasste er zusammen,
dass Führungskräfte durch ihre positive Einstellung gegenüber Veränderungen die Initiierung
von Innovationen fördern, indem sie Vertrauen schaffen und Unterstützung für neue Ideen
ihrer Mitarbeiter anbieten. Die Verbindung zwischen Einstellung und Verhalten bestätigte auch
die Studie von Giangreco und Peccei (2005) mit 322 mittleren Führungskräften, die in
Prozessinnovationen zur Verbesserung der Kundenorientierung und Reaktionsgeschwindigkeit
ihres Unternehmens involviert waren. Je negativer die Einstellung dieser Führungskräfte
gegenüber der organisationalen Neuerung ausfiel, umso weniger engagierten sie sich für die
Prozessveränderung. Sie zeigten weniger Enthusiasmus für die Innovation und versuchten
entsprechend
seltener
ihre
Mitarbeiter
dafür
zu
motivieren
oder
mit
anderen
Organisationsmitgliedern diesbezüglich zusammenzuarbeiten.
Inwiefern
Einstellungen
und
Verhalten
im
Allgemeinen
miteinander
zusammenhängen, wurde inzwischen in zahlreichen Studien untersucht und deren Ergebnisse
wiederum in mehreren Metaanalysen zusammengefasst. Dabei finden sich übereinstimmend
signifikante positive Korrelationen mit Koeffizienten von r=.4 (Eckes & Six, 1994, Kraus, 1995)
und r=.5 (Glasman & Albarracín, 2006) sowie nach der Bereinigung um methodische Artefakte
sogar von r=.8 (Kim & Hunter, 1993). Der Zusammenhang wird hierbei umso höher, je stabiler
die Einstellung ist, je schneller darauf zugegriffen werden kann und je stärker sie durch die
persönliche Erfahrung der jeweiligen Person geprägt wurde (Eckes & Six, 1994; Glasman
& Albarracín, 2006; Kim & Hunter, 1993; Kraus, 1995). Wie Ajzen und Fishbein (1977) bereits
herausarbeiteten, müssen die betrachteten Einstellungen und das vorherzusagende Verhalten
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
29
hinsichtlich der vier Aspekte Handlung, Gegenstand der Handlung, Kontext der
Handlungsausführung und Zeitkomponente im gleichen Maße spezifiziert sein. Diese
Korrespondenzhypothese wurde ebenfalls in zahlreichen empirischen Studien bestätigt (vgl.
Glasman & Albarracín, 2006; Kim & Hunter, 1993; Kraus, 1995).
Bezogen auf die positive Einstellung von Führungskräften gegenüber Veränderungen
sollte diese eine hohe inhaltliche Übereinstimmung mit dem innovationsförderlichen
Verhalten aufweisen, um als Determinante dieses Verhaltens gelten zu können. Diese
inhaltliche
Übereinstimmung
findet
sich
im
Konstrukt
der
individuellen
Innovationsbereitschaft, die eine Form der positiven Einstellung gegenüber Veränderungen
darstellt (vgl. Bouckenooghe, 2010, S. 501). Wie Krause (2004) in ihrer Studie mit
Innovationsverantwortlichen
zeigen
konnte,
wurde
durch
deren
Bereitschaft
für
Prozessinnovationen ein großer Anteil der Varianz im Verhalten erklärt, der sich auf das
Entwickeln, Prüfen und Implementieren der Verfahrensinnovationen bezog. Ebenso zeigte die
Längsschnittstudie von Cunningham et al. (2002), dass die aktive Teilnahme an
organisationalen Veränderungsmaßnahmen signifikant durch die Bereitschaft für die
organisationale Veränderung, die bereits vor der Innovation bestand, vorhergesagt werden
konnte.
Damit bildet die Innovationsbereitschaft von Führungskräften einen zentralen
Bestandteil der innovationsförderlichen Führung, weil sie zum Einen innovationsförderliches
Verhalten von Führungskräften vorhersagen kann und zum Anderen als spezifische positive
Einstellung gegenüber organisationalen Veränderungen die Innovativität von Unternehmen
positiv beeinflusst. Aufgrund dieser Bedeutung steht sie im Zentrum der vorliegenden Arbeit
und wird im nächsten Unterkapitel ausführlich dargestellt.
2.3.
Innovationsbereitschaft von Führungskräften
Wenn Führungskräfte ihre Mitarbeiter zu innovativen Handlungen motivieren sollen,
wenn sie dazu eine emotional begeisternde Vision vermitteln und als Vorbild für kreatives
Problemlösen wirken sollen, so müssen sie zunächst selbst für die Innovation bereit sein.
Daher stellt die Innovationsbereitschaft von Führungskräften einen wesentlichen Bestandteil
der innovationsförderlichen Führung dar und wird nun in diesem Unterkapitel näher erläutert.
2.3.1.
Konzept der Innovationsbereitschaft
Die individuelle Innovationsbereitschaft lässt sich Bouckenooghe (2010) zufolge als
Konkretisierung der allgemeinen Veränderungsbereitschaft verstehen und kann damit zu dem
in der Organisationsforschung breit thematisierten Phänomen der Einstellungen gegenüber
30
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
organisationalen Wandel (z. B. Elias, 2009; Lines, 2005; Musteen, Barker III & Baeten, 2006;
Piderit, 2000) gezählt werden. Sie grenzt sich von der organisationalen Bereitschaft für
Veränderungen dahingehend ab, dass individuelle Veränderungsbereitschaft als eine positive
Einstellung von Individuen gegenüber der Neuerung gilt, während die organisationale
Veränderungsbereitschaft
Kennzeichen
des
Unternehmens
umfasst,
die
von
Organisationsmitgliedern als förderlich für eine Veränderung wahrgenommen werden.
Aspekte dieser organisationalen Bereitschaft sind z. B. bei Cinite, Duxburx und Higgins (2009)
das Commitment der Geschäftsführung zur Veränderung, die Kompetenz der für die Neuerung
Verantwortlichen und die Unterstützung der unmittelbaren Vorgesetzten (S. 270 ff.). Eine
mangelhafte Kommunikation bezügliche der Veränderung sowie die Erwartung von negativen
Wirkungen der Neuerung zeugen dagegen von fehlender Veränderungsbereitschaft der
Organisation (Cinite et al., 2009, S. 272 f.). Hamilton, Cohen und Young (2010) erfassten mit
ihrem
Organizational
Readiness
for
Change
Instrument
die
fünf
Dimensionen
Veränderungsmotivation, Ressourcen, Mitarbeitereigenschaften, Organisationsklima sowie
den Einsatz von Trainings, womit wiederum Merkmale des gesamten Unternehmens
beschrieben werden, die als unterstützend für eine organisationale Veränderung eingeschätzt
werden.
Wenn die individuelle Innovationsbereitschaft also zu den positiven Einstellungen
gegenüber organisationalen Veränderungen gezählt werden kann, umfasst sie entsprechend
dem
grundlegenden
Beitrag
von
Rosenberg
und
Hovland
(1960,
S. 268)
zum
Einstellungskonzept eine affektive, eine kognitive und eine verhaltensbezogene Komponente
(vgl. dazu auch Aronson, Wilson & Akert, 2010, S. 231; Stroebe, 2003, S. 267). Wie Rosenberg
(1960) in verschiedenen Studien zeigte, stehen Kognitionen und Emotionen in Wechselwirkung
zueinander, so dass z. B. positive Gefühle gegenüber einem Einstellungsobjekt solche
Meinungen und Annahmen zum Objekt begünstigen, die dessen positive Aspekte herausstellen
und negative vernachlässigen. Je stabiler und je ausgeprägter diese affektiv-kognitive Struktur
ist, umso eher wird sie verhaltenswirksam werden (S. 336). Bezogen auf den organisationalen
Wandel belegten Elizur und Guttman (1976) die drei Komponenten der Einstellung gegenüber
Neuerungen in Organisationen und schufen damit eine wesentliche Grundlage für diese
Forschungsrichtung (vgl. z. B. Bouckenooghe, 2008; Desplaces, 2005; Lines, 2005; Vakola,
Tsaousis & Nikolaou, 2004). Nach Elizur und Guttman (1976, S. 611) sind einstellungsrelevante
Emotionen bspw. Zufriedenheit, Verbundenheit oder Ängste bezüglich einer Veränderung,
unter Kognitionen fallen die Einschätzung der Notwendigkeit sowie die Bewertung der
Nützlichkeit der Neuerung, im Verhalten zeigt sich die Einstellung in Form der Verwendung
oder Vermeidung der Neuerung (siehe Abbildung 2-1). Dabei ist der Zusammenhang zwischen
affektiver und kognitiver Komponente höher als der mit der verhaltensbezogenen, aus der
kognitiven Komponente lässt sich das Verhalten wiederum besser vorhersagen als aus der
affektiven (Elizur et al., 1976, S. 621 f.).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
31
Affektive Komponente
(z. B. Zufriedenheit, Verbundenheit, Angst, Zuversicht)
Innovationsbereitschaft
als positive Einstellung
Kognitive Komponente
ggü. organisationalen
(z. B. Einschätzung der Notwendigkeit und der Nützlichkeit )
Neuerungen
Verhaltensbezogene Komponente
(z. B. Verwendung oder Vermeidung der Neuerung)
Abbildung 2-1. Drei-Komponenten-Modell der Einstellung übertragen auf die
Innovationsbereitschaft als positive Einstellung gegenüber organisationalen Neuerungen (in
Anlehnung an Rosenberg & Hovland, 1960, S. 268; Elizur & Guttman, 1976, S. 611;
Bouckenooghe et al., 2009).
Aufbauend auf diesen Arbeiten kann Innovationsbereitschaft nun als Zusammenspiel von
Emotion, Kognition und Verhalten verstanden werden (vgl. dazu auch Bouckenooghe et al.,
2009). Zur Darstellung dieses Zusammenspiels bietet sich das Modell innovationsbezogenen
Verhaltens von Gebert (1987, 2002) an. Es beschreibt die Wirkungsbeziehungen zwischen der
affektiven, kognitiven und verhaltensbezogenen Einstellungskomponente, wobei es den Fokus
auf kognitive Prozesse richtet und als deren Resultat Emotionen sowie insbesondere
innovationsförderliche Handlungen thematisiert.
Individuelle Innovationsbereitschaft gilt bei Gebert (1987, 2002) als eine zentrale
Voraussetzung für innovationsförderliches Verhalten9. Damit konzentriert er sich auf die
empirisch belegte Verbindung zwischen Einstellung und Verhalten (vgl. hierzu auch die
Ausführungen im Unterkapitel 1.1 und im Abschnitt 2.2.2), andere Faktoren, die das
innovationsförderliche Verhalten ebenfalls beeinflussen, treten hier vorerst in den
Hintergrund. Diese Sicht scheint auch unter Beachtung von Einstellungsmodellen mit einem
breiteren Blickwinkel gerechtfertigt. Beispielsweise führten Ajzen und Fishbein (1980) in ihrer
theory of reasoned action und Ajzen (1991) in der darauf aufbauenden theory of planned
9
Einstellungen sind dabei nur eine Determinante des Verhaltens, auch andere Faktoren beeinflussen
das Verhalten (vgl. z.B. Rosenberg, 1960, S. 335). Allerdings schlagen sich in Einstellungen bspw.
Persönlichkeitsmerkmale wie die Big Five nieder (vgl. Vakola, Tsaousis & Nikolaou, 2004), die ihrerseits
Determinanten transformationalen Führungsverhaltens sind (vgl. Bono & Judge, 2004), weshalb das
Konstrukt Innovationsbereitschaft als Integration verschiedener Verhaltensdeterminanten für die
Untersuchung des Mitarbeitereinflusses geeignet erscheint.
32
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
behavior die Verhaltensintension als vermittelnde Instanz zwischen Einstellung und Verhalten
ein. Die Verhaltensabsicht wird neben der entsprechenden Einstellung durch soziale Normen
(Ajzen & Fishbein, 1980; Ajzen, 1991) sowie durch die Kontrollierbarkeit des relevanten
Verhaltens (Ajzen, 1991) beeinflusst, weshalb die Wirkung von Einstellungen auf das Verhalten
mit weiteren Faktoren ins Verhältnis gesetzt wurde. Trotz dieser Differenzierung bleibt die
Einstellung auch bei Ajzen und Fishbein (1980) und Ajzen (1991) eine der Determinanten von
Verhalten. Konkretisiert man diese Einstellung nun als Innovationsbereitschaft, belegte z. B.
die Studie von Krause (2004), dass sich die Ideengenerierung, -prüfung und -implementierung
durch Projektverantwortliche aus deren Bereitschaft für die anstehende Prozessinnovation
vorhersagen ließ. Deshalb richtet sich der Fokus der vorliegenden Arbeit auf das Konstrukt
Innovationsbereitschaft und geht aufgrund der bereits erläuterten empirischen Befunde von
ihrer Verhaltenswirksamkeit im Kontext von Prozessinnovationen aus ohne diese nochmals im
Detail auszuführen.
Kennzeichnend für die Innovationsbereitschaft ist, dass die Notwendigkeit einer
Situationsveränderung wahrgenommen sowie Möglichkeiten zur Realisierung dieser
Veränderung antizipiert werden (Gebert, 1987, S. 942). In ähnlicher Weise wird
Veränderungsbereitschaft im Rahmen der Forschung zu organisationalem Wandel definiert,
weshalb an diese Stelle darauf Bezug genommen werden kann10. Maßgeblich für die
Erforschung der individuellen Veränderungsbereitschaft bei organisationalem Wandel sind die
Arbeiten von Armenakis, Harris und Mossholder (1993) und Holt, Armenakis, Feild und Harris
(2007). So konstatierte Bouckenooghe (2010, S. 503) nach einem qualitativen Literaturreview
von 58 im Zeitraum 1993 bis 2007 erschienener Journalartikel, dass eine weitgehende Einigkeit
in der Verwendung des Begriffes Veränderungsbereitschaft („readiness for change“) besteht.
Mehr als die Hälfte der sich mit diesem Konzept auseinandersetzenden Artikel
machte
sich
demnach
die
Definition
von
Armenakis
et
al.
(1993)
zueigen.
Veränderungsbereitschaft wird demnach definiert als „organizational members’ beliefs,
attitudes and intentions regarding the extent to which changes are needed and the
organization’s capacity to successfully make those changes” (Armenakis et al., 1993, S. 681).
Die Veränderungsbereitschaft ist dabei die kognitive Vorstufe für ein den Wandel
unterstützendes Verhalten, womit Armenakis et al. (1993), Holt et al. (2007) und die sich
daran anschließenden Arbeiten inhaltlich die gleichen Aussagen wie Gebert (1987) treffen: es
müssen sowohl die Notwendigkeit von Veränderungen erkannt als auch die Möglichkeit zur
Veränderung gesehen werden, bevor ein veränderungs- bzw. innovationsförderliches
Verhalten auftreten werden kann.
10
Siehe außerdem Abschnitt 2.1.1 (S. 16) zur Einordnung von Prozessinnovation in den organisationalen
Wandel.
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
33
Nach Armenakis et al. (1993, S. 684) stellen die zwei Aspekte „Bedürfnis nach
Veränderung“ (“need for change”) und „wahrgenommene Fähigkeit für Veränderung“ (“the
perceived ability for change”) die Kerninhalte der Botschaft dar, welche die für den Wandel
verantwortlichen Personen den Betroffenen vermitteln sollten. Im Kontext der vorliegenden
Arbeit bedeutet das, dass Führungskräfte als Verantwortliche für Innovationen zunächst selbst
einen Veränderungsbedarf wahrnehmen und die Veränderbarkeit einschätzen müssen, bevor
sie innovationsförderliche Handlungen ausüben und diesbezüglich auf ihre Mitarbeiter
einwirken können. Armenakis et al. (1993, S. 681) umschrieben Veränderungsbereitschaft als
Konglomerat von „Annahmen, Einstellungen und Absichten“. Demgegenüber bietet Gebert
(1987; 2002, S. 87 ff.) eine geschärfte Definition, indem er zwei getrennte Bewertungsschritte
als Grundlage der Innovationsbereitschaft postulierte. Im ersten Schritt muss eine Diskrepanz
zwischen Soll- und Ist-Zustand wahrgenommen werden, damit die Situation als
veränderungsbedürftig eingeschätzt werden kann. Im zweiten Schritt erfolgt die Feststellung
der Veränderbarkeit, indem die Kontrollierbarkeit der Situation bewertet wird. Der
Beurteilende prüft dabei die Möglichkeiten, direkt durch sein Handeln oder indirekt über die
Aktivierung anderer Personen die Situation zu beeinflussen.
Mit dieser Konzeption nahm Gebert Anleihen am theoretisch ausgereiften und
empirisch bewährten Stressbewältigungsmodell von Lazarus (Lazarus, 1966; Lazarus
& Folkman, 1984; Lazarus, 1999). Lazarus entwickelte sein Stressbewältigungsmodell aus der
Beobachtung heraus, dass Menschen auf gleiche Situationen mit einem unterschiedlichen
Grad an emotionalen Stress reagieren. Im Gegensatz zu früheren Annahmen schaltete er
deshalb in seiner Konzeption das Individuum und dessen Situationsinterpretation zwischen
einen Stressor und der gezeigten Reaktion11. Zwischen dem potenziell stressauslösenden Reiz
und der Stressreaktion stehen zwei getrennte, allerdings voneinander abhängige
Bewertungsprozesse, die das Individuum durchläuft (vgl. Abbildung 2-2).
11
Lazarus begann mit seinen Kollegen bereits in den 1950er Jahren, die Unterschiede in der
Stressreaktion auf subjektive Bedeutungsunterschiede zurückzuführen. Er nahm damit den
paradigmatischen Wandel in der Psychologie von Stimulus-Response zum Stimulus-Organism-ResponseModell sowie die kognitive Wende in den 1970er in Teilen vorweg, wobei der Erfolg seines Modells eben
auch vor den Hintergrund dieser Entwicklung des Faches zu sehen ist.
34
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Situation
Potentieller
Stressor
Person
Reaktion
Erste Bewertung:
Zweite Bewertung:
Bewältigung:
Situation subjektiv
Situation subjektiv
emotions- oder
bedeutsam?
bewältigbar?
problemfokussiert
Abbildung 2-2. Modell der Stressbewältigung nach Lazarus (1966), Lazarus und Folkman
(1984), Lazarus (1999). Zwischen dem stressauslösenden Reiz und der Stressreaktion sind zwei
subjektive Bewertungsprozesse geschaltet, die interindividuelle Unterschiede in der Reaktion
auf objektiv gleiche Reize erklären.
Im ersten Prozess („primary appraising“) beurteilt die betroffene Person die objektive
Situation dahingehend, inwieweit diese eine Bedeutung für das subjektive Wohlbefinden hat.
Wird eine Relevanz erkannt, erfolgt die Kategorisierung als Verlust, Bedrohung oder
Herausforderung und damit als stressauslösende Situation (Lazarus, 1999, S. 76). In der
zweiten Bewertung („secondary appraising“) findet die kognitive Einschätzung der eigenen
Bewältigungsmöglichkeiten
statt.
Abhängig
von
deren
Ausgang
kann
die
erste
Situationsbeurteilung verändert werden. Werden die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten z. B.
positiv bewertet, wird die Situation eher als Herausforderung denn als Bedrohung erlebt. Im
Anschluss an die zweite Bewertung findet die Bewältigung der Situation („coping“) statt, die
problemfokussiert oder emotionsfokussiert erfolgen kann. Wird bei der Bewertung der
eigenen
Möglichkeiten
die
Situation
als
kontrollierbar
beurteilt,
erfolgt
ein
problemfokussiertes Coping. Dabei werden Informationen gesammelt sowie die aktive
Beeinflussung der Situation und der eigenen Lösungsmöglichkeiten vorangetrieben. Wird die
Situation als nicht kontrollierbar erlebt, folgt ein emotionsfokussiertes Coping, indem die
eigenen Emotionen z. B. durch kognitive Relativierung reguliert werden, ohne dass die
Situation selbst verändert wird. Zudem wird durch eine Neubewertung („reapprasing“) die
Bedeutung des Stressors neu definiert und damit die persönliche Betroffenheit verringert
(Lazarus, 1999, S. 121). Aus diesem Wechselspiel von objektivem Stressor, subjektiver
Bewertung, Copingstrategien und deren Rückwirkung auf die Bewertungsprozesse resultiert
das Ausmaß an Stress, das eine Person empfindet.
Damit lässt sich erklären, warum Individuen auf den gleichen potentiell
stressauslösenden Reiz in unterschiedlicher Weise reagieren. Aufgrund des Zusammenspiels
von Personen- und Umweltvariablen wird das Modell von Lazarus als transaktionaler Ansatz
bezeichnet. In zahlreichen Untersuchungen fand es eine umfassende empirische Bestätigung
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
35
(Überblick z. B. bei Lazarus, 1999, S. 79 zu „appraising“ und S. 118 zu „coping“) und wurde auf
verschiedene Anwendungsbereiche wie z. B. den organisationalen Wandel übertragen. Im
Kontext organisationaler Wandlungsprozessen wird die sich verändernde Situation als Stressor
gesehen, auf den die Betroffenen aufgrund ihrer subjektiven Bewertungen unterschiedlich
reagieren (z. B. Terry & Jimmieson, 2003; Rafferty & Griffin, 2006; Walinga, 2008).
Gebert (1987, 2002) übernahm die Idee der zwei Bewertungsprozesse von Lazarus,
um damit Innovationsbereitschaft als Bedingung eines auf Veränderung abzielenden
Verhaltens zu beschreiben (vgl. Abbildung 2-3). Analog zum Modell von Lazarus wird im ersten
Bewertungsprozess die organisationale Situation als solche beurteilt. Indem der aktuelle IstZustand mit einem erwünschten Soll-Zustand verglichen wird, erfolgt die Beurteilung der
Veränderungsnotwendigkeit. Bleibt der Ist-Zustand hinter den subjektiven Erwartungen
zurück, folgt in der zweiten Bewertungsphase die Analyse der Veränderungsmöglichkeiten.
Hierbei werden sowohl die eigene Ressourcen wie etwa Fähigkeiten, Fertigkeiten, Zeit,
finanzielle Mittel, technische Ausstattung als auch die über die Aktivierung anderer Personen
zugänglichen Ressourcen betrachtet. Eine positive Bewertung der Veränderungsmöglichkeiten
wirkt dabei rückverstärkend auf die Bewertung des Veränderungsbedarfes, indem die IstSituation kritischer beurteilt wird, da diese als veränderbar erscheint und sich das
Anspruchsniveau durch die Suche nach Alternativen erhöht. Wird die Situation dagegen als
nicht veränderbar erlebt, kommt es zu einer Fluchtreaktion. Dies geschieht entweder als
objektive Flucht durch das Verlassen der Situation oder durch die subjektive Anpassung des
Soll-Wertes, d.h. eine Senkung des Anspruchsniveaus bzw. der Beschönigung des IstZustandes12. Beide letztgenannten Fluchtprozesse führen zu einer Reduktion des
wahrgenommenen Veränderungsbedarfes. Auf diese Weise beschreibt das Modell auch
resignative Prozesse, die den Status quo stabilisieren, statt notwendige Innovationen
vorzubereiten. Solche Prozesse lassen sich im Sinne Lazarus als emotionsfokussiertes Coping
verstehen, während innovationsbezogenes Verhalten der problemfokussierten Bewältigung
zugeordnet ist.
12
In Anlehnung an die kognitive Dissonanztheorie von Festinger (1957).
36
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Situation
Prozess der
Innovationsbereitschaft
Erste Bewertung:
Leistungs-
Veränderungsbedarf
erstellung
der Situation?
Aktion
Zweite Bewertung:
ja
Veränderbarkeit
der Situation?
ja
Innovationsförderliches
Verhalten
ja
Objektive Flucht:
Verlassen der
Situation
nein
Subjektive Flucht:
Senkung des
Anspruchsniveaus
Abbildung 2-3. Modell der Innovationsbereitschaft (eigene Darstellung in Anlehnung an
Gebert, 2002 und Lazarus, 1999)
Lazarus (1999, S. 75) unterschied weiterhin zwischen „appraising“ als Prozess der
Evaluation und „appraisal“ als deren Ergebnis. Analog dazu kann Innovationsbereitschaft im
Rahmen des Gebert-Modells als Prozess oder als Zustand begriffen werden. Als Prozess
umfasst sie die erste und zweite Bewertung der Situation, als Zustand das jeweilige Ergebnis
dieser beiden sowie deren mulitplikative Verknüpfung. Diese Multiplikation begründete
Gebert (2002, S. 89) aus einer Motivationsperspektive erwartungswerttheoretisch mit Vroom
(1964), wonach das Leistungsverhalten ein Produkt aus erwartetem Nutzen und der
Wahrscheinlichkeit seines Eintretens ist. Je höher der Veränderungsbedarf, desto höher ist der
erwartete Nutzen der Innovation. Je höher die Veränderbarkeit der Situation, desto größer ist
die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzen eintritt. Nur wenn sowohl ein Soll-Ist-Unterschied
(Wert) wahrgenommen wird, als auch Veränderungsmöglichkeiten (Wahrscheinlichkeit)
antizipiert werden, resultiert innovationsbezogenes Verhalten.
Das Modell innovationsbezogenen Verhaltens von Gebert (1987, 2002) wird in der
vorliegenden Arbeit verwendet, um das Konzept der Innovationsbereitschaft zu beschreiben
und das Zusammenwirken von affektiver, kognitiver sowie verhaltensbezogener Komponente
dieser positiven Einstellung gegenüber organisationalem Wandel zu erklären. Zentral sind
hierbei die beiden Bewertungsprozesse der Situation und der verfügbaren Ressourcen, die in
der Feststellung des Veränderungsbedarfes sowie der Veränderbarkeit münden und aus deren
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
multiplikativer
Verknüpfung
dann
die
37
Innovationsbereitschaft
resultiert13.
Da
Innovationsbereitschaft als spezielle Form der Veränderungsbereitschaft gesehen werden
kann, wird das Modell von Gebert im nächsten Abschnitt an Konzepten zur individuellen
Bereitschaft
für
Veränderungen
gespiegelt
und
eine
Arbeitsdefinition
für
die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften formuliert.
2.3.2.
Innovationsbereitschaft und Veränderungsbereitschaft
Betrachtet man andere etablierte Modelle zur individuellen Veränderungs-
bereitschaft, werden Analogien zum Modell von Gebert deutlich. Nach ihrer grundlegenden
Arbeit von 1993 entwickelten Armenakis und Kollegen später ein Instrument zur Erfassung von
„readiness for organisational change“ (Holt et al., 2007). Sie gingen dabei zunächst von den
fünf Faktoren „self-efficacy, personal valence, senior leader support, organizational valence,
and discrepancy“ aus (S. 237). In mehreren Faktor- und Regressionsanalysen kristallisierten
sich jedoch die zwei Faktoren Angemessenheit des Wandels („appropriateness”) und
veränderungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung („change efficacy”) als relevant für die
Erklärung des wahrgenommenen Veränderungserfolges heraus (S. 247). Die wahrgenommene
Angemessenheit
des
Wandels
wurde
dabei
anhand
des
Erkennens
einer
Veränderungsnotwendigkeit („discrepancy“) sowie der Nützlichkeit dieser Veränderung für die
Organisation („organizational valence“) operationalisiert. Mit veränderungsbezogener
Selbstwirksamkeitserwartung wurde erfasst, inwieweit die Befragten davon überzeugt waren,
den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen. Damit bildeten die beiden gefundenen Faktoren
die Ergebnisse der beiden Bewertungsprozesse des Modells von Gebert (1987, 2002) ab.
Indem sie das Erkennen der Veränderungsnotwendigkeit sowie der Veränderbarkeit der
Situation
fokussieren,
lässt
sich
die
von
Holt
et
al.
(2007)
beschriebene
Veränderungsbereitschaft eher als Zustand denn als Prozess verstehen.
Als Prozessansatz ist dagegen das Modell von Prochaska und Kollegen einzuordnen,
wonach individuelle Veränderungen in fünf Phasen verlaufen (McConnaughy, Prochaska &
Velicer, 1983, Prochaska, Velicer, Rossi, Goldstein, Marcus, Rakowski et al., 1994; Prochaska,
Prochaska & Levesque, 2001). In der ersten, präkontemplativen Phase wird keine
Notwendigkeit für eine Veränderung gesehen („there’s nothing that I really need to change“,
Cunningham et al., 2002 S. 382), die nachfolgende kontemplative Phase beinhaltet dagegen
Gedanken über erforderliche Änderungen. Dabei werden sowohl deren Chancen und Risiken
13
In der vorliegenden Arbeit werden im Unterschied zu Gebert (1987, 2002) die Begriffe
„Veränderungsbedarf“
statt
„Veränderungsbedürfnis“
und
„Veränderbarkeit“
statt
„Veränderungsfähigkeit“ verwendet, um den jeweiligen Inhalt der beiden Bewertungsprozesse
sprachlich genauer abzubilden.
38
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
abgewogen als auch die zur Bewältigung vorhandenen Ressourcen bewertet. Das Erkennen der
Veränderungsnotwendigkeit („need for change“) bildet dabei den Übergang von
präkontemplativer zu kontemplativer Phase. Erst im Anschluss an Phase zwei beginnen die
Phasen der Handlungsplanung und der konkreten Umsetzung von Veränderungen. In der
letzten Phase richtet sich die Motivation darauf, nicht in den Zustand vor der Veränderung
zurückzufallen. Auch in diesem Modell müssen wie bei Gebert (1987, 2002) zunächst ein
Veränderungsbedarf formuliert sowie die Veränderungsmöglichkeiten analysiert werden,
bevor Handlungen zur Veränderung unternommen werden. Ursprünglich aus der
Psychotherapieforschung entstanden, fand das Modell Anwendung im Kontext von
organisationalen Veränderungsprozessen und wurde dort in unterschiedlicher Weise
eingesetzt (z. B. Cunningham et al., 2002; Harris & Cole, 2007; Prochaska et al., 2001). So
nutzten Cunningham et al. (2002) alle fünf Phasen für die Operationalisierung der
Veränderungsbereitschaft, während Harris und Cole (2007) zeigten, dass die präkontemplative
Phase negativ (r=-.60, p<.001), die kontemplative Phase hoch positiv (r=.70, p<.001) mit einer
an
die Definition von Armenakis et al. (1993) angelehnten Skala zur Messung der
Veränderungsbereitschaft korrelierten. Cunningham et al. (2002) folgten damit dem
Prozessansatz zum Verständnis von Veränderungsbereitschaft, während die Ergebnisse von
Harris und Cole (2007) eher Bereitschaft als Zustand hervorgehoben haben.
Dass die Bereitschaft zur Veränderung sowohl Prozess als auch Ergebnis sein kann,
zeigten
Dalton
und
Gottlieb
(2003)
mit
einer
qualitativen
Untersuchung
im
Gesundheitsbereich. Laut ihrer Studie durchlaufen Betroffene im Zuge des Bereitwerdens für
eine Veränderung drei voneinander abhängige Phasen. In der ersten Phase tritt ein Auslöser
auf, der eine Veränderung als notwendig erscheinen lässt. Der betroffenen Person wird
bewusst, dass der Status quo nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. In Phase zwei wird
eine Bewertung der Kosten und des Nutzens der Veränderung vorgenommen, indem der
Betroffenen prüft „ob er oder sie die erforderlichen Fertigkeiten und Kompetenzen sowie die
Unterstützung für die gewünschte Veränderung hat“ (Dalton & Gottlieb, 2003, S. 111; Übers.
d. Autorin). Der Ausgang dieses Bewertungsprozesses beeinflusst dann die Planung der
Veränderung im Zuge der dritten Phase. Als Zustand lässt sich Veränderungsbereitschaft
anhand der Reaktion auf die veränderungsbedürftige Situation beschreiben. Eine hohe
Bereitschaft liegt vor, wenn sowohl der Wunsch nach Veränderung („desire to change“)
besteht, als auch die Bereitschaft, tatsächlich zu handeln („intent to take action“; Dalton
& Gottlieb, 2003, S. 112). Übertragen auf den Ansatz von Gebert (1987, 2002) tritt der Wunsch
nach
Veränderung
nach
dem
ersten
Bewertungsprozess
auf,
indem
eine
Veränderungsnotwendigkeit erkannt wird. Ergibt sich aus der zweiten Bewertung eine positive
Einschätzung
der
innovationsbezogene
Veränderungsmöglichkeiten,
Handlungsintention
sowie
resultieren
wie
innovatorisches
dargestellt,
Verhalten.
Auf
eine
die
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
39
Unterscheidung von Innovationsbereitschaft als Prozess und als Zustand wird im Zuge der
Hypothesenformulierung Kapitel 3 nochmals näher eingegangen.
Im Vergleich zu den Modellen individueller Veränderungsbereitschaft von Holt et al.
(2007), Prochaska et al. (2001), Cunningham et al. (2002) und Dalton und Gottlieb (2003)
unterscheidet sich der Ansatz von Gebert hinsichtlich seiner einfachen Struktur und der
konkreten Aussagen über die Wirkungszusammenhänge. Anhand zweier klar umrissener
Bewertungsprozesse lassen sich die gleichen Aussagen zur Innovationsbereitschaft treffen, wie
mit umfangreicheren Prozessbeschreibungen. Zudem spezifiziert Gebert den Zusammenhang
von Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit, indem er von einer multiplikativen
Verknüpfung dieser beiden Kernelemente ausgeht, um Innovationsbereitschaft zu
beschreiben. Diese multiplikative Verknüpfung wurde in einer breit angelegten Studie von
Krause (2004) empirisch bestätigt. Sie zeigte anhand einer Befragung von 399 in
Prozessinnovationen involvierten Personen, dass sich die Zahl der generierten und
implementierten Ideen nur dann erhöhte, wenn die Situation als veränderungsbedürftig und
als veränderbar eingeschätzt wurde. Fehlte die Wahrnehmung der Veränderbarkeit,
reduzierten sich innovationsförderliche Handlungen und die intrapsychische Anpassung sowie
die Flucht aus der Situation nahmen zu (Krause, 2004, S. 262 f.). In der beschriebenen
Untersuchung erklärte der Ausgang der zwei Bewertungsprozesse einen großen Teil der
Gesamtvarianz von Implementierung, Emotionen und Fluchtverhalten (jeweils Eta2 >.13)14. Die
hochsignifikanten Korrelationen bestätigten insgesamt die Vorhersagen des Modells (Krause,
2004, S. 263 f.). Auch frühere Studien von Gebert, Boerner und Lanwehr (2001) und Gebert,
Boerner und Lanwehr (2003) belegten die im Modell postulierten Zusammenhänge. Anhand
quantitativer Befragungen von 192 (Gebert et al., 2001) bzw. 101 (Gebert et al., 2003)
Entscheidungsträgern verschiedener Unternehmen zeigte sich die positive Wirkung von
situativer Kontrolle als Aspekt der zweiten Bewertungsphase auf die Innovativität der
Organisation als Ergebnis innovationsförderlichen Handelns.
Bezogen auf den umfassenden organisationalen Wandel im Zuge eines
Organisations-Re-Designs belegten Cunningham et al. (2002) ebenfalls die positive Wirkung
der Veränderungsbereitschaft auf veränderungsrelevante Handlungen. In ihrer Längsschnittstudie mit 880 Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen und Hierarchieebenen eines
kanadischen Krankenhauses fanden sie heraus, dass die Veränderungsbereitschaft sowie eine
aktive Lösung arbeitsbezogener Probleme die besten Prädiktoren für die engagierte Teilnahme
an Re-Design-Maßnahmen im darauffolgenden Jahr waren, unabhängig von der Position der
14
Eta2 als Effektstärkemaß von Varianzanalysen. Im Beispiel ist Eta 2 das Maß der Varianzaufklärung einer
mehrfaktoriellen Varianzanalyse. Nach Cohen (1988) handelt es sich bei Eta 2>.06 um einen mittleren
Effekt und bei Eta2>.14 um einen großen Effekt. Am Beispiel der Studie von Krause (2004) bedeutet Eta 2,
dass jeweils mehr als 13% der Unterschiede zwischen den Personen bezüglich der Implementierung,
Emotionen und des Fluchtverhaltens durch den Ausgang der Bewertungsprozesse erklärt wurden.
40
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
befragten Person. Je höher die Veränderungsbereitschaft, umso größer war das persönliche
Engagement für organisationale Veränderungen. Auch Holt et al. 82007) bestätigten die
positive Wirkung der erkannten Veränderungsnotwendigkeit, der wahrgenommenen
Nützlichkeit der Maßnahme sowie der veränderungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung
auf das affektive Commitment von Mitarbeitern für eine organisationale Umstrukturierung.
Zusammengefasst sprechen diese Befunde dafür, dem Modell von Gebert (1987, 2002) zu
folgen und eine handlungsleitende Veränderungsbereitschaft basierend auf dem Erkennen der
Veränderungsnotwendigkeit sowie der Veränderbarkeit der Situation zu definieren.
Übertragen auf den Kontext von Prozessinnovationen bedeutet das Modell von
Gebert, dass die Innovationsbereitschaft einer Führungskraft entsteht, indem sie den
Veränderungsbedarf der Arbeitsorganisation sowie Möglichkeiten zur Veränderung bewertet.
Wird ihr dabei bewusst, dass der Prozess oder das Ergebnis der Leistungserstellung
unbefriedigend sind und dass sie über Ressourcen oder den Zugang zu Ressourcen anderer
Personen verfügt, um die notwendigen Innovationen anzustoßen, münden diese beiden
Bewertungsprozesse in die individuelle Innovationsbereitschaft der Führungskraft. Als
Definition zusammengefasst heißt das:
Individuelle Innovationsbereitschaft ist das Erkennen und positive Bewerten
des
Veränderungsbedarfes
sowie
der
Veränderbarkeit
des
Leistungserstellungsprozesses und/oder der Leistungsergebnisse in einem
Unternehmen.
Innovationsbereitschaft lässt sich an dieser Stelle schwer von der allgemeinen
Bereitschaft für organisationale Veränderungen abgrenzen, da in der Startphase der
Unterschied zwischen organisationalem Wandel und einer Prozessinnovation noch nicht zu
Tage tritt. Wie im Abschnitt 2.1.1 der vorliegenden Arbeit angesprochen, lassen sich
Prozessinnovationen dem geplanten organisationalen Wandel zuordnen (Van de Ven & Poole,
1995), wobei aber erst im Nachhinein deutlich wird, inwieweit eine Neuartigkeit besteht und
damit die Bezeichnung „Innovation“ zugeschrieben werden kann. Damit können in den
veränderungsbezogenen Handlungen und deren Ergebnissen zwar Innovation und Wandel
voneinander unterschieden werden, in der den Handlungen und Ergebnissen vorgelagerten
Bereitschaft zur Veränderung jedoch noch nicht. Im Unterschied zu den Definitionen von
Veränderungsbereitschaft von Armenakis et al. (1993) oder Holt et al. (2007), formuliert
Gebert (1987, 2002) allerdings Innovationsbereitschaft explizit als multiplikative Verknüpfung
von Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit der Situation. Um dieser Spezifik Rechnung zu
tragen, wird nachfolgend der Begriff Innovationsbereitschaft verwendet sowie der Ansatz von
Gebert der weiteren Untersuchung zugrundegelegt. Hierfür werden auch Befunde zur
allgemeinen individuellen Veränderungsbereitschaft herangezogen, wenn eine
Übereinstimmung mit dem Konzept von Gebert gegeben ist.
inhaltliche
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
41
Sucht man nun nach Einflussfaktoren auf diese Bereitschaft zur Veränderung, finden
sich vorrangig Studien, welche die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter als abhängige
Variable definieren und in den Handlungen der Führungskräfte sowie in organisationalen
Rahmenbedingungen die unabhängigen Variablen sehen (z. B. Bernerth, 2004; Bouckenooghe,
2008; Elias, 2009; Desplaces, 2005; Prochaska et al., 2001; Shah, 2009; Simpson & Roan, 2003;
Steele-Johnson, Narayan, Delgado & Cole, 2010; Walker, Armenakis & Bernerth, 2007). Als
Determinanten der individuellen Veränderungsbereitschaft wurden hierin z. B. die
Unterstützung durch Vorgesetzte und das Top Management gefunden, die von
Führungskräften ausgehende Kommunikation zum organisationalen Wandel, das Empfinden
von Anerkennung und Verteilungsgerechtigkeit sowie das Vertrauen in Führungskräfte. Wie
Eby, Adams, Russell und Gaby (2000) in ihrer Studie zu individuellen und organisationalen
Faktoren zeigten, bildet die Wahrnehmung einer organisationalen Veränderungsbereitschaft
eine Grundlage für die individuelle Veränderungsbereitschaft, womit der Einfluss von
Kontextvariablen näher bestimmt wurde. Andere Studien, die sich ebenfalls mit dem
organisationalen Kontext als Einflussfaktor der Innovationsbereitschaft beschäftigen, lassen
sich nur begrenzt auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit anwenden. Bouckenooghe
(2008) und Holt et al. (2007) bestätigten bspw. die positive Wirkung der Partizipation, d.h. die
Teilhabe an Entscheidungen sowie der Implementierung der Veränderung. Diese Bedingungen
sind bei Führungskräften jedoch in der Regel gegeben (vgl. z. B. Hauschildt & Salomo, 2007,
S. 24; Jansen et al., 2009, S. 6 f.), womit anderen Faktoren betrachtet werden müssen, die auf
die Innovationsbereitschaft von Führenden einwirken. Aufbauend auf dem vorgestellten
Modell der Innovationsbereitschaft wird im nächsten Unterkapitel ein Zugang zu diesen
organisationalen Einflussfaktoren herausgearbeitet.
2.4.
Ansatzpunkt für die Förderung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften
Im vorangegangenen Kapitel wurde die Innovationsbereitschaft von Führungskräften
als eine Grundlage deren innovationsförderlichen Verhaltens sowie der organisationalen
Innovativität näher erläutert. Um zu erklären, wie die Bereitschaft von Führungskräften für
Prozessinnovationen entsteht, wurde das Modell von Gebert (1987, 2002) ausgewählt.
Basierend auf diesem Modell soll nun der Frage nachgegangen werden, wodurch diese
Innovationsbereitschaft von Führungskräften gefördert werden kann. Dazu wird bei dem
Prozess der kognitiven Informationsverarbeitung angesetzt, welcher wie dargestellt der
Bereitschaft zugrundeliegt. Aufgrund theoretischer und empirischer Befunde wird im Abschnitt
2.4.1 auf die Wirkung von Informationen und Wissen in diesem Modell eingegangen, womit
der Umgang mit Wissen und Informationen im Unternehmen als Einflussfaktor relevant wird.
Spezifiziert wird dieser Umgang als organisationale Absorptionsfähigkeit, die für sich
42
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
genommen bereits als innovationsförderlich gilt. Das Konstrukt der Absorptionsfähigkeit wird
im Abschnitt 2.4.2 ausführlich erläutert und ein umfassendes Verständnis dieser Fähigkeit für
die weitere Untersuchung erarbeitet. Damit wird der Ausgangspunkt für ein Modell zur
Förderung der Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch die organisationale
Absorptionsfähigkeit geschaffen, welches im Kapitel 3 konzipiert wird.
2.4.1.
Informationen und Wissen als Grundlage einer Beeinflussung
Innovationsbereitschaft resultiert entsprechend dem Modell von Gebert (1987, 2002)
aus
einem
kognitiv-evaluativen
Prozess.
Im
Mittelpunkt
steht
dabei
die
Informationsverarbeitung, die zu einer subjektiven Beurteilung der objektiven Situation führt.
Diese Bewertung unterliegt einerseits den individuellen Personenmerkmalen und andererseits
externen Einflussfaktoren (Gebert, 2002, S. 90). Zu den Merkmalen der Person zählen
beispielsweise die intrinsische Motivation für die Tätigkeit, eine internale Kontrollüberzeugung
und die aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung. Demnach fördert die Motivation
für die Ausübung der eigenen Tätigkeit die Innovationsbereitschaft dann, wenn die Tätigkeit
um ihrer selbst willen ausgeübt wird und nicht nur dem Erreichen von z. B. finanzieller
Belohnung dient (Gebert, 2002, S. 92 ff.). Bedeutsam ist weiterhin die subjektive Überzeugung,
durch das eigene Handeln die Umwelt beeinflussen zu können und positive wie negative
Ereignisse als Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu erleben (Gebert, 2002, S. 114 ff.).
Darüber hinaus beinhaltet die Erwartung der aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeit die
Annahme, aufgrund der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine im Arbeitskontext
notwendige Handlung selbst erfolgreich ausführen zu können (Gebert, 2002, S. 111 ff.})15.
Neben diesen individuellen Personenmerkmalen finden sich externe Einflüsse, welche auf die
der Innovationsbereitschaft zugrundeliegenden Bewertungsprozesse wirken. Zu diesen
externen Einflussfaktoren zählen der objektive Problemdruck, die organisationalen und
prozessualen Rahmenbedingungen sowie die Art der Führung (Gebert, 2002, S.90). Letztere
wird relevant, da sich Gebert auf die Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter konzentrierte
und nach der zielbezogenen Beeinflussung der Mitarbeiter durch Führungskräfte fragte. Seine
Ausführungen
lassen
sich
damit
nicht
unmittelbar
auf
Determinanten
der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften übertragen, sie werden im Kapitel 3 allerdings für
die Ableitung von Hypothesen genutzt. Bezogen auf die Innovationsbereitschaft von
Führungskräften ist an dieser Stelle jedoch relevant, dass dieser Bereitschaft ein kognitiver
15
Definition der intrinsischen Motivation nach von Rosenstiel (2000); Grundlagen zur Unterscheidung
von internaler und externaler Kontrollüberzeugung bei Rotter (1966); Grundlagen zum Konzept der
Selbstwirksamkeitserwartung bei Bandura (1977).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
43
Prozess der Informationsverarbeitung zugrunde liegt, womit eine Förderung derselben durch
die Bereitstellung und Präsentation von relevanten Informationen erwartet werden kann.
In diese Richtung gingen auch Armenakis und Kollegen (1993, S. 689), indem sie die
Rolle des Informationsmanagement für die Steigerung der individuellen Veränderungsbereitschaft für den organisationalen Wandel hervorhoben. Demnach sollten den zu
beeinflussenden Personen solche Informationen gegeben werden, die deren Wahrnehmung
einer Diskrepanz in der Unternehmenssituation erhöhen und sie gleichzeitig von der
Leistungsfähigkeit der Organisation für den geplanten Wandel überzeugen. Diese
Informationen stellen dabei Rohdaten dar, die in den subjektiven Verarbeitungsprozess seitens
der Führungskraft einfließen. Dort werden sie verknüpft und mit Bedeutung versehen, Wissen
entsteht (Pawlowsky, 1994, S. 180). Wissen geht über Informationen hinaus, weil es aus der
subjektiven Auswertung der als relevant erachteten Informationen resultiert und damit die
Gesamtheit der Erfahrungen eines Menschen widerspiegelt (Pawlowsky, 1994, S. 180). Im Zuge
des kognitiv-evaluativen Prozesses, der die Grundlage der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften bildet, entsteht daher für die Führungskraft neues Wissen. Abhängig von der
daraus resultierenden Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes und den Möglichkeiten zur
Veränderung der Unternehmenssituation, resultiert wiederum die Bereitschaft für eine
organisationale Veränderung. Bezogen auf die allgemeine individuelle Veränderungsbereitschaft arbeiteten auch Dalton und Gottlieb (2003) heraus, dass Informationen, die alternative
Sichtweisen
der
aktuellen
Situation
sowie
Änderungsmöglichkeiten
aufzeigen,
die
Veränderungsbereitschaft erhöhen.
Die Innovationsbereitschaft kann jedoch nicht nur durch objektive Informationen,
sondern auch vom Wissen16 anderer Personen beeinflusst werden, wie die Studie von Krause
(2004) zeigte. Basierend auf dem Modell von Gebert (1987, 2002) untersuchte sie die Wirkung
von Führung auf die Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter. Dabei fand sie, dass die Variable
Einflussnahme die Varianz der Innovationsbereitschaft besser erklärte als die Variable
Machtausübung durch Belohnung und Bestrafung (Krause, 2004, S. 288). Die Einflussnahme
16
Dieses Verständnis knüpft u. a. an die bereits ausgeführte Sicht von Pawlowsky (1994) an, wonach
„Informationen zunächst als Stimuli bzw. Daten zu verstehen [sind], die Input eines
Informationsverarbeitungs- bzw. Wissenssystems darstellen. […] Während Informationen [...] extern
verfügbar sein können, bedarf es eines Wissenssystems, diese Informationen so zu interpretieren und
anzuwenden“. Damit können „Informationen auf einer Vielzahl von Speichermedien, wie z.B. Büchern,
Datenbanken, aber auch im Gedächtnis von Individuen verfügbar sein“, aber Wissen kann „nur durch
Menschen realisiert werden“ Pawlowsky, 1994, S. 34 f.. Vereinfacht wird Wissen als „Annahmen über
die Realität“ definiert (ebd., S. 180), das gleichzeitig eine Verarbeitungsinstanz für neue Informationen
als auch das Ergebnis dieser Verarbeitung darstellt (ebd. S. 157). Im Unterschied zu Informationen, die
widersprüchlich sein können, „versucht Wissen oft gegensätzlich wirkende Informationen interpretativ
zu verbinden“(S. 35) und bildet so die „Gesamtheit aller Erfahrungen, die ein Mensch gemacht hat“ ab
(S. 180).
44
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
gründete sich dabei auf persönliche Ausstrahlung, Expertenwissen/Information, Gewährung
von Freiheitsgraden und Autonomie, innovationsbezogene Unterstützung sowie den Verzicht
auf Manipulation. Generell war Führung durch Einfluss einer Führung durch Macht, Vertrauen
oder Misstrauen überlegen, da Führung durch Einfluss nicht nur die Innovationsbereitschaft
positiv beeinflusste, sondern auch auf positive Emotionen und innovationsförderliche
Handlungen wirkte sowie die intrapsychischen Anpassung und Flucht aus der Situation
reduzierte (S. 323). Empirisch zeigte sich zudem, dass die größte Wirkung von Expertenwissen
und Informationen ausging. Deren Einsatz korrelierte hochsignifikant positiv mit der
Innovationsbereitschaft im Sinne Geberts, wobei ein besonders enger Zusammenhang mit
wahrgenommener Veränderbarkeit bestand (Krause, 2004, S. 282 f.).
Diese Bedeutung von Wissen findet sich auch in weiteren Ansätzen, die eine gezielte
Beeinflussung der Innovationsbereitschaft bzw. der Führungskraft fokussieren. So kann die
Bereitschaft für organisationale Veränderungen auch im Zuge persuasiver Kommunikation
beeinflusst werden (Armenakis et al., 1993, S. 688). Bei dieser Form der Kommunikation wird
eine bestimmte Sichtweise zu einer bestimmten Angelegenheit vertreten, wodurch andere
Personen von diesen Meinungen überzeugt werden und entsprechend ihre Einstellung
gegenüber dem betreffenden Objekt oder Subjekt ändern sollen (Aronson et al., 2010,
S. 237)17. Folgt man dem in diesem Forschungszweig etablierten Elaboration Likelihood Model
von Cacioppo und Petty (1984) und Petty, Kasmer, Haugtvedt und Cacioppo (1987), verläuft
die kommunikative Einflussnahme auf die Einstellungsänderungen über zwei Wege. Diese
Wege unterscheiden sich in Abhängigkeit von individuellen Voraussetzungen hinsichtlich ihrer
Art
der
Informationsverarbeitung.
Ist
der
Empfänger
für
die
Verarbeitung
der
einstellungsändernden Botschaft motiviert und fähig, erfolgt über den zentralen Weg („central
route“) eine tiefgründige kognitive Verarbeitung der Informationen und die nachfolgende
Einstellungsänderung wird zeitstabil und änderungsresistent sein (Cacioppo & Petty, 1984,
S. 234). Bei fehlender Motivation und/oder Fähigkeit erfolgt die Verarbeitung über die
Nebenroute („peripheral route“), wobei periphere Hinweisreize wie die wahrgenommene
Attraktivität, Glaubwürdigkeit oder Expertise der Informationsquelle anstelle inhaltlicher
Argumente verwertet werden (ebd.). Sollte aus der Verarbeitung über die Nebenroute eine
Einstellungsänderung resultieren, wird diese weniger stabil und verhaltenswirksam sein als die
über den zentralen Weg. Für eine dauerhafte Einstellungsänderung sind demnach die
vermittelten Informationen sowie die Art ihrer Verarbeitung ausschlaggebend. Im Kontext
organisationaler Veränderungen wurden diese Zusammenhänge bspw. von Bhattacherjee und
Sanford (2006) empirisch bestätigt. Auch wenn hier von Informationen die Rede ist, handelt es
17
Zentral ist bei dieser Forschungsrichtung die Frage „Wer sagt was zu wem über welchen Kanal mit
welcher Wirkung?“. Als grundlegend gilt hierfür die Arbeit von Hovland, Janis & Kelley (1953); vgl. auch
Aronson, Wilson & Akert (2010, S. 237) und Stroebe (2003, S. 279).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
45
sich nach dem Verständnis von Pawlowsky (1994) eher um das Wissen der Person, die durch
eine entsprechende Kommunikation die Einstellung einer anderen Person beeinflussen
möchte, da die einflussausübende Person ihre Annahme über die Realität der anderen Person
so nahe bringen möchte, dass diese ihre Annahmen entsprechend anpasst. Ähnliches
geschieht im Rahmen von mikropolitischem Handeln in Unternehmen.
Nach
einer
Minimaldefinition
von
Neuberger
(2006,
S. 191)
bedeutet
mikropolitisches Handeln, andere Personen gezielt zu instrumentalisieren, „um in
organisationalen Ungewissheitszonen eigene Vorstellungen und Interessen erfolgreich geltend
zu machen“. Dabei können mikropolitische Taktiken nicht nur repressiv, sondern auch
produktiv im Sinne der Organisation wirken. Dieser Fall kann auch als „Führung von unten“
bezeichnet werden, wenn dem Einfluss nicht nur eigennützige Motive zugrunde liegen,
sondern die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben anvisiert wird (Wunderer, 2009, S. 254). Auch
wenn die wissenschaftliche Diskussion zur Anzahl, Ausprägung und Wirkungsweise der
Taktiken noch andauert, hat sich Rationalität als eine wesentliche Form der Einflussnahme18 in
verschiedenen Studien bestätigt (z. B. Higgins, Judge & Ferris, 2003; Schriesheim & Hinkin,
1990; Yukl & Falbe, 1990; Wunderer, 1992). Kipnis, Schmidt und Wilkinson (1980) verstanden
darunter, eigene Vorhaben mithilfe von logischer Argumentation, Plänen, guten Gründen,
Informationen und Kompetenznachweisen durchzusetzen. Nach Blickle (2004, S. 84) besteht
diese Taktik des Argumentierens darin, „durch Informationen und Begründungen eine andere
Person zu Einstellungsänderungen oder Handlungen zu veranlassen“. Dazu werden logische
Argumente
vorgetragen,
detaillierte
Ausarbeitungen
vorgelegt
und
unterstützende
Informationen gegeben. Studien zum Einsatz dieser Taktik zeigten, dass sie die häufigste Form
der Einflussnahme von Mitarbeitern auf ihre Vorgesetzten ist (Wunderer, 1992; Yukl & Falbe,
1990). Auch wenn man von gewissen Antwortverzerrungen aufgrund sozialer Erwünschtheit
ausgehen kann19, ist die Relevanz der Rationalität für die Überzeugungsarbeit in Unternehmen
nicht zu leugnen (vgl. Neuberger (2006). Im Unterschied zu anderen Taktiken ist zudem ihre
Wirksamkeit bezüglich der Zielerreichung empirisch gut bestätigt, wie Higgins et al. (2003) in
einer Meta-Analyse von 23 Studien zeigten. Dabei scheint es sich um ein kulturübergreifendes
Phänomen zu handeln (Ping Ping Fu, Yukl, Kennedy, Srinivas, Cheosakul, Peng et al., 2001),
welches auch bei der Implementierung von Innovationen bedeutsam ist (Maute & Locander,
18
Weitere Taktiken sind z. B. einschmeicheln, Tauschhandel, selbstsicheres Fordern, höhere Instanzen
einschalten, Koalitionen bilden, blockieren, sanktionieren, inspirierende Appelle, konsultieren und
Eigenwerbung (Blickle, 2004, S. 84; Higgins, Judge & Ferris, 2003; Kipnis, Schmidt & Wilkinson, 1980;
Schriesheim & Hinkin, 1990) wobei die jeweiligen Operationalisierungen in Teilen voneinander
abweichen.
19
So mag es befragten Mitarbeitern angemessener erscheinen, ihre gezielte Beeinflussung von
Vorgesetzen als Bereitstellung von Daten und Fakten zu deklarieren, denn sozial weniger erwünschte
Taktiken wie das Einschmeicheln oder die Bildung von Koalitionen zu nennen (vgl. dazu auch Neuberger,
2006, S. 196 f.)
46
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
1994). Auch bei der Taktik der Rationalität werden einerseits Informationen an die
Führungskraft weitergegeben, andererseits sind diese Informationen bereits subjektiv mit
Bedeutung versehen und stellen wiederum Wissen der einflussausübenden Person dar.
Damit wird deutlich, dass sowohl Informationen als auch Wissen das Potenzial
haben, die Innovationsbereitschaft von Führungskräften zu beeinflussen. Vor dem Hintergrund
dieser Befunde und der bereits skizzierten kognitiven Perspektive auf Innovationsbereitschaft,
erfolgt die Schwerpunktsetzung dieser Arbeit. Die Förderung der Innovationsbereitschaft wird
basierend auf der Bereitstellung und Auseinandersetzung mit Informationen und Wissen
analysiert. An dieser Stelle lässt sich damit auch die Verbindung zu generellen Erfolgsfaktoren
von Prozessinnovationen herstellen. Mehrere Studien bestätigen empirisch, dass Wissen sowie
der intraorganisationale Umgang damit eine relevante Größe für das erfolgreiche
Management von Innovationsprozessen ist (z. B. Adams et al., 2006; Amara, Landry, Becheikh
& Ouimet, 2008; Blume & Gerstlberger, 2007; Calantone et al., 2002; Damanpour, 1991;
Garcia-Morales, Ruiz-Moreno & Llorens-Montes, 2007; Reichstein & Salter, 2006). Ein
wesentlicher Aspekt ist hierbei die Verknüpfung von neuem Wissen mit bereits vorhandenem
und
dabei
insbesondere
die
Verbindung
von
unternehmensinternen
mit
unternehmensexternen Wissen (Adams et al., 2006, S. 29). Diese Verbindung wird unter dem
Begriff absorptive capacity diskutiert, worunter die Fähigkeit verstanden wird, relevantes
unternehmensexternes Wissen zu erkennen, in die eigene Organisation aufzunehmen und
letztendlich in wertschaffende Produkte oder Dienstleistungen umzusetzen (Cohen &
Levinthal, 1990; Dyer & Singh, 1998; Lane, Koka & Pathak, 2006; Zahra & George, 2002). Diese
Absorptionsfähigkeit20 beschreibt damit sowohl Prozesse der Aufnahme und Nutzung
unternehmensexternen Wissens als auch Verarbeitungsprozesse innerhalb des Unternehmens.
Aufgrund dieser umfassenden Sichtweise wird das Konzept der Absorptionsfähigkeit
herangezogen, um die Förderung der Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch den
organisationalen Umgang mit Wissen und Informationen herauszuarbeiten und empirisch
untersuchen zu können. Dazu werden zunächst die existierenden Konzepte zur
organisationalen Absorptionsfähigkeit vorgestellt und daraus ein Verständnis für die
vorliegende Arbeit abgeleitet.
20
In englischsprachigen Publikationen wird der Begriff absorptive capacity verwendet, womit allerdings
eine Fähigkeit zur Aufnahme und Nutzung externen Wissens beschrieben wird. Entsprechend dieser
inhaltlichen Bedeutung wird in der vorliegenden Arbeit nicht von Aufnahmekapazität sondern von
Absorptionsfähigkeit gesprochen, wie bspw. auch bei Gerlach (2008) und Niemojewski (2005).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
2.4.2.
47
Konzept der Absorptionsfähigkeit
Absorptionsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit von Individuen und Organisationen21
zur Identifikation von relevantem, externem Wissens, dessen Aufnahme und Anpassung an das
eigene Unternehmen und die letztendlich wertsteigernde Nutzung, die sich positiv auf die
Innovativität und den Unternehmenserfolg auswirken (Cohen & Levinthal, 1990; Dyer & Singh,
1998; Lane et al., 2006; Zahra & George, 2002)22. Das Konzept der Absorptionsfähigkeit
gründete sich zunächst auf empirischen Befunden, welche die Relevanz von Wissensquellen
außerhalb einer Organisation für den Erfolg von Innovationen belegten. Cohen und Levinthal
(1990, S. 128) erachteten aufgrund dieser Erkenntnisse die Fähigkeit zur Bewertung,
Anpassung und wirtschaftlichen Nutzung des unternehmensexternen Wissens als wesentliche
Komponente der Innovationsfähigkeit einer Organisation. Spätere Studien belegten die
positive Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die organisationale Innovativität (z. B. GarciaMorales et al., 2007; Fosfuri & Tribó, 2008; Liao, Fei & Chen, 2007; Oltra & Flor, 2003).
Inzwischen wurde das Konzept auf weitere Bereiche der Organisationsforschung ausgedehnt
und z. B. von Mu, Tang und MacLachlan (2010) und Muscio (2007) zum Verständnis von interund intraorganisationalen Netzwerken herangezogen, von Gerlach (2008) zur Beschreibung
von Internationalisierungsprozessen genutzt oder von Phelps, Adams und Bessant (2007) für
die Erklärung von Unternehmenswachstum angewendet (für einen Überblick siehe auch
Camisón & Forés, 2010 und Zahra & George, 2002).
Als Absorptionsfähigkeit verstanden Cohen und Levinthal (1990, S. 128) “the ability of
a firm to
(1) recognize the value of new, external information,
(2) assimilate it,
(3) and apply it to commercial ends”.
21
Dabei liegt das Hauptaugenmerk der Arbeiten zur Absorptionsfähigkeit auf der organisationalen
Ebene, wobei diese organisationale Fähigkeit auf dem Verhalten der Organisationsmitglieder sowie
deren individuellen kognitiven Strukturen basiert. So beschrieben Cohen und Levinthal (1990) S.131)
Absorptionsfähigkeit auch auf der individuellen Ebene und betonten die Relevanz der Personen an den
Schnittstellen zur Umwelt als auch innerhalb des Unternehmens. Ebenso sahen Lane et al. (2006, S. 857)
als Ergebnis ihres Reviews zum Konzept der Absorptionsfähigkeit die individuellen Kognitionen als
wesentliche unternehmensinterne Determinante der organisationalen Fähigkeit an.
22
Dabei nahmen Cohen und Levinthal (1990) als Begründer des Konzeptes keine Unterscheidung
zwischen Information und Wissen vor, was auch von nachfolgenden Studien und Konzeptionen so
beibehalten wurde. Da zudem der Begriff Wissen umfassender ist (vgl. Abschnitt 2.4.1), wird dieser den
weiteren Ausführungen zugrunde gelegt und wo notwendig eine Differenzierung bezüglich des Begriffes
Information vorgenommen.
48
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Diese Fähigkeit zur Wissensaufnahme verweist damit zunächst auf einen Blick über
Organisationsgrenzen hinweg, um dort neues Wissen für das eigene Unternehmen
aufzuspüren. Sodann tritt die Aufnahme und unternehmensinterne Einbindung des externen
Wissens in den Fokus, gefolgt von der nutzstiftenden Umsetzung zur Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit. Das Phänomen der Absorptionsfähigkeit tangiert also drei relativ
heterogene Aspekte des Organisationsalltags, die allerdings miteinander verwoben sind.
Entscheidend für die Aufnahmefähigkeit neuen Wissens ist dabei das Vorwissen in der
Organisation, je umfangreicher und vielfältiger es ist, umso mehr Anschlussstellen bietet es für
extern verfügbares Wissen (Cohen & Levinthal, 1990, S. 128). Für die Verteilung und
Verwertung des akquirierten Wissens im Unternehmen muss allerdings innerhalb der
Organisation eine ausreichend große Überlappung zwischen den Wissensbeständen der
Mitglieder bestehen, damit die interne Kommunikation und dadurch die Nutzung des externen
Wissens möglich werden (ebd., S. 133). Insgesamt wird Absorptionsfähigkeit als ein sich
selbstverstärkender Regelkreis betrachtet, der aufgrund von Pfadabhängigkeit zur
Wissenszunahme in einem spezifischen Bereich führt (ebd., S. 136)23. Verorten lässt sich die
Fähigkeit sowohl auf der Ebene des Individuums, als auch auf der Gruppen- und
Organisationsebene. Dabei ergibt sich die organisationale Absorptionsfähigkeit nicht einfach
aus der Summe der individuellen Absorptionsfähigkeiten, sondern weißt zusätzliche Aspekte
auf, die aus dem internen Transfer von Wissen innerhalb und über Abteilungen hinweg
entstehen (ebd., S. 131).
Seit dieser ersten Formulierung wurde das Konzept insbesondere durch Zahra und
George (2002) sowie Lane et al. (2006) erweitert und differenziert. Zahra und George (2002)
etablierten dabei das Verständnis von Absorptionsfähigkeit als dynamic capability im Sinne von
Teece, Pisano und Shuen (1997, S. 516). Demnach handelt es sich um eine Meta-Fähigkeit
bezogen auf die Generierung und Nutzung von Wissen, die dauerhafte Wettbewerbsvorteile
ermöglicht (Zahra & George, 2002, S. 185). Entsprechend definierten sie „[absorptive capacity]
as a set of organizational routines and processes by which firms acquire, assimilate, transform,
and exploit knowledge to produce a dynamic organizational capability” (Zahra & George, 2002,
S. 186).
23
Bei dem Konzept der Pfadabhängigkeit wird davon ausgegangen, dass in der Vergangenheit
getroffene Entscheidungen und eingebürgerte Denkweisen oder Routinen in die Gegenwart derart
hineinwirken, dass diese Pfadabhängigkeiten die potenziellen Handlungsalternativen einengen und
somit die zukünftigen Entwicklungsrichtungen beeinflussen (Beyer, 2005, S. 6). Bezogen auf die
Absorptionsfähigkeit ergibt sich eine Pfadabhängigkeit dadurch, dass akquiriertes Wissen der ersten
Periode die Anschlussfähigkeit für neues externes Wissen in der zweiten Periode determiniert, welches
wiederum auf die Aufnahmefähigkeit in der dritten Periode wirkt und so fort. Damit kommt es bspw. zur
Anhäufung von technologischen Wissen in einem bestimmten Bereich, in welchem dann eine hohe
Absorptionsfähigkeit besteht, während die generelle Absorptionsfähigkeit für ein breites Spektrum an
Wissensbeständen reduziert werden kann (vgl. Cohen & Levinthal, 1990, S. 136; Zahra & George, 2002).
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
49
Somit vereint die Absorptionsfähigkeit die vier Teilfähigkeiten:
(1) Akquisition: Identifizieren und erwerben von unternehmensextern
generiertem Wissen, das für das eigene Unternehmen bedeutsam ist.
(2) Assimilation: Analysieren, verarbeiten, interpretieren und verstehen des
Wissens aus externen Quellen.
(3) Transformation: Kombinieren von neuem mit vorhandenem Wissen
durch hinzufügen, löschen oder re-interpretieren von Wissen.
(4) Verwertung externen Wissens: Akquiriertes und transformiertes Wissen
in Handlungen überführen, um dadurch Kompetenzen des
Unternehmens zu verfeinern, auszuweiten, wirksam einzusetzen oder
neu zu schaffen (ebd., S. 189 f.).
Die beiden erstgenannten Dimensionen fassten die Autoren als potenzielle
Absorptionsfähigkeit auf, worunter sie die prinzipielle Empfänglichkeit der Organisation für
externes Wissen verstanden (Zahra & George, 2002, S. 190). Diese drückt sich in der
Identifikation von relevantem Wissen, dessen Aufnahme, Interpretation und Verstehen aus,
analog zu den Phasen der Bewertung und Akquisition externen Wissens bei Cohen
und Levinthal (1990). Die Nutzung des aufgenommen Wissens zum Vorteil des Unternehmens
beschrieben Zahra und George (2002, S. 190) mit dem Begriff realisierte Absorptionsfähigkeit.
Darunter fallen sowohl die Transformation im Sinne einer Kombination von vorhandenem mit
neuartigem Wissen als auch dessen Überführung in Handlungen, um die Fähigkeiten der
eigenen Organisation zu verbessern (ebd.). Wie hoch die tatsächliche Wertschöpfung aus dem
externen
Wissen
ist,
hängt
vom
Verhältnis
der
realisierten
zur
potenziellen
Absorptionsfähigkeit ab. Zahra und George (2002, S. 191) verwendeten hierfür die
Bezeichnung Effizienzfaktor. Je höher dieser ist, d.h. je mehr des externen, assimilierten
Wissens unternehmensintern mit vorhandenem Wissen verknüpft wird sowie in Prozesse und
Routinen einfließt, umso höher ist die Wertschöpfung. Im Unterschied zu Cohen und Levinthal
(1990) gingen Zahra und George (2002) mit ihrer Konzeption nicht mehr von einer
sequenziellen Abfolge der Phasen aus, sondern sahen die vier Komponenten der
Absorptionsfähigkeit als voneinander unabhängig, wobei erst aus deren Zusammentreffen,
gemessen als Effizienzfaktor, nachhaltige Wettbewerbsvorteile für ein Unternehmen
entstehen.
Die zweite einflussreiche Überarbeitung erfuhr das Konzept der absorptiven Fähigkeit
durch Lane, Koka und Pathak (2006). In einem umfangreichen Review von 289 Journalartikeln,
die im Zeitraum 1991-2002 erschienen und sich explizit auf Cohen und Levinthal (1990)
bezogen, gingen die Autoren den Kernfragen nach, wie das Konstrukt der Absorptionsfähigkeit
genutzt wird und wie hoch die Übereinstimmung dazu innerhalb der Forschungsgemeineschaft
ist.
50
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Als Ergebnis formulierten sie auf Grundlage der Originalarbeiten von Cohen und Levinthal
(1990) eine erweiterte Definition der Absorptionsfähigkeit24. Als Absorptionsfähigkeit
bezeichneten Lane et al. (2006, S. 856) “a firm’s ability to utilize externally held knowledge
through three sequential processes:
(1) recognizing and understanding potentially valuable new knowledge
outside the firm through exploratory learning,
(2) assimilating valuable new knowledge through transformative learning,
(3) and using the assimilated knowledge to create new knowledge and
commercial outputs through exploitative learning.”.
Damit postulierten sie drei separate Dimensionen der absorptiven Fähigkeit, die explizit mit
spezifischen Lernformen verbunden und als sequentielle Abfolge verstanden werden. In der
ersten Phase wird potenziell wertvolles Wissen außerhalb der Organisation durch
entdeckendes Lernen erkannt und bewertet. Das wertvolle, neue Wissen wird in der zweiten
Phase assimiliert, indem es im Unternehmen mit vorhandenem Wissen verknüpft wird, einen
Prozess den Lane et al. (2006, S. 855) als transformatives Lernen bezeichnen. Das so
geschaffene Wissen wird in der dritten Phase im Zuge exploitativen Lernens nutzenstiftend
angewendet, indem sowohl neues Wissen als auch kommerzielle Erzeugnisse wie Produkte,
Dienstleistungen oder immaterielle Güter erzeugt werden. Absorptionsfähigkeit als Fähigkeit
von Unternehmen, extern vorliegendes Wissen zu nutzen, wird damit als Prozess beschrieben,
der drei voneinander getrennte Schritte mit jeweils spezifischen Anforderungen und
Grundlagen beinhaltet.
Parallel zu Lane et al. (2006, S. 856) arbeiteten Todorova und Durisin (2007) an einer
Rekonzeptionalisierung der Absorptionsfähigkeit, indem sie an das Verständnis von Zahra und
George (2002) anknüpften. Sie kritisierten an deren Konzept der Absorptionsfähigkeit eine zu
geringe und zu unsystematische Verankerung in den ursprünglichen Arbeiten von Cohen
und Levinthal (1989, 1990), weshalb sie „recognize the value“ als erste Phase von Cohen
und Levinthal (1990) wieder einbezogen und Transformation als die dritte Phase bei Zahra
und George (2002) zeitgleich zur zweiten Phase der Assimilation konzipierten. Todorova
und Durisin
(2007,
S. 777 ff.)
postulierten
damit
als
drei
Komponenten
der
Absorptionsfähigkeit:
(1) „recognizing the value of new external knowledge”
(2) “assimilation or transformation“
(3) „value creation“
24
Nachdem sie verschiedene Umsetzungen des Originalkonzeptes der Absorptionsfähigkeit feststellten,
zielte sie mit der Neu-Definition auf eine größere Kohäsion innerhalb der Forschungsgemeinschaft ab,
um den Erkenntnisfortschritt im Forschungsfeld zu steigern.
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
51
Die Wiedereinführung der Bewertung externen Wissens als erste Phase begründeten Todorova
und Durisin (2007, S. 777) damit, dass vor einer Aufnahme neuen Wissens zunächst dessen
Wert bestimmt werden muss und diese Bewertung nicht automatisch abläuft, weshalb sie eine
eigenständige, da erfolgskritische Komponente der Absorptionsfähigkeit darstellt. Mit den
Prozessen Assimilation und Transformation beschrieben sie die zweite Komponente der
Absorptionsfähigkeit durch zwei alternative Wege der Wissensintegration. Durch Assimilation
wird das externe Wissen in bestehende Wissensstrukturen des Unternehmens eingebunden,
während im Zuge der Transformation eine Anpassung der bestehenden Strukturen an das
neue Wissen erfolgt. Mit dieser Konzeption lehnten sie sich an Piaget (1952) als Theorie
individuellen Lernens sowie empirischen Befunden zum organisationalen Lernen (z. B.
Tushman & Anderson, 1986) an, wonach die Anpassung der vorhandenen kognitiven
Strukturen (Akkommodation bei Piaget) entscheidend für die individuelle Leistungsfähigkeit
bzw. die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist. Indem Assimilation und
Transformation als zwei parallele Möglichkeiten für die Integration des externen neuen
Wissens in das Unternehmen verstanden wurden, veränderten Todorova und Durisin (2007)
auch das Modell der potenziellen und der realisierten Absorptionsfähigkeit von Zahra und
George (2002). Da Todorova und Durisin (2007) die Transformation zur zweiten Phase zählten,
wurde diese so der potenziellen Absorptionsfähigkeit zugerechnet. Als Konsequenz setzten
Todorova und Durisin (2007, S. 779) die Wertsteigerung durch das neue Wissen als dritte
Komponente der Absorptionsfähigkeit mit der realisierten Absorptionsfähigkeit gleich. Sind in
einem Unternehmen alle drei Komponenten hoch ausgeprägt, resultieren daraus
Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen, die sich in der Flexibilität, in Innovationen und der
Unternehmensleistung als Ganzes ausdrücken (S. 776).
Auf das Modell von Zahra und George (2002) baute auch die jüngste
Konzeptüberarbeitung von Camisón und Forés (2010) auf, die wiederum von Zahra und
George‘ (2002) Verständnis der Assimilation und Transformation und ebenfalls von den
Annahmen Todorova und Durisin (2007) dazu abwich. Camisón und Forés (2010, S. 709) sahen
in der Assimilation eine bloße Aufnahme von externem Wissen in das Unternehmen und in der
Transformation eine Anpassung des externen Wissens an die Strukturen des Unternehmens.
Damit geschieht erst durch das Transformieren die Integration des externen Wissens, im
Unterschied zu Todorova und Durisin (2007), die auch der Assimilation diese Aufgabe mit
zuschrieben. Dementsprechend zählten Camisón und Forés (2010) wie auch Zahra und George
(2002) die Aufnahme des Wissens durch Assimilation zur potenziellen Absorptionsfähigkeit, die
Integration des Wissens durch Transformation zur realisierten Absorptionsfähigkeit: „PACAP
[potenzielle Absorptionsfähigkeit, Anm. der Autorin], which knowledge acquisition and
assimilation capabilities show, captures a firm's efforts expended in valuing, acquiring and
assimilating new external knowledge. RACAP [realisierte Absorptionsfähigkeit, Anm. der
Autorin], which is reflected in knowledge transformation and application, represents the firm's
52
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
ability to integrate and reconfigure the existing internal knowledge and the newly assimilated
knowledge and to incorporate this transformed knowledge into firms' systems, processes,
routines and operations, not only to refine existing knowledge and competences but also to
create new operations and competences.“ (Camisón & Forés, 2010, S. 709). Damit gingen sie
von den folgenden Dimensionen der Absorptionsfähigkeit aus:
(1) Akquisition: Lokalisieren, identifizieren, bewerten und erwerben des
externen, relevanten Wissens.
(2) Assimilation: Analysieren, verarbeiten, interpretieren, verstehen,
internalisieren und klassifizieren des erworbenen Wissens.
(3) Transformation: Verbindung des neuen, externen Wissens mit bereits
vorhandenem, internem Wissen durch kreative Prozesse, die Wissen
hinzufügen oder in neuartiger Weise kombinieren.
(4) Anwendung: Überführung des neuen Wissens in Handlungen und
Routinen, um interne Prozesse zu verbessern, Kompetenzen zu
erweitern oder gänzlich neu zu schaffen.
Diese vier Dimensionen operationalisierten Camisón und Forés (2010) u.a. auf der Basis
früherer Arbeiten (z. B. von Jansen J., Van den Bosch & Volberda, 2005; Lane, Salk & Lyles,
2001; Liao, Welsch & Stoica, 2003; Nieto & Quevedo, 2005). Unter Akquisition fallen nach
Camisón und Forés (2010, S. 714) z. B. die Beobachtung von Wettbewerbern oder Forschungsund Entwicklungskooperation mit externen Partnern. Assimilation zeigt sich z. B. darin, das
Wissen und die Erfahrungen von Mitarbeitern für die Interpretation neuen Wissens
heranzuziehen oder in der Teilnahme von Organisationsmitgliedern am wissenschaftlichen
Austausch mit Unternehmensexternen. Für die Transformation sind z. B. die systematische
Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie zum unternehmensinternen
Wissensaustausch sowie die Förderung desselben kennzeichnend, die Anwendung erfolgt
schließlich durch die Überführung technologischen Wissens in Produkt- oder Prozesspatente
sowie die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch Innovationen.
Ein Blick auf diese fünf konzeptbildenden Arbeiten zeigt, dass die Diskussion zu
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit sowie deren Abgrenzung voneinander noch nicht
abgeschlossen ist. Dabei ist diese Diskussion auch in den größeren Rahmen des
organisationalen Lernens einzubetten (vgl. z. B. Sun & Anderson, 2010), weil aufgrund
konzeptioneller Ähnlichkeiten Erkenntnisse aus dem Forschungsfeld zum organisationalen
Lernen für die Definition von Phasen oder Komponenten der Absorptionsfähigkeit
herangezogen werden können. Als organisationales Lernen werden kollektive Lernprozesse in
Unternehmen bezeichnet, die „eine Anpassung an die System- bzw. Umweltdynamik, die
Veränderung einer gemeinsam geteilten Wirklichkeitskonstruktion und die Entwicklung einer
Wissensbasis [ermöglichen] oder allgemein mit der Erhöhung der Handlungskompetenz und
Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit assoziiert werden [können]“ wie Menzel (2009,
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
53
S. 56) den aktuellen Stand der Diskussion als Definition zusammenfasste25. Zentral für den
Bezug zur Absorptionsfähigkeit sind hierbei die Aufnahme und Umsetzung von neuem Wissen
sowie die daraus folgende Verbesserung organisationaler Handlungen und Ergebnisse (vgl.
dazu auch Fiol & Lyles, 1985, S. 803 und Sun & Anderson, 2010, S. 131).
Auch wenn ein Zusammenhang von Absorptionsfähigkeit und organisationalem
Lernen damit offensichtlich scheint, differenzieren doch die Annahmen über dessen konkrete
Gestalt. Erstens kann Absorptionsfähigkeit als eine Bedingung von organisationalem Lernen
gesehen werden (z. B. Reagans & McEvily, 2003), zweitens stellt sie auch ein Ergebnis
desselben dar (z. B. Liao et al., 2007) und drittens kann die Beziehung zwischen beiden als
wechselseitige Abhängigkeit verstanden werden (z. B. Tsai, 2001). So fasste auch Gerlach
(2008, S. 8 f.) zusammen, dass Absorptionsfähigkeit sowohl Ausgangspunkt als auch Resultat
des organisationalen Lernens ist. Als Ausgangspunkt dient sie, weil mit ihrer Hilfe externes
Wissen innerhalb des Unternehmens für Lernprozesse verfügbar gemacht wird, ein Resultat
organisationalen Lernens stellt sie dar, weil sich durch Lernprozesse die organisationale
Wissensbasis und damit die Absorptionsfähigkeit verändern. Sun und Anderson (2010,
S. 137 ff.) konstatierten eine große Übereinstimmung der nomologischen Netze26 beider
Konstrukte, indem sie deren theoretischen Hintergrund, die jeweiligen Einflussfaktoren sowie
Ergebnisse verglichen. Zusammenfassend sahen sie Absorptionsfähigkeit als spezielle Form des
organisationalen Lernens, die sich vorrangig mit der erfolgreichen Aufnahme und Verwertung
unternehmensexternen Wissens auseinandersetzt. Dieser Argumentation folgt auch die
vorliegende Arbeit. Damit lassen sich die Unterschiede in den Konzepten der
Absorptionsfähigkeit an Phasen des organisationalen Lernens spiegeln und eine Begriffsklärung
für die eigene Arbeit ableiten.
Fasst man zunächst die Konzeptionen der Absorptionsfähigkeit zusammen, existieren
zwei Arten der Differenzierung ihrer Dimensionen oder Phasen (siehe auch Tabelle 2-1).
Einerseits werden auf der Basis von Cohen und Levinthal (1990) drei separate, sequentiell
verbundene Dimensionen des Erkennens, Aufnehmens und Verwertens relevanten, externen
Wissens beschrieben, wobei die letzte Phase bereits innovative Prozesse, Produkte und
Dienstleistungen beinhaltet (Vertreter: Cohen & Levinthal, 1990; Lane et al., 2006, in Teilen
25
Ausführliche Darstellung zu historischen Entwicklung, theoretischen Perspektiven und Anwendungen
des Konzeptes organisationales Lernen bei Menzel (2009, S. 52 ff.), ein früherer Überblick dazu bei
Pawlowsky und Neubauer (2001).
26
Als nomologisches Netz wird im Kontext der Konstruktvalidität psychologischer Tests das
Beziehungsgeflecht zwischen (latenten) Konstrukten und beobachtbaren Testvariablen beschrieben.
Damit wird die konkrete Bedeutung eines Konstruktes geklärt, indem die zugrundeliegenden Indikatoren
benannt sowie Anknüpfungspunkte oder Überlappungsbereiche mit anderen Konstrukten beleuchtet
werden (vgl. z. B. Bühner, 2006, S. 97). Sun und Anderson (2010, S. 137 ff.) nutzen diese Bezeichnung
von Cronbach & Meehl (1955), um die konzeptionellen Ähnlichkeiten von organisationalem Lernen und
Absorptionsfähigkeit systematisch abbilden zu können.
54
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
auch Camisón & Forés, 2010). Dagegen werden ausgehend von Zahra und George (2002) die
vier Dimensionen Akquisition, Assimilation, Transformation und Anwendung externen,
relevanten Wissens unterschieden. Diese vier werden zur potenziellen bzw. realisierten
Absorptionsfähigkeit zusammengefasst, Wettbewerbsvorteile resultieren dann aus dem
Verhältnis von realisierter zu potenzieller Fähigkeit. Die unmittelbare kommerzielle
Verwertung des neuen Wissens in Form innovativer Produkte und Dienstleistungen ist hier
nicht direkter Bestandteil der Konzeption, sondern ergibt sich als Konsequenz der
Absorptionsfähigkeit (Vertreter: Zahra & George, 2002; in Teilen Camisón & Forés, 2010 und
Todorova & Durisin, 2007).
Tabelle 2-1. Überblick zu theoretischen Konzepten der Absorptionsfähigkeit
Autoren
Cohen und
Levinthal
(1990)
Zahra und
George
(2002)
Lane, Koka und
Pathak
(2006)
Todorova
und Durisin
(2007)
Camisón und
Forés
(2010)
Erkennen
und Bewerten
recognize the
value of new,
external
information
knowledge
acquisition
(identify and
acquire)
recognizing &
understanding
potentially
valuable new
knowledge
outside the firm
recognizing the
value of new
external
knowledge
acquisition
capacity
Aufnehmen
assimilate new,
external
information
assimilation
assimilating
valuable new
knowledge
assimiation or
transformation
assimilation
capacity
Dimension
Anpassen
transformation
Verwerten
apply it to
commercial
ends
exploitation
transformation
capacity
create new
knowledge &
comer-cial
outputs
value creation
application or
exploitation
capacity
Gemeinsam ist allen Konzeptionen, dass in irgendeiner Weise für das Unternehmen
relevantes, externes Wissen erkannt, in das eigene Unternehmen aufgenommen, dort
verarbeitet, in Handlungen und Prozesse umgesetzt und wertsteigernd in Prozesse oder
Produkte überführt werden muss.
Um aus diesen Gemeinsamkeiten und Unterschieden für die vorliegende Arbeit einen
Konsens zu erarbeiten, können die genannten Dimensionen zu Phasen des organisationalen
Lernens in Bezug gesetzt werden (vgl. dazu auch Sun & Anderson, 2010). Für diesen Bezug
bietet sich die Arbeit von Pawlowsky (1994) an, in der systematisch verschiedene Modelle des
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
55
organisationalen Lernens untersucht und zusammengefasst wurden27. Als ein Ergebnis seiner
Systematisierung leitete Pawlowsky (1994, S. 305) folgende organisationale Lernphasen ab:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Erkennen von Informationen und Wissen
Verteilung der Information
Bearbeitung und
Integration in bestehende Wissenssysteme sowie
Umsetzung des Gelernten in Routinen, Verhalten und veränderten
Strukturen.
Komprimiert bezeichnete er die Phasen als (1) Identifikation, (2) Diffusion, (3) Integration, (4)
Modifikation und (5) Aktion (ebd. S. 307) Anders als bei den Konzepten der
Absorptionsfähigkeit schließt sich hier an die erste Phase der Identifikation als zweite Phase
die Informationsverteilung (Diffusion) an. Nachfolgend werden die Informationen in das
bestehende Wissenssystem eingebunden, was sowohl der Assimilation als auch der
Transformation im Verständnis der Absorptionsfähigkeit von Cohen und Levinthal (1990),
Camisón und Forés (2010), Lane et al. (2006), Todorova und Durisin (2007) oder Zahra und
George (2002) entspricht. Die vierte Phase der Modifikation beinhaltet bei Pawlowsky (1994,
S. 305) dann die Veränderung des Wissenssystems, was im Kontext der Absorptionsfähigkeit
als Transformation (Zahra & George, 2002, Todorova & Durisin, 2007) oder als nutzstiftende
Verwertung des neu generierten Wissens gesehen werden kann (Cohen & Levinthal, 1990,
Camisón & Forés, 2010; Lane et al., 2006, Todorova & Durisin, 2007, Zahra & George, 2002). In
der letzten Phase, der Aktion, wird das neue Wissen in Handlungen umgesetzt, womit
ebenfalls die nutzenstiftende Verwertung des neuen Wissens erfolgt28.
Zu beachten ist, dass Pawlowsky (1994) zunächst zwar von einem fünfstufigen
Modell der Lernphasen ausging, dann aber die Phasen drei (Integration der Informationen)
und vier (Modifikation von Wissenssystemen) zusammen als engere Form des Lernens
behandelte (S. 324 ff.). Hierin zeigt sich eine Analogie zum individuellen Lernen, welches in
Form von Assimilation und Akkommodation geschieht (zusammengefasst bei Piaget, 1991).
Assimilation
bedeutet
dabei
die
Aufnahme
von
neuem
Wissen
in
vorhandene
27
Sun und Anderson (2010) wählten ein ähnliches Vorgehen und zeigten dabei die Verbindung von
Absorptionsfähigkeit mit Phasen des organisationalen Lernens. Sie bezogen sich dabei auf das Model
des organisationalen Lernens von Crossan, Lane & White (1999) und konzipierten den Einfluss der vier
sozio-psychologische Prozesse Intuition, Interpretation, Integration und Institutionalisierung auf die vier
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit von Zahra und George (2002). Ihre Ergebnisse tragen im Kontext
der vorliegenden Arbeit allerdings nicht zur Klärung der Dimensionen bei.
28
In späteren Arbeiten zum Wissensmanagement erweiterte Pawlowsky (1998) die Lernphasen um die
Generierung als zweite Phase. Im Kontext der Absorptionsfähigkeit erfolgt diese Erzeugung neuen
Wissens im Rahmen der Transformation bzw. nutzstiftenden Verwertung (Camisón & Forés, 2010;
Cohen & Levinthal, 1990; Lane, Koka & Pathak, 2006; Todorova & Durisin 2007; Zahra & George, 2002).
56
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
Wissensstrukturen (Lernen als ein „mehr des Selben“), bei der Akkommodation findet dagegen
eine Anpassung der individuellen Wissensstrukturen an die Spezifik der Situation statt, um eine
bessere
Übereinstimmung
mit
der
Umwelt
zu
erreichen
(Lernen
als
kreativer
Problemlöseprozess). Ein Gleichgewicht beider Prozesse ist für Lernen und Weiterentwicklung
notwendig, wobei abwechselnd eine Form die andere dominiert (Piaget, 1991, S. 32 ff.).
Während Todorova und Durisin (2007, S. 778) auf Piaget (1952) zurückgriffen und Assimilation
und Transformation als zwei alternative Wege der Wissensintegration in das Unternehmen
herausstellten, erfolgte bei Zahra und George (2002) und Camisón und Forés (2010) das Lernen
durch Akkommodation zum Teil in der dritten Phase aufgrund kreativer Prozesse, zum Teil
aber auch in der vierten Phase bei der Umsetzung in Routinen und Handlungen. Bei Cohen
und Levinthal (1990) und Lane et al. (2006) war die Generierung neuen Wissens Bestandteil
der letzten Phase (Verwertung).
Zieht man nun die Erkenntnisse zum organisationalen (Pawlowsky, 1994, 1998) wie
auch zum individuellen Lernen (Piaget, 1991) heran, scheint eine dreistufige Konzeption der
Absorptionsfähigkeit wie sie Cohen und Levinthal (1990), Lane et al. (2006) und Todorova
und Durisin (2007) vorschlagen, für die vorliegende Arbeit als zielführend29. Die drei
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit können dabei als getrennte Phasen verstanden werden,
die nacheinander durchlaufen werden müssen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. In Tabelle
2-2 werden die Dimensionen der Absorptionsfähigkeit, wie sie in der vorliegenden Arbeit
verstanden werden, als Übersicht dargestellt.
29
Gerlach (2008, S. 45 f.) legte seiner Arbeit eine ähnliche Definition u.a. in Rückgriff auf Cohen
und Levinthal (1990) und Lane et al. (2006) zugrunde und bezeichnete diesen Autoren folgend
Absorptionsfähigkeit als „die Fähigkeit von Individuen, Gruppen und Organisationen, externes Wissen
durch exploratives Lernen wahrzunehmen und zu verstehen, wahrgenommenes externes Wissen durch
transformatives Lernen zu assimilieren, und das transformierte Wissen durch exploitatives Lernen
anzuwenden.“
Auch Schreyögg und Schmid (2009, S. 13) gingen von den drei Phasen Akquisition, Assimilation und
Exploitation aus. Die Transformation als Bestandteil der Assimilation verstanden sie als Kombination des
neu erworbenen Wissens mit bereits vorhandenen Wissensbestandteilen „im Sinne einer Integration
des neuen Wissens in existierende Strukturen, aber auch einer neuen Interpretation bestehenden
Wissens“.
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
57
Tabelle 2-2. Dimensionen der Absorptionsfähigkeit sowie zu erwartende Resultate auf
Unternehmensebene
Dimension / Phase
Inhalt
Autoren
Erkennen
Neues Wissen außerhalb des eigenen
Unternehmens entdecken und dessen Relevanz
für das eigene Unternehmen bewerten
Cohen und Levinthal (1990);
Lane, Koka und Pathak (2006);
Todorova und Durisin (2007);
Pawlowsky (1994)
Aufnehmen
Neues, externes Wissen in das eigene
Unternehmen aufnehmen, an die Strukturen des
Unternehmens anpassen und
unternehmensintern verteilen
Camisón und Forés (2010);
Cohen und Levinthal (1990);
Lane, Koka und Pathak (2006)
Pawlowsky (1994);
Todorova und Durisin (2007)
Zahra und George (2002)
Verwerten
Neues Wissen aus dem aufgenommenen Wissen
generieren und/oder assimiliertes Wissen in
organisationale Routinen und Prozesse umsetzen
(d. h. Transformation der Unternehmensstruktur
und Prozessinnovationen)
Camisón und Forés (2010);
Cohen und Levinthal (1990);
Lane, Koka und Pathak (2006)
Pawlowsky (1994)
Todorova und Durisin (2007);
Zahra und George (2002)
Resultate
Höhere Wettbewerbsfähigkeit;
Produkt- und Dienstleistungsinnovationen;
Bessere Unternehmensleistung
Camisón und Forés (2010);
Cohen und Levinthal (1990);
Zahra und George (2002)
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit umfasst in Anlehnung an Cohen
und Levinthal (1990), Lane et al. (2006) und Pawlowsky (1994) das Erkennen von
unternehmensexternem Wissen und die Bewertung seiner Relevanz für das eigene
Unternehmen.
Die zweite Dimension wird als Aufnahme des externen Wissens in das Unternehmen
verstanden, wobei in der Assimilation die Transformation des externen Wissens als auch die
unternehmensinterne Diffusion inbegriffen sind. In dieser Phase erfolgt die Integration des
externen Wissens, dessen Anpassung an das Unternehmen, die interne Weitergabe sowie die
Kombination mit vorhandenem Wissen. Damit werden die Konzeptionen von Camisón
und Forés (2010), Cohen und Levinthal (1990), Lane et al. (2006), Zahra und George (2002) mit
den organisationalen Lernphasen nach Pawlowsky (1994, S. 305) verbunden und der
unternehmensinterne Umgang mit dem neuen, externen Wissen fokussiert.
Das Lernen durch Akkommodation findet Eingang in die dritte Dimension bezeichnet
als Verwertung des externen Wissens, in der sowohl neues Wissen im Unternehmen generiert
als auch assimiliertes Wissen in organisationale Routinen und Prozesse umgesetzt werden.
Entsprechend den Arbeiten von Camisón und Forés (2010) und Zahra und George (2002) wird
hier die Umsetzung des Wissens in innovative Produkte und Dienstleistungen ausgegrenzt, weil
darin eher Ergebnisse der Absorptionsfähigkeit denn deren unmittelbare Bestimmungsstücken
58
2 Terminologische Grundlagen und Stand der Forschung
gesehen werden. Damit lässt sich auch das Konzept der Absorptionsfähigkeit wieder besser
schärfen, da das, was ursprünglich erklärt werden sollte, nämlich höhere Innovativität i.S.
neuartiger
Produkte
und
Dienstleistungen,
wieder
zum
Explanandum
wird.
Den
Gedankengängen von Camisón und Forés (2010) und Zahra und George (2002) folgend,
werden Prozessinnovationen dagegen zur dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit gezählt,
weil hier das neue Wissen in unternehmensinterne Routinen und Prozesse überführt wird und
so auch die Erneuerung der Leistungserstellungsprozesse resultieren kann.
Zusammengefasst wird Absorptionsfähigkeit in der vorliegenden Arbeit also
verstanden als das (1) Erkennen (2) Aufnehmen und (3) Verwerten von unternehmensexternem Wissen, welches für das eigene Unternehmen von Bedeutung ist. Die beiden ersten
Dimensionen werden dabei entsprechend der Konzeption von Zahra und George (2002) als
potenzielle
Absorptionsfähigkeit
verstanden,
die
dritte
Dimension
als
realisierte
Absorptionsfähigkeit. Diese Fähigkeit wird auf der Ebene der Organisation als Aggregat
individueller Handlungen und struktureller Rahmenbedingungen betrachtet30.
Ausgehend davon, dass der Informationsbearbeitungsprozess einen gewichtigen
Anteil an der Innovationsbereitschaft von Führungskräften bildet und dass dieser Prozess
durch die Bereitstellung von Informationen und Wissen in der Organisation beeinflusst wird,
liegt mit der Absorptionsfähigkeit ein Konzept vor, das diesen Einfluss erklären kann. Zudem
erlaubt die Bezugnahme auf diese Fähigkeit den Bogenschlag zur Innovativität eines
Unternehmens, weil sie die nutzenbringende Verknüpfung von unternehmensexternem mit
internem Wissen beschreibt. Im nächsten Kapitel wird auf Basis der bisherigen Ausführungen
abgeleitet, wie die organisationale Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft von
Führungskräften einwirken kann. Entsprechend der drei dargestellten Dimensionen wird die
Wirkung differenziert und empirisch überprüfbare Hypothesen dazu abgeleitet.
30
Auf eine detaillierte Darstellung der Determinanten von Absorptionsfähigkeit, wie sie auch bei Cohen
und Levinthal (1990) zu finden sind, wird an dieser Stelle verzichtet, da sie keinen Beitrag für die
Beantwortung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit liefern. Als weiterführende Literatur können
dazu Lane et al., (2006) und Gerlach (2008) empfohlen werden.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
3
59
Hypothesen und Wirkungsmodell
In diesem Kapitel wird konzeptionell erarbeitet, wie die Innovationsbereitschaft von
Führungskräften durch die organisationale Absorptionsfähigkeit gefördert werden kann. Dazu
wird im Unterkapitel 3.1 zunächst auf das Modell der Innovationsbereitschaft eingegangen
und der Zusammenhang zwischen den beiden Bewertungsprozessen und dem daraus
resultierenden wahrgenommenen Veränderungsbedarf sowie der Veränderbarkeit der
Unternehmenssituation näher betrachtet. Darauf aufbauend werden im Unterkapitel 3.2
Hypothesen zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft abgeleitet
und im Unterkapitel 3.3 in einem Wirkungsmodell zusammengefasst.
3.1.
Innovationsbereitschaft als Prozess und Zustand
Die Innovationsbereitschaft setzt sich, wie im Unterkapitel 2.3 ausgeführt, aus der
Einschätzung eines Veränderungsbedarfes sowie der Wahrnehmung der Veränderbarkeit der
Situation multiplikativ zusammen. In der ersten Bewertungsphase wird die zu bewältigende
Situation und in der zweiten Bewertungsphase die subjektiven Möglichkeiten der Bewältigung
betrachtet. Die Beurteilung des Veränderungsbedarfes erfolgt dabei über einen Vergleich der
aktuellen Situation mit einem erwünschten Zustand (Gebert, 2002, S. 90 ff.), Armenakis et al.
(1993, S. 685) sprachen in diesem Zusammenhang von einem wahrgenommenen
Problemdruck, der u.a. durch die Wettbewerbssituation entsteht. Bleibt man auf dieser
Betrachtungsebene des Wettbewerbs, so kann sich der wahrgenommene Problemdruck in der
Beurteilung von Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht, niederschlagen, da diese Beurteilung das Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleiches bezüglich der
Unternehmenssituation darstellt. Zum Anderen äußert sich dieser Soll-Ist-Vergleich in der
Bewertung interner Leistungserstellungsprozesse oder deren Ergebnissen. Besteht eine
Diskrepanz zwischen dem aktuellen und dem angestrebten Zustand von Geschäftsprozessen
oder deren Ergebnissen, resultiert eine subjektive Unzufriedenheit damit, die sich wiederum
im wahrgenommenen Veränderungsbedarf manifestiert. Zusammengefasst sollte sich deshalb
die erkannte Notwendigkeit von Veränderungen aus der Beurteilung von Herausforderungen,
denen das Unternehmen gegenübersteht sowie der Unzufriedenheit mit der internen
Leistungserstellung, vorhersagen lassen.
Hypothese 1.1
Die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes lässt sich aus der Beurteilung
der Relevanz von Herausforderungen für das Unternehmen durch die
Führungskraft vorhersagen. Je mehr Herausforderungen die Führungskraft
wahrnimmt, desto größer schätzt sie den Veränderungsbedarf ein.
60
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Hypothese 1.2
Die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes lässt sich aus der Beurteilung
der internen Leistungserstellung durch die Führungskraft vorhersagen. Je
höher die Unzufriedenheit der Führungskraft mit den internen
Leistungserstellungsprozessen oder deren Ergebnissen ist, desto größer
schätzt sie den Veränderungsbedarf ein.
In der zweiten der Innovationsbereitschaft zugrundeliegenden Bewertungsphase
wird die Veränderbarkeit der Situation evaluiert. Den positiven Ausgang dieser Evaluation
bezeichnen Armenakis et al. (1993, S. 685) als das Vertrauen, die wahrgenommene Soll-IstDiskrepanz auflösen zu können. Dieses Vertrauen entsteht aus der Einschätzung, selbst über
die notwendigen Mittel für die Veränderung zu verfügen oder diese Mittel von anderen
beschaffen zu können (Gebert, 2002; Lazarus, 1966). Die Einschätzung der eigenen Mittel ist
eng mit dem Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung verbunden. Nach Bandura (1982)
wird darunter die Annahme einer Person verstanden, aufgrund ihrer persönlichen Fähigkeiten
und Fertigkeiten eine erforderliche Handlung selbst erfolgreich ausführen zu können. Die
zentrale Stellung dieses aufgabenbezogenen Selbstvertrauens für die Wahrnehmung von
Veränderungsmöglichkeiten wurde von mehreren Autoren belegt (Armenakis et al., 1993,
S. 685; Cunningham et al., 2002, S. 388; Desplaces, 2005, S. 27; Gebert, 2002 S. 90 ff.), weshalb
davon ausgegangen wird, dass sie eine wesentliche Determinante der wahrgenommenen
Veränderbarkeit ist.
Hypothese 1.3
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus der
aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft
vorhersagen. Je höher die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung
der Führungskraft ist, desto größer ist die wahrgenommene Veränderbarkeit.
Neben der positiven Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten spielt
auch die Bewertung von Ressourcen außerhalb der eigenen Person eine wichtige Rolle für die
Wahrnehmung von Veränderungsmöglichkeiten. So thematisierte Gebert (1987, 2002)
bezogen auf die Innovationsbereitschaft von Mitarbeitern deren Suche nach Unterstützung bei
Vorgesetzten sowie die Beschaffung von Mitteln über den Vorgesetzten als Determinanten der
empfundenen Veränderbarkeit der Situation. Übertragen auf die Gruppe der Führungskräfte
können neben der Verfügbarkeit von finanziellen oder technischen Mitteln auch die
Kompetenzen und die Leistungsbereitschaft anderer Organisationsmitglieder zu einer
Ressource für die anstehende Veränderung werden. Hierbei ist der Blick insbesondere auf die
Mitarbeiter zu richten, auf deren Fähigkeiten und Fertigkeiten die Führungskraft für eine
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
61
organisationale Neuerung zurückgreifen kann. So erleben Führungskräfte bspw. mangelnde
Fähigkeiten der Mitarbeiter, eine Innovation voranzubringen, als eine Innovationsbarriere
(Tourigny & Le, 2004). Wenn die Führungskraft die Prozessbeteiligten dagegen als hilfreich für
die Problembewältigung wahrnimmt, werden sie zu Ressourcen für die Veränderung und
wirken damit positiv auf die wahrgenommene Veränderbarkeit. Es wird daher erwartet, dass
eine Führungskraft umso eher Möglichkeiten zu Neuerungen im Unternehmen sieht, je
leistungsfähiger und leistungswilliger sie ihre Mitarbeiter beurteilt.
Hypothese 1.4
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus der Wahrnehmung des
Engagements und der Leistung der Mitarbeiter vorhersagen. Je höher die
Führungskraft das Engagement und die Leistung der Mitarbeiter beurteilt,
desto größer ist die wahrgenommene Veränderbarkeit.
Wie Eby et al. (2000) zeigten, spielen auch Merkmale der Organisation wie etwa die
organisatorische Unterstützung sowie die Flexibilität von Strategien und Verfahren eine
wichtige Rolle für die wahrgenommene Veränderbarkeit der Situation. Da Führungskräfte in
der Regel derartige organisationale Bedingungen selbst verantworten (Stand der Forschung
bspw. bei Elkins & Keller, 2003; Klein & Knight, 2005; Pattikawa et al., 2006), ist eine
Übertragung dieser Einflussfaktoren auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften nicht
ohne Weiteres möglich. Dalton und Gottlieb (2003) zeigten mit ihrer Untersuchung des
Entstehungsprozesses individueller Veränderungsbereitschaft (vgl. Abschnitt 2.3.2), dass der
Ausgang einer subjektiven Kosten-Nutzen-Abwägung über innovationsförderliche Handlungen
mit entscheidet. Neben finanziellen Überlegungen können für Führungskräfte hier auch
persönliche Konsequenzen der Neuerung relevant werden. In Anbetracht dessen, dass
Neuerungen das Risiko des Scheiterns beinhalten, rückt die Fehler- und Lernkultur des
Unternehmens als ein organisationaler Faktor in das Blickfeld.
Zur Fehlerkultur zählt laut den Ergebnissen einer qualitativen Expertenbefragung von
408 Schlüsselpersonen in Innovationsprozessen von Kriegesmann, Kerka, & Kley (2006) ein
nachsichtiger und fairer Umgang mit Fehlern, der allgemein als Fehlertoleranz im
Unternehmen bezeichnet wird. Diese Toleranz wird häufig als wichtiger Bestandteil einer
innovationsförderlichen Unternehmenskultur gesehen (z. B. Blessin, 2001, S. 16, Thom &
Etienne, 2000, S. 273), bezogen auf die Führungsbeziehung rechneten Krause und Gebert
(2004) die Fehlertoleranz von Vorgesetzten zur innovationsbezogenen Unterstützung, die
diese ihren Mitarbeitern gewähren können, um dadurch die Innovationsbereitschaft von
Mitarbeitern zu erhöhen.
62
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Mit Blick auf die Führungskräfte eines Unternehmens kann daher ein fairer,
toleranter Umgang mit Fehlern als organisatorische Unterstützung angesehen werden, die die
subjektiven Kosten, welche mit einem Scheitern der Neuerung verbunden sind, für die
Führungskraft geringer erscheinen lässt. Daher wird als dritte Determinante der
Veränderbarkeit die Fehlertoleranz im Unternehmen als ein relevanter Kontextfaktor
herausgegriffen.
Hypothese 1.5
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus dem Umgang mit
Fehlern im Unternehmen vorhersagen. Je höher die Fehlertoleranz im
Unternehmen ist, desto größer ist die wahrgenommene Veränderbarkeit.
Die bisherigen Aussagen zu Determinanten der Innovationsbereitschaft und die dazu
formulierten Hypothesen werden in der Abbildung 3-1 zusammengefasst. Dabei stellen der
wahrgenommene Veränderungsbedarf und die wahrgenommene Veränderbarkeit der
Situation jeweils die Ergebnisse von zwei getrennten Bewertungsprozessen dar (vgl. dazu auch
das Modell der Innovationsbereitschaft in Abbildung 2-3 auf S. 36). Der erste dem
Veränderungsbedarf zugrundeliegende Prozess („primary appraising“ im Sinne von
Lazarus, 1966) kann mit den wahrgenommenen Herausforderungen für das Unternehmen
sowie die Unzufriedenheit mit der internen Leistungserstellung abgebildet werden. Der zweite
für die Wahrnehmung einer Veränderbarkeit ausschlaggebende Bewertungsprozess
(„secondary appraising“) zeigt sich in der Einschätzung der eigenen aufgabenbezogenen
Wirksamkeit, in der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und -willigkeit der Mitarbeiter sowie im
Empfinden einer fehlertoleranten organisationalen Umgebung, welche die mit einem
Scheitern verbundenen subjektiven Kosten verringern kann. Mit dieser Aufteilung in
Bewertungsprozesse
und
Bewertungsergebnisse
wird
der
Unterscheidung
von
Innovationsbereitschaft als Prozess und als Zustand, wie im Abschnitt 2.3.2 ausführlich
dargestellt, Rechnung getragen. Damit wird ein Weg gezeigt, beide Aspekte getrennt
voneinander empirisch zu untersuchen und die postulierten Verbindungen zu überprüfen.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
63
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
für das
Unternehmen
Unzufriedenheit
mit der internen
Leistungserstellung
Zweiter Bewertungsprozess
Selbstwirksamkeitserwartung
der Führungskraft
Engagement
und Leistung
der Mitarbeiter
Wahrgenommener
Wahrgenommene
Veränderungsbedarf
Veränderbarkeit
x
der Unternehmenssituation
Fehlertoleranz
im
Unternehmen
der Unternehmenssituation
Innovationsbereitschaft
Abbildung 3-1. Modell der allgemeinen Determinanten von Innovationsbereitschaft
Wie dargestellt resultiert die Innovationsbereitschaft aus der multiplikativen
Verknüpfung zweier subjektiver
Bewertungsprozesse:
im
ersten Schritt
wird der
Veränderungsbedarf der Situation eingeschätzt, im zweiten Schritt die Veränderungsmöglichkeiten. Für die erste Bewertung ist die wahrgenommene Soll-Ist-Diskrepanz
entscheidend, hier kann eine Beeinflussung also bei der Darstellung des Ist-Zustandes sowie
bei der Kenntnis von alternativen Zuständen (Soll-Zustand) ansetzen. Im Zuge des zweiten
Bewertungsprozesses werden die Ressourcen evaluiert, die für die notwendigen Änderungen
zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich sowohl um die Ressourcen der eigenen Person,
z. B. eigenes aufgabenbezogenes Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten zusammengefasst als
Selbstwirksamkeitserwartung, als auch Ressourcen anderer Personen, über die verfügt werden
kann sowie der organisationalen Unterstützung von Veränderungen in Form der Fehlerkultur
des Unternehmens. An diesen Punkten setzen nun die drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit in unterschiedlicher Weise an, was im nächsten Unterkapitel im Detail
erläutert wird.
3.2.
Hypothesen zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften
Die Innovationsbereitschaft von Führungskräften beruht nach Gebert (1987, 2002)
auf individuellen Informationsverarbeitungsprozessen. Daher wird angenommen, dass sie
durch die Auseinandersetzung mit unternehmensexternen Informationen und Wissen im
Unternehmen beeinflusst wird. Durch das Wissen, welches die Organisationsmitglieder infolge
64
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
ihrer Tätigkeiten in das Unternehmen einfließen lassen, wird auch die Informationsverarbeitung der Führungskraft bezüglich notwendiger und möglicher intra-organisationaler
Veränderungen und somit deren Innovationsbereitschaft beeinflusst. Von besonderer
Relevanz im Innovationskontext ist dabei unternehmensexternes Wissen, das allerdings erst
dann die Innovativität eines Unternehmens steigern kann, wenn es mit internem Wissen
verbunden und in interne Routinen und Prozesse umgesetzt wird (Cohen & Levinthal, 1990;
Zahra
& George,
2002).
Wie
bereits
ausgeführt
beschreibt
das
Konzept
der
Absorptionsfähigkeit diesen Verwertungsprozess. Für die weiteren Analysen wird, wie im
Abschnitt 2.4.2 aus den Arbeiten zur Absorptionsfähigkeit von Camisón und Forés (2010),
Cohen und Levinthal (1990), Lane et al. (2006), Todorova und Durisin (2007) und Zahra
und George (2002) sowie den Arbeiten zum organisationalen Lernen von Pawlowsky (1994,
1998) hergeleitet, von drei Dimensionen dieser Fähigkeit ausgegangen, welche lauten:
(1) Erkennen von potenziell relevantem, unternehmensexternem Wissen
(Identifikation, Akquisition)
(2) Aufnehmen des externen Wissens (Assimilation, Transformation,
Diffusion)
(3) Verwerten des neuen Wissens (Generierung neuen Wissens und/oder
Umsetzung des externen Wissens in organisationale Routinen und
Prozesse)
Diese Dimensionen werden als drei unterschiedliche Phasen der Absorptionsfähigkeit
verstanden, die zwar weitgehend autonom ablaufen, für die Realisierung nachhaltiger
Wettbewerbsvorteile allerdings als Sequenz aufeinander folgen müssen. Wenn nachfolgend
die Wirkung dieser drei Dimensionen auf die Innovationsbereitschaft untersucht wird, muss
zwischen einer organisationalen und einer individuellen Betrachtungsebene unterschieden
werden. So kann zwar davon gesprochen werden, dass das Unternehmen externes Wissen
erkennt und aufnimmt, notwendig sind hierfür allerdings u. a. die Handlungen der
Organisationsmitglieder. Damit trägt auch die fokussierte Führungskraft durch ihre
Handlungen zur Ausgestaltung der einzelnen Phasen bei, indem sie zum Einen selbst Wissen
identifiziert, in das Unternehmen einbringt und wertsteigernd umsetzt und zum Anderen
indem sie den Rahmen dafür schafft, dass andere Organisationsmitglieder sich an diesen
Prozessen beteiligen. In aggregierter Form resultiert aus diesem Zusammenspiel aller
Handlungen und Strukturen die organisationale Absorptionsfähigkeit. Darauf wird bei der
Ableitung der Hypothesen wo nötig näher eingegangen.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
3.2.1.
65
Wirkung der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit, bezeichnet als Erkennen von
relevantem, unternehmensexternem Wissen, fußt zunächst auf dem Vorwissen der
Organisationsmitglieder, das Anschlussstellen für Wissen in der Unternehmensumwelt schafft.
Dabei handelt es sich nicht nur um technisches Wissen, sondern auch um ein Bewusstsein
dafür, wo komplementäre Kompetenzen oder Personen mit bestimmten Fähigkeiten und
Fertigkeiten sich innerhalb und außerhalb der Organisation befinden (Cohen & Levinthal, 1990,
S. 133). Bezogen auf Prozessinnovationen umfasst das relevante Vorwissen vor allem
Kenntnisse zur unternehmensspezifischen Leistungserstellung sowie auch Kenntnisse zur
Organisation des eigenen Unternehmens. Je umfangreicher und vielfältiger dieses Vorwissen
ist, umso besser kann relevantes externes Wissen erkannt und verwertet werden (vgl. Cohen
& Levinthal, 1990, S. 131; Clapper, 2007; Van Kesteren, Rijpkema, Ruiter & Fernandez, 2010).
Insbesondere im Kontext von Innovationen schafft die Vielfalt des vorhandenen Wissens eine
robuste Basis für neue Informationen und ermöglicht zugleich neue Assoziationen (Cohen
& Levinthal, 1990, S. 131). Ausgehend vom Vorwissen wird in der ersten Phase der
Absorptionsfähigkeit neues Wissen in der Unternehmensumwelt aufgedeckt und seine
Relevanz für das eigene Unternehmen geprüft. Zu diesem relevanten, externen Wissen zählen
beispielweise auch Managementtechniken, Personalstrategien, organisationale Strukturen,
Produktionswissen, Kenntnisse zu Marketing oder neuen Märkten (Camisón & Forés, 2010,
S. 713). Auf der Basis des Vorwissens kann dieses Wissen verstanden und hinsichtlich seiner
Nützlichkeit für die eigene Organisation bewertet werden. Die Handlungen von Führungskräften und Mitarbeitern in dieser Phase zielen dabei auf Kontakte zur Unternehmensumwelt
ab, die beispielsweise aus der Einbindung in externe Netzwerke oder der Teilnahme an
Weiterbildungsveranstaltungen resultieren (Damanpour, 1991, S. 589 f.).
Die individuellen Effekte der Teilnahme an solchen unternehmensexternen
Veranstaltungen, die vorrangig dem Wissensaustausch und der Lösung von Problemen dienen,
analysierten Vance, Boje, Mendenhall und Kropp (1991) in einer Studie mit MarketingArbeitsgruppen. Aus ihren Beobachtungen, Telefoninterviews sowie Analysen von
Audiomitschnitten der Arbeitstreffen kristallisierten sie drei Kernbereiche heraus, in denen
sich die individuelle Beschäftigung mit externem Wissen niederschlug. Zunächst änderte sich
für die betreffende Person der Zugang zu Informationen, indem sie neues Wissen sowie neue
Kenntnisse über Informationsquellen erwarb, Entdeckungen und neue Erkenntnisse durch die
Treffen gefördert wurden und ein Netzwerk mit anderen Wissensträgern entstand. Der zweite
Bereich umfasste Konsequenzen für die intellektuelle Leistungsfähigkeit, d.h. die Aufnahme
und Verarbeitung von neuen Informationen, wodurch Lernen, Problemlösen und
Entscheidungsverhalten beeinflusst wurden. Zu dieser Kategorie gehörten Vance et al. (1991)
zufolge eine erweiterte individuelle Wissensbasis, neue kognitive Fertigkeiten z. B. zur Analyse
66
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
und Verwertung von Informationen sowie die Klärung von Begriffen und damit eine
Erweiterung des eigenen Vokabulars. Als drittes führte die Auseinandersetzung mit externem
Wissen zu einer veränderten Beurteilung der eigenen Person hinsichtlich eigener
Kompetenzen, Wissensdefiziten und der Angemessenheit eigener Ideen. Damit zeigte sich,
dass ein unternehmensexterner Wissensaustausch verschiedene Aspekte des Lernens und der
Leistung von Individuen betrifft, die sich zusammenfassen lassen als:
(1) Erweiterung des individuellen Zugangs zu Informationen
(2) Verbesserung der individuellen intellektuellen Leistungsfähigkeit und
(3) Neubewertung der eigenen Kompetenzen und Wissensbasis.
Dass solche Veränderungen im Umfang und in der Strukturierung des eigenen
Wissens längerfristig zu besseren Leistungen führen, lässt sich auch aus den Befunden der
Expertiseforschung31 ableiten. So bildet Wissen einen zentralen Bestandteil von Expertise
(Sonnentag & Schmidt-Brasse, 1998) und führt bspw. dazu, dass Experten aufgrund ihrer
veränderten Wissensstruktur im Vergleich zu Novizen bessere diagnostische Entscheidungen
treffen (Schmidt & Boshuizen, 1993), weil sie u.a. effektiver beim logischen Schließen vorgehen
(Van Wiel, Boshuizen & Schmidt, 2000). Wie Herbig und Glöckner (2009, S. 15)
herausarbeiteten, liegt ein Grund für diese Leistungsunterschiede in der Art der mentalen
Repräsentation. Demnach enthält das kognitive Netzwerk von Experten mehr Stichworte
(„cues“) und mehr, voneinander abhängige Verbindungen zwischen diesen Stichworten als das
kognitive Netzwerk von Novizen. Daher finden Experten schneller bessere und differenziertere
Lösungen bei Entscheidungsproblemen. Aufgrund dieser Besonderheiten zeigt sich die
Überlegenheit von Experten in verschiedenen kognitiven Funktionen wie dem Problemlösen,
schlussfolgernden Denken, im Lernen und in der Gedächtnisleistung (Chi, 2006). Deshalb wird
auch in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass ein Zuwachs an Wissen und die Veränderung
der kognitiven Strukturen zu Leistungsverbesserungen bei Individuen führt. In Verbindung mit
den von Vance et al. (1991) gefundenen Effekten der Auseinandersetzung mit externem
Wissen sollen nachfolgend die Konsequenzen der Absorptionsfähigkeit von und in
Unternehmen auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften näher analysiert werden.
31
Die Expertiseforschung beschäftigt sich mit Individuen, die auf einem speziellen Gebiet exzellente
Leistungen erbringen, welche über einen längeren Zeitraum stabil sind sowie eindeutig durch die Person
und nicht durch zufällige Umweltbedingungen hervorgebracht werden (vgl. z. B. Sonnentag & SchmidtBrasse, 1998, S. 450). Der relative Forschungsansatz unterscheidet dabei zwischen Experten, Novizen
und Laien, wobei Novizen als Anfänger auf einem Gebiet gelten, die durch entsprechende Schulung das
Leistungsniveau der Experten erreichen können (vgl. Chi, 2006). Zentral für die Erklärung der
Leistungsunterschiede sind dabei das Ausmaß an Wissen in einer bestimmten Domäne sowie dessen
Strukturierung.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
67
In der ersten Phase der Absorptionsfähigkeit nehmen Organisationsmitglieder
externes, relevantes Wissen wahr, ohne dass sie dieses bereits explizit im Unternehmen
verteilen oder
wertschöpfend
einsetzen
(vgl. Abschnitt
2.4.2
zum
Konzept
der
Absorptionsfähigkeit). Um die Wirkung dieser Phase zu untersuchen, kann zwischen dem
Entdecken externen Wissens durch die Führungskraft selbst und dem Entdecken durch andere
Organisationsmitglieder wie bspw. gleichgestellte Führungskräfte oder unterstellte Mitarbeiter
unterschieden werden.
Fokussiert man zunächst die Führungskraft, so bedeutet die erste Phase der
Absorptionsfähigkeit für diese Person, dass sie neues Wissen außerhalb des eigenen
Unternehmens entdeckt. Dabei kann es sich z. B. um neue Technologien oder neue
Organisationsformen handeln, die in anderen Unternehmen etwa zu besseren Ergebnissen der
Leistungserstellung in Form höherer Qualität, kürzerer Durchlaufzeiten oder Kosteneinsparungen führen. Durch einen Vergleich mit dem eigenen Unternehmen attestiert die
Führungskraft diesem neuen Wissen eine Relevanz für ihr Unternehmen. Damit verändert sich
ihre Vorstellung vom Idealzustand der Leistungserstellung ihrer eigenen Organisation, d. h. im
Sinne von Gebert (1987, 2002) die subjektive Konzeption des Soll-Zustandes. Durch den
Kontakt mit externem Wissen erhöht sich das Anspruchsniveau der Führungskraft und ihre
Vorstellungen von einer optimalen Prozessgestaltung und entsprechenden Ergebnissen im
eigenen Unternehmen differenziert sich (vgl. auch Cohen & Levinthal, 1990, S. 137 und
Gebert, 2002, S. 89). Weil das extern identifizierte Wissen als neu und relevant klassifiziert
wird, besteht eine Differenz zwischen der Konzeption des Soll-Zustandes und dem aktuellen
Zustand und Ergebnissen der internen Leistungserstellung (dem Ist-Zustand im Sinne von
Gebert, 1987, 2002). Somit führt der Kontakt zu neuem, unternehmensexternem Wissen,
welches für das eigene Unternehmen bedeutsam ist, zur Steigerung des subjektiven
Problemdrucks. Daher wird eine Führungskraft die Notwendigkeit für eine Veränderung der
internen Prozesse, Verfahren oder Strukturen umso höher einschätzen, je mehr sie neues,
relevantes Wissen außerhalb ihres Unternehmens identifiziert.
Neben der betrachteten Führungskraft kommen auch andere Organisationsmitglieder in Kontakt mit unternehmensexternem Wissen (vgl. z. B. Cohen & Levinthal, 1990
S. 132) und entdecken auf diese Weise alternative Gestaltungsoptionen und neue Lösungsmöglichkeiten für Problemstellungen des eigenen Unternehmens. Wie beschrieben können
damit
auch
andere
Führungskräfte
oder
Mitarbeiter
des
Unternehmens
einen
Veränderungsbedarf erkennen, indem sich ihre Bewertung des Soll- und Ist-Zustandes der
Prozesse und Strukturen im eigenen Unternehmen verändert. Gegenüber der fokussierten
Führungskraft werden sie die Situation im Unternehmen vor dem Hintergrund neuer externer
Konzepte anders beschreiben und somit den Ist-Zustand anders darstellen (vgl. Chi, 2006;
Vance et al., 1991). Daher können andere Organisationsmitglieder den „Leidensdruck“ der
68
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
betrachteten Führungskraft erhöhen, indem sie neues, externes Wissen erkennen und dessen
Relevanz für das eigene Unternehmen wahrnehmen.
Fasst man nun sowohl das Erkennen externen, relevanten Wissens durch die
Führungskraft als auch das Erkennen solchen Wissens durch andere Organisationsmitglieder
zusammen, resultiert daraus über verschiedene Kanäle sowohl eine veränderte Wahrnehmung
des Ist-Zustandes der internen Leistungserstellung durch die Führungskraft als auch eine
veränderte Vorstellung vom Soll-Zustand unternehmensinterner Prozesse, Strukturen und
Ergebnisse. Dabei ist zu erwarten, dass sich durch neues Wissen die Diskrepanz zwischen
beiden Zuständen erhöht und damit ein höherer Veränderungsbedarf durch die Führungskraft
wahrgenommen wird, je mehr Kontakte zu Wissensquellen in der Unternehmensumwelt
bestehen.
Hypothese 2.1
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit (Erkennen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) hat einen positiven Einfluss auf die
Beurteilung
des
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes
der
unternehmensinternen Situation. Je stärker die erste Dimension ausgeprägt
ist, umso höher ist der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
Die erste Phase der Absorptionsfähigkeit umfasst nur das Identifizieren neuen,
unternehmensexternen Wissens und die Beurteilung seiner Relevanz für das eigene
Unternehmen. Entsprechend den Ergebnissen von Chi (2006), Schmidt und Boshuizen (1993)
und Vance et al. (1991) ist davon auszugehen, dass mit der Zunahme von Wissen die
individuelle Leistungsfähigkeit gesteigert wird, wodurch die Beurteilung der Veränderbarkeit
der Situation tangiert wird. Allerdings wird erst in der zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit
das externe Wissen durch Führungskräfte und Mitarbeiter tiefer verarbeitet, in das
Unternehmen aufgenommen, angepasst und verteilt. Daher wird auch die Verbesserung der
individuellen intellektuellen Leistungsfähigkeit als eine Konsequenz der Auseinandersetzung
mit externem Wissen zur zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit gerechnet. Somit führt
das Erkennen von externem, relevantem Wissen allein noch nicht dazu, dass dieses Wissen
und die resultierende Leistungssteigerung von Organisationsmitgliedern als eine Ressource für
notwendige Veränderungen im Unternehmen (vgl. Gebert, 2002) wahrgenommen werden
kann. Weiterhin spielt die erfolgreiche Umsetzung von neuem Wissen im Unternehmen eine
entscheidende Rolle dafür, wie leistungsfähig und -willig eine Führungskraft die Mitarbeiter
des Unternehmens beurteilt und wie sie ihre eigene Kompetenz und damit Selbstwirksamkeit
beurteilt (vgl. dazu die Ausführungen im Unterkapitel 3.1).
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
69
Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass das Erkennen und Bewerten externen
Wissens zwar von der Führungskraft wahrgenommene Veränderbarkeit positiv beeinflussen
kann, allerdings nur, wenn die nachfolgenden Phasen zwei und drei der Absorptionsfähigkeit
ebenfalls hohe Ausprägungen aufweisen.
Hypothese 2.2
Wenn die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit (Aufnehmen von
relevantem, unternehmensexternem Wissen) - sowie die dritte Dimension
(Verwerten des neuen Wissens) eine hohe Ausprägung haben, dann führt
auch eine hohe Ausprägung der ersten Dimension (Erkennen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) zu einer höheren wahrgenommenen
Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation.
3.2.2.
Wirkung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit
In der zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit wird das externe relevante Wissen in
das Unternehmen aufgenommen. Dabei wird es angepasst und unternehmensintern verteilt,
womit es Führungskräften und anderen Mitarbeitern zur Verfügung steht. Die dabei
stattfindende Kombination des neuen, externen Wissens mit unternehmensintern
vorhandenem Wissen bezeichnen Lane et al. (2006, S. 858) als transformatives Lernen, das auf
die Veränderung des „kollektiven Schemas“ der verschiedenen Organisationseinheiten abzielt.
Um dies zu erreichen, wird das neu erworbene Wissen sowohl auf individueller als auch auf
organisationaler Ebene analysiert, verarbeitet, interpretiert, internalisiert und klassifiziert
(Camisón & Forés, 2010, S. 709). Hierfür spielen Verfahren und Methoden des
unternehmensinternen Wissensmanagements eine wichtige Rolle (ebd.). Notwendig für die
Assimilation
ist
dabei
auch
eine
Überlappung
der
Wissensbereiche
von
Organisationsmitgliedern, um die Kommunikation und die Weitergabe von Wissen zu
ermöglichen (Cohen & Levinthal, 1990, S. 133). Im Kontext des organisationalen Lernens
beschrieb auch Pawlowsky (1994) die Notwendigkeit der Diversität von unternehmensinternen
Wissensbeständen, um die Modifikation und Integration von neuem Wissen zu gewährleisten.
Während in der ersten Phase der Absorptionsfähigkeit also eine hohe Anschlussfähigkeit an
das externe Wissen erforderlich ist, steht in der zweiten Phase somit die Anschlussfähigkeit
innerhalb des Unternehmens im Zentrum. Diese Problematik ist ein Grund für die Differenz
zwischen potenzieller und realisierter Absorptionsfähigkeit, d. h. dem Unterschied zwischen
dem Ausmaß des wahrgenommenen und des tatsächlich im Unternehmen umgesetzten
externen Wissens. Wie Zahra und George (2002, S. 191) bereits ausführten, erhöht das
erkannte und aufgenommene externe Wissen nur dann die Wettbewerbsfähigkeit eines
Unternehmens, wenn es an die internen Strukturen angepasst und wertsteigernd umgesetzt
70
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
wird. Diese Unterscheidung spielt auch für die Beeinflussung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften eine Rolle.
Da im Zuge dieser zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit das relevante, externe
Wissen verarbeitet, im Unternehmen verteilt und integriert wird, steht den Führungskräften
mehr als nur ihr individuell entdecktes Wissen zur Verfügung. Zunächst kann davon die
Vorstellung vom Soll-Zustand der internen Leistungserstellung beeinflusst werden, indem
alternative Konzepte bekannt oder neue Herausforderungen für das Unternehmen
wahrgenommen werden (Armenakis et al., 1993, S. 685). Das Erkennen von Chancen in einem
technologischen Umfeld erhöht bspw. das Anspruchsniveau der Entscheidungsträger bezüglich
technischer Innovationen und wirkt damit auf die Formulierung von organisationalen Zielen
ein (Cohen & Levinthal, 1990). Auch Gebert (2002, S. 89) postulierte eine Steigerung des
Anspruchsniveaus durch die Suche nach Alternativen. Krause (2004, S. 282) bestätigte diese
Annahmen empirisch und zeigte, dass das verfügbare Expertenwissen sowie relevante
Informationen hochsignifikant positiv mit dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf
korrelierten. Setzt sich eine Führungskraft mit neuem Wissen auseinander, verändert das auch
ihre Beurteilung der Ist-Situation der Leistungserstellung (Vance et al., 1991) und damit auch
die wahrgenommene Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand (vgl. auch die Ausführungen
zur Hypothese 2.1). Aufgrund dieser Befunde wird ein positiver Einfluss der zweiten Dimension
der Absorptionsfähigkeit auf die Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes erwartet.
Hypothese 2.3
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit (Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) hat einen positiven Einfluss auf die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen
Situation. Je stärker die zweite Dimension ausgeprägt ist, umso höher ist der
wahrgenommene Veränderungsbedarf.
Weiterhin sind von neu aufgenommenem Wissen die Ressourcen für eine mögliche
Veränderung betroffen. Indem die Führungskraft mit externem Wissen in Kontakt kommt,
erweitert sie zunächst ihre individuelle Wissensbasis32. Die Auseinandersetzung mit externem
Wissen führt bei der jeweiligen Person zur Veränderung ihrer kognitiven Struktur und damit
zum Lernen, wodurch sich ihre Leistungsfähigkeit und Verhalten ändern (z. B. Chi, 2006, Piaget,
1991; Sonnentag & Schmidt-Brasse, 1998; Reio, JR. & Callahan, 2004; Vance et al., 1991). Bei
der betrachteten Führungskraft kann sich diese erhöhte Leistungsfähigkeit auch in einem
größeren Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten niederschlagen, wodurch ihre
32
Ein Prozess, der im Kontext der Absorptionsfähigkeit so nicht ausgeführt wird, aber vor dem
Hintergrund organisationalen Lernens als elementar erscheint, weil jedes organisationale Lernen
zunächst ein individuelles Lernen voraussetzt (z. B. Gopalakrishnan, Bierly & Kessler, 1999).
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
71
Selbstwirksamkeitserwartung und damit die wahrgenommene Veränderbarkeit der Situation
positiv beeinflusst werden. In diese Richtung interpretierte auch Krause (2004, S. 282 f.) ihre
Befunde zum Zusammenhang von verfügbaren Expertenwissen und der positiven Bewertung
der Veränderbarkeit der Situation. In ihrer Studie mit Verantwortungsträgern für
Prozessinnovationen zeigte sie, dass der Einsatz von Expertenwissen und Informationen
hochsignifikant positiv mit der wahrgenommenen Veränderbarkeit der Situation korrelierte
und erklärten diesen Effekt anhand der Selbstwirksamkeitserwartung, die durch die zu
Verfügung stehenden Informationen erhöht wurde.
Zudem lässt sich der positive Einfluss des verfügbaren, neuen Wissens auf die
Veränderbarkeit auch aus der wahrgenommenen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ableiten.
Wie bereits erläutert, stellt diese Leistungsfähigkeit eine Ressource für die Bewältigung der
geplanten Veränderung dar und ist damit förderlich für die Einschätzung der Veränderbarkeit.
Durch die Aufnahme externen Wissens werden sowohl die intellektuellen Fähigkeiten der
Mitarbeiter verbessert als auch ihre Zugänge zu Informationsquellen (Vance et al., 1991). Reio,
JR. und Callahan (2004) belegten anhand einer Pfadanalyse, dass die Neugier sowohl als
aktueller Zustand wie auch als überdauernde Persönlichkeitseigenschaft33 einer Person sowie
ihre Lerntätigkeit sich positiv auf die Arbeitsleistung auswirken. Wenn sich Mitglieder einer
Organisation mit relevantem, externem Wissen auseinandersetzen und daraus lernen,
verbessert
sich
ihre
Arbeitsleistung,
wodurch
sie
von
der
Führungskraft
als
veränderungsunterstützende Ressource wahrgenommen werden kann. In die gleiche Richtung
zeigen die Ergebnisse von Rich, Lepine und Crawford (2010, S. 627) zur Wirkung des
Arbeitsengagements von Mitarbeitern auf verschiedene Leistungsaspekte. Das Engagement,
nach Kahn (1990) verstanden als das Einbringen eines Mitarbeiters mit seiner physischen,
kognitiven und emotionalen Energie in seine Arbeitsrolle, wirkte dabei sowohl auf die
aufgabenbezogene, d. h. die zu erwartende Leistung, als auch auf die darüber hinausgehende,
vertraglich nicht geregelte Leistung34. Nimmt eine Führungskraft das Engagement und die
Leistung von Mitarbeitern als Ressource wahr, erhöht sich ihre Wahrnehmung der
Veränderbarkeit der Situation abhängig davon, wie viel relevantes, externes Wissen im
Unternehmen aufgenommen und verteilt wird.
33
Als Ergebnis der State-Trait-Debatte unterscheidet die differentielle Psychologie zwischen stabilen,
situationsüberdauernden Persönlichkeitseigenschaften („traits“) und aktuellen, situationsabhängigen
Zuständen einer Person („states“) (vgl. z. B. Asendorpf, 2007).
34
Über die arbeitsvertragliche Leistung hinausgehendes Verhalten von Organisationsmitgliedern wird
als organizational citizenship behavior bezeichnet und geht auf die Arbeiten von Bateman und Organ
(1983) zurück. Darunter fallen Verhaltensweisen, die nicht über das Belohnungssystem der Organisation
gefördert werden, z. B. gegenseitige Hilfe ohne Erwartung einer Gegenleistung.
72
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Zusammenfassend wird damit erwartet, dass die Assimilation externen, relevanten
Wissens sowohl die Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft als auch ihre Beurteilung
der Mitarbeiter als Ressource positiv beeinflusst und deshalb die Veränderbarkeit der Situation
größer eingeschätzt wird.
Hypothese 2.4
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit (Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) - hat einen positiven Einfluss auf die
Wahrnehmung der Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation. Je
stärker die zweite Dimension ausgeprägt ist, umso höher wird die
Veränderbarkeit der Situation bewertet.
In der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit ist explizit die Weitergabe des
neuen Wissens an Führungskräfte enthalten, wodurch sich deren Wissenszugänge wie auch
intellektuellen Fähigkeiten verbessern (Chi, 2006; Vance et al., 1991). Im Vergleich zur ersten
Dimension der Absorptionsfähigkeit wird eine größere Wirkung der zweiten Dimension auf die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes sowie die Wahrnehmung der Veränderbarkeit
erwartet, da aufgrund der erfolgten Wissensweitergabe nicht nur das individuelle
Wahrnehmen und Bewerten externen Wissens durch die Führungskraft selbst wirksam wird,
sondern
der
Führungskraft
auch
Wissen
zur
Verfügung
steht,
das
Organisationsmitglieder identifiziert, verarbeitet und verteilt haben.
Hypothese 2.5
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit (Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) beeinflusst die Wahrnehmung des
Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen Situation stärker als die
erste Dimension (Erkennen von relevantem, unternehmensexternem Wissen).
Hypothese 2.6
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit (Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen) beeinflusst die Wahrnehmung der
Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation stärker als die erste
Dimension (Erkennen von relevantem, unternehmensexternem Wissen).
andere
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
3.2.3.
73
Wirkung der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit
Mit
der
dritten
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit
wird
durch
die
Auseinandersetzung mit externem, relevantem Wissen im Unternehmen neues Wissen
generiert. Dabei kann sowohl das externe als auch das neu geschaffene Wissen in
unternehmensinterne Routinen und Prozesse umgesetzt werden und dadurch wertsteigernd für
die Organisation wirken. Per Definition der Absorptionsfähigkeit wird hier von einer
erfolgreichen Veränderung interner Strukturen und Prozesse ausgegangen (vgl. dazu Abschnitt
2.4.2), wodurch die Differenz zwischen dem angestrebten Soll-Zustand und dem tatsächlichen
Ist-Zustand der internen Leistungserstellung eher gering ausfallen sollte, wenn bspw. die Zahl
der Prozessinnovationen im Unternehmen sehr hoch ist. Entsprechend sollte die erfolgte
Umsetzung neuen Wissens in interne Prozesse und Routinen erneute organisationale
Veränderungen weniger notwendig erscheinen lassen und daher der wahrgenommene
Veränderungsbedarf geringer ausfallen.
Hypothese 2.7.
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit (Verwerten des neuen
Wissens) hat einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung des
Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen Situation. Je stärker die
dritte Dimension ausgeprägt ist, umso geringer ist der wahrgenommene
Veränderungsbedarf.
Wurde erfolgreich neues Wissen im Unternehmen umgesetzt, beeinflusst das auch
die Wahrnehmung der Veränderbarkeit der Situation. Diese Wirkung gründet sich zunächst auf
einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskräfte, die aus erfolgreichen
Veränderungen im Unternehmen resultiert. Nach Bandura (1982) bildet die eigene
Handlungsausführung die wichtigste Informationsquelle, um die individuellen Fähigkeiten zu
bewerten und daraus Erwartungen über die eigenen Wirksamkeit in ähnlichen Situationen
ableiten zu können. Deshalb wird sich eine Führungskraft mit positiven Erfahrungen bei
bisherigen organisationalen Veränderungen kompetenter fühlen, eine weitere organisationale
Veränderung zu bewältigen. Indem ihre Selbstwirksamkeitserwartung steigt, schätzt sie ihre
eigenen Ressourcen für einen notwendigen Wandel höher ein (Gebert, 2002). Weiterhin
können Organisationsmitglieder, die in der Vergangenheit interne Veränderungen bereits
unterstützt haben, als Ressource für neue Veränderungen wahrgenommen werden35. Ihr
Verhalten kann das Vertrauen der Führungskraft in die personale und organisationale
35
Zum Verständnis von Ressourcen vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.3.1 zum Modell der
Innovationsbereitschaft von Gebert (1987, 2002), das auf das transaktionale Stressbewältigungsmodel
von Lazarus (1966, 1999) und Lazarus & Folkman (1984) aufbaut.
74
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Unterstützung von organisationalen Veränderungen fördern und damit die Einschätzung der
Veränderbarkeit positiv beeinflussen (Eby et al., 2000). Darüber hinaus ändert sich durch eine
Lenkung der Aufmerksamkeit auf positive Aspekte der Situation wie etwa bisherige Erfolge
oder Stärken die Einstellung der Führungskraft gegenüber der betreffenden Situation (Fischer,
Frey & Greitemeyer, 2004). Handelt es sich bei diesem Objekt um eine organisationale
Veränderung, wird durch die Aufmerksamkeitsfokussierung das Vertrauen in die Fähigkeiten
des Unternehmens gestärkt, die Veränderung erfolgreich bewältigen zu können (Frey,
Greitemeyer & Traut-Mattausch, 2008). Konzentriert sich eine Führungskraft also auf die
bislang erfolgte Umsetzung von neuem Wissen in unternehmensinterne Prozesse und
bewertet diese positiv, dann schätzt sie auch die aktuelle Situation als veränderbarer ein.
Hypothese 2.8
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit (Verwerten des neuen Wissens)
hat einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Veränderbarkeit der
unternehmensinternen Situation. Je stärker die dritte Dimension ausgeprägt
ist, umso höher wird die Veränderbarkeit bewertet.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
3.3.
75
Zusammenfassung des Wirkungsmodells
Fasst man die Wirkung der einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften zusammen, ergibt sich das in Abbildung 3-2
dargestellte Bild.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen
Zweite Dimension:
Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
für das
Unternehmen
Unzufriedenheit
mit der internen
Leistungserstellung
Zweiter Bewertungsprozess
Selbstwirksamkeitserwartung
der Führungskraft
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten des neuen
Wissens
Engagement
und Leistung
der Mitarbeiter
Fehlertoleranz
im
Unternehmen
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
x
der Unternehmenssituation
der Unternehmenssituation
Innovationsbereitschaft
Abbildung 3-2. Wirkungsmodell zum Einfluss
Innovationsbereitschaft von Führungskräften
der
Absorptionsfähigkeit
auf
die
Ausschlaggebend für die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes ist zunächst das
Erkennen von neuem, unternehmensexternem Wissen, das für das eigene Unternehmen
Relevanz besitzt (erste Dimension der Absorptionsfähigkeit). Je mehr solches Wissen durch
Organisationsmitglieder identifiziert wird, desto größer wird der wahrgenommene
Veränderungsbedarf, weil die durch die Führungskraft empfundene Differenz zwischen dem
idealen Soll-Zustand der internen Leistungserstellung und dem tatsächlichen Ist-Zustand
größer wird. Durch die Kenntnis von alternativen Gestaltungsoptionen oder Leistungsergebnissen anderer Unternehmen erhöht sich daher die Unzufriedenheit als Indikator des
ersten Bewertungsprozesses der Innovationsbereitschaft.
76
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
Gleichzeitig schlägt sich die empfundene Diskrepanz in der Wahrnehmung von
Herausforderungen nieder, denen das eigene Unternehmen gegenübersteht. Der registrierte
Problemdruck wird durch die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit ebenfalls erhöht, da
in dieser Phase das externe, neue Wissen im Unternehmen aufgenommen und verteilt wird.
Damit stehen der Führungskraft nicht nur das von ihr selbst identifizierte Wissen zur
Verfügung, sondern auch die Erkenntnisse anderer Organisationsmitglieder. Findet dieses
Wissen in der dritten Phase der Absorptionsfähigkeit Eingang in veränderte Prozesse oder
Strukturen des Unternehmens, verringert sich der wahrgenommene Problemdruck wieder,
weshalb die Verwertung des neuen Wissens zu einer Reduktion des Veränderungsbedarfes
führt.
Für die Beurteilung der Veränderbarkeit der Unternehmenssituation werden im
zweiten Bewertungsprozess die verfügbaren Ressourcen bewertet. Relevant sind hier zunächst
die individuelle Leistungsfähigkeit der Führungskraft und deren daraus resultierende
Selbstwirksamkeitserwartung. Wie die Ergebnisse der Expertiseforschung sowie die Studie von
Vance et al. (1991) zeigten, vergrößert sich die individuelle Wissensbasis durch die
Auseinandersetzung mit externem Wissen, wodurch auch die individuelle intellektuelle
Leistungsfähigkeit gesteigert wird. Damit kommt der Aufnahme von neuem, externem Wissen
ein besonderer Stellenwert für die Kompetenzen der Führungskraft und deren subjektiver
Bewertung derselben zu. Wird in dieser zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit durch die
Führungskraft selbst Wissen in das Unternehmen gebracht oder kann sie auf das Wissen
anderer Organisationsmitglieder zurückgreifen, wird sie die Veränderbarkeit der Situation
basierend auf ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten höher beurteilen. Zusätzlich wird sie
die Leistungsfähigkeit anderer Organisationsmitglieder durch deren Aufnahme, Anpassung und
Verteilung neuen, externen Wissens höher einstufen, wovon die Beurteilung der Mitarbeiter
des Unternehmens als Ressource für organisationale Veränderungen positiv bewertet wird.
Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit sowie in die Fähigkeiten und Bereitschaft
anderer Organisationsmitglieder wird durch die dritte Phase der Absorptionsfähigkeit ebenso
positiv beeinflusst. Je mehr neues Wissen wertschöpfend im Unternehmen umgesetzt wird,
desto optimistischer ist die Einschätzung der Möglichkeiten organisationaler Veränderungen.
Somit sind insbesondere die zweite und die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit
bedeutsam für die Wahrnehmung der Veränderbarkeit.
Die Wirkung der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit hängt davon ab, ob das
identifizierte neue Wissen tatsächlich im Unternehmen zur Verfügung steht, weil es von der
Führungskraft
individuell
und
auf
organisationaler
Ebene
auch
von
anderen
Organisationsmitgliedern verarbeitet und verteilt wird. Zudem ist die erfolgreiche Umsetzung
des neuen Wissens im Unternehmen bedeutsam, weshalb nur dann ein Einfluss des
identifizierten unternehmensexternen Wissens erwartet wird, wenn auch die zweite und dritte
Dimension der Absorptionsfähigkeit hohe Ausprägungen aufweisen.
3 Hypothesen und Wirkungsmodell
77
Generell wirkt also die Auseinandersetzung mit unternehmensexternem, relevantem
Wissen positiv auf die Wahrnehmung einer Veränderbarkeit, wobei diese Wirkung durch die
individuelle Leistungsfähigkeit und Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft sowie dem
Engagement und den Leistungen der Mitarbeiter vermittelt wird. Inwieweit sich die
Absorptionsfähigkeit auf die Fehlertoleranz im Unternehmen auswirkt, lässt sich aus der
aktuellen Befundlage nicht vorhersagen. Diese Beziehung wird anhand der empirischen Daten
dieser Arbeit explorativ geprüft.
Die postulierten Hypothesen gehen damit von einer differenzierten Wirkung der drei
Absorptionsfähigkeitsdimensionen auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf und die
wahrgenommene Veränderbarkeit als die beiden Komponenten der Innovationsbereitschaft
aus. Zusammengefasst sollte bei einer hohen Ausprägung aller drei Dimensionen, d. h. einer
insgesamt hohen Absorptionsfähigkeit im Unternehmen, die wahrgenommene Veränderbarkeit größer ausfallen als der wahrgenommene Veränderungsbedarf, weil sich alle drei
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit positiv auf die wahrgenommene Veränderbarkeit der
Unternehmenssituation auswirken, während die Verwertung des neuen Wissens zu einer
Reduktion des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes führt. Da generell von einer Wirkung
der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft ausgegangen wird, sollten die
Unterschiede zwischen Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit erst bei der hohen
Ausprägung der Absorptionsfähigkeit sichtbar werden, während bei niedriger Ausprägung die
Unterschiede geringer ausfallen sollten. Als letzte Hypothese wird daher formuliert:
Hypothese 2.9
Wenn alle drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit eine hohe Ausprägung
haben und damit die organisationale Absorptionsfähigkeit sehr groß ist, wird
die Veränderbarkeit höher eingeschätzt als der Veränderungsbedarf. Bei
einer geringen organisationalen Absorptionsfähigkeit fallen die Unterschiede
zwischen wahrgenommener Veränderbarkeit und wahrgenommenem
Veränderungsbedarf geringer aus.
Das Vorgehen zur empirischen Überprüfung der Hypothesen sowie die Ergebnisse werden im
nächsten Kapitel vorgestellt.
4 Empirische Überprüfung
4
79
Empirische Überprüfung
Zur Überprüfung des postulierten Modells wurde ein quantitatives Vorgehen
gewählt. Dazu wurden die Daten zufällig ausgewählter Geschäftsführer von kleinen und
mittleren Unternehmen in Deutschland mit einem standardisierten Fragebogen zur
Innovationsbereitschaft und Absorptionsfähigkeit sowie weiteren Unternehmenskenngrößen
erhoben. Der Fragebogen wurde in Kooperation mit dem Team des Projektes
Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 201036 erstellt. Die Datenerhebung realisierte in
diesem Rahmen ein außeruniversitäres Forschungsinstitut. Für die vorliegende Arbeit wurden
die erhobenen Daten dann mit dem Statistikprogrammen PASW Statistics 18 und AMOS 18
Graphics ausgewertet.
Die Darstellung der empirischen Überprüfung erfolgt gemäß den Richtlinien der
American Psychological Association (2010). Im Unterkapitel 4.1 werden die Methode inklusive
Stichprobe und Erhebungsvorgehen vorgestellt, im Unterkapitel 4.2 die Ergebnisse der
statistischen Auswertung beschrieben, die im Unterkapitel 4.3 interpretiert und diskutiert
werden.
4.1.
Methode
In diesem Unterkapitel wird das Vorgehen für die Überprüfung der Hypothesen
dargestellt. Dazu werden im Abschnitt 4.1.1 die Fokussierung auf kleine und mittlere
Unternehmen begründet sowie die Stichprobe anhand der Größen- und Branchenverteilung
beschrieben. Die Operationalisierung der Konstrukte in Form von Fragebogen-Items wird im
Abschnitt 4.1.2 vorgestellt, die Durchführung der Erhebung wird im Abschnitt 4.1.3 kurz
erläutert.
4.1.1.
Stichprobe
Die Stichprobe für die vorliegende Untersuchung bildeten kleine und mittlere
deutsche
36
Unternehmen
(KMU),
da
zunächst
eine
besondere
Bedeutung
von
Das Projekt „Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010 – Stand der Praxis in der deutschen
Wirtschaft“ wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft im Zeitraum 05/2010-03/2011 unter der
Nummer I C 4 – 75/09 gefördert. Mit der Durchführung wurde die Professur für Personal und Führung,
geleitet von Prof. Dr. Peter Pawlowsky, an der Technischen Universität Chemnitz betraut. In diesem
Projekt wurde u.a. eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von 3401 Unternehmen zu
verschiedenen Aspekten des Wissensmanagements befragt (siehe auch Pawlowsky, Gözalan & Schmid,
2011).
80
4 Empirische Überprüfung
Prozessinnovationen für diese Unternehmen existiert. So stellen Innovationen im Allgemeinen
einen zentralen Erfolgsfaktor für diese Unternehmen dar, im Speziellen können KMU bspw.
durch intraorganisationale Neuerungen Kosten einsparen, was im Gegensatz dazu größere
Unternehmen allein durch eine günstigere Kostenstruktur erreichen (Meyer, 2001, S. 3).
Zudem müssen die begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen von KMU für die
Generierung und Implementierung von Innovationen noch systematischer und bedachter
eingesetzt werden, als in Großunternehmen (ebd.). Innovationsaufgaben sollten dabei nicht
nur
dem
„Improvisationstalent“
überlassen
werden,
sondern
insbesondere
die
Personalressourcen durch Schwerpunktsetzung und Koordination gezielt genutzt werden
(Thom, 2001, S. 60).
Ausgehend von Meyer (2001)
und Thom (2001, S. 60), die den
Stellenwert der personalen Bestimmungsfaktoren für das Innovationsmanagement in KMU
hervorheben,
liefert
die
vorliegende
Arbeit
somit
durch
die
Untersuchung
der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften sowie deren absorptionsfähigkeitsbasierter
Förderung einen Erklärungsbeitrag für die Entstehung und Einführung von Innovationen in
KMU.
Neben der praktischen Relevanz von Prozessinnovationen für KMU bestand der
zweite Grund für die Wahl der Untersuchungsobjekte in den strukturellen Besonderheiten
mittelständischer Unternehmen. So ist der Geschäftsführer eines solchen Unternehmens die
zentrale Führungsperson, die unmittelbar über die Realisierung von Innovationen entscheidet
und deren Veränderungsbereitschaft maßgeblich für die Realisierung von Neuerungen ist (z. B.
Phillips et al., 2006, S. 190). Blessin (2001, S. 14) bezeichnete den Unternehmer als eine
wesentliche Quelle innovativer Tätigkeiten, da er mehrere Promotorenrollen in sich vereinen
kann (vgl. dazu auch Abschnitt 2.2.1). In einer empirischen Untersuchung in KMU fanden
Hauschildt und Walther (2003), dass, neben anderen Faktoren wie dem Innovationsgrad oder
einer
kurzen
Entwicklungsdauer,
insbesondere
das
Promotorenverhalten
der
Unternehmensleitung einen Erfolgsfaktor für Innovation darstellte. Bezogen auf das
transformationale Führungsverhalten von Geschäftsführern in KMU zeigten z. B. Hoogh, Den
Hartog, Koopman, Thierry, Van den Berg, Van der Weide und Wilderom (2005) die positive
Wirkung dieses Führungsstils auf innovationsförderliche Einstellungen der Mitarbeiter. Ebenso
belegten Matzler et al. (2008) den positiven Einfluss der transformational Führenden auf die
organisationale Innovativität und Leistungsfähigkeit in KMU.
Aufgrund der Relevanz des Geschäftsführers für (Prozess-) Innovationen in KMU
wurden daher KMU als Stichprobe für die vorliegende Untersuchung gewählt und der
Geschäftsführer als die zentrale Führungsperson im Innovationsprozess herausgegriffen. Damit
bestand die abhängige Variable in der Innovationsbereitschaft von Geschäftsführern. Da diese
Bereitschaft auf der subjektiven Beurteilung des Veränderungsbedarfes sowie der
Veränderbarkeit der Unternehmenssituation beruht, wurden die individuellen Einschätzungen
dieses Personenkreises erhoben. Weil auch die Wirkung der Absorptionsfähigkeit ausgehend
4 Empirische Überprüfung
81
von den bisherigen Befunden (vgl. dazu Kapitel 3) auf der subjektiven Wahrnehmung der
Führungskraft beruhen sollte, wurden die Geschäftsführer ebenfalls um die Einschätzung des
entsprechenden Mitarbeiterverhaltens gebeten (Operationalisierungen siehe Abschnitt 4.1.2).
Damit wurden ausschließlich die Geschäftsführer von KMU befragt. Dieses Vorgehen lehnt sich
bspw. an die Studien von Gebert et al. (2001) und Krause (2004) an, denen das Modell der
Innovationsbereitschaft von Gebert (1987, 2002) zugrundelag und die nur die jeweilige
Zielgruppe (in beiden Fällen Mitarbeiter) um ihre Einschätzungen baten.
Die Definition von KMU erfolgte in der vorliegenden Arbeit anhand der
Mitarbeiterzahl und des Jahresumsatzes, also auf quantitative Weise37. Laut EU-Richtlinie der
Europäischen Kommission (2003) werden Unternehmen mit 10 bis 49 Mitarbeiter und einem
Umsatz von weniger als 10 Millionen Euro als kleine, Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern
und einem Umsatz von 10 bis weniger als 50 Millionen Euro als mittlere Unternehmen
bezeichnet. Die Stichprobe wurde anhand der Mitarbeiterzahl gezogen und damit 934
Unternehmen befragt38. Dabei gaben 25 Unternehmen keinen Jahresumsatz bzw. einen
Umsatz von mehr als 50 Millionen an und wurden aufgrund der KMU-Definition von den
weiteren Analysen ausgeschlossen. Weiter waren 233 der Befragten keine Geschäftsführer
(ihre Position wurde nicht angegeben oder anderer Leitungskräfte wurden befragt), so dass
diese Unternehmen ebenfalls nicht berücksichtigt wurden. Aufgrund von fehlenden Angaben
oder einer fehlenden Differenzierung im Antwortverhalten39 wurden acht weitere
Unternehmen aus der Stichprobe entfernt.
Die endgültige Stichprobe umfasste damit 668 Unternehmen. Verglichen mit der
Grundgesamtheit der deutschen KMU 2007 (Statistisches Bundesamt Deutschland, 2010) sind
die Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern mit einem Anteil von 26% in der Stichprobe
etwas stärker repräsentiert als in der Grundgesamtheit (18%). Eine Übersicht über die
Verteilung der Unternehmen nach Mitarbeiterzahl und Umsatz gibt Tabelle 4-1.
37
Als Kriterien einer qualitativen Definition lassen sich z. B. die Inhaberzentriertheit, flache Hierarchien,
informale Organisationsformen oder die Ausprägung der persönlichen Beziehungen innerhalb des
Unternehmens heranziehen, wobei keine Einigkeit über die Kernelemente dieser Definition bestehen
und daher die quantitative Definition aufgrund ihrer eindeutigen Operationalisierung für die Auswahl
der Unternehmen aus forschungsökonomischen Gründen - wie auch in der vorliegenden Arbeit - häufig
vorgezogen wird (vgl. z. B. Menzel, 2009, S. 82 f.; Pawlowsky, Gerlach, Hauptmann & Puggel, 2006, S. 2).
38
Für die Erhebung im Rahmen des Projektes Wissensmanagement 2010 wurden über alle
Unternehmensgrößenklassen hinweg insgesamt 17.180 Führungskräfte deutscher Unternehmen
kontaktiert, wovon 3401 zur Teilnahme an der Befragung bereit waren, was einer Rücklaufquote von
17% entsprach. Für die KMU-Stichproben lässt sich die Rücklaufquote allerdings nicht separat
ausweisen.
39
Sobald ein Unternehmen bei mindestens zwei konstruktrelevanten Fragekomplexen keine Angaben
machte bzw. gleiche Antworten unabhängig von der Frage gab, wurde es aus der Stichprobe
ausgeschlossen.
82
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-1. Verteilung der Unternehmen nach Mitarbeiterzahl und Umsatz
Anzahl der Unternehmen nach Mitarbeiterzahl
Umsatz im Jahr 2009
10-49 Mitarbeiter
50-249 Mitarbeiter
Gesamt
482 (72%)
123 (19%)
605 (91%)
15 (2%)
48 (7%)
63 (9%)
497 (74%)
171 (26%)
<10 Mio. Euro
10 bis <50 Mio. Euro
Gesamt
Die Verteilung auf Wirtschaftszweige nach der Klassifikation des Statistischen
Bundesamtes Deutschland entsprach annähernd der Verteilung in der Grundgesamtheit 2007
(Statistisches Bundesamt, 2010).
30%
25%
20%
15%
10%
5%
Grundgesamtheit 2007
0%
Stichprobe 2010
Abbildung 4-1. Verteilung der Unternehmen nach Branchen: Vergleich zwischen
Grundgesamtheit 2007 laut Statistischem Bundesamt (2010) und der Stichprobe der
vorliegenden Untersuchung mit N=668
Dreiviertel der Stichprobe umfasste Unternehmen des Dienstleistungssektors (23%),
des verarbeitenden Gewerbes (17%), des Handels (15%), des Gesundheits- und Sozialwesens
(12%) sowie des Baugewerbes (8%). Der Anteil dieser Unternehmen an der Stichprobe wich ein
bis vier Prozentpunkte von ihrem Anteil in der Grundgesamtheit ab (vgl. Abbildung 4-1). Die
restlichen 25% der Stichprobe verteilten sich auf die neun weiteren Wirtschaftszweige
entsprechend ihrem Anteil in der Grundgesamtheit.
4 Empirische Überprüfung
4.1.2.
83
Fragebogen
Der Fragebogen für die vorliegende Untersuchung wurde in Kooperation mit dem
Projektteam Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010 an der Professur Personal und
Führung der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Peter Pawlowsky
erstellt. Dafür wurden sowohl eigene Items zur Operationalisierung der Konstrukte
Innovationsbereitschaft und Absorptionsfähigkeit formuliert, als auch vorhandene Items aus
dem Wissensmanagement-Projekt für die eigenen Auswertungen genutzt.
Die eingesetzten Items bezogen sich vorrangig auf die Ebene der gesamten
Organisation, wobei die aktuelle Bereitschaft für organisationale Veränderungen im Zentrum
stand und nicht, wie etwa bei Krause (2004), eine retrospektive Auseinandersetzung mit einem
bereits
abgeschlossenem
Antwortverzerrungen
Innovationsprojekt.
vermeiden,
die
durch
Durch
dieses
Vorgehen
„Rückschaufehler“
ließen
verursacht
sich
werden
(Sedlmeier & Renkewitz, 2008, S. 8). Solche Fehler können bei der retrospektiven Beurteilung
dadurch auftreten, dass etwa zur Vermeidung kognitiver Dissonanz (Festinger, 1957) die
subjektiven Bewertungen an den Verlauf und das Ergebnis des Innovationsprojektes angepasst
werden. Die Erinnerung an das eigene frühere Urteil bspw. über die Notwendigkeit der
Innovation ändert sich, weil zwischenzeitlich weitere Informationen (nämlich zum Verlauf und
Ergebnis
des
betrachteten
Projektes)
vorliegen,
die
in
die
Rekonstruktion
der
Gedächtnisinhalte einfließen. In der vorliegenden Untersuchung wurden dagegen in Form
einer Querschnittserhebung der aktuelle Zustand im Unternehmen sowie die aktuellen
Bewertungen der Führungskraft erfasst. Die dafür relevanten Items waren im Fragebogen an
verschiedenen Positionen eingestreut, so dass insbesondere für das Konstrukt der
Innovationsbereitschaft Reihenfolgeeffekte vermieden werden konnten. Insgesamt umfasste
die Befragung 21 inhaltliche Blöcke mit jeweils 1 bis 30 geschlossenen Fragen, welche i.d.R. auf
mehrstufigen Ratingskalen beantwortet wurden40. Aufgrund des Gesamtumfanges von 290
Items und vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit dem Projekt Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 waren Kompromisse zwischen der Anzahl formulierter Fragen und
dem Detailierungsgrad für die Erhebung der Konstrukte notwendig. Dabei unterschied sich das
Vorgehen jedoch nicht von anderen schriftlichen Befragungen im Kontext der Führungs- und
Innovationsforschung, die neben den klassischen Test-Gütekriterien der Objektivität,
40
Beurteilungsfragen wurden auf mehrstufigen Ratingskalen beantwortet, Klassifikationsangaben wie
etwa die Branchenzugehörigkeit auf Nominalskalen, Fragen nach Merkmalsverteilungen innerhalb der
Belegschaft wie etwa der beruflichen Qualifikation wurden als Prozentangaben erfasst. Bei der
Datenauswertung im Abschnitt 4.2 wird auf das Skalenniveau der Daten entsprechend eingegangen.
84
4 Empirische Überprüfung
Reliabilität und Validität auch den Kriterien der Ökonomie und Nützlichkeit genügen sollen41
(Lienert & Raatz, 1998, S. 7 ff.).
Die Items zur Operationalisierung der zentralen Konstrukte Innovationsbereitschaft
der Führungskraft und organisationale Absorptionsfähigkeit werden nachfolgend beschrieben,
wobei auf deren theoretische und empirische Grundlagen eingegangen wird.
4.1.2.1. Messung der Innovationsbereitschaft von Führungskräften
Bevor die zur Messung der Innovationsbereitschaft eingesetzten Items vorgestellt
werden, sollen zunächst die theoretischen Grundlagen wieder aufgegriffen sowie die
Operationalisierungen des Konstruktes in vergleichbaren Studien erläutert werden. Die
Innovationsbereitschaft von Führungskräften wurde im Abschnitt 2.3.2 definiert als das
Erkennen und Bewerten des Veränderungsbedarfes sowie der Veränderbarkeit des
Leistungserstellungsprozesses und/oder der Leistungsergebnisse in einem Unternehmen.
Damit wurde sowohl auf Arbeiten zur individuellen Bereitschaft für organisationale
Veränderungen (Armenakis et al., 1993; Dalton & Gottlieb, 2003; Holt et al., 2007; Prochaska
et al., 2001) als insbesondere auf das Modell innovationsbezogenen Verhaltens von Gebert
(1987, 2002) Bezug genommen. Letzteres nutzte Krause (2004) in ihrer Untersuchung von
Macht und Vertrauen in einem bereits abgeschlossenem Projekt zur Entwicklung und
Umsetzung einer Prozessinnovation in Unternehmen an einer Stichprobe von 399
Projektverantwortlichen. Sie operationalisierte deren wahrgenommene Veränderungsbedürftigkeit mit zwei Fragen (vgl. Tabelle 4-2), wobei die interne Konsistenz der Skala mit
Cronbachs α=.6 nur befriedigend war (Krause, 2004, S. 215). Die wahrgenommene
Veränderungsfähigkeit wurde anhand von vier Fragen nach der zu erwartenden Unterstützung
durch den Vorgesetzten sowie dem Vorhandensein bzw. der erwarteten Bereitstellung
notwendiger Ressourcen erfasst. Die interne Konsistenz dieser Skala war mit Cronbachs α=.87
als gut zu bewerten42.
Bezogen
auf
die
allgemeine
individuelle
Bereitschaft
für
organisationale
Veränderungen nach Armenakis et al. (1993) kristallisierten Holt et al. (2007) in mehreren
Faktor- und Regressionsanalysen die zwei Faktoren Angemessenheit des Wandels
41
Kriterien für die Ökonomie eines Testes sind nach Lienert & Raatz (1998, S. 12 f.) u.a. eine kurze
Durchführungszeit, eine einfache Handhabung sowie die Möglichkeit zur schnellen und bequemen
Auswertung. Die Nützlichkeit eines Tests zeigt sich darin, dass er Persönlichkeitsmerkmale oder
Verhaltensweisen misst, für deren Untersuchung ein praktisches Bedürfnis besteht.
42
Bewertung von Cronbachs α nach der Faustregel, dass Werte >.7 akzeptabel, >.8 gut und >.9 sehr gut
sind (z. B. auch angewendet von Holt, Armenakis, Feild & Harris, 2007; Krause, 2004), wobei sich
Cronbachs α mit der Anzahl einbezogener Items automatisch erhöht (vgl. Cortina, 1993).
4 Empirische Überprüfung
85
(„appropriateness”) und veränderungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung („change
efficacy”) als relevante Einflussfaktoren auf den wahrgenommenen Veränderungserfolg heraus
(S. 247). Die wahrgenommene Angemessenheit des Wandels wurde dabei anhand mehrerer
Items bezüglich des Erkennens einer Veränderungsnotwendigkeit sowie der Nützlichkeit dieser
Veränderung für die Organisation operationalisiert. Die veränderungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung wurde mit sechs Items erfasst, welche die Überzeugung der Befragten
abbildete, die anstehende organisationale Veränderung erfolgreich zu bewältigen. Mit
Cronbachs α=.94 und Cronbachs α=.82 war die interne Konsistenz der Skalen (sehr) gut.
Harris und Cole (2007) verbanden in ihrer Studie zur individuellen Bereitschaft für
eine Maßnahme zur Führungskräfteentwicklung das Konzept der Veränderungsbereitschaft
von Armenakis et al. (1993) mit dem Phasenmodell individueller Veränderungen nach
Prochaska et al. (2001). Die Veränderungsbereitschaft erfassten sie dabei mit Fragen nach der
wahrgenommenen Notwendigkeit für die Veränderung, der veränderungsbezogenen
Selbstwirksamkeitserwartung sowie dem erwarteten persönlichen Nutzen durch die
Entwicklungsmaßnahme (Cronbachs α der Skala=.87). Angewendet auf das Phasenmodell von
Prochaska et al. (2001) zeigte sich eine positive Korrelation der Veränderungsbereitschaft mit
der kontemplativen Phase. Diese war gekennzeichnet durch das Erkennen von aktuellen
Herausforderungen, die eine Veränderung notwendig erschienen ließen sowie der subjektiven
Diagnose, dass eine Verbesserung der eigenen Handlungsfähigkeit erforderlich sei (Harris
& Cole, 2007, S. 783). Auch Cunningham et al. (2002) nutzten das Phasenmodell von Prochaska
et al. (2001) zur Operationalisierung der Veränderungsbereitschaft im Rahmen ihrer
Längsschnittstudie zu einer organisationalen Umstrukturierung eines Krankenhauses. Dazu
formulierten sie sechs Items, die die einzelnen Phasen abdecken sollten (Cronbachs α=.63). Die
kontemplative Phase wurde dabei mit der Aussage erfasst, selbst über die Unterstützung einer
organisationalen Veränderung nachzudenken.
DeLong Goldman (2009) entwickelte schließlich den Kurzfragebogen Brief Individual
Readiness for Change Scale (BIRCS), um die individuelle Bereitschaft für die Nutzung neuer
Technologien im sozialen Bereich erfassen zu können. Die Veränderungsbereitschaft wurde
dabei als ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Innovationen sowie der Fähigkeit, den
Technologietransfer zu realisieren, verstanden. Umgesetzt wurde dieses Verständnis in vier
Items, mit denen die individuelle Fähigkeit, die Flexibilität und das Training zum Einsatz der
neuen Technik sowie der Nutzen der Neuerung bewertet wurden. Mit einem Cronbachs α=.78
war die interne Konsistenz dieser kurzen Skala ausreichend hoch.
In Tabelle 4-2 sind die bisherigen Operationalisierungen der Innovations- und
Veränderungsbereitschaft im Überblick dargestellt.
86
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-2. Übersicht zur Operationalisierungen der Innovationsbereitschaft oder der
individuellen Bereitschaft für organisationale Veränderungen in bisherigen empirischen
Untersuchungen (Auswahl der für die vorliegende Untersuchung relevanten Items)
Autoren
Dimensionen
Relevante Operationalisierung
Krause (2004)
Veränderungsbedürftigkeit
In Bezug auf die inhaltliche Problemstellung, die mit dieser
Neuerung verbunden waren, hielt ich manches für
verbesserungsbedürftig.
(ausgehend von
Gebert, 1987 & 2002)
(Cronbachs
α=.60)
Veränderungsfähigkeit
(Cronbachs
α=.87)
Anfangs bezweifelte ich sehr stark den Sinn der Neuerung.
(umkodiert)
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung wusste ich
genau, dass mein Chef seine Ressourcen (Informationen, Geld,
Mitarbeiter, Entscheidungskompetenzen, etc.) in meinem Sinne
einsetzen würde.
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung wusste ich, dass
mein Chef sich dafür einsetzen wird, dass für mich Ressourcen zur
Problembehebung mobilisiert werden.
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung war ich mir
sicher, dass mein Chef mir den Rücken freihält.
Für die konkrete Ausgestaltung dieser Neuerung verfügte ich über
die notwendigen Ressourcen, um die Probleme zu lösen.
Holt et al. (2007)
Appropriateness
I think that the organization will benefit from this change.
(ausgehend von
Armenakis et al., 1993)
(Cronbachs α=.94)
It doesn’t make much sense for us to initiate this change. (recode)
There are legitimate reasons for us to make this change.
This change will improve our organization’s overall efficiency.
There are a number of rational reasons for this change to be
made.
In the long run, I feel it will be worthwhile for me if the
organization adopts this change.
This change makes my job easier.
When this change is implemented, I don’t believe there is
anything for me to gain. (recode)
The time we are spending on this change should be spent on
something else. (recode)
This change matches the priorities of our organization.
Change Efficacy
(Cronbachs α=.82)
I do not anticipate any problems adjusting to the work I will have
when this change is adopted.
There are some tasks that will be required when we change that I
don’t think I can do well. (recode)
When we implement this change, I feel I can handle it with ease.
I have the skills that are needed to make this change work.
When I set my mind to it, I can learn everything that will be
required when this change is adopted.
My past experiences make me confident that I will be able to
perform successfully after this change is made.
4 Empirische Überprüfung
87
Tabelle 4-2. (Fortsetzung)
Harris und Cole (2007)
(ausgehend von
(Armenakis et al., 1993
und Prochaska et al.,
2001)
Perceived need
for change
My leadership skills need improving.
Change Efficacy
If I try, I can become a better leader.
Personal valence
Becoming a better leader is important to me.
Contemplation
Stage
I have some leadership challenges and I really think I should work
on them.
It might be worthwhile to work on improving my leadership skills.
I think I might be ready for some leadership self-improvement.
Cunningham et al.
(2002)
Precontemplative
stage
(ausgehend von
Prochaska et al., 2001)
DeLong Goldman
(2009)
The programme or area in which I work functions well and does
not have any aspects which need changing.
There's nothing that I really need to change about the way I do
my job to be more efficient.
Contemplative
stage
I've been thinking that I might want to help change something
about the programme or area in which I work.
Preparatory stage
I plan to be involved in changing the programme or area in which
I work.
Individual
Readiness for
Change
I believe I have the skills to use the new service techniques.
I believe I have the flexibility to use the new service techniques.
(Cronbachs α=.78)
I believe I will receive the training I need to use the new service
techniques.
I believe using them will improve outcomes for my clients/service
recipients.
Die Darstellung dieser bisherigen Operationalisierungen zur Innovationsbereitschaft
bzw. der individuellen Bereitschaft für organisationale Veränderungen macht die Spannbreite
möglicher Items zur Erfassung des Konstruktes deutlich. Zentral dabei sind, wie auch in
Abschnitt 2.3.2 herausgearbeitet, das Erkennen der Notwendigkeit einer Veränderung sowie
das Vertrauen, Ressourcen für die Bewältigung der Veränderung zu besitzen oder darauf
zugreifen zu können. Allerdings untersuchten die hier zitierten Studien jeweils ein konkretes
Innovationsprojekt oder eine spezifische Maßnahme des organisationalen Wandels. Bei der
vorliegenden
Arbeit
standen
jedoch
die
generelle
Bewertung
der
aktuellen
Unternehmenssituation und die daraus resultierende aktuelle Innovationsbereitschaft
unabhängig von einem konkreten Projekt im Zentrum (vgl. dazu auch die einleitenden
Ausführungen unter 4.1.2). Damit ließen sich die in Tabelle 4-2 dargestellten Items nicht
unmittelbar für die vorliegende Studie anwenden, sondern wurden als Ausgangspunkt für die
Formulierung eigener Fragen zur Operationalisierung der Innovationsbereitschaft genutzt.
88
4 Empirische Überprüfung
Wie im Abschnitt 2.3.2 herausgearbeitet, kann Innovationsbereitschaft sowohl als
Prozess als auch als Zustand begriffen werden. Der Prozessgedanke schlägt sich in der
Annahme zweier Bewertungsprozesse nieder. Während der ersten Bewertung wird der IstZustand der betreffenden Situation mit einem erwünschten Soll-Zustand verglichen, woraus
sich die Erkenntnis eines Veränderungsbedarfes ergibt. Im zweiten Bewertungsprozess werden
die Ressourcen bewertet, die für eine Veränderung zur Verfügung stehen und als Ergebnis die
Veränderbarkeit der Situation eingeschätzt. Aus der multiplikativen Verknüpfung von
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und wahrgenommener Veränderbarkeit resultiert
dann als Zustand die Innovationsbereitschaft einer Person. Diese Beschreibung als Zustand
wurde bspw. in der Studie von Krause (2004) mit den Items zur Veränderungsbedürftigkeit
realisiert, während sie die Veränderungsfähigkeit anhand der diesem Zustand vorausgehenden
Bewertungsprozesse operationalisierte. In der vorliegenden Arbeit wurde dagegen versucht,
die
Trennung
von
Prozess
und
Zustand
systematischer
zu
realisieren
und
Innovationsbereitschaft sowohl als Zustand als auch als Prozess, soweit das im Rahmen einer
Querschnittserhebung möglich war, abzubilden.
Wie die Arbeiten von DeLong Goldman (2009), Harris und Cole (2007) und Krause
(2004) zeigten, lässt sich die Bereitschaft für Veränderungen mit wenigen Items erfassen. Vor
diesem Hintergrund wurde für die vorliegende Studie eine möglichst geringe Anzahl von
Fragen zur Operationalisierung angestrebt, sofern Items nicht bereits durch das Projekt
Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010 vorgegeben wurden.
Der
wahrgenommene
Veränderungsbedarf
als
Ergebnis
des
ersten
Bewertungsprozesses wurde mit der Frage erfasst, inwieweit gezielte Veränderungen im
Unternehmen notwendig sind, um wettbewerbsfähiger zu werden. Damit wurde den
Operationalisierungen von Cunningham et al. (2002), Harris und Cole (2007) und Krause (2004)
gefolgt und diese mit einer Frage auf den Punkt gebracht. Ein zentraler Aspekt für die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes ist nach Armenakis et al. (1993, S. 685) und Gebert
(2002, S. 90 ff.) der objektive Problemdruck in der Situation, der z. B. durch Veränderungen
externer Kontextfaktoren wie dem Wettbewerbsdruck oder einer Verschlechterung der
wirtschaftlichen Lage
wahrgenommenen
entsteht. Dieser Problemdruck
Herausforderungen,
denen
das
wurde
deshalb anhand der
Unternehmen
gegenübersteht,
operationalisiert (vgl. dazu auch Cunningham et al., 2002). Der objektive Problemdruck kann
sich weiterhin in einer diffusen Unzufriedenheit mit der Organisation und im Feststellen von
Fehlern niederschlagen (Armenakis et al., 1993, S. 685). Das zu erfassen war auf der
vorgegeben allgemeinen Unternehmenseben nicht realisierbar. Deshalb wurde im
Umkehrschluss nach den Stärken des Unternehmens gefragt, die aus der Gestaltung bzw. den
Ergebnissen der internen Leistungserstellungsprozesse resultierten. Aus der Beurteilung von
Wettbewerbsvorteilen durch die Geschäftsführer wurde so auf deren Zufriedenheit mit der
aktuellen Gestaltung der Geschäftsprozesse geschlossen. Für die Operationalisierung der
4 Empirische Überprüfung
89
Herausforderungen und Wettbewerbsfaktoren wurde dabei auf die Studien von Pawlowsky,
Menzel und Wilkens (2005) und Pawlowsky, Gerlach, Hauptmann und Puggel (2006)
zurückgegriffen
sowie
auf
die
Arbeiten
der
Projektgruppe
Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 (Pawlowsky, Gözalan & Schmid, 2011).
Die Beurteilung der Veränderbarkeit als Ergebnis des zweiten Bewertungsprozesses
erfolgte anhand der Zustimmung oder Ablehnung zur Aussage, dass man im Unternehmen
Veränderungen gegenüber
sehr
aufgeschlossen sei. Damit sollte
die
individuelle
Wahrnehmung einer (allgemeinen) Veränderbarkeit der Situation erfasst werden, die sich
nicht auf ein konkretes Veränderungsobjekt bezog aber im Unterschied zu anderen Studien
(vgl. Tabelle 4-2) diesen Zustandsaspekt explizit operationalisierte. Ergänzend dazu wurden
drei zentrale Ressourcen, die auf die wahrgenommene Veränderbarkeit der Situation wirken,
in Anlehnung an DeLong Goldman (2009) und Krause (2004) erhoben. Auf individueller Ebene
wurde die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft thematisiert,
auf der Ebene der Mitarbeiterressourcen die Mitarbeiterleistung und auf der Ebene der
organisationalen Unterstützung die Fehlertoleranz des Unternehmens beurteilt (vgl. dazu das
Modell der Innovationsbereitschaft in Abbildung 3-1 auf S. 63). Da der Fragebogen insgesamt
auf organisationaler Ebene ansetzte, wurde die Selbstwirksamkeitserwartung anhand der
Beurteilung des Management/der Geschäftsführung als Wettbewerbsvorteil gegenüber dem
Hauptkonkurrenten erfasst. Dem lag die Annahme zugrunde, dass ein Geschäftsführer, der
davon
ausgeht,
die
Unternehmenssituation
und
-ergebnisse
entsprechend
seiner
Vorstellungen zu beeinflussen, in seinem Handeln einen Wettbewerbsvorteil für sein
Unternehmen sieht, was als Indiz einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung gewertet werden
kann. Damit wurde die Selbstwirksamkeitserwartung nicht wie bspw. bei Holt et al. (2007)
ausschließlich auf eine anstehende notwendige Veränderung bezogen, sondern im Sinne der
Untersuchung auf allgemeiner Ebene als subjektive Einschätzung der Führungskraft
verstanden, ihre positionsbedingten Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können. Als weitere
Ressource für Veränderungen wurde in Anlehnung an die Operationalisierung von Krause
(2004) die Bewertung der Mitarbeiterleistung erhoben. Diese wurde wiederum auf
organisationaler Ebene anhand der wahrgenommenen Wettbewerbsvorteile, die auf
Kenntnissen, Fähigkeiten oder der Motivation der Mitarbeiter beruhen, operationalisiert.
Hierfür wurde die Studien von Pawlowsky et al. (2005) und Pawlowsky et al. (2006) zugrunde
gelegt, sowie weitere Items in Kooperation mit der Projektgruppe Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 (Pawlowsky et al., 2011) herausgearbeitet. Der dritte Einflussfaktor
auf die wahrgenommene Veränderbarkeit wurde in der Fehlertoleranz des Unternehmens
gesehen, die als eine Form der organisationalen Unterstützung interpretiert werden kann (vgl.
dazu Eby et al., 2000 und die Ausführungen im Abschnitt 3.1.1 Allgemeine Zusammenhänge).
90
4 Empirische Überprüfung
In der Tabelle 4-3 werden die Dimensionen des Konstruktes Innovationsbereitschaft
sowie die dazugehörigen Items noch einmal zusammengefasst. Die geschlossenen Fragen
wurden jeweils auf einer 11-stufigen Skala beantwortet.
Tabelle 4-3. Übersicht zur Operationalisierung der untersuchten Dimensionen der
Innovationsbereitschaft (die Zahlen vor den Items geben die Position im Fragebogen an)
Konstrukt-Dimensionen
Operationalisierung
Veränderungsbedarf der Situation
6.3 Wenn Sie Ihr Unternehmen insgesamt betrachten, wie notwendig sind
gezielte Veränderungen, um wettbewerbsfähiger zu werden?
Problemdruck
5.x Welchen Stellenwert hat die Bewältigung folgender Herausforderungen
Ihrer Ansicht nach für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens? (vgl.
Tabelle 4-6, S. 104)
Leistungsfähige interne
Organisation
6.x Hat Ihr Unternehmen auf diesen Gebieten gegenüber Ihren
Hauptkonkurrenten mehr oder weniger starke Wettbewerbsvorteile?
(Wettbewerbsvorteile, die aus der Gestaltung sowie Ergebnissen der
internen Leistungserstellungsprozesse resultierten; vgl. auch Anhang A)
Veränderbarkeit der Situation
13.3 Bei uns ist man Veränderungen gegenüber sehr aufgeschlossen.
Aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung
6.29 [Unser] besseres Management/Geschäftsführung ist ein
Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Hauptkonkurrent
Leistungsfähigkeit der
Mitarbeiter
6.x Hat Ihr Unternehmen auf diesen Gebieten gegenüber Ihren
Hauptkonkurrenten mehr oder weniger starke Wettbewerbsvorteile?
(Wettbewerbsvorteile, die aus Fähigkeiten, Fertigkeiten oder der
Motivation der Mitarbeiter resultierten; vgl. auch Anhang A)
Organisationale Fehlertoleranz
13.2 Bei uns dürfen keine Fehler gemacht werden. [umkodiert]
13.9 Bei uns werden Fehler konsequent sanktioniert. [umkodiert]
4.1.2.2. Messung der organisationalen Absorptionsfähigkeit
Als Maßzahl für die Absorptionsfähigkeit etablierten Cohen und Levinthal (1990) die
Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen eines Unternehmens. Zahlreiche Studien folgten
diesem Ansatz, obwohl er für die Messung einer dynamic capability nicht hinreichend scheint
(Lane et al., 2006, S. 854; Moldaschl, 2006, S. 7; Schreyögg & Schmid, 2009, S. 14). Eine
Erweiterung dieser Operationalisierung schlugen z. B. Kostopoulos et al. (2011) vor, indem sie
einen Index bildeten, der die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) des
Unternehmens, den Anteil der Mitarbeiter mit Hochschulabschluss, das Vorhandensein
kontinuierlicher F&E-Aktivitäten sowie das Weiterbildungsangebot für F&E-Mitarbeiter
beinhaltete. Damit blieben jedoch auch sie in der Tradition, Absorptionsfähigkeit als
Konsequenz einer aktiven F&E-Abteilung in Unternehmen zu definieren. Ausgehend von den
konzeptionellen Grundlagen der Absorptionsfähigkeit, wie sie im Abschnitt 2.4.2 dieser Arbeit
4 Empirische Überprüfung
91
vorgestellt wurden, scheint diese Fokussierung auf den F&E-Bereich von Unternehmen sowie
eine Ausrichtung auf die technologische Absorptionsfähigkeit wie bspw. bei Garcia-Morales et
al. (2007) als nicht ausreichend. Wie Schreyögg und Schmid (2009, S. 14) ausführten, sollte die
empirische Forschung insgesamt stärker den Prozesscharakter der Absorptionsfähigkeit
herausstellen und sich damit vermehrt den Praktiken der Wissensabsorption denn deren
Eingangsgrößen wie F&E-Ausgaben zuwenden. Für die vorliegende Untersuchung wurde
deshalb ein prozessbezogener Zugang gewählt und auf Studien zurückgegriffen, die explizit die
Phasen der Absorptionsfähigkeit für ihre Operationalisierung aufgriffen (für einen Überblick
und die weiteren Ausführungen siehe auch Tabelle 4-4).
So erfassten García-Morales et al. (2008) die vier Phasen Akquisition,
Implementierung, Transformation und Anwendung neuen Wissens anhand jeweils einer Frage
nach der jeweiligen Fähigkeit der Organisation. Vega-Jurado, Gutiérrez-Gracia und Fernándezde-Lucio (2009) beschäftigten sich nur mit der Akquisition und unterschieden dabei zwischen
Wissen, welches sich das Unternehmen z. B. durch externe F&E-Dienstleistungen oder Patente
anderer angeeignet hatte und Wissen, das durch F&E- oder Innovations-Kooperationen mit
externen Partnern erworben wurde. In ähnlicher Weise operationalisierten Fosfuri und Tribó
(2008) die potenzielle Absorptionsfähigkeit im Sinne von Zahra und George (2002), indem sie
diese anhand der Nutzung unternehmensexterner Quellen wie etwa Kunden, Lieferanten oder
Forschungsinstitute für die Innovationstätigkeit des eigenen Unternehmens erfassten.
Zusätzlich erhoben sie als Bedingungen der Absorptionsfähigkeit die Auslagerung von F&EAufgaben sowie F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen. Für die vorliegende Arbeit
interessant war auch, dass sie als dritten Aspekt „social integration mechanisms“, welche den
unternehmensinternen Austausch von Informationen unterstützten (S. 174), thematisierten.
Dazu fragten sie nach der Bedeutung interner Informationsquellen wie Abteilungen oder
einzelne Mitarbeiter für die Innovationstätigkeiten.
Die Relevanz des internen Wissensaustausches war auch Liao, Wu, Hu und Tsui
(2009) bewusst, die neben der Kommunikation mit der externen Umwelt nach der
Überlappung der Wissensbereiche innerhalb des Unternehmens sowie dem generellen
Fähigkeits- und Erfahrungsniveau innerhalb der Organisation fragten. Damit führten sie die
Überlegungen von Liao et
al. (2007) weiter, die sich bei ihrer Erfassung der
Absorptionsfähigkeit auf die Fähigkeiten und die Motivierung der Mitarbeiter zum
Wissenseinsatz konzentrierten. Unter der Fähigkeit von Mitarbeitern verstanden diese das
Fachwissen von Mitarbeitern, deren Fähigkeit, dieses zu nutzen, ihr Qualifikationsniveau und
technische Kompetenzen. Die Motivierung wurde mit sechs Items zum Belohnungssystem des
Unternehmens sowie den wahrgenommenen Anstrengungen von Mitarbeitern erfasst. Dabei
wurden Motivierung und Fähigkeit nicht auf individueller Ebene gemessen, sondern als
aggregierte Aussage über alle Organisationsmitglieder hinweg erhoben.
92
4 Empirische Überprüfung
Die umfangreichste Erfassung der Absorptionsfähigkeit findet sich bei Camisón und
Forés (2010), die im Zuge ihrer Konzeptüberarbeitung eine entsprechende Operationalisierung
der vier Phasen Akquisition, Assimilation, Transformation und Anwendung vorlegten. Mit vier
bis sechs Items je Phase wurden damit auf organisationaler Ebene die verschiedenen Aspekte
der Absorptionsfähigkeit erfasst, wobei die interne Konsistenz mit Cronbachs α<.68 eher
schlecht ausfiel. Bessere Werte erreichten hier Flatten, Engelen, Zahra und Brettel (2011), die
ihre Messung der Absorptionsfähigkeit an den vier Phasen Akquisition, Assimilation,
Transformation und Exploitation nach Zahra und George (2002) anlehnten. Dabei wurden
sowohl Fragen zum Unternehmen als Ganzes als auch zu Merkmalen und Verhaltensweisen
der Mitarbeiter und Führungskräfte gestellt.
Tabelle 4-4. Übersicht zur Operationalisierungen der Absorptionsfähigkeit in bisherigen
empirischen Untersuchungen, die für die vorliegende Untersuchung herangezogen wurden
Autoren
Dimensionen
Relevante Operationalisierung
Garcí-Morales et
al. (2008)
Absorptive
capacity
(Cronbachs
α=.85)
The organization has a clear division of roles and responsibilities for
acquiring new knowledge.
The organization has the necessary skills to implement new acquired
knowledge.
The organization has the competences to transform the new
acquired knowledge.
The organization has the competences to use the new acquired
knowledge.
Vega-Jurado et al.
(2009)
Fosfuri und Tribó
(2008)
External
knowledgeacquisition
strategies
Potential
absorptive
capacity (PAC)
Bought-in-knowledge: (1) external R&D, (2) technology embodied in
machinery and equipment, (3) intangible technology in the form of
patents, trademarks, software, etc.
knowledge acquired through cooperation in R&D and innovation
activities with: (1) other firms of the same group, (2) suppliers, (3)
competitors, (4) laboratories, (5) universities, (6) public research
bodies, (7) technology centers
Please indicate the importance (from 1 to 4) for your innovation
activity of the following external sources of information during the
period 1998–2000:
(1) suppliers, (2) clients, (3) competitors,
(4) universities, (5) other research institutions,
(6) conferences, meetings and specialized journals and (7) exhibitions
and showrooms.
Antecedents of
PAC
Contracted R&D: Did your firm acquire external R&D during the
period 1998–2000? Yes/no.
R&D collaboration: Did your firm sign R&D cooperation agreements
with other firms or institutions during the period 1998–2000?
Yes/no.
Experience with knowledge search: Firm’s stock of non-expired
patents
4 Empirische Überprüfung
93
Tabelle 4-4. (Fortsetzung)
Fosfuri und Tribó
(2008) (Forts.)
Moderator: Social
integration
mechanisms
Please indicate the importance (from 1 to 4) for your innovation
activity of the following internal sources of information during the
period 1998–2000:
1. departments and employees,
2. other subsidiaries of the same group.
Liao et al. (2009)
Absorptive
capacity
Communication with the external environment (4 items)
level of know-how and experience within the organization (3 items)
diversity and overlaps in the knowledge structure (3 items)
strategic position (4 items)
Liao et al. (2007)
Employees’ ability
11. Our company staff is equipped with excellent professional
knowledge.
12. Our company staff can acquire quickly and thoroughly new
knowledge required by the work.
13. Our company staff has better working skills than the staff of our
competitors.
14. Our company staff has higher educational qualifications than the
staff of our competitors.
15. Our company staff has the ability to use and organize the acquired
knowledge.
Employees’
motivation
Our company staff strives to acquire working skills and job licenses in
order to obtain pay rise, promotions and job offers.
The knowledge acquisition behavior of our company staff has positive
impact on the working efficiency.
Our company determines pay rise, promotions and job offers
according to the working skills and license possessed by the staff.
Our company assigns further learning or training opportunities
according to the working skills and license possessed by the staff.
The rewards offered by our company can effectively encourage the
staff to acquire working skills and job licenses.
Our company staff obtains fair rewards for their progress in learning
compared with the staff of our competitors.
The reward system of our company for encouraging staff to acquire
working skills and job licenses is better than that of our competitors.
94
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-4. (Fortsetzung)
Camisón und Forés
(2010)
Akquisition
(Cronbachs
α=.64)
3. Capacity to capture relevant, continuous and up-to-date
information and knowledge on current and potential competitors.
8. Degree of management orientation towards waiting to see what
happens, instead of concern for and orientation towards their
environment to monitor trends continuously and wide-rangingly and
to discover new opportunities to be exploited proactively.a
60. Frequency and importance of cooperation with R&D
organizations— universities, business schools, technological
institutes, etc.—as a member or sponsor to create knowledge and
innovations.
69. Effectiveness in establishing programs oriented towards the
internal development of technological acquisition of competences
from R&D centers, suppliers or customers.
Assimilation
(Cronbachs α=
.68)
44. Capacity to assimilate new technologies and innovations that are
useful or have proven potential.
48. Ability to use employees' level of knowledge, experience and
competencies in the assimilation and interpretation of new
knowledge.
52. The firm benefits when it comes to assimilating the basic, key
business knowledge and technologies from the successful experiences
of businesses in the same industry.
74. Ability to develop knowledge management programs,
guaranteeing the firm's capacity for understanding and carefully
analyzing knowledge and technology from other organizations.
93. Degree to which company employees attend and present papers
at scientific conferences and congresses, are integrated as lecturers at
universities or business schools or receive outside staff on research
attachments.
101. Attendance of training courses, trade fairs and meetings.
Transformation
(Cronbachs
α=.65)
36. Capacity of the company to use information technologies in order
to improve information flow, develop the effective sharing of
knowledge and foster communication between members of the firm,
including virtual meetings between professionals who are physically
separated—Internet B2E portals, email, teleworking etc.
66. Firm's awareness of its competences in innovation, especially with
respect to key technologies, and capability to eliminate obsolete
internal knowledge, thereby stimulating the search for alternative
innovations and their adaptation.
75. Degree to which firm prevents all employees voluntarily
transmitting useful scientific and technological information acquired
to each other.a
80.Capacity to adapt technologies designed by other to the firm's
particular needs.
112. Capability to coordinate and integrate all phases of the R&D
process and its inter-relations with the functional tasks of
engineering, production and marketing.
4 Empirische Überprüfung
95
Tabelle 4-4. (Fortsetzung)
Camisón und Forés
(2010) (Forts.)
Application
(Cronbachs
α=.65)
6. The organization's capacity to use and exploit new knowledge in
the workplace to respond quickly to environment changes.
23. Degree of application of knowledge and experience acquired in
the technological and business fields prioritized in the firm's strategy
that enables it to keep itself at the technological leading edge in the
business.
29. Capacity to put technological knowledge into product and process
patents.
57. Ability to respond to the requirements of demand or to
competitive pressure, rather than innovating to gain competitiveness
by broadening the portfolio of new products, capabilities and
technology ideas.
Flatten et al. (2011)
Acquisition
(Cronbachs
α=.73)
The search for relevant information concerning our industry is every
day business in our company.
Our management motivates the employees to use information
sources within our industry.
Our management expects that the employees deal with information
beyond our industry.
Assimilation
(Cronbachs
α=.85)
In our company ideas and concepts are communicated cross
departmental.
Our management emphasizes cross-departmental support to solve
problems.
In our company there is a quick information flow, e.g., if a business
unit obtains important information it communicates this information
promptly to all other business units or departments.
Our management demands periodical cross-departmental meetings
to interchange new developments, problems, and achievements.
Transformation
(Cronbachs
α=.93)
Our employees have the ability to structure and to use collected
knowledge.
Our employees are used to absorb new knowledge as well as to
prepare it for further purposes and to make it available.
Our employees successfully link existing knowledge with new insights.
Our employees are able to apply new knowledge in their practical
work.
Exploitation
Our management supports the development of prototypes.
(Cronbachs
α=.80)
Our company regularly reconsiders technologies and adapts them
accordant to new knowledge.
Our company has the ability to work more effective by adopting new
technologies.
96
4 Empirische Überprüfung
Die hier dargestellten Operationalisierungen bisheriger Studien zur Absorptionsfähigkeit gehen über die reine Erfassung von F&E-Ausgaben bzw. dem Verhältnis von F&EAusgaben zum Umsatz hinaus, weil sie ansatzweise die Prozesse beschreiben, die der Fähigkeit
zum Entdecken, Aufnehmen und Verwerten externen, relevanten Wissens zugrunde liegen.
Dabei konzentrieren sie sich wie Fosfuri und Tribó (2008) oder Vega-Jurado et al. (2009) auf die
erste Phase der Wissensidentifikation oder gehen wie Camisón und Forés (2010) oder Flatten
et al. (2011) von einem Vier-Phasen-Modell der Absorptionsfähigkeit aus. Die Problematik
dieses Vier-Phasen-Verständnisses wurde in Abschnitt 2.4.2 dieser Arbeit vor dem Hintergrund
der Erkenntnisse zum individuellen und zum organisationalen Lernen bereits erläutert. So wird
in der vorliegenden Arbeit die Transformation des externen Wissens in die zweite Phase der
Absorptionsfähigkeit eingeordnet, weil für die Integration externen Wissens dieses an die
unternehmensinternen oder an individuelle Strukturen angepasst werden muss. Zudem wurde
die interne Verteilung des Wissens aufgrund der Arbeiten von Pawlowsky (1994, 1998) zum
organisationalen
Lernen
dieser
zweiten
Phase
zugeordnet.
Das
Verständnis
der
Absorptionsfähigkeit als dreidimensionales Konstrukt schließt sich damit an die Konzeptionen
von Cohen und Levinthal (1990) sowie Lane et al. (2006) an. Als Ausgangspunkt für die
Operationalisierung von Absorptionsfähigkeit liegt dementsprechend dieser Arbeit folgendes
Verständnis der Phasen zugrunde:
Phase 1: Das Erkennen von neuem Wissen außerhalb des eigenen
Unternehmens und dessen Bewertung als relevant für das eigene
Unternehmen.
Phase 2: Das Aufnehmen des externen, relevanten Wissens, indem es an die
Strukturen des Unternehmens angepasst (Transformation des Wissens) und
unternehmensintern verteilt (Diffusion) wird.
Phase 3: Das Verwerten des neuen Wissens, indem aus dem
aufgenommenen Wissen durch Kombination neues Wissen generiert
und/oder assimiliertes Wissen in organisationale Routinen und Prozesse
umgesetzt wird (d.h. Transformation der Unternehmensstruktur und
Prozessinnovationen).
In dieser Zuordnung spiegelt sich das Verständnis von Absorptionsfähigkeit als spezielle Form
des organisationalen Lernens wider (vgl. auch Sun & Anderson, 2010). Aus dieser Perspektive
heraus wurde auch die empirische Umsetzung des Lernphasenmodells von Pawlowsky (1994)
für die Operationalisierung der Absorptionsfähigkeit relevant. Pawlowsky et al. (2005)
entwickelten aus der Zusammenschau verschiedener Instrumente zur Kompetenz- und
Wissenserfassung in Organisationen eine Kompetenz- und Wissensdiagnostik, die sie in
mehreren Unternehmen empirisch testeten.
4 Empirische Überprüfung
97
Bezogen auf die Lernphasen wurden mit diesem Instrument die vier Konstrukte Wissens- und
Erfahrungsquellen/Entwicklung neuen Wissens, Teilen von Wissen und Erfahrungen, Sicherung
und Bewahrung von Wissen sowie die Umsetzung von Wissen in Handeln abgebildet.
Vergleicht man die Items der Wissens- und Kompetenzdiagnostik von Pawlowsky et
al. (2005) mit den in Tabelle 4-4 aufgeführten Operationalisierungen der Absorptionsfähigkeit,
wird zunächst eine hohe Übereinstimmung bezüglich der ersten Phase deutlich, wie sie sich
auch innerhalb der Studien zur Absorptionsfähigkeit zeigte. Für die Phasen zwei und drei
ähneln sich die Items von Camisón und Forés (2010), Flatten et al. (2011) und Pawlowsky et al.
(2005), wobei sich die beiden letzteren durch ihre genaueren Formulieren auszeichnen43. Die
Items von García-Morales et al. (2008) deckten zwar ebenfalls alle Phasen der
Absorptionsfähigkeit ab, waren für die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung allerdings
zu allgemein formuliert.
Ausgehend von den inhaltlichen Überschneidungen der drei
Operationalisierungen von Camisón und Forés (2010), Flatten et al. (2011) und Pawlowsky et
al. (2005), wurde den Items von Pawlowsky et al. (2005) im Kontext der geplanten
Datenerhebung im deutschsprachigen Raum der Vorzug gegeben44.
Da es sich bei den Instrumenten von Camisón und Forés (2010) und Flatten et al.
(2011) noch nicht um etablierte Standardwerkzeuge zur Messung der Absorptionsfähigkeit
handelte, wurde auf deren Übersetzung und Rückübersetzung, wie es das einschlägige
Vorgehen
beim
Einsatz
anderssprachiger
Erhebungsinstrumente
wäre,
verzichtet45.
Stattdessen wurden sie als Ausgangspunkt für die Formulierung weiterer Items herangezogen,
welche die Operationalisierungen der Wissens- und Kompetenzdiagnostik ergänzten. Dabei
wurden die Items der Phasen „transformation“ und „application“ von Camisón und Forés
(2010) und Flatten et al. (2011) der zweiten Phase - Aufnahme neuen Wissens - zugeordnet.
43
Dagegen enthalten die Fragen von Camisón & Forés (2010) häufig viele Aufzählungen und z.T.
mehrere inhaltlich verschiedene Aspekte, z. B. „66. Firm's awareness of its competences in innovation,
especially with respect to key technologies, and capability to eliminate obsolete internal knowledge,
thereby stimulating the search for alternative innovations and their adaptation.”. Hierin ist wohl ein
Grund für die geringe interne Konsistenz der Skalen zu sehen.
44
Deutschsprachige Operationalisierungen der Absorptionsfähigkeit konnten nicht berücksichtig
werden, weil sie nur die F&E-Intensität erfassten (z. B. Reinhard, 2001) oder die phasenbezogenen Items
nicht valide waren (z. B. Müller, 2006).
45
Vgl. dazu als Beispiel das Vorgehen von Felfe (2006) zur Validierung einer deutschen Version des
"Multifactor Leadership Questionnaire – MLQ 5x short“ zur Erfassung transformationaler Führung.
98
4 Empirische Überprüfung
Allgemein formuliert wurden so
(1) die genutzten Zugangsmöglichkeiten zu externem Wissen als Indikatoren
der ersten Absorptionsfähigkeitsdimension erfasst. Dabei spielten
sowohl die Anzahl als auch die Verschiedenartigkeit der genutzten
externen Wissensquellen eine Rolle.
(2) Der systematische Umgang mit externem Wissen, die Möglichkeiten für
den formellen und informellen Erfahrungsaustausch sowie die Nutzung
technischer Möglichkeiten für die Speicherung und Verteilung von
Wissen und Informationen im Unternehmen wurden für die Messung der
zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit herangezogen.
(3) Anhand bisheriger Prozessinnovationen sowie den kontinuierlichen
Organisationsveränderungen wurde die dritte Dimension der
Absorptionsfähigkeit erfasst.
Wie bei Liao et al. (2007) wurden die Aussagen zu Kompetenzen oder Handlungen
der Organisationsmitglieder aggregiert auf der Organisationsebene über alle Mitarbeiter
hinweg erfasst. Sie wurden nicht auf einzelne Individuen bezogen, weil der Gesamteindruck
der Führungskraft zu Handlungen aller Organisationsmitglieder, die der Absorptionsfähigkeit
im Unternehmen zugrundelagen, als Determinante der Innovationsbereitschaft angesehen
wurde. Einen Überblick über die eingesetzten Items zur Messung der Absorptionsfähigkeit im
Unternehmen gibt Tabelle 4-5.
Tabelle 4-5. Übersicht zur Operationalisierung der Dimensionen der Absorptionsfähigkeit für
die vorliegende Arbeit (die Zahlen vor den Items geben die Position im Fragebogen an)
Dimensionen
Operationalisierung
Erkennen
von neuem,
relevanten Wissen
außerhalb des
Unternehmens
8.4 Intern: Nutzung von Lernprogrammen/neuen Medien
8.1 Extern: Analyse und systematische Auswertung von Kundenreklamationen
8.2 Extern: Direkter Kontakt zu Kunden
8.3 Extern: Kundenbefragung
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu Lieferanten
8.5 Extern: Kooperation mit Kritikergruppen (User groups/Pressure groups)
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung der Außenwelt für eigene Innovationsprozesse
8.7 Extern: Analyse des Wettbewerberverhaltens
8.12 Extern: Informationssuche im Intranet, Internet oder auf Wissensplattformen
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten und Beratern
11.14 Erfahrungsaustausch auf Kongressen und Tagungen
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0 (z. B. in Foren/Chats/Blogs/Newsgroups)
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-5. (Fortsetzung)
Dimensionen
Operationalisierung
Aufnehmen des relevanten, unternehmensexternen Wissens
Systematische
Auswertung von
Informationen
und Wissen
8.15 Intern: Nachbereitung von Seminaren, Tagungen etc. zur Ableitung von
Handlungskonsequenzen
8.22 Intern: Identifikation von Mitarbeitern mit besonderen Kompetenzen
8.8 Extern: Einschätzung zukünftiger Markt- und Technologieentwicklungen
8.9 Extern: Durchführung von Marktforschung
11.1 Erkennen von internen Experten und Erfahrungsträgern im Unternehmen
11.15 Weitergabe von Wissen aus Weiterbildungen, Tagungen und Kongressen im
Unternehmen
12.14 Aufbereitung und Dokumentation von Expertenwissen
Formeller und
informeller
Austausch
zwischen
Organisationsmitgliedern
11.2 Austausch in Projektteams
11.3 Austausch zwischen Projektteams
11.4 Wissen- und Erfahrungsaustausch in hierarchie- und schnittstellenübergreifenden
Teams
11.6 Unternehmensinterne Wissensnetzwerke und Expertengruppen
11.7 Informeller Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitern (Cafeteria, Pub, Sport etc.)
11.8 Erfahrungsaustausch mit Kollegen
11.9 Erfahrungsaustausch mit Vorgesetzten
11.10 Erfahrungsaustausch durch Arbeitsplatzwechsel (Job Rotation)
Nutzung
technischer
Möglichkeiten zur
Speicherung und
Verteilung von
Wissen und
Informationen
11.13 Austausch mit Hilfe von Projektdatenbanken
11.18 Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zum Wissenund Informationsaustausch
12.10 Nutzung von elektronischen Datenbanken im Unternehmen
12.11 Nutzung strukturierter Ablagen mit Register, Suchbegriffen oder Schlagworten
12.2 Dokumentation von Projekten und Erfahrungen
Verwerten
des neuen Wissens
8.16 Intern: kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse (KVP)
8.20 Intern: Anpassung von Verfahren und Abläufen aufgrund der Anregungen von
Mitarbeitern
8.10 Extern: Übertragung von erfolgreichen Konzepten anderer auf unser Unternehmen
(Best Practice)
8.11 Extern: Nutzung externer Patente oder Lizenzen für eigene Produktentwicklung
13.18R Es gibt in unserem Unternehmen nur wenige neue Ideen und
Verbesserungsvorschläge. [umkodiert]
15.5 Wir verschaffen uns durch neue Verfahren, Methoden oder Herstellungsprozesse
fast immer einen Marktvorteil.
99
100
4.1.3.
4 Empirische Überprüfung
Durchführung
Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen des Projektes Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 (vgl. Unterkapitel 4.1) und wurde von einem außeruniversitären
Forschungsinstitut durchgeführt. Insgesamt wurden 3401 Unternehmen aller Größenklassen
und Branchen in Deutschland befragt, wobei die Gesamtstichprobe repräsentativ für Branche
und Größenklasse war. Die Befragung wurde dabei als computergestützte telefonische
Interviews (CATI), als Online-Fragebogen oder in schriftlich-postalischer Form realisiert, wobei
die Befragten die Entscheidung über die Methode trafen. Bezogen auf die Gesamtstichprobe
wählten 56% computergestützte telefonische Interviews, 31% eine Online-Befragungen und
13% die schriftlich-postalische Befragung46.
Das außeruniversitäre Forschungsinstitut übertrug die quantitativen Daten aller
Befragten in eine SPSS-Datei. Für die vorliegende Untersuchung wurden wie im Abschnitt 4.1.1
beschrieben
die
kleinen
und
mittleren
Unternehmen
aus
der
Gesamtstichprobe
herausgefiltert. Die Datenauswertung erfolgte mit den Statistikprogrammen PASW Statistics
1847und AMOS 18 Graphics.
46
Für die vorliegende Stichprobe der kleinen und mittleren Unternehmen lassen sich die Anteile nicht
separat ausweisen.
47
PASW = Predictive Analytics Software von SPSS (IBM).
4 Empirische Überprüfung
4.2.
101
Ergebnisse
In diesem Unterkapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
vorgestellt. Im Abschnitt 4.2.1 werden zunächst die verwendeten Items und die daraus
gebildeten Skalen deskriptiv analysiert, bevor im Abschnitt 4.2.2 die formulierten Hypothesen
statistisch getestet werden.
4.2.1.
Itemanalyse und Skalenbildung
Für die Erfassung der relevanten Konstrukte wurden, wie in Abschnitt 4.1.2
dargestellt, einzelne Fragen formuliert oder mehrere Items zu einer Skala zusammengefasst.
Da auf keine vorhandenen Instrumente zur Messung von Innovationsbereitschaft und
Absorptionsfähigkeit zurückgegriffen werden konnte, wird in diesem Abschnitt nun ausführlich
auf Itemkennwerte und die Bildung der Skalen für die vorliegende Untersuchung eingegangen.
Dazu werden die Kennwerte der jeweiligen Verteilungen je Item und Skala aufgeführt, die
interne Konsistenz der Skalen überprüft sowie die Verteilungen der resultierenden
Skalenwerte angegeben. Das Vorgehen zur Bildung homogener Skalen folgte den
Empfehlungen von Bühner (2006), wobei eine möglichst hohe interne Konsistenz der Skalen
sowie eine hohe Interitemkorrelation der den Skalen zugeordneten Fragen erreicht werden
sollte.
4.2.1.1. Innovationsbereitschaft der Führungskraft
Die Innovationsbereitschaft setzt sich wie im Unterkapitel 2.3 herausgearbeitet, aus
dem Bewerten des Veränderungsbedarfes sowie der Bewertung der Veränderbarkeit
multiplikativ zusammen. Beide Bewertungen wurden jeweils mit einer Frage erfasst. Zusätzlich
dazu wurden die in Kapitel 3 dargestellten Einflussgrößen auf diese Bewertungsergebnisse
mithilfe mehrerer Items operationalisiert. Nachfolgend werden die Itemkennwerte dargestellt
sowie die Bildung der Skalen aus mehreren Items und deren Verteilungswerte beschrieben.
Beurteilung des Veränderungsbedarfes
Die Beurteilung des Veränderungsbedarfes wurde mit der Frage erfasst, inwieweit
gezielte Veränderungen im Unternehmen notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit zu
erhöhen. Beantwortet wurde diese Frage auf einer 11-stufigen Skala, wobei der Wert 0 für
„keine Veränderung notwendig“ und der Wert 10 für „sehr große Veränderungen notwendig“
standen. Der Mittelwert aller Antworten (N=664) betrug 5.8 mit einer Standardabweichung
von 2.41, der Median lag bei 6. Mit einer negativen Schiefe sowie einer negativen Kurtosis war
102
4 Empirische Überprüfung
die Verteilung der Antworten eher rechtssteil und breitgipflig, das Histogramm (siehe
Abbildung 4-2) sowie der Kolmogorov-Smirnov-Test zeigten, dass keine Normalverteilung
vorlag48.
Abbildung 4-2. Histogramm mit Normalverteilungskurve zur Frage nach der Notwendigkeit
gezielter Veränderungen im Unternehmen, um wettbewerbsfähiger zu werden (Wert 0
bedeutet „keine Veränderungen notwendig“, der Wert 10 „sehr große Veränderungen
notwendig“)
Determinanten des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes
Dem Erkennen eines Veränderungsbedarfes liegt die Wahrnehmung einer Diskrepanz
zwischen dem Status Quo der Unternehmenssituation sowie einem erwünschten Soll-Zustand
zugrunde (vgl. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 2.3.1). Diese Diskrepanz, auch als
Problemdruck
bezeichnet,
wurde
zum
Einen
anhand
der
wahrgenommenen
Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenüber steht, operationalisiert und zum
Anderen anhand der Wahrnehmung von Wettbewerbsvorteilen des Unternehmens, die aus
der Gestaltung oder Ergebnissen der internen Leistungserstellungsprozesse resultierten.
48
Der Kolmogorov-Smirnov-Test wurde signifikant, weshalb die Annahme der Normalverteilung
abgelehnt werden musste. Aufgrund der großen Stichprobe werden jedoch bereits geringe
Abweichungen von der Normalverteilung signifikant, weshalb zusätzlich die Histogramme hinsichtlich
der Normalverteilung analysiert wurden.
Eine negative Schiefe deutet eine eher rechtssteile Verteilung, eine positive Schiefe eine eher linkssteile
Verteilung an. Bei einer negativen Kurtosis ist die Verteilung der Antworten eher breitgipflig, bei einer
positiven eher schmalgipflig, beim Wert Null ist sie symmetrisch.
4 Empirische Überprüfung
103
Mögliche Herausforderungen für ein Unternehmen wurden mit 29 Items abgebildet.
Dabei wurde der Stellenwert der einzelnen Herausforderungen für das Unternehmen auf einer
11-stufigen Skala erfasst, wobei der Wert 0 für „kein Stellenwert“ und der Wert 10 für „sehr
hoher Stellenwert“ stand49. Um zunächst einen Gesamtwert für die wahrgenommenen
Herausforderungen zu erhalten, wurde per Mittelwert aus den 29 Items die neue Variable
Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht gebildet. Die Antwortwerte
reichten dabei von 0 „keine Herausforderungen“ bis 10 „sehr viele Herausforderungen“, der
Mittelwert der neuen Variable betrug 5.68 mit einer Standardabweichung von 1.63, der
Median lag bei 5.79. Das Histogramm sowie der Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigten die
Normalverteilung der Antworten (vgl. Anhang B, Abbildung B-1).
Für ein differenziertes Verständnis der Herausforderungen wurden dann mit einer
exploratorischen Faktorenanalyse die inhaltlichen Schwerpunkte der Herausforderungen
ermittelt50. Mithilfe einer Hauptkomponentenanalyse51 sowie der Varimax-Rotation wurden
acht Faktoren ermittelt, die zusammen 61% der Gesamtvarianz erklärten. In Tabelle 4-6 sind
für jeden Faktor die dazugehörenden Items mit einer Faktorladungen >0.5 aufgeführt (vgl.
Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2006, S. 331), die rotierte Komponentenmatrix findet
sich im Anhang B, Tabelle B-1. Aufgrund einer zu geringen Faktorladung konnten 5 der 29
Items nicht zugeordnet werden52.
Je Faktor wurde aus den zugehörigen Items der Mittelwert berechnet und so acht
Subskalen der Variable Herausforderungen gebildet. Die Mittelwerte dieser Subskalen sowie
die Standardabweichungen und Mediane sind in Tabelle 4-6 dargestellt. Keine der Skalen war
laut Histogramm und Kolmogorov-Smirnov-Test normalverteilt.
49
Die vollständige Liste der Items kann im Anhang A nachgelesen werden.
50
Dafür wurden zunächst entsprechend den Empfehlungen von Bühner (2006) die
Kennwerteverteilungen der einzelnen Items auf Ausreißer hin überprüft. Diese für eine Verteilung
untypischen Antwortwerte lassen sich durch die Darstellung in Box-Plots identifizieren (vgl. dazu auch
Sedlmeier & Renkewitz, 2008, S. 190 ff.). Da kein Item normalverteilt war, wurden die gefundenen
Ausreißer zusätzlich mit dem Ausreißertest nach Walsh (1958) überprüft. Dabei wurden keine Ausreißer
entdeckt, so dass alle Fälle in die Faktorenanalyse einbezogen werden konnten. Das hier kurz
beschriebene Vorgehen kann an einem Beispiel im Anhang B nachvollzogen werden.
51
Die Hauptkomponentenanalyse zielt auf die Reduktion der Daten ab, indem für die Variablen, die
hoch auf einen Faktor laden, eine gemeinsame Bezeichnung (Faktor) gefunden wird (vgl. z. B. Bühner,
2006, S. 196).
52
Keinem Faktor zugeordnet werden konnten die Items: 5.1 Veränderung der Kunden-/Vertriebs- und
Lieferantenstruktur; 5.2 Gesetzliche Regelungen oder rechtliche Vorgaben, Vorschriften; 5.5 Zunehmend
differenzierte Belegschaft (kultureller Hintergrund, Lebensentwürfe, Werte; 5.21 Neue Anforderungen
durch das Internet (Web. 2.0: kollaborativ/interaktive Nutzer); 5.23 Finanzierung.
104
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-6. Inhaltliche Schwerpunkte der Herausforderungen, denen sich Unternehmen
gegenüber sehen – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je
Faktor
1
Faktor
Items
Anforderungen der
Mitarbeiter an ihren
Arbeitsplatz
5.16 Steigende Ansprüche der Mitarbeiter an
ihre Arbeit (Wertewandel)
SD
Median
N
5.67
2.13
5.75
661
7.12
1.96
7.50
662
4.40
2.66
4.33
630
5.36
2.34
5.33
653
5.15
2.52
5.33
636
5.96
2.41
6.00
661
3.59
2.69
3.50
598
5.92
3.21
7.00
609
5.17 Wachsende Ansprüche der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf (Wertewandel)
5.15 Sinkende Bereitschaft der Mitarbeiter, sich
langfristig an das Unternehmen zu binden
5.20 Zunehmendes Gesundheitsbewusstsein
(Work-Life Balance) der Mitarbeiter
2
Wettbewerbssituation
5.9 Qualitätswettbewerb
5.10 Innovationswettbewerb
5.8 Preiswettbewerb
5.3 Neue Konsummuster
3
Weltweite
Veränderungen
5.18 Umwelt- und Ressourcenschutz
(Klimawandel)
5.22 Rohstoffknappheit
5.19 Wachsende globale Sicherheitsbedrohung
4
Aktuelle
Entwicklungstendenzen
5.6 Internationalisierung der Märkte
5.7 Mobilitätsanforderungen an Mitarbeiter
(Außendienst, Homeoffice,
Auslandsentsendung)
5.4 Wandel zur wissensbasierten Wirtschaft
5.14 Neue Technologien
5
Handlungsrahmen
des Unternehmens
5.29 Ungewisse Rahmenbedingungen der
Unternehmenstätigkeiten
5.28 Geschwindigkeit der Veränderungen in der
Umwelt des Unternehmens
5.27 Koordination von Prozessen an
verschiedenen Standorten
6
Demographischer
Wandel
5.13 Demographiewandel
5.12 Personalknappheit an
unternehmensrelevanten Arbeitsmärkten
5.26 Alternde Belegschaften
7
8
Allgemeine
Marktentwicklungen
5.25 Börsenentwicklung
Absatzmarkt
5.11 Schrumpfende Märkte
5.24 Konzentrationstendenzen/Fusionen
4 Empirische Überprüfung
105
Diese wahrgenommenen Herausforderungen wurden zur indirekten Erfassung einer
Diskrepanz zwischen dem derzeitigen Ist-Zustand der Unternehmenssituation und einem
erwünschtem (oder notwendigem) Soll-Zustand genutzt. Hier wurde somit der Argumentation
von Gebert (1987, 2002) gefolgt, der die Grundlage für das Erkennen
eines
Veränderungsbedarfes in dieser Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand sah.
Ein zweiter Zugang, diese Diskrepanz im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu
erfassen, wurde in der Bewertung von Wettbewerbsvorteilen des Unternehmens gesehen. Im
Gegensatz zu den Herausforderungen, die eher auf Schwächen des Unternehmens hindeuten,
sollten sich in den Wettbewerbsvorteilen die wahrgenommenen Stärken des Unternehmens
niederschlagen
und
sich
damit
auch
eine
Zufriedenheit
mit
den
aktuellen
Leistungserstellungsprozessen im Unternehmen abbilden lassen. Wie im Abschnitt 4.1.2
erläutert, können diese wahrgenommenen Stärken sowohl auf die Bewertung des
Veränderungsbedarfes als auch auf die Bewertung der Veränderbarkeit der internen Situation
angewendet werden. Im Kontext der Fragestellungen im Projekt Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 wurden 30 potenzielle Wettbewerbsfaktoren untersucht, die
jeweils auf einer 11-stufige Skala bewertet werden konnten. Der Wert 0 bedeutete dabei „auf
diesem
Gebiet
keinen
Wettbewerbsvorteil“
und
der
Wert
10
„sehr
starker
Wettbewerbsvorteil“.
Um aus diesen Wettbewerbsvorteilen die für die vorliegende Arbeit relevanten
Inhalte herauszufiltern, wurde eine Hauptachsen-Faktorenanalyse berechnet53, die den
Zusammenhang zwischen den Items auf eine latente Variable zurückgeführt, welche als
Ursache des Zusammenhanges gesehen werden kann (vgl. Bühner, 2006, S. 198 ff.). Im
vorliegenden Fall sollten damit Gründe für Wettbewerbsvorteile identifiziert werden, die in der
Gestaltung und/oder den Ergebnissen von Geschäftsprozessen zu finden sind (vgl. dazu auch
Abschnitt 3.1.1). Da davon ausgegangen wurde, dass die zu findenden Faktoren miteinander
korrelieren würden, wurde den Empfehlungen von Bühner (2006, S. 206) folgend, zunächst
eine oblique Promax-Rotation und ergänzend dazu eine orthogonale Varimax-Rotation
berechnet. Dabei zeigte sich kein Unterschied in der Zuordnung der Items zu Faktoren,
weshalb die Varimax-Rotation aufgrund ihrer einfacheren Interpretierbarkeit vorgezogen
wurde (vgl. Bühner, 2006, S. 206). Die Übereinstimmung der Ergebnisse beider
Rotationstechniken kann dabei als Beleg für die stabile, methodenunabhängige Faktorstruktur
gesehen werden. Die fünf gefundenen Faktoren erklärten zusammen 59% der Varianz54,
darunter
fanden
sich
zwei
Faktoren,
die
Ergebnisse
der
unternehmensinternen
Leistungserstellungsprozesse abbildeten.
53
Zur Überprüfung von Ausreißerwerten im Vorfeld der Faktorenanalyse vgl. das in Fußnote 50, S. 104
beschrieben Vorgehen.
54
Rotierte Komponentenmatrix siehe Anhang B, Tabelle B-2.
106
Die
4 Empirische Überprüfung
Items
und
ihre
Kennwerte
der
beiden
Faktoren
Entwicklung
neuartiger
Produkte/Dienstleistungen sowie Kostengünstige Produktion werden in Tabelle 4-7 dargestellt.
Tabelle 4-7. Faktoren der Wettbewerbsvorteile, die auf die Leistungserstellungsprozesse
zurückführbar sind – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je Item
1
2
Faktor
Items
SD
Median
N
Entwicklung
neuartiger
Produkte/Dienstleistungen
6.12 Innovativere Produkte
6.23
2.91
7
566
6.11 Schnellere Entwicklung neuer Angebote
6.57
2.80
7
602
6.8 Höhere technische Reife der Produkte bzw.
der Dienstleistung
6.63
2.73
7
595
Kostengünstige
Produktion
6.13 Geringe Produktionskosten
5.08
3.30
5
534
6.9 Günstigere Preise als die Hauptkonkurrenz
5.31
3.16
5
620
Anhand der Item-Histogramme sowie dem Kolmogorov-Smirnov-Test wurde die
Normalverteilung der Items geprüft und für keines der Items bestätigt. Die Analyse der Schiefe
und Kurtosis je Item ergab, dass alle Items rechtssteil und eher schmalgipflig verteilt waren
(vgl. Anhang B, Tabellen B-3 und B-4). Dabei fielen die Mittelwerte des ersten Faktors
Entwicklung neuartiger Produkte/Dienstleistungen höher aus als die des zweiten Faktors
Kostengünstige Produktion, bei letzteren verteilten sich die Antworten auch gleichmäßiger
über die gesamte Skala. Aufgrund ausreichend großer Streuung bei allen Items wurden alle
Aussagen für die jeweilige Skalenbildung herangezogen. Die interne Konsistenz der ersten
Skala neuartige Produkte/Dienstleistungen war mit Cronbachs α=.76 ausreichend hoch, die
Entfernung des Items „Höhere technische Reife der Produkte/Dienstleistungen“ hätte nur zu
einer marginalen Verbesserung geführt (vgl. Tabelle B-5 im Anhang B). Die Trennschärfen der
Items 6.11 und 6.12 waren mit rit>.62 sehr gut, die des Items 6.8 mit rit=.49 geringer aber noch
ausreichend hoch, daher wurden alle drei Items zur Bildung der Skala herangezogen55. Die
beiden Items der Skala Kostengünstige Produktion korrelierten signifikant positiv miteinander
(r=.56, p<.001), woraus sich ein ausreichend hohes Cronbachs α=.72 ergab. Je Faktor wurden
die zugehörigen Items per Mittelwertbildung zusammengefasst.
55
Für alle Skalen erfolgte die Bewertung von Cronbachs α nach der Regel, dass Werte >.7 akzeptabel,
>.8 gut und >.9 sehr gut sind (z. B. auch angewendet von Holt et al., 2007; Krause, 2004), wobei sich
Cronbachs α mit der Anzahl einbezogener Items automatisch erhöht (vgl. Cortina, 1993).
Die Bewertung der Trennschärfen erfolgte für alle Skalen nach Bortz und Döring (2006 S. 220).
Trennschärfen zwischen rit=0.3 und rit=0.5 gelten demnach als mittelmäßig, Trennschärfe von rit >0.5 als
hoch. Dabei besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Trennschärfe und Cronbachs α, je höher die
einzelnen Trennschärfen der Items, umso höher ist die interne Konsistenz.
4 Empirische Überprüfung
107
In der Tabelle 4-8 sind die Kennwerte der neuen Variablen abgebildet. Beide
Variablen waren nicht normalverteilt, rechtssteil, die Werte für den Faktor 1 Entwicklung
neuartiger Produkte/Dienstleistungen dabei fast symmetrisch und für den Faktor 2
Kostengünstigere Produktion eher breitgipflig verteilt56.
Tabelle 4-8. Ergebnisse der Leistungserstellungsprozesse als Wettbewerbsvorteil gegenüber
Hauptkonkurrenten – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl (N) je
Item
Faktor
SD
Median
N
1
Entwicklung neuartiger Produkte/Dienstleistungen
6.48
2.37
6.67
633
2
Kostengünstige Produktion
5.22
2.90
5.25
630
Beurteilung der Veränderbarkeit
Die Veränderbarkeit der Situation wurde mit einem Item zur Aufgeschlossenheit gegenüber
Veränderungen erfasst. Mit einem Mittelwert von 7.24 (SD=2.19, N=666) und einem Median
von 8 lag die Mehrheit der Antworten in der oberen Hälfte der Skala. Damit war die Verteilung
rechtssteil, breitgipflig und nicht normalverteilt (vgl. Abbildung 4-3).
Abbildung 4-3. Histogramm mit Normalverteilungskurve des Items 13.3 Bei uns ist man
Veränderungen gegenüber sehr aufgeschlossen zur Operationalisierung der wahrgenommenen
Veränderbarkeit der Situation (Wert 0 bedeutet „trifft nicht zu“, Wert 10 bedeutet „trifft voll
und ganz zu“)
56
Vgl. Histogramm mit Normalverteilungstest im Anhang B, Abbildungen B-3 und B-4.
108
4 Empirische Überprüfung
Determinanten der wahrgenommenen Veränderbarkeit
Die Beurteilung der Veränderbarkeit basiert auf der Einschätzung der eigenen
Ressourcen sowie der Ressourcen anderer Personen, auf die zugegriffen werden kann, um
organisationale Neuerungen zu realisieren. Damit wird die wahrgenommene Veränderbarkeit,
wie in den Abschnitten 3.1.1 und 4.1.2 ausgeführt, von der Einschätzung der eigenen
Leistungsfähigkeit (Selbstwirksamkeitserwartung), der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sowie
der Fehlertoleranz als Form organisationaler Unterstützung beeinflusst.
Als aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung der Geschäftsführer wurde ihre
Zustimmung zu der Aussage „[Unser] besseres Management/Geschäftsführung ist ein
Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Hauptkonkurrent“ operationalisiert. Die Ausprägung der
Variable war in der Stichprobe (N=641) mit einem Mittelwert von 6.89 (SD=2.63) und dem
Median bei 8 relativ hoch. Die Antworten waren rechtssteil, eher breitgipflig und nicht
normalverteilt (vgl. Anhang B, Abbildung B-5).
Als
zweite
Leistungsfähigkeit
der
Ressource
für
Mitarbeiter
Veränderungen
gesehen.
Diese
wurde
wurde
die
wahrgenommene
anhand
verschiedener
Wettbewerbsvorteile operationalisiert, die mit der bereits dargestellten HauptachsenFaktorenanalyse (S. 107) zusammengefasst wurden. Einer der fünf gefundenen Faktoren
konnte dabei auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter des Unternehmens zurückgeführt
werden, die Kennwerte der zugehörigen Items sind in Tabelle 4-9 angegeben.
Tabelle 4-9. Skala Mitarbeiterleistung – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und
Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
MA_1
6.2 Besonders eingespielte und professionelle Teams
7.96
1.99
8
651
MA_2
6.3 Höhere Lernfähigkeit der Mitarbeiter
6.84
2.35
7
651
MA_3
6.6 Mitarbeiter mit besseren Kenntnissen und Fähigkeiten als
der Wettbewerber
7.44
2.42
8
647
MA_4
6.7 Höhere Motivation und Loyalität der Mitarbeiter
7.71
2.10
8
654
MA_5
6.24 Besonders gute funktionsübergreifende Arbeitsgruppen
6.54
2.63
7
606
Die Normalverteilung der Items wurde anhand der Item-Histogramme sowie des
Kolmogorov-Smirnov-Tests getestet und für keines der Items bestätigt. Die Analyse der Schiefe
und Kurtosis je Item ergab, dass alle Items rechtssteil und eher schmalgipflig verteilt waren
(vgl. Anhang B, Tabelle B-6). Mit Mittelwerten zwischen 6.54 und 7.06 und Medianen bei 7 und
8 lag über alle Items hinweg eine positive Antworttendenz vor. Aufgrund ausreichend großer
Streuung bei allen Items wurden alle Aussagen für die Skalenbildung herangezogen. Zu
beachten ist, dass diese Skala im unteren Bereich der Antwortmöglichkeiten weniger gut
4 Empirische Überprüfung
109
zwischen den Unternehmen differenzieren konnte, da die Mehrheit der Befragten den oberen
Bereich nutzte. Die Trennschärfen der fünf skalenbildenden Items sowie die interne Konsistenz
der Skala abhängig von den aufgenommenen Items sind in Tabelle 4-10 angegeben.
Tabelle 4-10. Skala Mitarbeiterleistung – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
MA_1
6.2 Besonders eingespielte und professionelle Teams
.65
.83
MA_2
6.3 Höhere Lernfähigkeit der Mitarbeiter
.69
.81
MA_3
6.6 Mitarbeiter mit besseren Kenntnissen und
Fähigkeiten als der Wettbewerber
.70
.81
MA_4
6.7 Höhere Motivation und Loyalität der Mitarbeiter
.72
.81
MA_5
6.24 Besonders gute funktionsübergreifende
Arbeitsgruppen
.58
.85
Mit Cronbachs α=.85 war die interne Konsistenz der Skala hoch, ebenso die
Trennschärfen der Items mit rit>.58, durch die Entfernung einzelner Items hätte sich die
interne Konsistenz nicht weiter erhöht. Der Skalenwert Mitarbeiterleistung wurde daher als
Mittelwert der Antworten auf die fünf Items berechnet. Die neu gebildete Skala hatte einen
Mittelwert von 7.32 (SD=1.84; N=658) und einen Median bei 7.6; die Normalverteilung der
Werte wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test nicht bestätigt (Histogramm siehe Anhang
B, Abbildung B-6).
Als dritte Ressource wurde die Fehlertoleranz im Unternehmen als Form der
organisationalen Unterstützung von Veränderungen mit den zwei in Tabelle 4-11 aufgeführten
Aussagen erfasst. Die Befragten konnten ihre Zustimmung oder Ablehnung dabei auf einer
11-stufigen Skala mit Werten zwischen 0 („trifft gar nicht zu“) und 10 („trifft voll und ganz zu“)
abgegeben. Für die Auswertung wurden die Items umkodiert, so dass der neue Wert 0 eine
niedrige Fehlertoleranz und der neue Wert 10 eine hohe Fehlertoleranz widerspiegelten.
Tabelle 4-11 fasst die Kennwerte der Items zusammen.
Tabelle 4-11. Skala Fehlertoleranz – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und
Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
FT_1
13.2R Bei uns dürfen keine Fehler gemacht werden. [umkodiert]
6.77
3.14
8
665
FT_4
13.9R Bei uns werden Fehler konsequent sanktioniert. [umkodiert]
6.72
2.88
7
663
110
4 Empirische Überprüfung
Anhand der Item-Histogramme sowie des Kolmogorov-Smirnov-Tests wurde die
Normalverteilung der Items überprüft und konnte für kein Item bestätigt werden. Die Analyse
der Schiefe und Kurtosis je Item ergab, dass beide Items rechtssteil und eher breitgipflig
verteilt waren (vgl. Tabelle B-7 im Anhang B). Die Mittelwerte und Mediane lagen im oberen
Bereich der Skala, so dass trotz der negativen Formulierung eine positive Antworttendenz
auftrat. Da beide Items hochsignifikant miteinander korrelierten (r=.35, p=.001, N=661),
wurden sie per Mittelwertbildung zur Skala Fehlertoleranz zusammengefasst. Der Mittelwert
der neuen Skala lag bei 6.75 (SD=2.47, N=667), der Median bei 7, die Antworten waren nicht
normalverteilt, rechtssteil und eher breitgipflig verteilt (vgl. Anhang B, Abbildung B-7).
Resultierende Innovationsbereitschaft der Führungskraft
Zunächst wird in Tabelle 4-12 ein Überblick über die Items und Skalen gegeben, die
Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation sowie Aspekte
der zugrundeliegenden Bewertungsprozesse erfassten.
Tabelle 4-12. Zusammenfassung der Skalen, die den Veränderungsbedarf und die
Veränderbarkeit der Situation erfassen – Itemanzahl, Fallzahl (N), Mittelwert ( ),
Standardabweichung (SD), Median und Verteilungsform
Items / Skala
Beschreibung
Items
N
Veränderungsbedarf
Herausforderungen
SD
Median
Verteilung
Item: Notwendigkeit gezielter
Veränderungen im Unternehmen,
um wettbewerbsfähiger zu werden
1
664
5.80
2.41
6
nicht
normal
Skala: Herausforderungen, denen
sich Unternehmen gegenüber sieht
29
668
5.68
1.65
5.79
normal
[unterteilt in acht Faktoren]
WVInnovation
Skala: Entwicklung neuartiger
Produkte/Dienstleistungen als
Wettbewerbsvorteil (WV)
3
663
6.48
2.37
6.67
nicht
normal
WV-Kosten
Skala: Kostengünstigere Produktion
als Wettbewerbsvorteil (WV)
2
630
5.22
2.90
5.25
nicht
normal
Veränderbarkeit
Item: Aufgeschlossenheit
gegenüber Veränderungen
1
666
7.27
2.19
8
nicht
normal
SWE GF
Item: aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung der
Führungskraft (SWE)
1
641
6.89
2.63
8
nicht
normal
MitarbeiterLeistung
Skala: Leistung der Mitarbeiter wird
als Wettbewerbsvorteil des
Unternehmens wahrgenommen
5
658
7.32
1.84
7.6
nicht
normal
Fehlertoleranz
Skala: Umgang mit Fehlern im
Unternehmen
2
667
7.75
2.47
7
nicht
normal
4 Empirische Überprüfung
111
Aufbauend auf den Arbeiten von Gebert (1987, 2002) und Krause (2004) wurde die
Innovationsbereitschaft als neue Variable durch die Multiplikation des wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit der Situation gebildet. Der
Mittelwert der Innovationsbereitschaft lag in der Stichprobe bei 40.25 (SD=17.4; N=668), der
Median bei 40.49. Mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test wurde die Normalverteilung der Werte
bestätigt (vgl. auch Abbildung 4-4).
Abbildung 4-4. Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten Variable
Innovationsbereitschaft als Produkt des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der
wahrgenommenen Veränderbarkeit der Situation (Wert 0 bedeutet keine Innovationsbereitschaft, Wert 10 bedeutet maximale Innovationsbereitschaft)
4.2.1.2. Organisationale Absorptionsfähigkeit
Dimension 1: Erkennen von relevantem, unternehmensexternem Wissen
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit wurde anhand von Items
operationalisiert, die auf Möglichkeiten abzielen, relevantes externes Wissen zu erkennen.
Solche Möglichkeiten liegen in der Einbindung in externen Netzwerken, im Kontakt zu Kunden
und Lieferanten sowie in der Nutzung von Fachinformationen. Pro Item wurde jeweils nach
dem Stellenwert der angesprochenen Aktivitäten in der Organisation gefragt. Die Bewertung
wurde auf einer 11-stufigen Skala vorgenommen, wobei der Wert 0 für die Ausprägung „kein
Stellenwert“ und der Wert 10 für die Ausprägung „sehr hoher Stellenwert“ standen.
Anhand der Item-Histogramme sowie des Kolmogorov-Smirnov-Tests wurde die
Normalverteilung der Items überprüft. Keines der Items war demnach normalverteilt. Die
Analyse der Schiefe und Kurtosis je Item ergab, dass acht Items eher rechtssteil und sechs eher
112
4 Empirische Überprüfung
linkssteil verteilt waren. Dabei waren neun Verteilungen eher breitgipflig, vier schmalgipflig
und eine nahezu symmetrisch. Die Tabelle C-1 mit den detaillierten Verteilungsangaben steht
im Anhang C zur Verfügung, Mittelwert und Standardabweichung werden nachfolgend in
Tabelle 4-13 aufgeführt.
Tabelle 4-13. Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen – Mittelwert ( ), Standardabweichung
(SD), Median und Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
AF1_1
8.4 Intern: Nutzung von Lernprogrammen/neuen Medien
4.27
3.24
4
658
AF1_2
8.1 Extern: Analyse und systematische Auswertung von
Kundenreklamationen
7.63
2.70
8
662
AF1_3
8.2 Extern: Direkter Kontakt zu Kunden
9.09
1.55
10
664
AF1_4
8.3 Extern: Kundenbefragung
6.27
3.26
7
665
AF1_5
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu Lieferanten
5.83
3.19
7
653
AF1_6
8.5 Extern: Kooperation mit Kritikergruppen (User
groups/Pressure groups)
3.10
3.19
2
635
AF1_7
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung der Außenwelt für
eigene Innovationsprozesse
4.15
3.22
5
639
AF1_8
8.7 Extern: Analyse des Wettbewerberverhaltens
5.70
3.06
8
658
AF1_9
8.12 Extern: Informationssuche im Intranet, Internet oder
auf Wissensplattformen
6.71
3.05
8
665
AF1_10
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
7.27
2.43
8
667
AF1_11
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten und
Beratern
4.37
3.10
5
656
AF1_12
11.14 Erfahrungsaustausch auf Kongressen und Tagungen
4.75
2.95
5
661
AF1_13
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen
2.51
3.01
1
648
AF1_14
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0 (z. B. in
Foren/Chats/Blogs/Newsgroups)
2.09
2.69
1
655
Bevor aus den Items eine Skala AF1-Erkennen zur Erfassung der ersten Dimension der
Absorptionsfähigkeit gebildet wurde, wurden die Items hinsichtlich ihrer Schwierigkeit und
Streuung analysiert, da diese die Trennschärfe der Items sowie die interne Konsistenz der Skala
beeinflussen und systematische Verzerrungen ausgeschlossen werden sollten (vgl. Bühner,
2006, S. 76 ff.; Lienert & Raatz, 1998, S. 73 ff.). Aus den Verteilungswerten in Tabelle 4-13 wird
deutlich, dass das Item AF1_3 „Direkter Kontakt zum Kunden“ eine deutlich geringere
Streuung aufwies, als die anderen Items. Die Antworten konzentrierten sich mit einem
Mittelwert von 9.09 am oberen Ende der Skala, womit keine ernstzunehmende Differenzierung
zwischen den Unternehmen möglich war. Deshalb wurde das Item für die zu bildende Skala
AF1-Erkennen nicht verwendet. Die Mittelwerte der verbleibenden 13 Items reichten vom
Wert 2.09 (Item AF1_14) bis zum Wert 7.63 (Item AF1_3), womit ein breiter
4 Empirische Überprüfung
113
Schwierigkeitsbereich abgedeckt und eine ausreichende Differenzierung der Gesamtskala an
den Randbereichen ermöglicht wurde. Die Standardabweichungen variierten zwischen 2.43
(Item AF1_ 10) und 3.26 (Item AF1_4), welche nach Bühner (2006) eine hohe Trennschärfe
begünstigen sollten. Im nächsten Schritt wurden diese Trennschärfen je Item ermittelt, d.h.
geprüft, wie gut jedes Item inhaltlich die anderen Items und damit die Gesamtskala
widerspiegelt, sowie die Reliabilität der Skala anhand Cronbachs α bestimmt (Tabelle 4-14).
Tabelle 4-14. Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF1_1
8.4 Intern: Nutzung von Lernprogrammen/neuen
Medien
.53
.83
AF1_2
8.1 Extern: Analyse und systematische Auswertung von
Kundenreklamationen
.43
.83
AF1_4
8.3 Extern: Kundenbefragung
.44
.83
AF1_5
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu Lieferanten
.36
.82
AF1_6
8.5 Extern: Kooperation mit Kritikergruppen (User
groups/Pressure groups)
.55
.81
AF1_7
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung der Außenwelt
für eigene Innovationsprozesse
.61
.82
AF1_8
8.7 Extern: Analyse des Wettbewerberverhaltens
.53
.83
AF1_9
8.12 Extern: Informationssuche im Intranet, Internet
oder auf Wissensplattformen
.47
.83
AF1_10
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
.42
.83
AF1_11
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten
und Beratern
.48
.82
AF1_12
11.14 Erfahrungsaustausch auf Kongressen und
Tagungen
.50
.82
AF1_13
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen
.49
.82
AF1_14
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0 (z. B. in
Foren/Chats/Blogs/Newsgroups)
.45
.83
Mit Cronbachs α=.84 war die interne Konsistenz der Skala als gut zu bewerten. Die
Trennschärfen der Items waren ebenfalls hoch, einzig Item AF1_5 hatte mit rit=.36 eine
geringere, aber noch ausreichende Trennschärfe. Da das Konstrukt AF1 Erkennen externen
Wissens möglichst breit erfasst werden sollte, wurde auch dieses Item beibehalten, weil es ein
114
4 Empirische Überprüfung
Randgebiet des zu erfassenden Konstruktes abdeckte57. Weiterhin hätte sich Cronbachs α
durch die Entfernung einzelner Items nicht erhöht, weshalb alle 13 Items für die Skalenbildung
herangezogen wurden. Der Skalenwert AF1-Erkennen wurde als Mittelwert der Antworten auf
die Einzelitems berechnet. Der Mittelwert der Skala betrug 5 mit einer Standardabweichung
von 1.77, der Median lag bei 5.08, die Normalverteilung der Werte wurde mit dem
Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigt (vgl. Anhang C, Abbildung C-1).
Dimension 2: Aufnehmen von relevantem, unternehmensexternem Wissen
Bei der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit steht die Assimilation des als
relevant eingestuften externen Wissens im Mittelpunkt. Wie im Abschnitt 2.4.2 zum Konzept
der Absorptionsfähigkeit ausgeführt, bedeutet diese Aufnahme von Wissen gleichzeitig dessen
Anpassung an das Unternehmen (Transformation) als auch eine Verteilung innerhalb der
Organisation (Diffusion). Um diese Prozesse abzubilden, wurde nach dem Stellenwert
verschiedener Aktivitäten im Unternehmen zum internen Austausch von Wissen und
Erfahrungen gefragt. Die Bewertung wurde auf einer 11-stufigen Skala vorgenommen, wobei
der Wert 0 für die Ausprägung „kein Stellenwert“ und der Wert 10 für die Ausprägung „sehr
hoher Stellenwert“ standen. Dafür wurden, wie in Abschnitt 4.1.2 bereits vorgestellt, drei
Subskalen gebildet:
(1) AF2A_Systematik: Systematische unternehmensinterne Auswertung von
Informationen und Wissen
(2) AF2B_Austausch: Formeller und informeller Erfahrungsaustausch zwischen
Organisationsmitgliedern
(3) AF2C_Technik: Nutzung technischer Möglichkeiten zur Speicherung und
Verteilung von Wissen und Informationen
In Tabelle 4-15 sind die für die Subskala AF2A_Systematik formulierten Items sowie
deren Mittelwerte, Standardabweichungen, Mediane und Fallzahlen abgebildet.
57
Vgl. zur geringeren Trennschärfe der für ein Konstrukt randständigen, aber zur Differenzierung
notwendigen Items auch Bühner (2006, S. 178 ff.).
4 Empirische Überprüfung
115
Tabelle 4-15. Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik: Systematische unternehmensinterne
Auswertung von Informationen und Wissen – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD),
Median und Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
AF2_a1
8.15 Intern: Nachbereitung von Seminaren, Tagungen etc.
zur Ableitung von Handlungskonsequenzen
4.85
3.18
5
659
AF2_a2
8.22 Intern: Identifikation von Mitarbeitern mit besonderen
Kompetenzen
6.84
2.55
7
664
AF2_a3
8.8 Extern: Einschätzung zukünftiger Markt- und
Technologieentwicklungen
6.01
3.08
7
654
AF2_a4
8.9 Extern: Durchführung von Marktforschung
3.04
3.15
2
654
AF2_a5
11.1 Erkennen von internen Experten und Erfahrungsträgern
im Unternehmen
6.02
3.01
7
657
AF2_a6
11.15 Weitergabe von Wissen aus Weiterbildungen,
Tagungen und Kongressen im Unternehmen
5.43
3.03
6
663
AF2_a7
12.14 Aufbereitung und Dokumentation von Expertenwissen
5.30
3.15
6
658
Anhand der Item-Histogramme sowie des Kolmogorov-Smirnov-Tests wurde die
Normalverteilung der Items überprüft. Keines der Items war demnach normalverteilt. Die
Analyse der Schiefe und Kurtosis je Item ergab, dass sechs Items eher rechtssteil und das Item
AF2_a4 deutlich linkssteil verteilt waren, sechs der Verteilungen waren darunter eher
breitgipflig und die des Items AF2_a2 eher schmalgipflig. Im Anhang C, Tabelle C-2 sind die
exakten Werte zur Verteilung dargestellt. Die Durchführung von Marktforschung (Item
AF2_a4) hatte in der Stichprobe insgesamt einen geringen Stellenwert. Der Median lag bei 2,
34% der Befragten gaben den Wert 0 an, die anderen verteilten sich nahezu gleichmäßig über
die gesamte Skala. Aufgrund dieser Streuung wurde das Item für die Berechnung der Skala
AF2_A_Systematik beibehalten. Bei den Items AF2_a2, AF2_a3 und AF2_a5 lag die Mehrheit
der Antworten im oberen Bereich der Skala. Da sie allerdings eine ausreichend große Streuung
aufwiesen und damit zwischen den Befragten differenzierten, wurden auch diese Items für die
Skalenbildung herangezogen. Die Mittelwerte der sieben Items reichten von 3.04 bis 6.84, die
zu erwartende Differenzierung der Gesamtskala wurde damit als ausreichend angesehen. Im
Anschluss an die Itemanalyse wurden die Trennschärfen je Item sowie die interne Konsistenz
der Skala berechnet (vgl. Tabelle 4-16).
116
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-16. Skala Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF2_a1
8.15 Intern: Nachbereitung von Seminaren, Tagungen etc.
zur Ableitung von Handlungskonsequenzen
.62
.76
AF2_a2
8.22 Intern: Identifikation von Mitarbeitern mit
besonderen Kompetenzen
.57
.78
AF2_a3
8.8 Extern: Einschätzung zukünftiger Markt- und
Technologieentwicklungen
.48
.79
AF2_a4
8.9 Extern: Durchführung von Marktforschung
.44
.80
AF2_a5
11.1 Erkennen von internen Experten und
Erfahrungsträgern im Unternehmen
.48
.79
AF2_a6
11.15 Weitergabe von Wissen aus Weiterbildungen,
Tagungen und Kongressen im Unternehmen
.59
.77
AF2_a7
12.14 Aufbereitung und Dokumentation von
Expertenwissen
.61
.77
Mit Cronbachs α=.80 waren die interne Konsistenz der Skala als gut zu bewerten und
die Trennschärfen der Items als hoch einzustufen. Da sich Cronbachs α durch die Entfernung
einzelner Items nicht erhöht hätte, wurden alle sieben Items für die Skalenbildung
herangezogen. Der Skalenwert AF2A _Systematik wurde als Mittelwert der Antworten auf die
Einzelitems berechnet. Der Mittelwert der Skala betrug 5.36 (SD=2.046; N=668), der Median
lag bei 5.34, die Normalverteilung der Werte wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test
bestätigt (Histogramm siehe Anhang C, Abbildung C-2).
Die zweite Subskala zur Erfassung der Aufnahme von externem, relevantem Wissen
wurde anhand von Items operationalisiert, die den Austausch von Wissen und Erfahrungen
innerhalb des Unternehmens abbildeten. Die Mittelwerte, Standardabweichungen, Mediane
und Fallzahlen dieser Items sind in Tabelle 4-17 aufgeführt.
4 Empirische Überprüfung
117
Tabelle 4-17. Absorptionsfähigkeit 2B_Austausch: Formeller und informeller Austausch von
Erfahrungen zwischen Organisationsmitgliedern – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD),
Median und Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
AF2_b1
11.2 Austausch in Projektteams
5.12
3.43
5
651
AF2_b2
11.3 Austausch zwischen Projektteams
4.72
3.41
5
645
AF2_b3
11.4 Wissen- und Erfahrungsaustausch in hierarchie- und
schnittstellenübergreifende Teams
5.57
3.16
6
646
AF2_b4
11.6 Unternehmensinterne Wissensnetzwerke und
Expertengruppen
4.19
3.41
4
643
AF2_b5
11.7 Informeller Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitern
(Cafeteria, Pub, Sport etc.)
6.26
2.96
7
656
AF2_b6
11.8 Erfahrungsaustausch mit Kollegen
7.62
2.01
8
662
AF2_b7
11.9 Erfahrungsaustausch mit Vorgesetzten
7.50
2.25
8
661
AF2_b8
11.10 Erfahrungsaustausch durch Arbeitsplatzwechsel (Job
Rotation)
3.62
3.36
3
652
Die Normalverteilung der Items wurde anhand der Item-Histogramme sowie des
Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft und konnte für keines der Items bestätig werden. Die
Analyse der Schiefe und Kurtosis je Item ergab, dass fünf Items eher rechtssteil, zwei Items
linkssteil und das Item AF2_b2 nahezu symmetrisch verteilt waren. Darunter waren sechs eher
breitgipflige und zwei eher schmalgipflige Verteilungen. Die genauen Angaben dazu finden sich
im Anhang C, Tabelle C-3. Den niedrigsten Stellenwert mit einem Mittelwert von 3.62 und dem
Median bei 3 hat der Erfahrungsaustausch durch Job Rotation (AF2_b8). Knapp 30% der
Befragten gaben den Wert 0 an, die anderen verteilten sich nahezu gleichmäßig auf die
anderen Antwortkategorien, weshalb das Item für die Skalenbildung mit herangezogen wurde.
Hohe Mittelwerte und Mediane wiesen dagegen der Erfahrungsaustausch mit Kollegen
(AF2_b6) und Vorgesetzten (AF2_b7) auf. Beim Item AF2_b6 lagen 75% der Antworten
zwischen den Werten 4 und 10 mit einem Median von 8, beim Item AF2_b7 reichte bei
gleichem Median die 75%-Spanne vom Wert 2 bis zum Wert 10. Trotz dieser im Vergleich zu
den anderen Items eingeschränkten Streuung wurden AF2_b6 und AF2_b7 aufgrund ihrer
inhaltlichen Bedeutung bei der Bildung der Skala AF2B_Austausch berücksichtig. Die ItemMittelwerte lagen zwischen 3.62 und 7.62, was als ausreichende Differenzierungsfähigkeit der
Gesamtskala interpretiert wurde. Für die Bildung der Skala wurden dann die Trennschärfen je
Item sowie die interne Konsistenz der Skala berechnet (Tabelle 4-18).
118
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-18. Skala Absorptionsfähigkeit2B_Austausch – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte Item-SkalaKorrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF2_b1
11.2 Austausch in Projektteams
.73
.81
AF2_b2
11.3 Austausch zwischen Projektteams
.74
.81
AF2_b3
11.4 Wissen- und Erfahrungsaustausch in hierarchieund schnittstellenübergreifende Teams
.65
.82
AF2_b4
11.6 Unternehmensinterne Wissensnetzwerke und
Expertengruppen
.66
.82
AF2_b5
11.7 Informeller Erfahrungsaustausch zwischen
Mitarbeitern (Cafeteria, Pub, Sport etc.)
.51
.84
AF2_b6
11.8 Erfahrungsaustausch mit Kollegen
.52
.84
AF2_b7
11.9 Erfahrungsaustausch mit Vorgesetzten
.55
.84
AF2_b8
11.10 Erfahrungsaustausch durch Arbeitsplatzwechsel
(Job Rotation)
.39
.86
Mit Cronbachs α=.85 war die interne Konsistenz der Skala bereits als gut zu
bewerten, ebenso die Trennschärfen der Items mit rit>.51. Eine niedrigere Trennschärfe wies
das Item AF2_b8 mit rit=.39 auf, dessen Entfernung die interne Konsistenz der Skala auf
Cronbachs α=.86 zudem verbessert hätte. Vor dem Hintergrund der Itemanalyse überraschte
dieses Ergebnis nicht. Da bei den anderen Items verstärkt die Antwortmöglichkeiten über den
Wert 3 frequentiert wurden, ermöglichte das Item AF2_b8 mit seinem niedrigeren Mittelwert
und Median eine zusätzliche Differenzierung im unteren Bereich der Skala, weshalb es für die
Skalenbildung beibehalten wurde58. Per Mittelwertsbildung wurde daher aus den acht Items
der Skalenwert AF2B_Austausch berechnet. Der Mittelwert der so gebildeten Skala betrug 5.44
mit einer Standardabweichung von 2.17, der Median lag bei 5.75, die Normalverteilung der
Werte wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test auf dem 1%- Alpha-Fehler-Niveau nicht
bestätigt (Histogramm siehe Anhang C, Abbildung C-3).
Die letzte Subskala, mit der die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit erfasst
wurde, konzentrierte sich auf die Nutzung technischer Möglichkeiten, welche die Speicherung
und den Austausch von Wissen und Informationen im Unternehmen unterstützten. Tabelle
4-19 gibt die Items sowie deren Mittelwerte, Standardabweichungen, Mediane und Fallzahlen
wieder.
58
Zum Zusammenhang von Streuung, Mittelwert und Trennschärfe siehe Bühner (2003, S. 95 ff.), er
empfiehlt im Zweifelsfall inhaltliche Überlegungen über die statistische Skalenanalyse zu stellen
(S. 106 f.).
4 Empirische Überprüfung
119
Tabelle 4-19. Absorptionsfähigkeit 2C_Technik: Technische Möglichkeiten zur Speicherung und
Verteilung von Informationen – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und Fallzahl
(N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
AF2_c1
11.13 Austausch mit Hilfe von Projektdatenbanken
2.91
2.97
2
647
AF2_c2
11.18 Einsatz moderner Informations- und
Kommunikationstechnologien zum Wissen- und
Informationsaustausch
5.33
3.35
6
659
AF2_c3
12.10 Nutzung von elektronischen Datenbanken im
Unternehmen
6.61
3.27
8
655
AF2_c4
12.11 Nutzung strukturierter Ablagen mit Register,
Suchbegriffen oder Schlagworten
6.16
3.24
7
657
AF2_c5
12.2 Dokumentation von Projekten und Erfahrungen
6.24
2.99
7
659
Die Normalverteilung der Items wurde anhand der Item-Histogramme sowie des
Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft und konnte für keines der Items bestätig werden. Die
Analyse der Schiefe und Kurtosis je Item ergab, dass vier Items eher rechtssteil, Item AF2_c1
linkssteil sowie alle Items breitgipflig verteilt waren. Die genauen Angaben dazu finden sich im
Anhang C, Tabelle C-4. Den niedrigsten Stellenwert mit einem Mittelwert von 2.91 und dem
Median bei 2 hat der Austausch mit Hilfe von Projektdatenbanken (AF2_c1). Knapp ein Drittel
der Befragten gaben hierzu den Wert 0 an, die anderen verteilten sich nahezu gleichmäßig auf
die verbleibenden Antwortkategorien. Da es das Spektrum der Gesamtskala AF2C_Technik im
unteren Bereich der Antwortmöglichkeiten erweiterte, wurde das Item für die Skalenbildung
mit herangezogen. Die Mittelwerte der anderen Items reichten von 5.33 (AF2_c2) bis 6.61
(AF2_c4) mit Medianen von 6 bis 8. Da die Streuung der Items als ausreichend groß erachtet
wurde, flossen alle in die Bildung der Gesamtskala ein. Für die Bildung der Skala wurden
wiederum die Trennschärfen je Item sowie die interne Konsistenz der Skala berechnet (Tabelle
4-20).
120
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-20. Skala Absorptionsfähigkeit 2C_Technik – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF2_c1
11.13 Austausch mit Hilfe von Projektdatenbanken
.50
.75
AF2_c2
11.18 Einsatz moderner Informations- und
Kommunikationstechnologien zum Wissen- und
Informationsaustausch
.54
.74
AF2_c3
12.10 Nutzung von elektronischen Datenbanken im
Unternehmen
.64
.70
AF2_c4
12.11 Nutzung strukturierter Ablagen mit Register,
Suchbegriffen oder Schlagworten
.61
.71
AF2_c5
12.2 Dokumentation von Projekten und Erfahrungen
.46
.76
Mit Cronbachs α=.78 war die interne Konsistenz der Skala niedriger als die der
vorangegangen Skalen, allerdings immer noch ausreichend hoch, wie auch die Trennschärfen
der Items. Da sich Cronbachs α durch die Entfernung einzelner Items nicht erhöht hätte,
wurden alle fünf Items für die Skalenbildung herangezogen. Aus dem Mittelwert der
Antworten auf die Items wurde der Skalenwert AF2C _Technik berechnet. Der Mittelwert der
Skala betrug 5.46 mit einer Standardabweichung von 2.30, der Median lag bei 5.8, die
Normalverteilung
der
Werte
wurde
mit
dem
Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigt
(Histogramm siehe Anhang C, Abbildung C-4).
Die drei Subskalen korrelierten signifikant positiv miteinander59. Aus dem
Mittelwert dieser drei wurde daher eine Gesamtskale AF2-Aufnehmen_Gesamt zur Erfassung
der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit gebildet. Deren Mittelwert betrug 5.47 mit
einer Standardabweichung von 1.9 und dem Median bei 5.64, nach dem Kolmogorov-SmirnovTest sowie der Analyse des Histogramms lag keine Normalverteilung vor (vgl. Anhang C,
Abbildung C-5).
Dimension 3: Verwerten des neuen Wissens
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit beinhaltet die Generierung neuen
Wissens sowie die Umsetzung des neuen oder von extern erworbenen Wissen in interne
Routinen und Prozesse. Sie bildet die Verwertungsphase des externen Wissens im
Unternehmen ab. Für die Operationalisierung dieser Dimension wurde der Schwerpunkt auf
die Umsetzung gelegt, weil sich hier externes und neues Wissen in veränderten Strukturen
59
Produkt-Moment-Korrelationen mit Korrelationskoeffizienten zwischen r=.61 und r=.71, die auf dem
1%-Alpha-Fehler-Niveau signifikant wurden, vgl. Tabelle 33.
4 Empirische Überprüfung
121
oder Prozessen manifestieren. Mit den Fragen AF3_1 bis AF3_4 wurde nach dem Stellenwert
einzelner Maßnahmen im Unternehmen gefragt, die Items AF3_5 erfasste das Ausmaß an
Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiter (im Fragebogen negativ formuliert, wurde für die
Berechnung umkodiert), AF3_6 den erzielten Wettbewerbsvorteilen durch neue Verfahren und
Methoden als Operationalisierung von Prozessinnovationen. Die Antworten wurden wiederum
auf einer 11-stufigen Skala erfasst, wobei der Wert 0 „kein Stellenwert“ bzw. „trifft gar nicht
zu“ und der Wert 10 „sehr hoher Stellenwert“ bzw. „trifft voll und ganz zu“ abbildeten. Die
Kennwerte der einzelnen Items sind in Tabelle 4-21 dargestellt.
Tabelle 4-21. Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten – Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD),
Median und Fallzahl (N) je Item
Code
Item
SD
Median
N
AF3_1
8.16 Intern: kontinuierliche Verbesserung der
Geschäftsprozesse (KVP)
6.20
2.91
7
658
AF3_2
8.20 Intern: Anpassung von Verfahren und Abläufen
aufgrund der Anregungen von Mitarbeitern
6.79
2.50
7
663
AF3_3
8.10 Extern: Übertragung von erfolgreichen Konzepten
anderer auf unser Unternehmen (Best Practice)
5.40
3.05
6
658
AF3_4
8.11 Extern: Nutzung externer Patente oder Lizenzen für
eigene Produktentwicklung
1.68
2.71
0
638
AF3_5
13.18R Es gibt in unserem Unternehmen nur wenige neue
Ideen und Verbesserungsvorschläge. [umkodiert]60
6.79
2.62
7
664
AF3_6
15.5 Wir verschaffen uns durch neue Verfahren, Methoden
oder Herstellungsprozesse fast immer einen Marktvorteil.
4.88
3.15
5
520
Anhand der Item-Histogramme sowie des Kolmogorov-Smirnov-Tests zeigte sich,
dass keines der Items normalverteilt war. Die Analyse der Schiefe und Kurtosis je Item ergab,
dass fünf Items rechtssteil und das Item AF3_4 linkssteil verteilt waren, vier der Verteilungen
waren darunter eher breitgipflig und zwei eher schmalgipflig. Im Anhang C, Tabelle C-5 sind die
exakten Werte zur Verteilung dargestellt. Den geringsten Stellenwert hatte die Nutzung
externer Patente oder Lizenzen für die eigene Produktentwicklung (AF3_4) mit einem
Mittelwert von 1.68 und dem Median bei 0. Von den 638 Antworten entfielen 61% auf den
Wert 0, weshalb das Item für die Skalenbildung nicht genutzt wurde. Die Mittelwerte der
anderen Items lagen zwischen 4.88 und 7.03 mit Medianen bei 5 bis 8 und damit mehrheitlich
in der oberen Hälfte der Antwortskala. Dabei wiesen die Items AF3_3 und AF3_6 die größte
60
Antworten wurden entsprechend der Richtung der anderen Items umkodiert, der neue Wert 0
bedeutet wenige Ideen und Verbesserungsvorschläge, der neue Wert 10 bedeutet viele Ideen und
Verbesserungsvorschläge.
122
4 Empirische Überprüfung
Streuung auf, die Antworten verteilten sich hier annähernd gleich über die 11-stufige Skala und
ermöglichten somit eine Differenzierung der Stichprobe auch im Bereich der niedrigen
Antwortwerte. Die Trennschärfen der Items sowie die Konsistenz der Skala in Abhängigkeit von
ihrer Aufnahme sind in Tabelle 4-22 angegeben.
Tabelle 4-22. Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten – Trennschärfe und interne Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF3_1
8.16 Intern: kontinuierliche Verbesserung der
Geschäftsprozesse (KVP)
.56
.55
AF3_2
8.20 Intern: Anpassung von Verfahren und Abläufen
aufgrund der Anregungen von Mitarbeitern
.52
.58
AF3_3
8.10 Extern: Übertragung von erfolgreichen Konzepten
anderer auf unser Unternehmen (Best Practice)
.40
.63
AF3_5
13.18 Es gibt in unserem Unternehmen viele neue Ideen
und Verbesserungsvorschläge.
.25
.69
AF3_6
15.5 Wir verschaffen uns durch neue Verfahren,
Methoden oder Herstellungsprozesse fast immer einen
Marktvorteil.
.40
.63
Mit Cronbachs α=.67 war die interne Konsistenz der Skala zu gering, durch das
Entfernen von Item AF3_5 hätte sie sich nur marginal auf α=.69 erhöht. Die Analyse der
Korrelationen zwischen den Items zeigte, dass die Items AF3_1, AF3_2 und AF3_3 signifikant
positiv miteinander korrelierten61. Mit dem Item AF3_5 korrelierte nur AF3_1 mit rs=.23,
aufgrund dieser geringen Ausprägung wurde das Item AF3_5 von der Skalenbildung
ausgeschlossen. Mit dem Item AF3_6 korrelierten zwar alle vier anderen Items, aber geringer
als AF1_1 bis AF1_3 untereinander. Da sich diese aber inhaltlich vom Item AF3_6
unterschieden, wurde das Item Item AF3_6 für die weiteren Auswertungen separat genutzt
(Histogramm siehe Anhang C, Abbildung C-6).
Die drei Items AF3_1, AF3_2 und AF3_3 wurden aufgrund ihrer Korrelationen und
inhaltlicher Nähe zu einer Skala AF3-Verwerten_KVP zusammengefasst, die inkrementelle
Verbesserungsprozesse im Unternehmen abbildete. Die interne Konsistenz dieser Skala wurde
mit Cronbachs α=.71 als ausreichend bewertet, die Trennschärfen der Items waren hoch
(Tabelle 4-23).
61
Produkt-Moment-Korrelationen mit moderaten bis hohen Korrelationskoeffizienten zwischen r=.40
und r=.56, die jeweils auf dem 1%-Alpha-Fehler-Niveau signifikant wurden.
4 Empirische Überprüfung
123
Tabelle 4-23. Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP – Trennschärfe und interne
Konsistenz
Code
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
AF3_1
8.16 Intern: kontinuierliche Verbesserung der
Geschäftsprozesse (KVP)
.57
.56
AF3_2
8.20 Intern: Anpassung von Verfahren und Abläufen
aufgrund der Anregungen von Mitarbeitern
.57
.58
AF3_3
8.10 Extern: Übertragung von erfolgreichen
Konzepten anderer auf unser Unternehmen (Best
Practice)
.47
.71
Der Skalenwert AF3-Verwerten_KVP wurde als Mittelwert der Antworten auf die drei
Einzelitems berechnet und betrug =6.13 (SD=2.26, N=667), der Median lag bei 6.33, einen
Normalverteilung der Werte lag laut Histogramm-Analyse und Kolmogorov-Smirnov-Test
nicht vor (Histogramm siehe Anhang C, Abbildung C-7).
124
4 Empirische Überprüfung
Organisationale Absorptionsfähigkeit als dreidimensionales Konstrukt
Als Überblick werden die einzelnen Skalen der Absorptionsfähigkeit, ihre inhaltliche
Bedeutung sowie die Verteilungswerte in Tabelle 4-24 zusammenfassend dargestellt.
Tabelle 4-24. Zusammenfassung der Skalen, die die Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
erfassten – Itemanzahl, Fallzahl (N), Mittelwert ( ), Standardabweichung (SD), Median und
Verteilungsform
Skala
Beschreibung
Items
N
AF1Erkennen
Kontakte zur
Unternehmensumwelt, die das
Erkennen externen Wissens
ermöglichen
AF2AAufnehmen_
Systematik
SD
Median
Verteilung
13
668
5
1.77
5.08
normal
Systematische
unternehmensinterne Auswertung
von Informationen und Wissens
7
668
5.35
2.05
5.34
normal
AF2BAufnehmen_
Austausch
Formeller und informeller
Erfahrungsaustausch zwischen
Organisationsmitgliedern
8
665
5.44
2.17
5.75
nicht
normal
AF2CAufnehmen_
Technik
Nutzung technischer Möglichkeiten
zur Speicherung und Verteilung
von Wissen und Informationen
5
666
5.46
2.30
5.8
normal
AF2Aufnehmen_
Gesamt
Assimilation des relevanten,
externen Wissens;
Mittelwert aus den drei Subskalen
Systematik, Austausch, Technik
668
5.47
1.9
5.64
nicht
normal
AF3Verwerten_
KVP
Umsetzung von Wissen durch
inkrementelle Veränderung der
internen Prozesse und Strukturen
3
667
6.13
2.26
6.33
nicht
normal;
AF3_Prozessinnovationen
Marktvorteil durch neue
Verfahren, Methoden oder
Herstellungsprozesse
1
520
4.88
3.15
5
nicht
normal
Um einen Gesamtwert für die Absorptionsfähigkeit im Unternehmen zu erhalten,
wurde die Summe aus der Skala AF1, der Skala AF2_Gesamt, der Skala AF3_KVP und dem Item
AF3_Prozessinnovationen
gebildet.
Dieses
Vorgehen
gründet
sich
darin,
dass
Absorptionsfähigkeit durch drei Dimensionen beschrieben werden kann, die, wenn auch
abhängig voneinander so doch zunächst separat im Unternehmen durch entsprechende
Handlungen ausgestaltet werden können. Hierin spiegelt sich das Verständnis von potenzieller
und realisierte Absorptionsfähigkeit wider (nach Zahra & George, 2002, vgl. auch Abschnitt
2.4.2 dieser Arbeit). Damit stehen alle drei Dimensionen auch gleichwertig nebeneinander,
weshalb die Einzelskalen nicht multipliziert sondern addiert wurden. Die Gesamtskala
Absorptionsfähigkeit hatte damit einen Mittelwert von 20.39 (SD=7.41; N=668), der Median
4 Empirische Überprüfung
125
lag bei 20.22. Die Normalverteilung wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test bestätigt, wie
auch anhand der Abbildung 4-5 erkennbar ist.
Abbildung
4-5.
Histogramm
mit
Normalverteilungskurve
des
Gesamtwertes
Absorptionsfähigkeit gebildet als Summe der Skalen AF1, AF2_gesamt, AF3_KVP und dem Item
AF3_Prozessinnovationen (Wert 0 bedeutet keine Absorptionsfähigkeit, Wert 40 bedeutet
maximale Absorptionsfähigkeit)
4.2.2.
Überprüfung der Hypothesen
4.2.2.1. Innovationsbereitschaft als Prozess und Zustand
Wie ausführlich erläutert, resultiert die Innovationsbereitschaft aus dem Erkennen
eines Veränderungsbedarfes sowie von Möglichkeiten zur Veränderung der Situation. Diesem
Erkennen liegen zwei getrennte Bewertungsprozesse zugrunde, die anhand mehrerer
Indikatoren abgebildet wurden. In diesem Abschnitt werden die Hypothesen 1.1 bis 1.5 zur
Vorhersagbarkeit des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen
Veränderbarkeit überprüft. Zur Einordnung dieser Analysen wird in Abbildung 4-6 auf das im
Kapitel 3 konzipierte Modell zurückgegriffen. Dabei wird die Wirkung der Absorptionsfähigkeit
auf die Innovationsbereitschaft zunächst ausgeblendet.
126
4 Empirische Überprüfung
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-6. Modell der postulierten Wirkungszusammenhänge mit Fokus auf die Prozessund Zustandsvariablen der Innovationsbereitschaft zur Einordnung der empirischen Analyse
Überprüfung der Zusammenhänge im Modell der Innovationsbereitschaft
Im ersten Schritt wurden zunächst Produkt-Moment-Korrelationen zur Überprüfung
der linearen Zusammenhänge zwischen dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf, der
wahrgenommenen Veränderbarkeit sowie den Indikatoren der beiden Bewertungsprozesse
berechnet. Diese Berechnungen erlaubten zum Einen Aussagen zu bedeutsamen
Zusammenhängen zwischen den einzelnen Variablen und zum Anderen den Test dieser
Voraussetzung für die Durchführung von Regressionsanalysen. Tabelle 4-25 gibt einen
Überblick über die Korrelationen der Kenngrößen der Bewertungsprozesse (verstanden als
Determinanten) mit dem Veränderungsbedarf als Ergebnis des ersten Bewertungsprozesses
und der Veränderbarkeit als Ergebnis des zweiten Bewertungsprozesses.
4 Empirische Überprüfung
127
Tabelle 4-25. Korrelationsmatrix zu Bewertungsprozessen und Bewertungsergebnissen als
Bestandteil des Konstruktes Innovationsbereitschaft - Zusammenhänge zwischen dem
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und der wahrgenommenen Veränderbarkeit mit den
Indikatoren der Bewertungsprozesse
1
2
3
4
5
6
7
1. Vb
-
2. Vbk
.05
-
3. Herausforderungen
.24**
.17**
-
4. WV neue Produkte
.10*
.28**
.37**
-
5. WV Produktion
.13*
.07
.25**
.41**
-
6. SWE
.07
.22**
.29**
.37**
.28**
-
7. MA-Leistung
.06
.28**
.31**
.53**
.28**
.61**
-
8. Fehlertoleranz
-.03
-.15**
-.03
-.11**
-.14**
-.08
-.06
Anmerkungen. Abkürzungen der Skalen und Items: 1. wahrgenommener Veränderungsbedarf; 2. wahrgenommene
Veränderbarkeit; 3. Herausforderungen für das Unternehmen; 4. Wettbewerbsvorteile durch neuartige
Produkte/Dienstleistungen; 5. Wettbewerbsvorteile durch kostengünstige Produktion; 6. aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung
des
Geschäftsführers;
7.
Mitarbeiterleistung
als
Wettbewerbsvorteil;
8.
Fehlertoleranz im Unternehmen
Schwankungen im Stichprobenumfang von N=613 bis N=667 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen
(paarweiser Ausschluss); Produkt-Moment-Korrelation: **p<.001, Korrelation ist auf dem 0.1%-Alpha-Fehler-Niveau
signifikant; *p<.05, Korrelation ist auf dem 5%-Alpha-Fehler-Niveau signifikant.
Aus dieser Tabelle wird zunächst deutlich, dass die Ausprägungen des
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes
unabhängig
von
der
Ausprägung
der
wahrgenommenen Veränderbarkeit waren. Zwischen den beiden Items bestand kein
Zusammenhang (r=.05, n.s.). Die Annahme, dass es sich dabei um die Ergebnisse von zwei
getrennten Bewertungsprozessen handelt (vgl. Abschnitt 2.2.1), wurde durch diesen Befund
unterstützt.
Der Veränderungsbedarf sollte aus dem Erkennen einer Diskrepanz zwischen dem
aktuellen Zustand der Unternehmenssituation und einem erwünschtem Soll-Zustand dieser
Situation resultieren. Diese Diskrepanz wurde anhand der Beurteilung von Herausforderungen,
denen das Unternehmen gegenübersteht sowie anhand der Unzufriedenheit mit den
Leistungserstellungsprozessen operationalisiert. Die signifikant positive Korrelation zwischen
Veränderungsbedarf und Herausforderungen (r=.24, p<.001) unterstützte die Hypothese 1.1,
die davon ausging, dass sich der Veränderungsbedarf durch die wahrgenommenen
Herausforderungen vorhersagen lässt. In einer weiteren Korrelationsanalyse wurden die
Zusammenhänge des Veränderungsbedarfes mit den Subskalen der Herausforderungen (vgl.
Faktorenanalyse, Tabelle 4-7) berechnet.
128
4 Empirische Überprüfung
Hierbei zeigte sich kein praktisch bedeutsamer Unterschied zwischen den inhaltlichen
Dimensionen der Herausforderungen (r=.13 bis r=.25), so dass in den weiteren Analysen auf
eine Differenzierung nach der Art der Herausforderung verzichtet wurde.
Mit der zweiten Hypothese zur Vorhersage des Veränderungsbedarfes wurde davon
ausgegangen, dass der Bedarf umso höher sein würde, je größer die Unzufriedenheit mit der
internen Leistungserstellung ist. Aufgrund der Operationalisierung dieser Unzufriedenheit
sollte
der
Veränderungsbedarf
umso
geringer
ausfallen,
je
stärker
die
interne
Leistungserstellung als Wettbewerbsvorteil wahrgenommen wurde (vgl. Abschnitt 3.1.1
Hypothese 1.2 und Abschnitt 4.2.1.1. zur Operationalisierung). Entgegen dieser Annahme
fielen die Korrelationskoeffizienten der Wettbewerbsvorteile durch neuartige Produkte und
die Koeffizienten der Wettbewerbsvorteile einer kostengünstigen Produktion positiv aus,
waren allerdings gering und auf dem 5%-Alpha-Fehlerniveau signifikant (r=.10 und r=.13,
p<.05).
Als
Determinanten
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit
wurden
die
aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers, die Beurteilung der
Mitarbeiterleistung sowie der Fehlertoleranz im Unternehmen betrachtet. Dabei korrelierte
die Selbstwirksamkeitserwartung signifikant positiv mit der Veränderbarkeit (r=.22, p<.001),
wodurch Hypothese 1.3 unterstützt wurde. Eine signifikant positive Korrelation fand sich auch
zwischen der Beurteilung der Mitarbeiterleistung und der wahrgenommenen Veränderbarkeit.
Je positiver die Mitarbeiterleistung bewertet wurde, umso höher war auch die
wahrgenommene Veränderbarkeit (r=.28, p<.001), damit wurde Hypothese 1.4 unterstützt.
Dementgegen zeigte sich eine gering negative Korrelation zwischen der Fehlertoleranz im
Unternehmen und der Veränderbarkeit der Situation, die gegen Hypothese 1.5 sprach.
Aufgrund des niedrigen Korrelationskoeffizienten von r=-.15 (p<.001) war dieser
Zusammenhang sehr gering62.
Diese drei Einflussgrößen im Bewertungsprozess der Veränderbarkeit korrelierten
modelkonform nicht mit dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf als Ergebnis des ersten
Bewertungsprozesses. Eine signifikante positive Korrelation mit r=.28 (p<.001) fand sich jedoch
zwischen den Wettbewerbsvorteilen durch neuartige Produkte/Dienstleistungen und der
wahrgenommenen Veränderbarkeit. Gründe für diesen Zusammenhang werden im
Unterkapitel 4.3 diskutiert.
62
Die Beurteilung der Höhe der Korrelationskoeffizienten erfolgte nach der Konvention von Cohen
(1988), wonach r=.1 einem schwachen, r=.3 einem mittlerer und r=.5 einem starken Zusammenhang
entspricht. Dabei sollten bei der Interpretation jedoch auch empirische Befunde aus anderen Studien
berücksichtigt werden (Sedlmeier & Renkewitz, 2008, S. 221), worauf in der Diskussion im Abschnitt 4.3.
näher eingegangen wird.
4 Empirische Überprüfung
129
Weiterhin bestanden zwischen den Determinanten des Veränderungsbedarfes und
der Veränderbarkeit statistisch signifikante positive Zusammenhänge. So korrelierten die
wahrgenommenen Herausforderungen des Unternehmens und die Wettbewerbsvorteile durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen
sowie
die
Wettbewerbsvorteile
durch
eine
kostengünstige Produktion als theoretische Determinanten des Veränderungsbedarfes positiv
miteinander
(vgl.
Tabelle
4-25).
Ebenso
korrelierte
die
aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung positiv mit der Beurteilung der Mitarbeiterleistung als
Determinante der Veränderbarkeit (r=.61, p<.001). Dagegen fand sich kein Zusammenhang
dieser Variablen mit der Fehlertoleranz im Unternehmen. Die Selbstwirksamkeitserwartung
und die Beurteilung der Mitarbeiterleistung korrelierten ebenfalls signifikant positiv mit der
Einschätzung der Unternehmensherausforderungen sowie der Wettbewerbsvorteile durch
neuartige Produkte/Dienstleistungen und durch die kostengünstige Produktion. Der größte
Zusammenhang zeigte sich hier zwischen der Mitarbeiterleistung und Wettbewerbsvorteilen
durch neuartige Produkte/Dienstleistungen (r=.53, p<.001).
Zusammengefasst belegte die Analyse der Korrelationen das Vorhandensein von
linearen Zusammenhängen zwischen Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit als Resultate
des ersten und zweiten Bewertungsprozesses und den jeweiligen Indikatoren der
zugrundeliegenden Bewertungsprozesse. Da die Hypothesen 1.1 bis 1.5 Annahmen zur
Vorhersagbarkeit von Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit formulierten, wurden diese
anschließend mit einer multiplen linearen Regression überprüft. Dabei wurde analysiert,
inwieweit jeweils die Kriterien Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit durch die Indikatoren
des
ersten
und
des
zweiten
Bewertungsprozesses
nach
dem
Modell
der
Innovationsbereitschaft von Gebert (1987, 2002) vorhergesagt werden konnten.
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes durch die Prozessindikatoren
Nach den Korrelationsanalysen wurde anhand mehrerer Regressionsmodelle
überprüft, inwieweit sich die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes sowie der
Veränderbarkeit
der
unternehmensinternen
Situation
durch
die
Indikatoren
der
zugrundeliegenden Bewertungsprozesse vorhersagen lässt. Zur Einordnung der Analyse wird
wiederum auf das in Kapitel 3 konzipierte Model zurückgegriffen und die fokussierten
Variablen herausgestellt. Das erste Regressionsmodell prüfte die Vorhersagbarkeit des
Veränderungsbedarfes
aus
den
Prädiktoren
wahrgenommene
Herausforderungen,
Wettbewerbsvorteile durch neuartige Produkte/Dienstleistungen und Wettbewerbsvorteile
durch
kostengünstige
Produktion.
Dabei
wurden
für
die
wahrgenommenen
Herausforderungen eine positive Wirkung auf den Veränderungsbedarf erwartet und für die
Wettbewerbsvorteile jeweils eine negative Wirkung (vgl. Hypothesen 1.3 und 1.4 auf S. 62
sowie die Abbildung 4-7).
130
4 Empirische Überprüfung
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-7. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
Wie aus der Matrix in Tabelle 4-25 ersichtlich, korrelierten die Prädiktoren
Herausforderungen und Unzufriedenheit sowie das Kriterium Veränderungsbedarf signifikant
positiv miteinander. Als weitere Voraussetzung einer Regressionsanalyse wurde die Verteilung
und Streuung der Residuen analysiert (vgl. Abbildung 4-8). Dabei wichen die Residuen nicht
signifikant von der Normalverteilung ab, wodurch die Schätzung des p-Wertes im F-Test zur
Modellüberprüfung nicht verzerrt wurde. Die Residuen verteilten sich nicht gleich in allen
Bereichen der beobachteten Variable, womit die Homoskedastizität verletzt und die p-Werte
für die ß-Gewichte ungenau geschätzt wurden. Die Kollinearität als perfekter Zusammenhang
zwischen zwei oder mehr Prädiktoren war mit einem Konditionsindex von 10.15 (Toleranz>.75,
VIF<1.33)63 als gering einzustufen (vgl. Bühner & Ziegler, 2009, S. 716) und stellte damit keine
Beeinträchtigung der ß-Gewichte dar. Zusammengefasst wurde damit nur die Voraussetzung
der Homoskedastizität verletzt und die Regressionsanalyse konnte aufgrund ihrer Robustheit
gegenüber solchen geringen Voraussetzungsverletzungen interpretiert werden (vgl. Backhaus
et al., 2006, S. 94).
63
Grundlagen der Interpretation von Kollinearität: mäßige Kollinearität bei Konditionsindex >.15, starke
Kollinearität bei Konditionsindex>.30; kritische Werte für Toleranz<.10 und Variance Inflation Factor
(VIF)>10 (vgl. Bühner & Ziegler, 2009, S. 682).
4 Empirische Überprüfung
a)
Abbildung 4-8.
131
b)
a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
Das lineare Regressionsmodell zur Vorhersage des Veränderungsbedarfes aus den
Prädiktoren Herausforderungen und Wettbewerbsvorteile durch die Leistungserstellung des
Unternehmens erreichte eine Varianzaufklärung von R2=.075 (R2korr=.070) mit F(3.608)=16.4,
p<.001. Der Signifikanztest belegte somit, dass sich die ß-Gewichte statistisch bedeutsam von 0
unterschieden und damit bedeutsame Zusammenhänge zwischen den Prädiktoren und dem
Kriterium vorlagen, die auf die Grundgesamtheit übertragen werden konnten. Die Güte des
Regressionsmodells musste als eher gering beurteilt werden, da nur 7% der Varianz des
Kriteriums durch die Prädiktoren erklärt wurde64. In Tabelle 4-26 werden die Ergebnisse der
Regression als Übersicht dargestellt.
64
Der F-Wert verdeutlicht vereinfacht ausgedrückt das gewichtete Verhältnis von aufgeklärter zu nicht
aufgeklärter Varianz, er wird umso höher, je stärker die aufgeklärte Varianz die nicht aufgeklärte
übersteigt und je größer die Stichprobe ist (vgl. Bühner & Ziegler, 2009, S. 665).
Zur Beurteilung der Modellgüte wird die aufgeklärte Varianz R2 als Effektgrößer herangezogen. Dieses
Maß beschreibt, wie gut sich die Regressionsfunktion an die gegeben Daten anpasst. Als Konvention zur
Interpretation der Güte eines Regressionsmodells gilt nach Bühner & Ziegler (2009, S. 667): kleiner
Effekt bei R2=.02; mittlerer Effekt bei R2 =.13; starker Effekt bei R2 =.26.
132
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-26. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes aus den wahrgenommenen
Herausforderungen
und
den
Wettbewerbsvorteilen
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen sowie durch kostengünstige Produktion (N=612)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
Herausforderungen für
Unternehmen
.38
.06
.25
<.001
.26
.24
Wettbewerbsvorteil:
Neuartige
Produkte/Dienstleistungen
-.02
.04
-.02
.629
.11
-.02
Wettbewerbsvorteil:
kostengünstige Produktion
.06
.04
.08
.072
.13
.073
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
Als einziger Prädiktor konnten die wahrgenommenen Herausforderungen, denen das
Unternehmen gegenübersteht, den Veränderungsbedarf mit einem standardisierten
Regressionskoeffizient von ß=.25 (p<.001) signifikant vorhersagen. Der Zusammenhang dieses
Prädiktors mit dem Kriterium änderte sich durch die Auspartialisierung der anderen
Prädiktoren kaum (von r=.26 auf ry(x,z)=.24). Gleiches traf auch auf die beiden anderen
Prädiktoren zu. Mit dieser Regressionsanalyse konnte somit die Hypothese 1.1 bestätigt
werden,
wobei
der
Anteil
gemeinsamer
Varianz
von
Veränderungsbedarf
und
Herausforderungen 6% betrug. Dagegen mussten die Hypothesen 1.4 und 1.5 abgelehnt
werden, da weder aus den Wettbewerbsvorteilen durch neuartige Produkte/Dienstleistungen
noch
durch
Wettbewerbsvorteile
durch
eine
kostengünstige
Produktion
der
Veränderungsbedarf determiniert wurde.
Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit durch die Prozessindikatoren
Nach dem in Abschnitt 3.1.1 entwickelten Modell der Determinanten des
wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit sollten
die Prädiktoren des Veränderungsbedarfes keine Vorhersagekraft für die Veränderbarkeit
haben. Bei der Überprüfung der Korrelationen (vgl. Tabelle 4-25) zeigten sich jedoch
signifikante
positive
Zusammenhänge
zwischen
der
Veränderbarkeit
und
den
Herausforderungen sowie Wettbewerbsvorteile durch neuartige Produkte/Dienstleistungen.
Deshalb wurde geprüft, ob sich diese Zusammenhänge mit einer Regressionsanalyse
differenzieren lassen (zur Einordnung dieser Analyse in das Wirkungsmodell siehe Abbildung
4-9).
4 Empirische Überprüfung
133
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
x
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-9. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
Um
die
Vorhersagekraft
dieser
Prädiktoren
Herausforderungen
Wettbewerbsvorteilte durch neuartige Produkte/Dienstleistungen
und
auf das Kriterium
Veränderbarkeit zu überprüfen, wurde eine weitere multiple lineare Regression berechnet. Die
Analyse von Verteilung und Streuung der Residuen zeigte eine Abweichung von der
Normalverteilung sowie das Vorliegen von Heteroskedazidität (vgl. Abbildung 4-10). Aufgrund
der Stichprobengröße (N=631) stellte die fehlende Normalverteilung kein Problem für die
Interpretation des F-Testes dar (vgl. Bühner & Ziegler, 2009, S. 877 f.). Dagegen war von einer
Verzerrung der p-Werte zur Beurteilung der ß-Gewichte auszugehen. Die Kollinearität war mit
einem Konditionsindex von 8.93 (Toleranz>.87, VIF<1.15) als gering einzustufen, womit die
Schätzung der ß-Gewichte nicht beeinflusst wurde.
a)
Abbildung 4-10.
b)
a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
134
4 Empirische Überprüfung
Das lineare Regressionsmodell zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus den
Prädiktoren
Herausforderungen
und
Wettbewerbsvorteilen
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen erreichte eine Varianzaufklärung von R2=.085 (R2korr=.082) mit
F(2.628)=28.985, p<.001. Die Güte des Modells war mit 9% Varianzaufklärung gering bis mäßig
einzustufen. Die Ergebnisse der Regression sind in Tabelle 4-27 aufgeführt.
Tabelle 4-27. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit aus den Herausforderungen an das
Unternehmen und den Wettbewerbsvorteilen durch neuartige Produkte/Dienstleistungen
(N=631)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
Herausforderungen für
Unternehmen
.11
.06
.08
.042
.17
.08
Wettbewerbsvorteil: Neuartige
Produkte/Dienstleistungen
.22
.04
.25
<.001
.28
.23
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
Die Regressionsgewichte beider Prädiktoren waren auf dem 5%-Alpha-Fehler-Niveau
signifikant, wobei der standardisierter Regressionskoeffizient der Herausforderungen mit
ß=.08 sehr niedrig ausfiel und sich der Zusammenhang mit dem Kriterium nach der
Bereinigung um die gemeinsame Varianz mit den Wettbewerbsvorteile deutlich reduzierte
(r=.17 auf ry(x,z)=.08). Vor diesem Hintergrund und der verzerrten Signifikanzschätzung wurde
der Einfluss der Herausforderungen auf die Veränderbarkeit als nicht bedeutsam interpretiert.
Entgegen der (impliziten) Modellannahmen im Abschnitt 3.1.1 trugen die Wettbewerbsvorteile
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen
signifikant
positiv
zur
Vorhersage
der
wahrgenommenen Veränderbarkeit bei, was im Abschnitt 4.3 diskutiert werden wird.
Explizite Hypothesen wurden zur Vorhersagbarkeit der Veränderbarkeit aus der
Bewertung von Ressourcen, die für eine erforderliche organisationale Neuerung zur Verfügung
stehen, formuliert (vgl. Abbildung 4-11 zur Einordnung).
4 Empirische Überprüfung
135
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-11. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
So sollten die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers,
die positive Einschätzung der Mitarbeiterleistung sowie eine hohe Fehlertoleranz im
Unternehmen die wahrgenommene Veränderbarkeit positiv beeinflussen. Zur Überprüfung
dieser Hypothesen wurde wiederum eine multiple lineare Regression berechnet. Zwischen den
Prädiktoren und dem Kriterium bestanden statistisch bedeutsame lineare Zusammenhänge
(vgl. Tabelle 4-25), wobei der negative Zusammenhang zwischen Fehlertoleranz und
Veränderbarkeit nicht der Hypothese 1.5 entsprach. Zur Prüfung der Voraussetzungen der
Regressionsanalyse wurden weiterhin die Verteilung und Streuung der Residuen analysiert.
Wie in Abbildung 4-12 erkennbar, waren die Fehler nicht normalverteilt und streuten nicht
unabhängig vom geschätzten Wert. Da die Stichprobengröße mit N=639 ausreichend groß war,
stellte die fehlende Normalverteilung kein Problem für die Interpretation des F-Testes dar.
Aufgrund der Heteroskedazidität war jedoch von einer fehlerhaften Schätzung der p-Werte für
die ß-Gewichte auszugehen. Die Kollinearität war mit einem Konditionsindex von 13.27
(Toleranz>.62, VIF<1.61) als gering einzustufen, womit die Schätzung der ß-Gewichte nicht
beeinflusst wurde.
136
4 Empirische Überprüfung
a)
Abbildung 4-12.
b)
a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
Das lineare Regressionsmodell zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus den
Prädiktoren
Herausforderungen
und
Wettbewerbsvorteilen
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen erreichte eine Varianzaufklärung von R2=.096 (R2korr =.092) mit
F(3.635)=22.429, p<.001, wobei die Güte des Modells mit 9% Varianzaufklärung gering bis mäßig
zu beurteilen war. In der Tabelle 4-28 werden die Ergebnisse der Regression zusammengefasst.
Tabelle 4-28. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit aus der aufgabenbezogenen
Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers, der Beurteilung der Mitarbeiterleistung
sowie der Fehlertoleranz im Unternehmen (N=639)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
Selbstwirksamkeitserwartung GF
.06
.04
.08
.203
.22
.06
Mitarbeiterleistung
.25
.06
.21
<.001
.27
.17
Fehlertoleranz
-.12
.03
-.14
<.001
-.16
-.14
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
Zur Vorhersage der Veränderbarkeit trugen die Mitarbeiterleistung und die
Fehlertoleranz signifikant bei. Dabei erhöhte sich der Veränderbarkeit modellkonform mit
zunehmender Mitarbeiterleistung (ß=.21, p<.001), während sie mit höherer Fehlertoleranz
unerwartet absank (ß=-.14, p<.001). Der Zusammenhang der Fehlertoleranz mit dem Kriterium
änderte sich durch die Semipartialisierung nur gering, während die Zusammenhänge der
Selbstwirksamkeitserwartung und der Mitarbeiterleistung stark sanken, wenn sie um die
4 Empirische Überprüfung
137
gemeinsame Varianz mit den jeweils verbleibenden Prädiktoren bereinigt wurden. Der Anteil
der gemeinsamen Varianz mit dem Kriterium betrug für die Selbstwirksamkeitserwartung
kaum mehr als 0%, die Mitarbeiterleistung wies 3% gemeinsame Varianz mit dem Kriterium
auf und die Fehlertoleranz 2%. Zusammengefasst bestätigte die Regressionsanalyse damit nur
die Hypothese 1.4, wonach die wahrgenommene Veränderbarkeit aus der Wahrnehmung des
Engagements und der Leistung der Mitarbeiter vorhergesagt werden konnte. Hypothese 1.3
wurde
abgelehnt,
da
die
aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung
keine
Vorhersagekraft hatte. Auch Hypothese 1.5 musste abgelehnt werden, weil die Fehlertoleranz
entgegen der Annahme zu einer Verminderung der wahrgenommenen Veränderbarkeit führte.
Die
Prädiktoren
Selbstwirksamkeitserwartung
des
Geschäftsführers,
Mitarbeiterleistung und Fehlertoleranz sollten entsprechend den Modellannahmen in
Abschnitt 3.1.1 nur die Veränderbarkeit vorhersagen. Bei der Analyse der Korrelationen
zeigten sich diesen Annahmen entsprechend auch keine Zusammenhänge mit dem
wahrgenommenen Veränderungsbedarf (vgl. Tabelle 4-25). Damit wurden die impliziten
Modellananahmen bestätigt.
Bezogen auf die postulierten Determinanten von Veränderungsbedarf und
Veränderbarkeit lässt sich somit zusammenfassend festhalten, dass der Veränderungsbedarf
durch die wahrgenommenen Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht
und die wahrgenommene Veränderbarkeit durch die wahrgenommene Mitarbeiterleistung
hypothesenkonform signifikant vorhergesagt werden konnten. Als unerwartete Effekte fand
sich
ein
signifikant
positiver
Einfluss
der
Wettbewerbsvorteile
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen sowie eine negative Wirkung der Fehlertoleranz auf die
Einschätzung der Veränderbarkeit. Auf diese Ergebnisse wird in der Diskussion im Unterkapitel
4.3 wieder Bezug genommen.
4.2.2.2. Wirkung der organisationalen Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft
der Führungskraft
Das zentrale Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit lag in der Förderung der
Innovationsbereitschaft
Unternehmens.
Dazu
von
wurde
Führungskräften
die
Wirkung
durch
der
die
Absorptionsfähigkeit
einzelnen
Dimensionen
auf
ihres
den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf sowie der wahrgenommenen Veränderbarkeit der
Unternehmenssituation konzeptionell herausgearbeitet (vgl. Unterkapitel 3.2. und 3.3). In der
Abbildung 4-13 werden die nachfolgenden Analysen im Gesamtwirkungsmodell eingebettet.
138
4 Empirische Überprüfung
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-13. Modell der postulierten Wirkungszusammenhänge mit Fokus auf die Wirkung
der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft zur Einordnung der empirischen
Analyse
Überprüfung
der
Innovationsbereitschaft
Zusammenhänge
zwischen
Absorptionsfähigkeit
und
Zur Überprüfung der Hypothesen 2.1 bis 2.8 wurden zunächst die Zusammenhänge
zwischen
dem
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf
und
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit als die zwei Komponenten der Innovationsbereitschaft und den drei
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit untersucht. Aufgrund der intervallskalierten Skalen und
Items wurden dafür jeweils Produkt-Moment-Korrelationen berechnet. Diese erlaubten
Aussagen zu bedeutsamen Zusammenhängen zwischen den einzelnen Variablen sowie eine
Überprüfung der Voraussetzungen für die Regressionsanalysen. In der Tabelle 4-29 sind die
Korrelationskoeffizienten sowie deren Signifikanz zusammengefasst.
4 Empirische Überprüfung
139
Tabelle
4-29.
Korrelationsmatrix
zu
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf,
wahrgenommener Veränderbarkeit und den drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
1
2
3
4
5
6
1. Vb
-
2. Vbk
.05
-
3. AF1
.20**
.39**
-
4. AF2_Gesamt
.13**
.43**
.76**
-
5. AF2A_Systematik
.17**
.42**
.79**
.89**
-
6. AF2B_Austausch
.11**
.39**
.61**
.88**
.71**
-
7. AF2C_Technik
7
8
.07
.33**
.62**
.87**
.67**
.61**
-
8. AF3_KVP
.15**
.40**
.66**
.64**
.71**
.52**
.48**
-
9. AF3_Prozessinno
-.04
.28**
.41**
.42**
.42**
.39**
.32**
.37**
Anmerkungen. Abkürzungen der Skalen und Items: 1. Veränderungsbedarf; 2. Veränderbarkeit; 3. Skala
Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen; 4. Skala Absorptionsfähigkeit 2-Aufnehmen_gesamt; 5. Skala Absorptionsfähigkeit
2A-Systematische Auswertung; 6. Skala Absorptionsfähigkeit 2B-Erfahrungsaustausch; 7. Skala Absorptionsfähigkeit
2C-Technische Unterstützung für Wissensaustausch; 8. Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_interne Umsetzung
des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und Prozessveränderungen; 9. Item Absorptionsfähigkeit
3-Verwerten_Prozessinnovationen
Schwankungen im Stichprobenumfang von N=519 bis N=668 entstanden durch fehlende Werte in den Variablen
(geringster Fallzahl bei 9. AF3_Prozessinno; paarweiser Ausschluss); Produkt-Moment-Rangkorrelation: **p<.001,
Die Korrelation ist auf dem 0.1%-Alpha-Fehler-Niveau signifikant.
Die Korrelationsmatrix zeigte zunächst, dass die einzelnen Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit hoch miteinander korrelierten. So bestand zwischen dem Erkennen von
relevantem, externem Wissen (AF1) und dessen Aufnahme in das Unternehmen (AF2_Gesamt)
ein positiver, statistisch bedeutsamer und sehr hoher Zusammenhang von r=.73 (p<.001).
Ebenso hoch fiel der Zusammenhang der ersten Dimension mit der dritten Dimension der
Absorptionsfähigkeit aus. Die Korrelation mit der Umsetzung neuen Wissens in
unternehmensinterne Strukturen und Prozesse war mit r=.66 entsprechend auf dem 1%-AlphaFehler-Niveau statistisch signifikant. Zwischen dem reinen Erkennen neuen Wissens und dem
Auftreten von Prozessinnovationen bestand ebenso ein hoher, positiver Zusammenhang
(r=.41; p<.001). Die Korrelationen zwischen der zweiten und dritten Dimension der
Absorptionsfähigkeit waren ähnlich ausgeprägt. Mit r=.61 (p<.001) bestand ein statistisch
signifikanter und sehr starker positiver Zusammenhang zwischen der Aufnahme und der
internen Umsetzung neuen Wissens. Heruntergebrochen auf die Subskalen der zweiten
Dimension
bestand
der
größte
Zusammenhang
zwischen
internen
Prozess-
und
Strukturveränderungen (AF3_KVP) und der Subskala Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik
(r=.71, p<.001).
140
4 Empirische Überprüfung
Die Korrelation der Gesamtskala Absorptionsfähigkeit 2 mit dem Vorhandensein von
Prozessinnovationen fiel mit r=.42 (p<.001) ebenfalls signifikant und stark positiv aus, den
geringsten Zusammenhang mit Prozessinnovationen wies dabei die Subskala AF2_Technik mit
r=.32 (p<.001) auf.
Bezogen auf die Zusammenhänge von Absorptionsfähigkeit und Veränderungsbedarf
sowie Veränderbarkeit der Situation, fanden sich mehrheitlich die erwarteten positiven
Beziehungen. So korrelierte die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit statistisch signifikant
mit dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf, wobei der Zusammenhang mit r=.20
(p<.001) eher schwach ausfiel. Deutlich größer war der Zusammenhang mit der
wahrgenommenen Veränderbarkeit (r=.39, p<.001). Damit stützten diese Ergebnisse die
Hypothesen 2.1 und 2.2, wobei letztere bezüglich der Abhängigkeit von der Ausprägung der
beiden anderen Absorptionsfähigkeitsdimensionen noch im Detail zu überprüfen war.
Die Hypothese 2.3 wurde ebenfalls im Ansatz unterstützt, da die Gesamtskala
Absorptionsfähigkeit 2 statistisch signifikant und schwach positiv mit dem wahrgenommenen
Veränderungsbedarf korrelierte (r=.13, p<.001). Bezüglich der Subskalen zeigte sich, dass
insbesondere
die
wahrgenommenen
Systematik
der
Wissensaufnahme
Veränderungsbedarf
(r=.17,
p<.001)
schwach
positiv
korrelierte,
mit
während
dem
der
Zusammenhang mit der Subskala Austausch mit r=.11 (p<.001) geringer ausfiel und zwischen
der Subskala Technik und Veränderungsbedarf kein Zusammenhang bestand (r=.08, n.s.). Ein
mittlerer, positiver Zusammenhang bestand zwischen der Gesamtskala Absorptionsfähigkeit 2
und der wahrgenommenen Veränderbarkeit. Mit r=.43 (p<.001) wurde die Veränderbarkeit
umso höher beurteilt, je mehr externes Wissen im Unternehmen aufgenommen und verteilt
wurde. Dabei bestand wiederum der größte Zusammenhang mit der Subskala Systematik
(r=.42, p<.001), wobei hier die Unterschiede zu den beiden anderen Subskalen geringer
ausfielen (AF2B_Austausch: r=.39; AF2C_Technik: r=.33, jeweils p<.001). Diese Befunde
unterstützten die Annahmen der Hypothese 2.4.
Dagegen wurde die Hypothese 2.5 durch die gefundenen Korrelationskoeffizienten
nicht unterstützt. Entgegen der Annahme korrelierte die zweite Dimension der
Absorptionsfähigkeit weniger stark mit dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf als die
erste Dimension der Absorptionsfähigkeit (AF1: r=.20 zu AF2_Gesamt: r=.13, jeweils p<.001).
Bezogen auf die wahrgenommene Veränderbarkeit der Situation zeigte sich entsprechend der
Hypothese 2.6 mit r=.43 (p<.001) ein etwas stärkerer Zusammenhang zwischen der zweiten
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit
und
der
Veränderbarkeit
im
Vergleich
zum
Zusammenhang der ersten Dimension mit der Veränderbarkeit (r=.39, p<.001), wobei der
Unterschied zwischen den Korrelationskoeffizienten sehr klein ausfiel.
Die Korrelationen der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit mit dem
Veränderungsbedarf und der Veränderbarkeit deckten sich nur zum Teil mit den Annahmen
der Hypothesen 2.7 und 2.8. So korrelierte die Skala zur Erfassung der inkrementellen
4 Empirische Überprüfung
141
Umsetzung des neuen Wissens in interne Prozesse und Routinen entgegen der Annahme leicht
positiv und statistisch signifikant mit dem Veränderungsbedarf (r=.15, p<.001), der
modellkonforme negative Zusammenhang mit Prozessinnovationen wurde nicht signifikant
(r=-.04). Die Hypothese 2.8 wurde durch die signifikanten, positiven Korrelationen der dritten
Dimension der Absorptionsfähigkeit mit der Veränderbarkeit der Situation empirisch gestützt
(vgl. Tabelle 4-29).
Die Korrelationsmatrix in Tabelle 4-29 zeigt zusammengefasst, dass zwischen den
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit und dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf sowie
der wahrgenommenen Veränderbarkeit der Situation lineare Zusammenhänge bestanden. Um
die Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft der Führungskraft
empirisch zu spezifizieren, wurde die Vorhersagbarkeit des Veränderungsbedarfes und der
Veränderbarkeit der Situation aus den drei Dimension der Absorptionsfähigkeit mithilfe von
multiplen linearen Regressionen überprüft. Nachfolgend werden zunächst die Analysen
bezüglich des erkannten Veränderungsbedarfes und anschließend die bezogen auf die
wahrgenommene Veränderbarkeit dargestellt.
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes durch die Absorptionsfähigkeit
Nach Überprüfung der Zusammenhänge zwischen den drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit
und
dem
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf
sowie
der
wahrgenommenen Veränderbarkeit wurde im nächsten Schritt die Vorhersagbarkeit des
Veränderungsbedarfes aus den Absorptionsfähigkeitsdimensionen empirisch getestet.
Abbildung 4-14 zeigt die Verortung dieser Analyse im Wirkungsmodell.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-14. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
142
4 Empirische Überprüfung
Zur Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes aus den drei
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit wurde eine schrittweise multiple Regression berechnet.
Wie Tabelle 4-29 zeigt, korrelierten die erste und zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
signifikant positiv mit dem Veränderungsbedarf und konnten daher als Prädiktoren
aufgenommen werden. Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit wurde, wie bereits
erläutert, mit einer Skala zur Umsetzung neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und
Prozessveränderungen des Unternehmens sowie einem Item zu Prozessinnovationen des
Unternehmens erfasst. Dabei korrelierte die Skala AF3-Verwerten_KVP signifikant positiv mit
dem Kriterium Veränderungsbedarf, weshalb auch sie als Prädiktor aufgenommen wurde. Das
Vorhandensein von Prozessinnovationen stand dagegen in keinem Zusammenhang mit dem
wahrgenommenen Veränderungsbedarf, korrelierte jedoch signifikant positiv mit den drei
Skalen zur Messung der Absorptionsfähigkeit und wurde daher als Kontrollvariable in das
Regressionsmodell aufgenommen. In dieser Regression waren die Residuen zwar nicht normal
verteilt (vgl. Abbildung 4-15a), aber die Stichprobengröße mit N=518 ausreichend groß, so dass
die Befunde des F-Tests zur Modellüberprüfung nicht verzerrt wurden. Wiederum lag
Heteroskedastizität vor (vgl. Abbildung 4-15b), was die Schätzung der p-Werte der ß-Gewichte
beeinträchtigte. Mit einem maximalen Konditionsindex von 14.013 (Toleranz>.37, VIF<1.26) im
Modell vier war die Kollinearität gering und beeinflusste die Schätzung der ß-Gewichte nicht.
a)
Abbildung 4-15.
b)
a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
Die vier Prädiktoren wurden entsprechend ihrer theoretischen Phasenabfolge in das
Regressionsmodel aufgenommen. Demnach beinhaltete das Modell eins nur die erste
Dimension der Absorptionsfähigkeit und das Modell vier alle drei Dimensionen inklusive dem
Vorhandensein
von
Regressionsschritt dar.
Prozessinnovationen.
Tabelle
4-30
stellt
die
Modellwerte
je
4 Empirische Überprüfung
143
Tabelle 4-30. Schrittweise Regression zur Vorhersage des wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes aus den drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit – Modellkennwerte
der vier Regressionsschritte (N=518)
Prädiktoren
1. Regressionsschritt
R
R2
R2korr
F
ΔR2
ΔF
df1 / df2
sign. ΔF
.165
.027
.025
14.392***
.167
.028
.024
7.354**
.001
.335
1 / 515
.563
.175
.031
.025
5.410**
.003
1.508
1 / 514
.220
.210
.044
.037
5.910***
.013
7.215
1 / 513
.007
AF1-Erkennen
2. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
3. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
AF3-Verwerten_KVP
4. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
AF3-Verwerten_KVP
AF3-Prozessinnovationen
Anmerkungen. AF1-Erkennen = erste Dimension der Absorptionsfähigkeit; AF2-Aufnehmen = zweite Dimension der
Absorptionsfähigkeit; AF3-Verwerten_KVP = interne Umsetzung des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und
Prozessveränderungen; AF3-Prozessinnovationen = Vorhandensein von Prozessinnovationen des Unternehmens.
R = multipler Korrelationskoeffizient; R2 = Anteil erklärter Varianz; R2korr = korrigiertes R2; ΔR2 = Anstieg in R2; ΔF =
Anstieg in F; sign. ΔF = statistisch bedeutsamer Anstieg von F; **p=.001; ***p<.001
Wie aus Tabelle 4-30 ersichtlich, führte nur die Aufnahme der Variable
Prozessinnovationen im vierten Regressionsschritt zu einer signifikanten Erhöhung des
F-Wertes und zu einer Verbesserung der Modellgüte um ΔR2=.013 im Vergleich zum ersten
Modell. Damit zeigte sich, dass Prozessinnovationen trotz ihres fehlenden Zusammenhangs mit
dem Kriterium Veränderungsbedarf im Regressionsmodell zusätzliche Varianz erklären
konnten und damit auch irrelevante Varianz zwischen den Prädiktoren kontrolliert wurde.
Darüber hinaus leistete die Variable im vierten Regressionsschritt einen signifikanten Beitrag
zur
Vorhersage
des
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes
(vgl.
Tabelle
4-31).
Entsprechend den Erwartungen in Hypothese 2.7 reduzierte sich der wahrgenommene
Veränderungsbedarf mit zunehmender Präsenz von Prozessinnovationen (ß=-.13, p=.007).
Dabei erhöhte sich die Korrelation zwischen Kriterium und diesem Prädiktor von r=-.04 auf
ry(x,z) =-.12, wenn sie um die gemeinsame Varianz mit den jeweils verbleibenden Prädiktoren
bereinigt wurde. Trotz der zunächst fehlenden Korrelation mit dem Kriterium, handelte es
sich bei AF3_Prozessinnovationen nicht um eine Suppressorvariable (Überprüfung nach Bortz,
1999, S. 446). Als weiterer Prädiktor wurde in allen vier Modellen nur die erste Dimension der
144
4 Empirische Überprüfung
Absorptionsfähigkeit signifikant, ihre Wirkung war dabei hypothesenkonform positiv, im
vierten Regressionsschritt betrug ihr Regressionsgewicht ß=.19 (p=.01) und unterschied sich
damit kaum von den Gewichten in den drei anderen Regressionsschritten (ß=.17 bis ß=.19).
Der Zusammenhang zwischen Absorptionsfähigkeit 1 und Veränderungsbedarf reduzierte sich
durch die Semipartionalisierung von r=.17 auf ry(x,z)=.11, womit dieser Prädiktor ähnlich wie
Prozessinnovationen etwas mehr als 1% gemeinsame Varianz mit dem Kriterium aufwies.
Dieser Ergebnisse führten zur Annahmen der Hypothese 2.1.
Die Prädiktorvariablen AF2-Aufnehmen und AF3-Verwerten_KVP hatten keine
Vorhersagekraft im Regressionsmodell. Dabei stellten sie trotz ihrer geringen, nicht
signifikanten ß-Gewichte keine redundanten Variablen für die Regression dar, weil der multiple
Korrelationskoeffizient
R
je
Modell
höher
als
die
einzelnen
Korrelationen
der
Prädiktorvariablen mit dem Kriterium ausfiel (vgl. auch Tabelle 4-30 und Tabelle 4-31 zum
vierten Modell). Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit trat als Suppressorvariable
auf, die den Vorhersagebeitrag der anderen Variablen erhöhte, indem sie irrelevante
Varianzen in den anderen Prädiktoren unterdrückte. Nach Bortz (1999, S. 446) lag dabei eine
negative Suppression vor, da der Regressionskoeffizient bAF2 negativ ausfiel, obwohl die
Korrelationen der Prädiktoren mit dem Kriterium jeweils positive Vorzeichen hatten. Damit
trug die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit zwar nicht zur Vorhersage der
Kriteriumsvariable Veränderungsbedarf bei, leistete aber einen Beitrag zur gesamten
Varianzaufklärung des Modells, indem sie die Vorhersagekraft der anderen Prädiktoren
steigerte. Für die Variable AF3-Verwerten_KVP konnte kein Suppressionseffekt nachgewiesen
werden, stattdessen leistete sie einen eigenständigen Beitrag zur Vorhersage des
Veränderungsbedarfes, auch wenn dieser nicht signifikant wurde (ß=.09, p=.134). Die Befunde
zum vierten Regressionsmodell fasst Tabelle 4-31 noch einmal zusammen.
Tabelle 4-31. Zusammenfassung der Ergebnisse des vierten Regressionsschrittes zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes aus allen drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit (N=518)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
AF1-Erkennen
.25
.10
.19
.010
.17
.11
AF2-Aufnehmen
-.04
.09
-.03
.629
.11
-.02
AF3-Verwerten_KVP
.10
.07
.09
.134
.14
.07
AF3-Prozessinnovationen
-.10
.04
-.13
.007
-.035
-.12
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
4 Empirische Überprüfung
145
Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit durch die Absorptionsfähigkeit
Im nächsten Analyseschritt wurde empirisch geprüft, wie gut sich die
wahrgenommene Veränderbarkeit durch die drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
vorhersagen ließ. In Abbildung 4-16 wird dieser Schritt im Wirkungsmodell graphisch
verdeutlich.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-16. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
Um die Vorhersagbarkeit der wahrgenommenen Veränderbarkeit zu analysieren,
wurde
eine
weitere
hierarchische
Regression
mit
allen
drei
Dimensionen
der
Absorptionsfähigkeit gerechnet, da das Kriterium mit allen Variablen der Absorptionsfähigkeit
signifikant korrelierte. Wie in Abbildung 4-17a erkennbar, waren die Residuen nicht
normalverteilt, was aufgrund der großen Stichprobe (N=519) keine Beeinträchtigung des FTestes zur Modellüberprüfung darstellte. Die Fehler verteilten sich weiterhin nicht gleich über
alle
Bereichen
der
beobachteten
Variable
(vgl.
Abbildung
4-17b),
weshalb
die
Homoskedastizität nicht gegeben und die p-Werte für die ß-Gewichte ungenau geschätzt
wurden. Die Kollinearität als Maß des Zusammenhangs zwischen den Prädiktoren war mit
einem Konditionsindex von 13.98 (Toleranz>.80, VIF<1.25) gering, wodurch die Schätzung der
ß-Gewichte nicht beeinflusst wurde.
146
4 Empirische Überprüfung
a)
b)
Abbildung 4-17.
a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
Entsprechend der theoretischen Grundlagen wurden nacheinander die erste, die
zweite und die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit in das Modell aufgenommen, wobei
letztere
in
die
Umsetzung
neuen
Wissens
in
inkrementelle
Struktur-
und
Prozessveränderungen sowie das Vorhandensein von Prozessinnovationen aufgeilt war. Die
Modellwerte der einzelnen Regressionsschritte werden nachfolgend in Tabelle 4-32
dargestellt.
4 Empirische Überprüfung
147
Tabelle 4-32. Schrittweise Regression zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit
aus den drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit - Modellkennwerte der vier
Regressionsschritte (N=519)
R
R2
R2korr
F
.402
.161
.160
99.475***
.452
.204
.201
.472
.223
.479
.230
Prädiktoren
1. Regressionsschritt
ΔR2
ΔF
df1 / df2
sign. ΔF
66.219***
.043
27.806
1 / 516
<.001
.219
175.307***
.019
12.603
1 / 515
<.001
.224
123.175***
.006
4.191
1 / 514
.041
AF1-Erkennen
2. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
3. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
AF3-Verwerten_intern
4. Regressionsschritt
AF1-Erkennen
AF2-Aufnehmen
AF3-Verwerten_KVP
AF3_Prozessinnovationen
Anmerkungen. AF1-Erkennen = erste Dimension der Absorptionsfähigkeit; AF2-Aufnehmen = zweite Dimension der
Absorptionsfähigkeit; AF3-Verwerten_KVP = interne Umsetzung des neuen Wissens und inkrementelle Strukturund
Prozessveränderungen;
AF3_Prozessinnovationen
=
Vorhandensein
von
Prozessinnovationen
des
Unternehmens.
R2 = Anteil erklärter Varianz; R2korr = korrigiertes R2; ΔR2 = Anstieg in R2; ΔF = Anstieg in F; sign. ΔF = statistisch
bedeutsamer Anstieg von F; **p=.001; ***p<.001
Die hierarchische Regression zeigte, dass der Einschluss aller vier Variablen eine
geringe Verbesserung der Varianzaufklärung (ΔR2=.006) im Vergleich zum Einschluss der drei
Variablen AF1-Erkennen, AF2-Aufnehmen und AF3-Verwerten_KVP brachte. Weiterhin wurde
die Veränderung des F-Wertes im Modell vier nur auf dem 5%-Alpha-Fehler-Niveau signifikant,
im Unterschied zu den Änderungen des F-Wertes bei den Modellen zwei und drei. Da sich bei
zunehmender Anzahl von Prädiktoren die Signifikanzgrenze für die multiple Regression nach
oben verschiebt, empfiehlt es sich Prädiktoren ohne wesentlichen Anteil an der
Varianzerklärung nicht in das Modell aufzunehmen. Aus diesen Gründen wurde das vierte
Modell abgelehnt und die Ergebnisse des dritten Regressionsschrittes näher betrachtet. In
diesem
Regressionsmodell
sagten
die
zweite
und
die
dritte
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit die Veränderbarkeit signifikant voraus (ßAF2=.26, p<.001 und ßAF3KVP=.19,
p<.001). Im Gegensatz zum zweiten Modell reduzierte sich die Vorhersagekraft der
Absorptionsfähigkeit 1 von ß2=.16 (p=.009) auf ß3=.08 (p=.195). Die Redundanzanalysen nach
Bortz (1999, S. 443) zeigten, dass es sich bei AF1-Erkennen um eine redundante Variable
148
4 Empirische Überprüfung
handelte, die trotz hoher Korrelation mit dem Kriterium keine zusätzliche Information zu
dessen Vorhersage lieferte. Aufgrund dieser Redundanz der ersten Dimension der
Absorptionsfähigkeit sowie der Variable Prozessinnovationen wurde eine neue hierarchische
Regression mit den Variablen AF2-Aufnehmen und AF3-Verwerten_KVP berechnet, wobei die
dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit theoriebasiert im zweiten Regressionsschritt
aufgenommen wurde.
In diesem Regressionsmodell waren die Residuen nahezu normalverteilt und
aufgrund der Stichprobengröße von N=665 keine Beeinträchtigung des F-Testes zu erwarten.
Allerdings waren die Fehler wiederum nicht gleich über alle Bereichen der beobachteten
Variable verteilt (vgl. Abbildung D-1 im Anhang D), weshalb die Homoskedastizität nicht
gegeben und die p-Werte für die ß-Gewichte ungenau geschätzt wurden. Die Kollinearität war
mit einem Konditionsindex von 8.51 (Toleranz>.58, VIF<1.7) gering, wodurch die Schätzung der
ß-Gewichte nicht beeinflusst wurde.
Wie Tabelle 4-33 zeigt, konnte die Varianzaufklärung, die durch die zweite Dimension
der Absorptionsfähigkeit erreicht wurde, durch die Aufnahme der dritten Dimension signifikant
vergrößert werden, womit das endgültige Regressionsmodell 21% der Varianz in der Variable
Veränderbarkeit aufklären konnte und damit eine moderate bis hohe Effektstärke aufwies.
Tabelle 4-33. Schrittweise Regression zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus der zweiten und
dritten Dimensionen der Absorptionsfähigkeit - Modellkennwerte der zwei Regressionsschritte
(N=664)
Prädiktoren
1. Regressionsschritt
R
R2
R2korr
F
.426
.181
.180
146.960***
.457
.209
.206
87.292***
ΔR2
ΔF
df1 / df2
sign. ΔF
.027
22.793
1 / 662
<.001
AF2-Aufnehmen
2. Regressionsschritt
AF2-Aufnehmen
AF3-Verwerten_KVP
Anmerkungen. AF2-Aufnehmen = zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit; AF3-Verwerten_KVP = interne
Umsetzung des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und Prozessveränderungen; R = multipler
Korrelationskoeffizient; R2 = Anteil erklärter Varianz; R2korr = korrigiertes R2; ΔR2 = Anstieg in R2; ΔF = Anstieg in F;
sign. ΔF = statistisch bedeutsamer Anstieg von F; ***p<.001
Die wahrgenommene Veränderbarkeit ließ sich durch die zweite Dimension der
Absorptionsfähigkeit mit einem Regressionskoeffizienten von ß=.29 (p<.001) sowie durch die
dritte Dimension - der inkrementellen Umsetzung neuen Wissens in interne Strukturen und
Prozesse - mit ß=.22 (p<.001) vorhersagen (vgl. Tabelle 4-34). Damit wurden beide Prädiktoren
signifikant, allerdings reduzierte sich ihre Korrelation mit dem Kriterium, wenn diese um die
gemeinsame Varianz mit dem jeweils anderen Prädiktor bereinigt wurde. Insgesamt war die
4 Empirische Überprüfung
149
Vorhersagekraft der Absorptionsfähigkeit 2-Aufnehmen neuen Wissens höher als die der
Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP. Die Befunde dieser Regressionsanalysen bestätigten
damit die Hypothesen 2.4
und 2.6 zur Wirkung der
zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit sowie die Hypothese 2.8 bezüglich der inkrementellen Umsetzung des
neuen Wissens.
Tabelle 4-34. Zusammenfassung der Ergebnisse des zweiten Regressionsschrittes zur
Vorhersage der Veränderbarkeit aus der zweiten und dritten Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit (N=664)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
AF2 - Aufnehmen
.33
.052
.29
<.001
.43
.22
AF3 - Verwerten_KVP
.21
.044
.22
<.001
.40
.17
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
Bezogen auf die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit wurde ergänzend der
Stellenwert der drei Subskalen Systematik, Austausch und Technik für die Vorhersage der
Veränderbarkeit explorativ mit einer multiplen linearen Regression analysiert. Dabei waren die
Fehlerterme
nahezu
normalverteilt
(vgl.
Abbildung
D-2
in
Anhang
D),
wobei
Heteroskedastizität vorlag und die p-Werte für die ß-Gewichte ungenau geschätzt wurden. Die
Kollinearität war mit einem Konditionsindex von 10.36 (Toleranz>.41, VIF<2.4) gering und die
Schätzung der ß-Gewichte damit nicht verzerrt. Die Varianzaufklärung des Regressionsmodells
betrug R2=.194 (R2korr=.19) und wurde mit F(3.658)=52.841 (p<.001) signifikant. Die
Modellergebnisse werden in Tabelle 4-35 zusammengefasst. Die Subskala zur Erfassung der
technischen Unterstützung des Wissenstransfers im Unternehmen hatte keinen Einfluss auf
die Veränderbarkeit, ihr Zusammenhang mit dem Kriterium ging nach der Bereinigung um die
Varianz mit den anderen Prädiktoren auf nahe Null zurück. Auch die Zusammenhänge der
beiden anderen Prädiktoren mit dem Kriterium reduzierten sich nach der Bereinigung. Mit
einem Regressionskoeffizienten von ß=.28 (p<.001) trug die systematische Auswertung von
Wissen und Informationen signifikant zur Vorhersage der wahrgenommenen Veränderbarkeit
bei. Der Austausch von Wissen und Erfahrungen im Unternehmen sagte das Kriterium
ebenfalls signifikant mit ß=.17 (p=.001) vorher.
150
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-35. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur
Vorhersage
der
Veränderbarkeit
aus
den
Subskalen
der
zweiten
Absorptionsfähigkeitsdimension (N=662)
Prädiktoren
b
SEb
ß
p
r
ry(x,z)
AF2A_Systematik
.30
.06
.28
<.001
.42
.18
AF2B_Austausch
.18
.05
.17
.001
.39
.12
AF2C_Technik
.04
.05
.04
.441
.32
.03
Anmerkungen. b = unstandardisiertes Regressionsgewicht; SEb = Standardfehler von b; ß = standardisierter
Regressionskoeffizient; p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; r = ProduktMomentkorrelation mit Kriterium; ry(x,z) = Semipartialkorrelation
In den Regressionsanalysen fand sich keine signifikante Vorhersageleistung der
ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit auf die wahrgenommene Veränderbarkeit, trotz
dass eine positive Korrelation zwischen beiden vorhanden war. Nach Hypothese 2.2 wurde ein
positiver Einfluss der Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen auf die Veränderbarkeit nur dann
erwartet, wenn auf der zweiten und die dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit hohe
Ausprägungen erzielt würden. Um diesen bedingten Einfluss zu untersuchen, wurden anhand
der Ausprägungen für jede Absorptionsfähigkeitsskala Extremgruppen gebildet. Zur Gruppe
mit geringer Absorptionsfähigkeit zählten dabei je Skala alle Unternehmen unterhalb des 25.
Perzentils, zur Gruppe mit großer Absorptionsfähigkeit gehörten je Skala alle Unternehmen mit
Werten oberhalb des 75. Perzentils. Wie Tabelle 4-36 zeigt, bestanden deutliche Unterschiede
zwischen den Mittelwerten der jeweiligen Gruppen bezogen auf alle Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit.
4 Empirische Überprüfung
151
Tabelle 4-36. Kennwerte der Extremgruppen je Dimension der Absorptionsfähigkeit
(Gruppenbildung anhand des 25. und 75. Perzentils der Ausprägung der jeweiligen
Absorptionsfähigkeit)
Geringe Absorptionsfähigkeit (<25. Perzentil)
Große Absorptionsfähigkeit (>75. Perzentil)
Dimension
N25
25
SD25
N75
75
SD75
AF1
174
2.80
.89
173
7.21
.81
AF2_Gesamt
167
2.94
.97
168
7.78
.77
AF2A_Systematik
157
2.57
1.03
157
7.95
.75
AF2B_Austausch
166
2.78
.94
164
8.26
.83
AF2C_Technik
164
2.30
1.10
171
8.22
.76
AF3_KVP
165
2.97
1.38
164
8.73
.66
AF3_Prozessinno
110
.27
.45
134
8.61
.82
Anmerkungen. Abkürzungen der Skalen und Items: AF1 = Skala Absorptionsfähigkeit 1 - Erkennen; AF2_Gesamt =
Skala Absorptionsfähigkeit 2 – Gesamt; AF2A_Systematik = Absorptionsfähigkeit 2A – Systematische Aufnahme;
AF2B_Austausch = Skala Absorptionsfähigkeit 2B – Erfahrungsaustausch; AF2C_Technik = Skala Absorptionsfähigkeit
2C – Technische Unterstützung für Wissensaustausch; AF3_KVP = Skala Absorptionsfähigkeit 3 – interne Umsetzung
des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und Prozessveränderungen; AF3_Prozessinno = Item
Absorptionsfähigkeit 3 - Prozessinnovationen
N = Stichprobenumfang;
= Mittelwert, 11-stufige Skala von Wert 0 = geringe Ausprägung bis Wert 10 = sehr hohe
Ausprägung; SD = Standardabweichung;
Ausgehend von diesen Extremgruppen wurde für die Überprüfung der Hypothese 2.2
eine Varianzanalyse zum Testen der postulierten Interaktionseffekte zwischen den drei
Absorptionsfähigkeitsdimensionen
bezüglich
der
wahrgenommenen
Veränderbarkeit
gerechnet. Auch wenn die Variable Veränderbarkeit nicht normalverteilt war, konnte die
Varianzanalyse aufgrund ihrer Robustheit gegenüber dieser Voraussetzungsverletzung genutzt
werden (vgl. Rasch & Guiard, 2004). Entsprechend der Hypothese und Operationalisierung
wurde eine Varianzanalyse mit den vier Faktoren Absorptionsfähigkeit 1, Absorptionsfähigkeit
2_Gesamt, Absorptionsfähigkeit 3_KVP und Absorptionsfähigkeit 3_Prozessinnovationen
berechnet. Dabei wurde erwartet, dass sich die wahrgenommene Veränderbarkeit zwischen
den Gruppen mit geringer und hoher Ausprägung der ersten Absorptionsfähigkeitsdimension
signifikant unterscheiden würde, wenn auch die zweite und dritte Dimension
der
Absorptionsfähigkeit eine hohe Ausprägungen aufwiesen. Läge dagegen eine geringe
Ausprägung
der zweiten und dritten Dimension vor, sollte kein Unterschied in der
Veränderbarkeit in Abhängigkeit von der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit auftreten.
Aufgrund des 2x2x2x2-Designs reichte die Stichprobe jedoch nicht zur Überprüfung dieser
Annahmen aus. So fanden sich z. B. keine Fälle mit der Ausprägung AF1/niedrig-AF2/hochAF3_KVP/niedrig-AF3_Prozessinno/hoch.
152
4 Empirische Überprüfung
Da die Variable Prozessinnovationen den geringsten Stichprobenumfang aufwies,
wurde sie im nächsten Schritt von der Analyse ausgeschlossen und eine dreifaktorielle
Varianzanalyse mit den Faktorstufen AF1, AF2 und AF3_KVP berechnet. In diesem 2x2x2Design fehlten wiederum Fälle für die Ausprägungen AF1/hoch-AF2/niedrig-AF3_KVP/hoch
und AF1/hoch-AF2/hoch-AF3_KVP/niedrig, weshalb die Interaktion der drei Dimensionen nicht
überprüft werden konnte. Aufgrund dieser fehlenden Werte wurde deshalb die Entscheidung
für mehrere Zweifaktorielle Varianzanalysen getroffen, welche jeweils die Interaktion der
ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit mit den beiden anderen Dimensionen
untersuchten. Die Ergebnisse werden in Tabelle 4-37 als Überblick dargestellt.
Tabelle 4-37. Ergebnisse der Zweifaktoriellen Varianzanalysen zur Überprüfung der
Interaktionseffekte der einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit bezogen auf den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf
Interaktion
Ergebnis der ANOVA
Effektstärke ƞ2partial
Fazit
AF1 – AF2
F(1,228)=1.141; p=.287
.005
n.s.; kein Effekt
AF1 – AF3_KVP
F(1,205)=2.430; p=.121
.012
n.s.; kein Effekt
AF1 – AF3_Prozessinnovationen
F(1, 141)=.003; p=.958
<.001
n.s.; kein Effekt
Anmerkungen. AF1 = Extremgruppen Absorptionsfähigkeit 1 – Erkennen neuen, externen Wissens; AF2 =
Extremgruppen Absorptionsfähigkeit 2 – Aufnahmen neuen, externen Wissens; AF3_KVP= Extremgruppen interne
Umsetzung des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und Prozessveränderungen; AF3_Prozessinnovationen =
Vorhandensein von Prozessinnovationen im Unternehmen.
p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; ƞ2partial = Anteil der Varianz, die nicht
durch andere Effekte erklärt werden kann; n.s. = kein statistisch signifikanter Unterschied.
Über alle Gruppen hinweg waren die Fehlervarianzen der abhängigen Variable
Veränderbarkeit jeweils gleich, womit keine Verletzung der Varianzhomogenität vorlag. Keine
der Varianzanalysen zeigte eine signifikante Interaktion, auch die Effektgrößen ƞ2partial fielen
äußerst niedrig aus65. Demnach erklärte die Interaktion von AF1-AF2 nur 0.5% der Varianz der
Veränderbarkeit, die nicht durch andere Effekte verursacht wurde, die Interaktion von AF1AF3_KVP erklärte 1.2% der Varianz und die Interaktion AF1-AF3_Prozessinnovation hatte
keinerlei Erklärungskraft (vgl. Tabelle 4-37). Aufgrund dieser Ergebnisse musste die Hypothese
2.2 abgelehnt werden.
65
Berechnung der Effektgröße ƞ2partial siehe Bühner & Ziegler (2009, S. 367) sowie Sedlmeier und
Renkewitz (2008, S. 479) als Maßzahl für die praktische Bedeutsamkeit der vorhandenen Unterschiede
zwischen den Gruppen, Angaben im Text oben laut SPSS-Berechnung.
4 Empirische Überprüfung
153
Unterschiede im wahrgenommenen Veränderungsbedarf und in der wahrgenommenen
Veränderbarkeit in Abhängigkeit von der Absorptionsfähigkeit
Um die praktische Bedeutung der Absorptionsfähigkeit für den wahrgenommenen
Veränderungsbedarf und die wahrgenomme Veränderbarkeit der Unternehmenssituation
beurteilen zu können, wurden ergänzend zu den bisherigen Berechnungen die Extremgruppen
der einzelnen Dimensionen hinsichtlich der beiden Komponenten der Innovationsbereitschaft
miteinander verglichen. Zur Einordnung der Analyse siehe Abbildung 4-18.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-18. Darstellung des aktuellen Analyseschrittes im Wirkungsmodell
Für den Vergleich der Absorptionsfähigkeitsextremgruppen in Bezug auf den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und der wahrgenommenen Veränderbarkeit wurden
jeweils
t-Tests
für
zwei
unabhängige
Stichproben
sowie
die
Effektstärken
der
Mittelwertsunterschiede berechnet. Diese Unterschiede wurden einseitig getestet und die
Irrtumswahrscheinlichkeit aufgrund der großen Stichprobe auf 1% festgelegt66. Die Tabelle
4-38 und die Tabelle 4-39 stellen die Ergebnisse im Überblick dar. Die Befunde differenzierten
die Ergebnisse der Korrelationsanalyse aus Tabelle 4-29 dahingehend, dass sie zeigten, wie
stark die Unterschiede im wahrgenommen Veränderungsbedarf und in der wahrgenommenen
Veränderbarkeit in Abhängigkeit von geringer und großer Absorptionsfähigkeit ausfielen.
66
Zum Zusammenhang von Stichprobengröße, Teststärke und Irrtumswahrscheinlichkeit siehe
Sedlmeier (1996). So werden auch geringe Mittelwertsunterschiede mit zunehmendem
Stichprobenumfang signifikant. Aus diesem Grund wurde das Alpha-Fehler-Niveau für die t-Tests auf 1%
festgelegt und ergänzend zum Signifikanztest die Effektgrößen als Maß für die Unterschiedlichkeit der
beiden Untersuchungsgruppen berechnet.
154
4 Empirische Überprüfung
Ergänzend zu den bisher referierten Analyseergebnissen zeigte sich bezogen auf den
Veränderungsbedarf, dass ein Unterschied zwischen der Gruppe mit geringer Ausprägung der
zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit und der Gruppe mit hoher Absorptionsfähigkeit
bestand. Entsprechend der Hypothese 2.3 fiel der Veränderungsbedarf in der Gruppe mit
hoher Absorptionsfähigkeit größer als in der Gruppe mit niedriger Absorptionsfähigkeit
(11-stufige Skala von Wert 0 = geringer Veränderungsbedarf bis Wert 10 = sehr großer
Veränderungsbedarf;
AF-hoch=6.02,
SDAF-hoch=2.43,
AF-niedrig=5.32,
SDAF-niedrig=2.51). Dieser
Unterschied wurde auf dem 1%- Alpha-Fehler-Niveau signifikant, mit einer Effektstärke von
d=.28 war die praktische Bedeutsamkeit dieses Unterschiedes jedoch gering67 und kleiner als
der
Mittelwertsunterschied
Absorptionsfähigkeit 1 (
zwischen
AF-hoch=6.28,
niedriger
SDAF-hoch=2.28,
und
hoher
AF-niedrig=5.13,
Ausprägung
der
SDAF-niedrig=2.55; d=.48).
Bezogen auf die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit ergab der Extremgruppenvergleich
für die interne Verwertung des neuen Wissens in Form von inkrementellen Prozess- und
Strukturveränderungen (AF3_KVP), dass ein signifikanter Unterschied im wahrgenommenen
Veränderungsbedarf
zwischen
der
Gruppe
mit
niedriger
und
der
mit
hoher
Absorptionsfähigkeit bestand (d=.56, mittlerer Effekt). Entgegen der Annahme 2.7 war der
Mittelwert in der Gruppe mit hoher Absorptionsfähigkeit (
als der in der Gruppe mit niedriger Ausprägung (
AF-hoch=6.47,
AF-niedrig=5.12,
SDAF-hoch=2.34) größer
SDAF-niedrig=2.46). Kein
Unterschied fand sich jedoch zwischen der Gruppe mit geringem Stellenwert von
Prozessinnovationen und der Gruppe mit hohem Stellenwert der Prozessinnovationen
(AF3_Prozessinnovationen), womit sich dieser Aspekt der dritten Dimension der
Absorptionsfähigkeit nicht im Veränderungsbedarf niederschlug.
67
Berechnung der Effektgrößen für Mittelwertsunterschiede nach Cohen (1988): 𝑑 =
𝑠12+𝑠22
𝑠=√
2
𝑀𝑊2−𝑀𝑊1
𝑠
wobei
. Dabei hat sich als Konvention in der psychologischen Forschung folgende Interpretation
etabliert: d=.2 kleiner Effekt, d=.5 mittlerer Effekt, d=.8 großer Effekt.
4 Empirische Überprüfung
155
Tabelle 4-38. Überprüfung der Unterschiede im wahrgenommenen Veränderungsbedarf
zwischen Unternehmen mit geringer und mit großer Absorptionsfähigkeit
Ergebnis des t-Tests
Effektstärke d
Fazit
Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen
t(342)=-4.385; p<.001
.48
sign.; mittlerer Effekt
Absorptionsfähigkeit 2-Aufnehmen
t(333)=-2.617; p=.009
.28
sign.; kleiner Effekt
AF2A_Systematik
t(311)=-3.843; p<.001
.43
sign.; kleiner Effekt
AF2B_Austausch
t(327)=-2.573; p=.011
.29
n.s.; kleiner Effekt
AF2C_Technik
t(331)=-1.218; p=.224
.13
n.s.; kein Effekt
Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP
t(325)=-5.080; p<.001
.56
sign.; mittlerer Effekt
Absorptionsfähigkeit 3_Prozessinnovationen
t(240)=.536; p=.593
.07
n.s.; kein Effekt
Anmerkungen. p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; d = Effektstärke Cohens d
als Maß für praktisch bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Gruppen; sign. = statistisch signifikanter
Unterschied; n.s. = kein statistisch signifikanter Unterschied; Interpretation der Effektstärke nach Cohen (1988):
d=.2 kleiner Effekt, d=.5 mittlerer Effekt, d=.8 großer Effekt
Bezogen auf die wahrgenommene Veränderbarkeit fanden sich bei allen
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit große Unterschiede zwischen den Extremgruppen,
wobei sich beim Stellenwert der Prozessinnovationen nur ein mittlerer Effekt zeigte (vgl.
Tabelle 4-39). Dieser Ergebnisse entsprachen insgesamt den Hypothesen 2.4, 2.6 und 2.8.
Tabelle 4-39. Überprüfung der Unterschiede in der wahrgenommenen Veränderbarkeit
zwischen Unternehmen mit geringer und mit großer Absorptionsfähigkeit
Ergebnis des t-Tests
Effektstärke d
Fazit
Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen
t(343)=-9.146; p<.001
.98
sign.; großer Effekt
Absorptionsfähigkeit 2-Aufnehmen
t(331)=-10.648; p<.001
1.17
sign.; großer Effekt
AF2A_Systematik
t(310)=-10.526; p<.001
1.19
sign.; großer Effekt
AF2B_Austausch
t(326)=-8.775; p<.001
.97
sign.; großer Effekt
AF2C_Technik
t(333)=-8.118; p<.001
.89
sign.; großer Effekt
Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten_KVP
t(325)=-9.531; p<.001
1.06
sign.; großer Effekt
Absorptionsfähigkeit 3_Prozessinnovationen
t(241)=-5.762; p<.001
.73
sign.; mittlerer Effekt
Anmerkungen. p = Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Gültigkeit der Nullhypothese; d = Effektstärke Cohens d
als Maß für den praktisch bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Gruppen; sign. = statistisch signifikanter
Unterschied; n.s. = kein statistisch signifikanter Unterschied; Interpretation der Effektstärke nach Cohen (1988):
d=.2 kleiner Effekt, d=.5 mittlerer Effekt, d=.8 großer Effekt
156
4 Empirische Überprüfung
Um die letzte Hypothese zum Unterschied zwischen dem wahrgenommenen
Veränderungsbedarf und der wahrgenommenen Veränderbarkeit bei hoher Ausprägung aller
drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit zu überprüfen, wurden die Extremgruppen der
Absorptionsfähigkeit_gesamt anhand des 25. und des 75. Perzentils bestimmt. Danach wurden
die Mittelwerte des Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit dieser Extremgruppen
verglichen, Abbildung 4-19 stellt das Ergebnis grafisch dar.
10
9
8
Mittelwert:
wahrgenommener
Veränderungs-bedarf
7
6
5
Mittelwert:
wahrgenommene
Veränderbarkeit
4
3
2
1
0
geringe AF_gesamt
sehr hohe AF_gesamt
Abbildung 4-19. Ausprägung des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der
wahrgenommenen Veränderbarkeit in Abhängigkeit von der Ausprägung der organisationalen
Absorptionsfähigkeit (AF_gesamt ist die Summe der drei Absorptionsfähigkeitsdimensionen;
geringe AF_gesamt bezeichnet die Unternehmen unterhalb des 25. Perzentils, sehr hohe
AF_gesamt bezeichnet die Unternehmen oberhalb des 75. Perzentils der GesamtAbsorptionsfähigkeit)
Wie auch in den einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit unterschieden sich
die Mittelwerte des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen
Veränderbarkeit zwischen der Gruppe mit niedriger und der Gruppe mit hoher
Absorptionsfähigkeit (vgl. auch Tabelle 4-40). Eine einfaktorielle Varianzanalyse bestätigte die
statistische Signifikanz dieser Unterschiede (FVb(1,328)=9.99, p=.002;
FVbk(1,328)=137.89,
p<.001). Während die Absorptionsfähigkeit nur 3% der Varianz im wahrgenommenen
Veränderungsbedarf erklären konnte (ƞ2partial=.03), trug sie mit 30% aufgeklärter Varianz sehr
stark zu den Unterschieden in der wahrgenommenen Veränderbarkeit bei (ƞ2partial=.30).
4 Empirische Überprüfung
157
Tabelle 4-40. Vergleich des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes mit der
wahrgenommenen Veränderbarkeit in den Gruppen mit niedriger und sehr hoher
Absorptionsfähigkeit - Mittelwerte ( ), Standardabweichungen (SD), Differenz der Mittelwerte
und Effektstärken der Mittelwertsunterschiede (d)
wahrg. Veränderungsbedarf
wahrg. Veränderbarkeit
Differenz
Effektstärke
Vb
SDVb
Vbk
SDVbk
Vbk- Vb
Cohens d
geringe AF_gesamt
5.21
2.46
5.94
2.34
.73
.3
hohe AF_gesamt
6.07
2.43
8.54
1.59
2.47
1.2
Insgesamt
wurde
die
Veränderbarkeit
höher
eingeschätzt
als
der
Veränderungsbedarf, wobei die Unterschiede zwischen beiden Mittelwerten entsprechend der
Hypothese 2.9 bei der hohen Ausprägung der Absorptionsfähigkeit größer waren als bei der
niedrigen Ausprägung der Absorptionsfähigkeit. In der Stichprobe mit geringer Absorptionsfähigkeit betrug als Maß der praktischen Bedeutsamkeit der Mittelwertsunterschiede Cohens
d=.3, was einem keinen Effekt entsprach. Dagegen war der Unterschied zwischen
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und wahrgenommener Veränderbarkeit in der
Gruppe mit hoher Absorptionsfähigkeit deutlich höher und mit Cohens d=1.2 von großer
praktischer Bedeutung.
Zusammenfassung der Hypothesentests zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit
Die Ergebnisse der bisherigen Analysen zur Überprüfung der Hypothesen werden in
Tabelle 4-41 als Übersicht noch einmal zusammengefasst. Ihre Diskussion erfolgt im Abschnitt
4.3.3.
Tabelle 4-41. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Überprüfung der Hypothesen 2.1 bis 2.8
Hypothese
H2.1
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit hat
einen positiven Einfluss auf die Beurteilung des
wahrgenommenen Veränderungsbedarfes der
unternehmensinternen Situation. Je stärker die
erste Dimension ausgeprägt ist, umso höher ist
der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
Ergebnisse
Korrelationsanalyse
Ergebnisse
Regressionsanalyse
Ergebnisse
Extremgruppenvergleiche
im Ansatz
unterstützt
bestätigt
bestätigt:
mittlerer Effekt
158
4 Empirische Überprüfung
Tabelle 4-41. (Fortsetzung)
Hypothese
Ergebnisse
Korrelationsanalyse
Ergebnisse
Regressionsanalyse
Ergebnisse
Extremgruppenvergleiche
H2.2
Wenn die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit sowie die dritte Dimension eine hohe
Ausprägung haben, dann führt auch eine hohe
Ausprägung der ersten Dimension zu einer
höheren wahrgenommenen Veränderbarkeit der
unternehmensinternen Situation.
im Ansatz
unterstützt
-
nicht bestätigt:
generell großer
Effekt der AF1
H2.3
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
hat einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes der
unternehmensinternen Situation. Je stärker die
zweite Dimension ausgeprägt ist, umso höher ist
der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
im Ansatz
unterstützt
nicht bestätigt
bestätigt:
kleiner Effekt
H2.4
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
hat einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation. Je stärker die zweite
Dimension ausgeprägt ist, umso höher wird die
Veränderbarkeit der Situation bewertet.
unterstützt
bestätigt
bestätigt:
großer Effekt
H2.5
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
beeinflusst die Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen Situation
stärker als die erste Dimension.
nicht
unterstützt
nicht bestätigt
nicht bestätigt
H2.6
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
beeinflusst die Wahrnehmung der Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation
stärker als die erste Dimension.
unterstützt,
aber geringe
Differenz
bestätigt
bestätigt
H2.7
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit
hat einen negativen Einfluss auf die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes der
unternehmensinternen Situation. Je stärker die
dritte Dimension ausgeprägt ist, umso geringer
ist der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
nicht
unterstützt
nur für
Prozessinnovationen
bestätigt
nicht bestätigt:
für KVP entgegengesetzter, für
Prozessinnovation
kein Effekt
H2.8
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit hat
einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der
Veränderbarkeit
der
unternehmensinternen
Situation. Je stärker die dritte Dimension ausgeprägt ist, umso höher wird die Veränderbarkeit
bewertet.
unterstützt
nur für
kontinuierlichen
Verbesserungsprozess
bestätigt
bestätigt:
großer bzw.
mittlerer Effekt
4 Empirische Überprüfung
159
Tabelle 4-41. (Fortsetzung)
Hypothese
H2.9
Ergebnisse
Korrelationsanalyse
Wenn alle drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit eine hohe Ausprägung haben und damit
die organisationale Absorptionsfähigkeit sehr groß
ist, wird die Veränderbarkeit höher eingeschätzt
als der Veränderungsbedarf. Bei einer geringen
organisationalen Absorptionsfähigkeit fallen die
Unterschiede
zwischen
wahrgenommener
Veränderbarkeit
und
wahrgenommenem
Veränderungsbedarf geringer aus.
Ergebnisse
Regressionsanalyse
-
Ergebnisse
Extremgruppenvergleiche
-
bestätigt
Nachdem mit den eben beschrieben Verfahren die Überprüfung der Hypothesen
abgeschlossen war, wurde analysiert, inwieweit die Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf den
Veränderungsbedarf und die Veränderbarkeit durch die Determinanten des ersten und
zweiten Bewertungsprozesses mediiert wurde.
Erweiterter Modelltest: Überprüfung der direkten und indirekten Wirkung
Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft
der
In der Ableitung der Hypothesen zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit (vgl.
Unterkapitel
3.2)
wurde
der
Einfluss
der
einzelnen
Dimensionen
auf
die
Innovationsbereitschaft in den beiden ihr zugrundeliegenden Bewertungsprozesse verankert.
Deshalb wurde in einem letzten Analyseschritt geprüft, inwieweit die Prozessindikatoren als
Mediatoren für den Einfluss der Absorptionsfähigkeit auf den wahrgenommenen
Veränderungsbedarf sowie die wahrgenommene Veränderbarkeit fungierten. Ausgehend von
den Ergebnissen der bereits dargestellten Hypothesentests (vgl. Zusammenfassung in Tabelle
4-41) wurden hierfür die erste und zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
herausgegriffen,
weil
diese
signifikant
zur
Vorhersage
des
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit beitrugen. Die dritte
Dimension wurde nicht einbezogen, da die entsprechenden Hypothesen nur zum Teil bestätigt
worden sind. Vor einer weitergehenden empirischen Überprüfung müssen hier zunächst die
gefundenen Unterschiede in der Wirkung inkrementeller Prozess- und Strukturveränderungen
sowie Prozessinnovationen konzeptionell diskutiert werden.
160
4 Empirische Überprüfung
Als Prozessindikatoren der Innovationsbereitschaft wurde die Unzufriedenheit mit
der internen Leistungserstellung von der Analyse ausgeschlossen, weil durch die
Operationalisierung nicht das was gemessen werden sollte erfasst wurde (vgl. dazu auch die
Diskussion
in
Abschnitt
4.3.2.1).
Weiterhin
wurde
nicht
die
aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft aufgrund ihrer fehlenden Vorhersagekraft in
den Regressionsanalysen an dieser Stelle nicht berücksichtig. Abbildung 4-20 fasst die in den
nachfolgend beschriebenen Analysen einbezogenen Variablen noch einmal zusammen.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen
Zweite Dimension:
Aufnehmen
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
Selbstwirksamkeitserwartung
Unzufriedenheit
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Dritte Dimension:
Verwerten
x
Mitarbeiterleistung
Fehlertoleranz
Wahrgenommene
Veränderbarkeit
Innovationsbereitschaft
Abbildung 4-20. Die im erweiterten Modelltest berücksichtigten Variablen und deren
Einbettung im Wirkungsmodell
In
einem
ersten
Strukturgleichungsmodell
wurde
der
wahrgenommene
Veränderungsbedarf fokussiert. Als relevante Variable des ersten Bewertungsprozesses, der
einer Beurteilung des Veränderungsbedarfes zugrundeliegt,
hatte die multiple lineare
Regression in Unterabschnitt 4.2.2.1, Tabelle 4-26 ergeben, dass die durch den
Geschäftsführer wahrgenommenen Herausforderungen für sein Unternehmen den durch ihn
wahrgenommenen Veränderungsbedarf signifikant vorhersagen. Weiterhin hatte die
hierarchische lineare Regression zur Vorhersage des Veränderungsbedarfes den signifikanten
Einfluss der Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen von relevantem, externem Wissens belegt (vgl.
Tabelle 4-31). Aufgrund dieser Ergebnisse wurde nun geprüft, inwieweit die Wirkung der
ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit durch das Erkennen von Herausforderungen für das
Unternehmen mediiert wurde. Die Prüfung erfolgte mit einem in AMOS Graphics erstelltem
Strukturgleichungsmodell, das die empirische Kovarianzmatrix mit der theoretisch implizierten
Matrix verglich, um die postulierten kausalen Abhängigkeiten zwischen den Variablen zu
testen.
4 Empirische Überprüfung
161
Zunächst wurden die inhaltlichen Schwerpunkte der ersten Dimension der
Absorptionsfähigkeit mit einer promax-rotierten Hauptachsen-Faktoren-Analyse bestimmt.
Dies war notwendig, da die zur Skala gehörigen Items verschiedene Aspekte der
Kontaktaufnahme mit unternehmensexternen Wissens abbildeten, die aufgrund ihrer
inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterscheide für das Strukturgleichungsmodel zu exogene
Variablen
zusammengefasst
werden
sollten,
um
daraus
die
endogen
Variable
Absorptionsfähigkeit 1 abzuleiten. Die Faktorenanalyse ergab drei miteinander korrelierende
Faktoren, die gemeinsam 53% der Varianz erklärten. Die Faktoren mit dazugehörigen Items
finden sich in Tabelle 4-42, die Mustermatrix im Anhang D, Tabelle D-168. Je Faktor wurde
wiederum der Mittelwert aus den zugehörigen Items gebildet und diese drei Faktoren als
exogene Variablen in das Strukturgleichungsmodell aufgenommen. Am geringsten waren die
(für KMU) neueren Formen des Wissenszuganges (Faktor AF1_A) ausgeprägt, die traditionellen
Formen sowie der allgemeine Zugang zu Wissen und Informationen kamen in der Stichprobe
dagegen häufig vor.
Tabelle 4-42. Faktoren, die der Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen zugrundeliegen sowie
die dazugehörigen Items
AF1_A
Faktor
Items
Neuere Formen
des
Wissenszuganges
8.4 Intern: Nutzung von Lernprogrammen/neuen Medien
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung der Außenwelt für eigene Innovationsprozesse
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten und Beratern
11.14 Erfahrungsaustausch auf Kongressen und Tagungen
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0 (z. B. in Foren/Chats/Blogs/Newsgroups)
AF1_B
Traditionelle
Formen des
Wissenszuganges
8.1 Extern: Analyse und systematische Auswertung von Kundenreklamationen
8.3 Extern: Kundenbefragung
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu Lieferanten
8.7 Extern: Analyse des Wettbewerberverhaltens
AF1_C
Allgemeine
Formen des
Wissenszuganges
8.12 Extern: Informationssuche im Intranet, Internet oder auf Wissensplattformen
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
In das Strukturgleichungsmodell wurden weiterhin die Variablen Herausforderungen, denen
das Unternehmen gegenübersteht (Skala) und der wahrgenommene Veränderungsbedarf
(Item) aufgenommen.
68
Aufgrund seiner Faktorladungen konnte das Item 8.5 Extern: Kooperation mit Kritikergruppen (User
groups/Pressure group) nicht zugordnet werden.
162
4 Empirische Überprüfung
Die fünf beobachteten Variablen waren nicht normalverteilt, weshalb alle
Modelparameter durch die Asymptotically Distribution-Free (ADF) -Methode geschätzt wurden.
Diese Methode der asymptotisch freien Schätzer ermöglicht als verteilungsfreies Verfahren bei
großen Stichproben mit N>500 und deutlicher Abweichung von der Normalverteilung eine
genauere Schätzung als bspw. die häufig eingesetzte Maximum-Likelihood-Methode (vgl.
Backhaus et al.; 2006, S. 369 f. und Bühner, 2006, S. 250 ff.), sie setzt allerdings voraus, dass
keine Fälle mit fehlenden Werten existieren. Von der Analyse wurden daher fünf Fälle
ausgeschlossen, woraus eine Stichprobengröße von N=663 resultierte. Bei der linearen
Strukturmodellierung wurden alle Ladungen und Residuen (außer je eine Fehlervarianz je
Variable) frei geschätzt.
Zur Beurteilung der Gesamtstruktur des Modells wurde die Validität des Modells mit
dem χ2-Anpassungstest berechnet sowie die komparativen Fit-Indizes Normed Fit Index (NFI),
Comparative Fit-Index (CFI) als Vergleich mit einem Nullmodell (alle Parameter sind in diesem
Modell auf den Wert Null gesetzt) und der absolute Fit-Index Root-Means-Error of
Approximation (RMSEA) als Vergleich mit dem saturierten, d.h. dem die Daten perfekt
beschreibenden Modell, bestimmt. Mit χ2=7.281, df=4 und p=.122 belegte der χ2Anpassungstest die Passung des postulierten Modells zur Datenstruktur69, das Verhältnis von
χ2-Wert zu Freiheitsgraden betrug 1.82 und lag damit unter dem als kritisch betrachteten
Verhältnis von 2.570. Da der χ2-Test sensitiv auf die Stichprobengröße reagiert, wurden
ergänzend die Abweichungen des postulierten Modells vom Nullmodel bzw. dem saturierten
Modell berechnet. Der Normed Fit Index lag mit NFI=.965 über dem kritischen Wert von .9,
ebenso der Comparative Fit-Index mit CFI=.984.Der Index Root-Means-Error of Approximation
fiel mit RMSEA=.035 niedriger als der kritische MAximalwert von .06 bei N>250 aus.
Zusammengefasst sprachen alle Indizes für eine hohe Übereinstimmung des theoretischen
Modells mit den empirischen Daten und somit für eine hohe Modelgüte.
Das Pfaddiagramm mit den Parameterschätzungen stellt Abbildung 4-21 dar. Die
Schätzung der Parameter ergab einen signifikanten Einfluss der Absorptionsfähigkeit 1 auf die
wahrgenommenen
Herausforderungen
(γ=.50,
p<.001)
und
den
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf (γ=.16, p=.005). Ebenso wurde der Einfluss der Herausforderungen auf
den Veränderungsbedarf signifikant (γ=.15, p=.002). Damit wurde der Einfluss der
Absorptionsfähigkeit auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf partiell mediiert.
69
Als H0 wird hier angenommen, dass die empirische Kovarianz-Matrix der modelltheoretischen
Kovarianz-Matrix entspricht. Bei p>.1 wird diese Hypothese in der Forschungspraxis beibehalten und von
einer Übereinstimmung von theoretischen Modell mit der Datenstruktur ausgegangen (vgl. Backhaus et
al., 2006, S. 379).
70
Zu dem noch akzeptablen Verhältnis von χ2/df existieren verschiedene Faustregeln. Nach Backhaus et
al. (2006, S. 379) liegt ein guter Modellfit bei einem Verhältnis von ≤2.5 vor, während andere Autoren
auch Werte bis 5 akzeptabel finden (vgl. Arbuckle, 2008, S. 587).
4 Empirische Überprüfung
163
Zusammengenommen ergab sich aus der Addition von direktem und indirektem Effekt ein
totaler Einfluss von γtotal=.24. Dabei wurde allerdings nur 7% der Varianz der Variable
Veränderungsbedarf erklärt, was sich auch in der hohen Fehlervarianz widerspiegelte. Die
Varianzaufklärung der Variable Herausforderungen war mit R2 =.25 deutlich besser.
Aus dem Messmodell der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit ging hervor,
dass die drei Faktoren des Wissenszuganges AF1_1, AF1_B und AF1_C jeweils relativ hoch mit
der latenten Variable Absorptionsfähigkeit korrelierten. Die Indikatorenreliabilität von AF1_A
und AF2_B waren dabei gut, während die Reliabilität von AF1_C als gering interpretiert werden
musste (vgl. Backhaus et al., 2006, S. 378). Diese konfirmatorische Faktorenanalyse zeigte
damit, dass die ersten beiden Skalen die Absorptionsfähigkeit AF1 gut abbilden konnten,
während ihre Kovarianz mit der dritten Skale weniger auf den gemeinsamen Faktor
zurückzuführen war und diese weniger zur Erfassung der Absorptionsfähigkeit geeignet war.
Abbildung 4-21. Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten und
indirekten Effekten der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit und den wahrgenommenen
Herausforderungen auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf
Anmerkungen zur Abbildung 4-21. AF1 = erste Dimension der Absorptionsfähigkeit gebildet aus den drei Faktoren
AF1_A = neuere Formen des Wissenszuganges, AF1_B = traditionelle Formen des Wissenszuganges und AF1_C =
allgemeine Formen des Wissenszuganges. e = standardisierte Fehlervarianzen: e1=.212, e2=.212, e3=.258, e4=.119,
e5=.302; signifikante Abweichung von Null. Werte rechts über den Vierecken sind jeweilige R2 als Maß der
Varianzaufklärung; Werte neben den Pfeilen sind standardisierte Pfadkoeffizienten γ
164
4 Empirische Überprüfung
Mit einem zweiten Strukturgleichungsmodell wurde die kausale Beeinflussung der
Veränderbarkeit überprüft. Wie die vorangegangenen Regressionsanalysen zeigten, konnte die
Veränderbarkeit durch die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit, insbesondere durch die
Subskalen Systematik der Wissensaufnahme und Erfahrungsaustausch im Unternehmen,
vorhergesagt werden (vgl. Tabelle 4-35). Weiterhin wurden als Indikatoren des
Bewertungsprozesses die Beurteilung der Mitarbeiterleistung und die Fehlertoleranz im
Unternehmen signifikant (vgl. Tabelle 4-28). Entsprechend dieser Ergebnisse wurde mit dem
zweiten Strukturgleichungsmodell überprüft, inwieweit die Wirkung der zweiten Dimension
der Absorptionsfähigkeit durch die Prozessindikatoren Mitarbeiterleistung und Fehlertoleranz
mediiert wurde.
In das Modell wurden die Subskalen AF2_A-Systematische Aufnahmen von Wissen
und Informationen und AF2_B-Erfahrungsaustausch im Unternehmen als exogene Variablen
einbezogen und damit die endogenen Variable AF2-Aufnahme und Transformation externen
Wissens als zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit erfasst. Weiterhin wurden als exogene
Variablen die Skalen Mitarbeiterleistung und
Fehlertoleranz sowie das Item zur wahr-
genommenen Veränderbarkeit in das Modell eingebunden. Aufgrund der fehlenden
Normalverteilung dieser Variablen erfolgte die Schätzung der Parameter wiederum mit der
ADF-Methode an einer Stichprobe von N=650. Der χ2-Anpassungstest sprach für die
Übereinstimmung des theoretischen Modells mit der empirischen Datenstruktur (χ2=3.525,
df=3; p=.318; Verhältnis χ2/df=1.175). Auch die ergänzenden Fit-Indizes belegten die Güte des
Modells. Der Normed Fit Index war mit NFI=.987 größer als der kritischen Wert von .9, ebenso
der Comparative Fit-Index mit CFI=.998. Der Index Root-Means-Error of Approximation fiel mit
RMSEA=.016 niedriger als der kritische Wert von .06 bei N>250 aus.
In Abbildung 4-22 wird das Pfaddiagramm mit den geschätzten Parametern
dargestellt. Nicht signifikant wurde dabei der Einfluss der Mitarbeiterleistung auf die
Veränderbarkeit (γ=.09, p=.065), auf den 1%-Alpha-Fehler-Niveau wurde die Wirkung der
Fehlertoleranz
auf
die Veränderbarkeit
signifikant
(γ=-.10,
p=.006), alle
anderen
Regressionsgewichte waren mit p<.001 statistisch bedeutsam. Damit zeigte sich, dass die
Wirkung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit partiell durch die Fehlertoleranz im
Unternehmen mediiert wurde. Dabei resultierte aus diesem Zusammenspiel ein totaler Effekt
der Absorptionsfähigkeit von γtotal=.4371, womit insgesamt 24% der Varianz der Variable
Veränderbarkeit erklärt werden konnte. Damit führte der Einbezug der Fehlertoleranz zu einer
hypothesenkonformen Erhöhung der Einflussstärke der Absorptionsfähigkeit, wobei das
Vorzeichen des Pfades Fehlertoleranz auf Veränderbarkeit entgegen der Annahmen negativ
war (vgl. dazu auch die Ausführungen zur Regression, Tabelle 4-28). Die mediierende Wirkung
der Fehlertoleranz war jedoch im Vergleich zur direkten Wirkung der Absorptionsfähigkeit
71
γtotal=.41 + (-.19-.10)=.429
4 Empirische Überprüfung
165
gering. Keine Mediation konnte für die Variable Mitarbeiterleistung nachgewiesen werden.
Zwar wirkte die Absorptionsfähigkeit erwartungskonform positiv auf die Wahrnehmung der
Mitarbeiterleistung und erklärte 19% ihrer Varianz, der Einfluss der Mitarbeiterleistung auf die
wahrgenommene Veränderbarkeit wurde dagegen in diesem Modell nicht signifikant72.
Das Messmodell der AF2 bestätigte die Eignung der Skalen AF2_A und AF2_B zur
Erfassung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit. So erklärte die Skala AF2_A zur
Systematik
der
Wissensauswertung
79%
der
Varianz
der
latenten
Variable
Absorptionsfähigkeit 2 und die Skala AF2_B zum Erfahrungsaustausch im Unternehmen 62%
der Varianz von AF2. Mit dieser konfirmatorischen Faktorenanalyse konnte damit die Eignung
der beiden einbezogenen Subskalen bestätigt werden.
Abbildung 4-22. Pfaddiagramm mit Schätzergebnissen für das Modell mit direkten und
indirekten Effekten der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit und der Beurteilung der
Mitarbeiterleistung sowie der Fehlertoleranz im Unternehmen auf die wahrgenommene
Veränderbarkeit
Anmerkungen zur Abbildung 4-22. AF2 = zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit gebildet aus den zwei
Subskalen AF2_A = Systematische Auswertung von Wissen und AF2_B = Erfahrungsaustausch im Unternehmen;
e = standardisierte Fehlervarianzen: e1=.187, e2=.177, e3=.149, e4=.344, e5=.206; signifikante Abweichung von
Null. Werte rechts über den Vierecken sind jeweilige R2 als Maß der Varianzaufklärung; Werte neben den Pfeilen
sind standardisierte Pfadkoeffizienten γ
72
Der Einbezug der dritten Skala AF2C_Technische Unterstützung des Wissensaustausches veränderte
die Parameter minimal. So reduzierte sich das γ-Gewicht für den Einfluss von AF2 auf die
Veränderbarkeit auf γ=.39, wodurch 2 Prozentpunkte weniger Varianz der Veränderbarkeit erklärt
wurden.
166
4 Empirische Überprüfung
Auf die Untersuchung des direkten und indirekten Einflusses der ersten Dimension
der Absorptionsfähigkeit auf die wahrgenommene Veränderbarkeit wurde verzichtet, da
ausgehend von den theoretischen Grundlagen nur dann eine Wirkung erwartet wurde, wenn
die beiden anderen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit eine hohe Ausprägung aufwiesen.
Diese Annahme konnte mit den oben beschriebenen Varianzanalysen jedoch nicht bestätigt
werden, weshalb die lineare Modellierung an dieser Stelle nicht gerechtfertigt war.
Zusammengefasst differenzierten die beiden linearen Strukturgleichungsmodelle die
Befunde
zum
Einfluss
der
Absorptionsfähigkeit
auf
den
wahrgenommenen
Veränderungsbedarf und die wahrgenommene Veränderbarkeit als Komponenten der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften. Im nächsten Unterkapitel werden die
empirischen Ergebnisse aufgegriffen und diskutiert sowie Schlussfolgerungen für die Annahme
oder Ablehnung der postulierten Hypothesen gezogen.
4.3.
Diskussion
Die Diskussion der empirischen Ergebnisse gliedert sich entsprechend dem Vorgehen
im Unterkapitel 4.2 und beginnt im Abschnitt 4.3.1 mit der Bewertung der Methodik sowie im
Abschnitt 4.3.2 der Skaleneignung zur Erfassung der Konstrukte. Im Abschnitt 4.3.3 werden
dann die Befunde zur Überprüfung der Hypothesen diskutiert und Konsequenzen für die
postulierten Hypothesen abgeleitet. Dazu werden zunächst die allgemeinen Zusammenhängen
zwischen den Prozess- und Zustandsindikatoren des ersten und zweiten Bewertungsprozesses
der Innovationsbereitschaft erläutert, bevor der Einfluss der Absorptionsfähigkeit auf den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und die wahrgenommene Veränderbarkeit als
Zustandsbeschreibungen der Innovationsbereitschaft näher ausgeführt wird.
4.3.1.
Methodik
Die Überprüfung der Hypothesen erfolgte an einer für Deutschland nach Branche
und Größe repräsentativen Stichprobe von kleinen und mittleren Unternehmen. Mit 668
Befragten war die Stichprobe so groß, dass auch kleine Effekte aufgedeckt werden konnten.
Einschränkungen zeigten sich nur bei der mehrfaktoriellen Varianzanalyse, weil zu einzelnen
Merkmalskombinationen keine Fälle vorlagen. Da hiervon nur eine Analysemethode betroffen
war und dem Problem nur durch eine gezielte Stichprobenziehung entgegengewirkt werden
4 Empirische Überprüfung
167
könnte, wird die Eignung der vorliegenden Stichprobe insgesamt nicht in Frage gestellt73.
Relevant für die vorliegende Untersuchung waren die subjektiven Bewertungen der
Geschäftsführer als zentrale Führungskraft in KMU. Dass ausschließlich dieser Personenkreis
befragt wurde, ist durch die theoretische Modellierung begründet. Für die Beantwortung der
Fragestellung waren daher keine objektiven Daten oder die Aussagen anderer Personen
notwendig.
Die Aussagen der Geschäftsführer wurden mit einem standardisierten Fragenbogen
erfasst und quantitativ ausgewertet. Dieses Vorgehen ermöglichte eine hohe Objektivität und
Reliabilität und zeichnete sich als ökonomischste Variante der Datenerhebung aus. Durch die
Nutzung empirisch bewährter Instrumente als Ausgangspunkt bzw. als Teil des Fragebogens
konnte auch die Validität gewährleistet werden, worauf im Abschnitt 4.3.2 zur Itemanalyse
und Skalenbildung noch eingegangen wird. Die Erfassung der Konstrukte erfolgte auf der
allgemeinen Unternehmensebene, wobei die Aussagen zum aktuellen Unternehmenszustand
und nicht zu einem konkreten Innovationsprojekt erhoben wurden. Der Vorteil dieses
Vorgehens ist, dass rückblickende Verzerrungen in den Antworten entfallen, weil tatsächlich
die aktuelle Bereitschaft für organisationale Veränderungen erfasst werden kann. Ein Nachteil
entstand jedoch durch die Querschnittsuntersuchung, mit der die Verhaltenswirksamkeit der
Innovationsbereitschaft nicht untersucht werden konnte. An dieser Stelle konnte jedoch auf
die empirischen Ergebnisse anderer Studien zur Wirkung der Innovationsbereitschaft auf das
innovationsförderliche Verhalten zurückgegriffen werden, so dass der Fokus der vorliegenden
Untersuchung auf den Prozess der Beeinflussung der Innovationsbereitschaft lag und dazu
aussagekräftige Daten erhoben werden konnten.
Zusammengefasst waren die Stichprobe als auch das quantitative Vorgehen zur
Erhebung und Auswertung der Daten für die Beantwortung der Fragestellung angemessen.
Von der Gültigkeit der Ergebnisse in der Population kann ausgegangen werden.
4.3.2.
Itemanalyse und Skalenbildung
Nachfolgend werden die Kennwerte der Items und Skalen kurz interpretiert und
sofern möglich mit den Kennwerten aus anderen empirischen Studien verglichen. Damit lassen
sich auch die Reliabilität und Validität der Operationalisierungen beurteilen.
73
Aussagen zur Rücklaufquote sind wie im Abschnitt 4.1.1 bereits ausgeführt nicht möglich, da die
vorliegende Stichprobe aus dem Gesamtdatensatz des Projektes Wettbewerbsfaktor
Wissensmanagement 2010 herausgelöst wurde und die separate Rücklaufquote nicht bestimmbar war.
168
4 Empirische Überprüfung
4.3.2.1. Innovationsbereitschaft der Führungskraft
Die Innovationsbereitschaft wurde anhand der Multiplikation von zwei Items zum
wahrgenommenen Veränderungsbedarf und der wahrgenommenen Veränderbarkeit erfasst.
Dabei wurde nicht explizit nach der Bereitschaft für unternehmensinterne Neuerungen
gefragt, was für eine Validierung nützlich gewesen wäre. Allerdings können mit einer direkten
Frage nach der eigenen Innovationsbereitschaft kaum gültige Daten erreicht werden, weil z. B.
Antwortverzerrungen aufgrund sozialer Erwünschtheit zu erwarten sind74. Für die vorliegende
Untersuchung wurde deshalb bei der Formulierung der Items auf die Ergebnisse von Krause
(2004) zurückgegriffen, die die multiplikative Verknüpfung
Veränderbarkeit
zur
Abbildung
der
von Veränderungsbedarf und
Innovationsbereitschaft
belegten
und
deren
Verhaltenswirksamkeit bestätigten. Im Unterschied zu den Ergebnissen von Krause (2004,
S. 260 f.) wurde in der vorliegenden Untersuchung kein linearer Zusammenhang zwischen
Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit gefunden. Dieser Unterschied könnte darin
begründet sein, dass Krause (2004) ein konkretes Innovationsprojekt im Nachhinein
untersuchte, bei dem eine Neuerung umgesetzt wurde. In diesem Fall könnten
Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit korrelieren, zudem wenn sich daraus die
innovationsbezogenen Handlungen ergaben (vgl. auch die Ausführungen im Abschnitt 2.3.1). In
der vorliegenden Arbeit wurde jedoch nach der allgemeinen Notwendigkeit von
Veränderungen im Unternehmen und der Bewertung der generellen Veränderbarkeit im
Unternehmen gefragt. Vor diesem Hintergrund kann der fehlende Zusammenhang als
Bestätigung des Modells der Innovationsbereitschaft interpretiert werden, wonach es sich um
zwei getrennte Bewertungsprozesse handelt (siehe ebenfalls Abschnitt 2.3.1).
Ausgehend von diesen beiden Bewertungsprozessen wurden weiterhin Indikatoren
konstruiert, die diese Prozesse abbilden und als Determinanten des Veränderungsbedarfes
sowie der Veränderbarkeit fungierten. Der erste Bewertungsprozess lässt sich als die
Wahrnehmung einer Differenz zwischen dem aktuellen Ist-Zustand der Unternehmenssituation
und einem erwünschtem Soll-Zustand definieren, woraus der Veränderungsbedarf resultiert
(vgl. Unterkapitel 2.3). Diese Soll-Ist-Differenz wurde zum einen anhand der Bewertung von
Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht, operationalisiert. Wie die
Faktorenanalyse zu den wahrgenommenen Herausforderungen zeigte, deckten die
formulierten Items mit acht interpretierbaren Faktoren ein inhaltlich breites Spektrum ab. Da
sich diese Faktoren kaum hinsichtlich ihrer Korrelation mit dem Veränderungsbedarf
74
Zur Vermeidung dieser Probleme wäre eine umfassendere Datenerhebung notwendig, die
entsprechend der Korrespondenzhypothese in der Einstellungsforschung (Ajzen & Fishbein, 1977, vgl.
auch Unterkapitel 1.1) die Innovationsbereitschaft mithilfe mehrerer Fragen differenzierten Inhaltes
erfassen müsste. Denkbar wäre hierfür auch die Nutzung weiterer Erhebungsmethoden oder die
Befragung von Dritten.
4 Empirische Überprüfung
169
unterschieden, konnte die Mittelwertsbildung aus allen 29 Items als gerechtfertigt angesehen
werden. Zum anderen sollte der Problemdruck anhand der Unzufriedenheit mit den internen
Leistungserstellungsprozessen erfasst werden. Diese Unzufriedenheit wurde im Umkehrschluss
anhand
der
Beurteilung
von
Wettbewerbsvorteilen,
die
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen sowie eine kostengünstige Produktion entstehen, gemessen. Aus
dieser Operationalisierung resultierte eine inhaltliche Nähe zur dritten Dimension der
Absorptionsfähigkeit, die als Umsetzung des neuen Wissens in inkrementelle Struktur- und
Prozessveränderungen sowie Prozessinnovationen verstanden wurde. Als vermutliche
Konsequenz dieser inhaltlichen Nähe wurde dieser Indikator in der empirischen Studie für den
zweiten Bewertungsprozess zur Einschätzung der Veränderbarkeit der Situation relevant (vgl.
dazu
Abschnitt
aufgabenbezogene
4.3.2.2).
Als
Determinanten
Selbstwirksamkeitserwartung
dieser
Veränderbarkeit
wurden
des
Geschäftsführenden,
die
seine/ihre
Bewertung der Mitarbeiterleistung als Wettbewerbsvorteil des Unternehmens sowie die
Fehlertoleranz im Unternehmen erhoben. Damit konnten die für eine Veränderung
notwendigen Ressourcen auf der individuellen Ebene, der Mitarbeiter- sowie der
Organisationsebene erfasst werden.
Mit
dieser
Unterteilung
in
Indikatoren
und
Ergebnisse
der
beiden
Bewertungsprozesse gelang eine Erweiterung der bisherigen Operationalisierung, indem
sowohl Prozess- als auch Zustandsbeschreibungen der Innovationsbereitschaft erfasst wurden,
soweit das im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung möglich war.
Die Analyse des Antwortverhaltens zeigte, dass etwa 19% der Befragten einen
geringen Veränderungsbedarf wahrnahmen (Antwortwerte zwischen 0 und 3 auf der
11-stufigen Skala), während knapp 43% mit Werten zwischen 7 und 10 einen großen Bedarf
erkannten. Die Veränderbarkeit wurde mit einem Mittelwert der Antworten von 7.24 über alle
Unternehmen hinweg relativ hoch beurteilt. So gaben etwa 67% der Befragten mit
Antwortwerten 7 an, dass man im Unternehmen aufgeschlossen gegenüber Veränderungen
sei. Zusammengefasst wurde der Veränderungsbedarf in der Stichprobe differenzierter
bewertet, während die Veränderbarkeit generell als hoch eingestuft wurde. Aus der
Multiplikation beider Bewertungsergebnisse resultierte eine normalverteilte Variable
Innovationsbereitschaft, deren Mittelwert und Median mit Werten nahe 40 unterhalb der
Skalenmitte lagen. Aufgrund der spezifischen Itemformulierung sowie den fehlenden Angaben
in anderen Studien, ließen sich diese Ergebnisse nicht mit früheren empirischen Befunden
vergleichen.
Die Bewertungen der Herausforderungen als Mittelwert von 29 diesbezüglichen
Items verteilten sich normal über die elf Antwortstufen, so dass diese Variable eine gute
Differenzierung zwischen den Befragten ermöglichte. Die Entwicklung neuartiger Produkte/
Dienstleistungen war in der Stichprobe für die Mehrheit der Befragten ein Wettbewerbsvorteil
( =6.5, knapp 70% der Antworten lag auf der 11-stufigen Skale über dem Wert 5), knapp 50%
170
4 Empirische Überprüfung
der Befragten attestierten mit Antwortwerten zwischen 7 und 10 diesen Innovationen eine
große Bedeutung. Diese Ergebnisse liegen über den Befunden aus der Studie von Pawlowsky et
al. (2006) zum Ausbaustand des Wissensmanagement in KMU. Dort gaben ca. 35% der
befragten Entscheidungsträger aus kleinen und mittleren Unternehmen an, das innovativere
Produkte und eine schnelle Entwicklungszeit sehr wichtige
Wettbewerbsvorteile für ihr
Unternehmen darstellten. Eine geringere Rolle spielte dagegen die kostengünstige Produktion
( =5.2, 50% der Antworten zwischen dem Wert 0 und 5). Hier bewerteten etwa 35% der
Befragten mit Werten zwischen 7 und 10 den Wettbewerbsvorteil als sehr wichtig für das
Unternehmen. Ähnliche Ergebnisse fanden auch Pawlowsky et al. (2006), wonach knapp 30%
der Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch günstigere Preise und eine höhere Produktivität
als sehr wichtig beurteilten. Die in dieser Studie gefundene Struktur der Wettbewerbsvorteile
war zudem mit den Ergebnissen der Faktorenanalyse in der hier vorliegenden Arbeit
vergleichbar, was für die Stabilität der Faktorlösung sprach.
Über die bei Pawlowsky et al. (2006) erhobenen Wettbewerbsvorteilte hinaus
wurden in der vorliegenden Studie die Relevanz der Leistung von Geschäftsführung und
Mitarbeiter
erfasst.
Die
Zustimmung
zur
Aussage
„[Unser]
besseres
Management/Geschäftsführung ist ein Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Hauptkonkurrent“
wurde
dabei
als
aufgabenbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung
des
befragten
Geschäftsführers interpretiert. Mit einem Mittelwert nahe 7 auf der 11-stufigen Antwortskala
war diese Selbstwirksamkeitserwartung in der Stichprobe sehr hoch ausgeprägt. Etwa 64% der
Befragten sahen mit Werten zwischen 7 und 10 in ihrer Leistung einen sehr großen
Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter wurde noch
höher eingeschätzt. Auch hier lag der Mittelwert nahe 7 wobei 72% der Befragten
Antwortwerte zwischen 7 und 10 auf der 11-stufigen Skala nutzten. Diese Verteilungen führten
dazu, dass diese beiden Determinanten der Veränderbarkeit nur eingeschränkt zwischen den
Befragten differenzieren konnten, da die niedrigeren Antwortwerte in der Stichprobe weniger
frequentiert wurden. Das traf auch für die dritte Determinante, der Fehlertoleranz im
Unternehmen zu. Trotz negativer Formulierung („Bei uns dürfen keine Fehler gemacht
werden“ und „Bei uns werden Fehler konsequent sanktioniert“) lag eine positive
Antworttendenz vor. So gaben nur knapp 10% der Befragten eine geringe Fehlertoleranz im
Unternehmen an, während knapp 40% die Toleranz als sehr hoch beurteilten.
Zusammengefasst lag damit für alle drei Determinanten der Veränderbarkeit keine
Normalverteilung der Antworten vor. Die Ressourcen für eine potenzielle Veränderung wurden
von der Mehrheit der Geschäftsführer als im Unternehmen gut ausgeprägt eingestuft, wobei
auch zwischen 4 und 11 Prozent der Befragten die niedrigsten Antwortkategorien mit Werten
zwischen 0 bis 3 wählten.
4 Empirische Überprüfung
171
4.3.2.2. Organisationale Absorptionsfähigkeit
Die Absorptionsfähigkeit wurde in der vorliegenden Arbeit als dreidimensionales
Konstrukt verstanden. Entsprechend erfolgte die Operationalisierung anhand der Dimensionen
(1) Erkennen relevanten, unternehmensexternen Wissens, (2) Aufnehmen des Wissens in das
Unternehmen und (3) nutzstiftendes Verwerten des neuen Wissens. Diese drei wurden als
getrennte Phasen definiert und durch Addition daraus die Variable Absorptionsfähigkeit
gebildet.
Um die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit zu erfassen, wurde nach dem
Zugang zu externen Wissensquellen gefragt. Wie die Faktorenanalyse zeigte, ließen sich die 13
Items in drei Wissenszugänge unterscheiden. Zu den (insbesondere für KMU) neueren Formen
des Wissenszugangs zählten dabei u.a. Lernprogramme, Kongresse oder F&E-Kooperationen.
Der traditionelle Zugang erfolgte über Kunden- und Lieferantenkontakte und als allgemeiner
Zugang wurden Fachzeitschriften und das Internet identifiziert. Damit wurde das Ziel der
Operationalisierung erreicht, ein möglichst breites Spektrum potenzieller Kontakte zu
externem, neuem Wissen zu erfassen. Mit Cronbachs α=.84 war die interne Konsistenz der
Skala gut und lag zum Teil deutlich über der Ausprägung in vergleichbaren Studien.
Beispielsweise erfassten Vega-Jurado et al. (2009) die Kooperationen mit anderen
Unternehmen und die Kooperationen mit Forschungseinrichtungen anhand mehrerer Items,
die zu zwei Skalen mit Cronbachs α=.68 und Cronbachs α=.77 zusammengefasst wurden. Mit
Cronbachs α=.71 wies die Skala von Fosfuri und Tribó (2008) zur Messung der Wichtigkeit von
sieben unternehmensexternen Wissensquellen ebenso eine geringe interne Konsistenz auf.
Die Skala zur Erfassung der Akquisition von Camisón und Forés (2010) war mit Cronbachs
α=.64 in sich nicht konsistent, akzeptabel aber schlechter als die Skala der vorliegenden Studie
war auch die Skala von Flatten et al. (2011) mit Cronbachs α=.73. Als Stärke der vorliegenden
Studie ist zudem das inhaltliche Spektrum der eingesetzten Items zu sehen, wodurch
insbesondere die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit deutlich breiter als in anderen
Studien erfasst werden konnte und damit auch dem Prozesscharakter dieser Phase besser
Rechnung getragen wurde. Zu prüfen wäre dabei die Relevanz der allgemeinen
Informationszugänge Internet und Fachzeitschriften, die im Strukturgleichungsmodell
geringere Indikatorenreliabilitäten aufwiesen als die Zugänge über Kunden, Lieferanten oder
Kooperationen mit externen Partnern.
Der Prozesscharakter von Absorptionsfähigkeit spiegelte sich auch in der
Operationalisierung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit wider. Hier wurden
anhand der drei Subskalen (2A) die systematische unternehmensweite Auswertung von neuen
Informationen und Wissens, (2B) der formelle und informelle Erfahrungsaustausch zwischen
Organisationsmitgliedern sowie (2C) die Nutzung technischer Möglichkeiten zur Speicherung
und Verteilung von Informationen und Wissen erhoben. Mit Cronbachs α2A=.80, Cronbachs
172
4 Empirische Überprüfung
α2B=.85 und Cronbachs α2C=.77 war die interne Konsistenz der Skalen sehr gut bzw. gut. Sie lag
wiederum deutlich über den Werten bei Camisón und Forés (2010), deren Skalen Assimilation
mit Cronbachs α=.68 und Transformation mit Cronbachs α=.65 als wenig reliabel einzuschätzen
waren. Die vergleichbaren Skalen von Flatten et al. (2011) erreichten eine höhere interne
Konsistenz mit Cronbachs α=.85 für die Skala Assimilation und Cronbachs α=.93 für die Skala
Transformation. Im Unterschied zu diesen Studien betrachtete die vorliegende Arbeit die
Aufnahme, Anpassung und interne Verteilung des externen Wissens als Bestandteile der
zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit und nicht als separate Dimensionen. Damit wurde
ausgehend von Cohen und Levinthal (1990) sowie Lane et al. (2006) vor dem Hintergrund der
Arbeiten zum organisationalen Lernen von Pawlowsky (1994, 1998) und dem individuellen
Lernen
von
Piaget
(1952,
1991)
eine
dreidimensionale
Konzeptionalisierung
der
Absorptionsfähigkeit vorgeschlagen und diese erfolgreich in eine Operationalisierung
überführt.
Die
konfirmatorische
Faktorenanalysen
im
Rahmen
der
linearen
Strukturgleichungsmodellierung ergaben für die Subskalen der ersten und zweiten Dimension
der Absorptionsfähigkeit zufriedenstellende Reliabilitäten und bestätigte damit diese Form der
empirischen Umsetzung.
Für die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit gelang die Bildung einer Skala
dagegen nicht wie beabsichtigt. Die interne Konsistenz der Skala zur Verwertung des neuen
Wissens in inkrementelle Struktur- und Prozessveränderungen sowie neuartigen Verfahren
und Abläufen wurde mit Cronbachs α=.67 als zu gering beurteilt75. Aufgrund der bivariaten
Korrelationen wurde deshalb eine Skala aus drei Items gebildet, welche die Anwendung neuen
Wissens im Zuge der kontinuierlichen Verbesserung von Unternehmensabläufen erfasste und
separat davon die Bedeutung von Prozessinnovationen für das Unternehmen mit einem Item
erhob. Die weiteren Analysen zeigten, dass diese Trennung sinnvoll war, da sich die
Prozessinnovationen
von
der
Skala
der
inkrementellen
Verwertung
in
den
Korrelationskoeffizienten mit den Kenngrößen der Innovationsbereitschaft und insbesondere
in seiner Bedeutung zur Vorhersage des Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit in
den Regressionsmodellen unterschied. Mit einem Cronbachs α=.71 lag die interne Konsistenz
der Skala über der Reliabilität der Skala zur Anwendung des akquirierten Wissens von Camisón
und Forés (2010; mit Cronbachs α=.65), fiel allerdings geringer aus als die der Skala von Flatten
et al. (2011; Cronbachs α=.80). Letztere ließ sich allerdings nur begrenzt mit der vorliegender
Arbeit vergleichen, da Flatten et al. (2011) einen technologischen Blickwinkel einnahmen und
nach der Unterstützung von Prototypenentwicklung, der Überprüfung von Technologien und
deren Anpassung an neues Wissen sowie dem effektiven Arbeiten durch die Übernahme neuer
Technologien fragten. An diesem Beispiel wird deutlich, wie weit das Verständnis der
75
Damit unterschied sich das Vorgehen bspw. von Camisón & Forés (2010), die auch Skalen mit
Cronbachs α<.7 als ausreichend reliabel betrachteten.
4 Empirische Überprüfung
173
inhaltlichen Ausgestaltung der Absorptionsfähigkeit auseinander geht. Für die vorliegende
Studie wurde der Fokus entsprechend der theoretischen Begründung in Abschnitt 2.4.2 auf die
Erneuerung der unternehmensinternen Strukturen und Prozesse durch die Anwendung neuen
Wissens gerichtet.
Die Ausprägungen der drei Dimensionen von Absorptionsfähigkeit ähnelten sich in
der vorliegenden Stichprobe. Für alle Skalen lagen die Mittelwerte nahe der Skalenmitte von 5,
ebenso die Mediane der normalverteilten Skalen AF1, AF2A, AF2C, bei den anderen, nichtnormalverteilten Skalen lagen die Mediane leicht darüber. Diese relativ ausgewogenen
Antwortverteilungen waren auch in der Aufnahme von Items mit unterschiedlicher
Schwierigkeit begründet. So gingen in die Skala zur Erfassung der ersten Dimension der
Absorptionsfähigkeit 13 Items ein, deren Mittelwerte zwischen 2 und 7.6 lagen. Die Items mit
den höheren Mittelwerten bildeten in der Faktorenanalyse die als traditionell bezeichnete
Zugänge zu externen Wissensquellen ab. Für die Mehrheit der befragten Unternehmen hatten
diese Zugänge einen hohen bis sehr hohen Stellenwert (47% der Befragten gaben Werte 7
an). Zu diesen Wissensquellen zählten u.a. die Kontakte zu Lieferanten, Kundenbefragungen
und die systematische Auswertung von Reklamationen. Solche Maßnahmen können im
Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement und Zertifizierungen wie z. B. nach DIN EN ISO
9001 (ISO, 2008) als Standard in Unternehmen angesehen werden, womit sich ihre hohen
Ausprägungen erklären lassen. Die Wichtigkeit dieser externen Wissensquellen bestätigte auch
die Mehrheit der Unternehmen in der Studie von Fosfuri und Tribó (2008). Weniger verbreitet
waren die als neuere Formen des Wissenszugangs bezeichneten Maßnahmen wie z. B.
F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen oder Kooperationen mit Kritikergruppen, deren
Mittelwerte auf der 11-stufigen Skala bei =2.5 bzw. =3.1 lagen. Unter den 668 Befragten
gaben nur 7% einen sehr hohen Stellenwert mit Werten ≥7 an, während sich die Antworten
von 70% der Befragten unterhalb der Skalenmitte von 5 einordneten. Vergleichbar niedrigere
Ausprägungen
solcher
Kooperationen
mit
anderen
Unternehmen
oder
Forschungseinrichtungen fanden Vega-Jurado et al. (2009).
Auch die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit wurde aus Items mit
unterschiedlichen
Mittelwerten
gebildet.
In
die
Subskala
AF2A-Systematische
unternehmensinterne Auswertung von Wissen und Informationen gingen fünf Items mit
Mittelwerten >6, zwei Items mit dem Mittelwert nahe 5 und ein Item mit dem Mittelwert bei 3
ein. Den geringsten Stellenwert hatte hier die systematische Marktforschung, die nur von ca.
17% der Unternehmen betrieben wurde, während die anderen sechs Items der Skala einen
relativ großen Stellenwert in der gesamten Stichprobe hatten (etwa 50% der Befragten gaben
Werte ≥7 an). Diese Befunde lassen sich aufgrund der Operationalisierung kaum mit anderen
Studien zur Absorptionsfähigkeit vergleichen, da in diesen entweder die Phase nicht definiert
(z. B. Vega-Jurado et al., 2009) oder keine Angaben zur Ausprägung gemacht wurden (z. B.
Camisón & Forés, 2010). Für den Teilbereich der Identifikation von unternehmensinternen
174
4 Empirische Überprüfung
Erfahrungsträgern fanden Pawlowsky et al. (2006) jedoch ähnliche Ergebnisse wie die
vorliegende Studie. Vergleichbar mit den Befunden zur Wissensteilung bei Liao et al. (2007)
waren die Ausprägungen der zweiten Subskala zur Erfassung des formellen und informellen
Erfahrungsaustausches im Unternehmen (Skala AF2B). Besonders hohe Ausprägungen hatten
hier der Erfahrungsaustausch mit Kollegen ( =7.6 auf der 11-stufigen Skale) und der
Erfahrungsaustausch mit Vorgesetzen ( =7.5). Dagegen waren Expertennetzwerke und Job
Rotation in den untersuchten Unternehmen mit Mittelwerten bei 4.2 und 3.6 deutlich geringer
ausgeprägt. Insgesamt erachteten 24% der Geschäftsführer den gesamten Austausch in ihrem
Unternehmen als gering ausgeprägt (Antwortwerte ≤3 auf der Skala AF2B), während 30% von
einem umfangreichen internen Austausch ausgingen (Antwortwerte ≥7). Am höchsten war die
Ausprägung der Subskala AF2C, mit der die Nutzung technischer Unterstützung für die
Speicherung und den Austausch von Wissen und Informationen erfasst wurde. Mit Werten
zwischen 4 und 6 auf der 11-stufigen Skale konnte bei 47% der Unternehmen der Ausbaustand
der technischen Infrastruktur als moderat bezeichnet werden, in 29% der Unternehmen
besaßen entsprechend unterstützende Maßnahmen einen hohen Stellenwert. Von den fünf
Items ermöglichte nur die Frage nach dem Austausch mithilfe von Projektdatenbanken eine
Differenzierung zwischen den Unternehmen im unteren Bereich der Antwortskala (Item=2.9). Aufgrund der spezifischen Itemformulierungen ließen sich die Antwortverteilungen
nicht mit den Ergebnissen anderer Studien vergleichen. Die drei Subskalen der zweiten
Absorptionsfähigkeitsdimension waren nicht voneinander unabhängig, sondern korrelierten
signifikant positiv miteinander (r=.61 bis r=.71). Demnach ging eine systematische Auswertung
von Informationen und Wissen im Unternehmen mit einer technischen Unterstützung für die
Speicherung und Weitergabe dieses Wissens einher sowie dem formellen wie informellen
Austausch zwischen Organisationsmitgliedern, auch über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen
hinweg.
Die höchste Ausprägung der drei Absorptionsfähigkeitsdimensionen hatte in der
vorliegenden Studie die Umsetzung von neuen Wissen in inkrementelle Struktur- und
Prozessverbesserungen mit =6.13 auf der 11-stufigen Antwortskala. Mit Mittelwerten größer
6 hatten die kontinuierliche Verbesserung von Geschäftsprozessen sowie die Anpassung von
Verfahren und Abläufen aufgrund der Anregungen von Mitarbeitern einen hohen Stellenwert
in den untersuchten Unternehmen. Diese Werte zeigen, dass die Ansätze des kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses und des Management von Geschäftsprozessen, die in den 1990er
Jahren in die Praxis der KMU Einzug gehalten haben (vgl. Mengedoht, 1997), inzwischen in der
Mehrheit der Unternehmen etabliert sind. Einen Marktvorteil durch neue Verfahren,
Methoden oder Herstellungsprozesse verschafften sich dagegen nur 25% der Unternehmen, für
30% der Unternehmen traf diese Aussage gar nicht zu. Damit sind Prozessinnovationen mit
einem =4.9 in der der untersuchten Stichprobe etwas seltener als bspw. bei Liao et al. (2007)
4 Empirische Überprüfung
175
und Vega-Jurado et al. (2009), wobei in diesen Studien nicht nur kleine und mittlere
Unternehmen untersucht wurden, was die höheren Ausprägungen erklären könnte76.
Die aus der Addition der drei Dimensionen resultierende Absorptionsfähigkeit wies
mit einem Mittelwert von =20 (Min=0, Max=40) eine Normalverteilung der Antworten auf.
Damit lagen 84% der 668 Unternehmen zwischen den Wert 10 und 30, in 10 Unternehmen
(1.5%) konnte mit Werten zwischen 0 und 4 keine Absorptionsfähigkeit festgestellt werden
und 4 Unternehmen (0.6%) erreichte eine maximale Ausprägung mit Werten zwischen 37 und
40.
Aufgrund
der
prozessbezogenen,
dreidimensionalen
Operationalisierung
der
Absorptionsfähigkeit wären diese Befunde nur mit den Studien von Camisón und Forés (2010)
und Flatten et al. (2011) vergleichbar gewesen, die jedoch keine Angaben zu den
Ausprägungen machten.
Mit diesen Studien vergleichbar waren jedoch die Zusammenhänge zwischen den
einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit, die ähnlich hoch ausfielen. Camisón und
Forés (2010) erhielten einen Korrelationskoeffizient zwischen potenzieller und realisierter
Absorptionsfähigkeit von r=.8. In der vorliegenden Studie korrelierten die Skalen AF1, AF2 und
AF3_KVP signifikant positiv mit Werten zwischen r=.66 und r=.76. Etwas geringer fielen jeweils
die Zusammenhänge mit dem Auftreten von Prozessinnovationen aus (um r=.4), was die
Sonderstellung dieses Items und die Angemessenheit seiner Nicht-Integration in die Skala AF3
belegte. Geringere Zusammenhänge fanden Vega-Jurado et al. (2009) zwischen den
Kooperationen mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen als Bestandteil der
ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit und dem Auftreten von Prozessinnovationen
(r=.11). Bezogen auf die zweite Dimension waren die Korrelationen von Liao et al. (2007)
zwischen dem Ausmaß an Wissensteilung und dem Vorhandensein von Prozessinnovationen
mit r.3 ähnlich den Zusammenhängen in der vorliegenden Untersuchung.
Zusammengefasst bestand zwischen den Ausprägungen und Korrelationen der
Absorptionsfähigkeit eine relativ hohe Übereinstimmung mit Befunden aus anderen
empirischen Untersuchungen, sofern vergleichbare Daten vorlagen. Diese Übereinstimmung
kann als Beleg für die Validität der Messung gesehen werden. Für die erste und zweite
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit
wurde
diese
auch
durch
die
linearen
Strukturgleichungsmodelle bestätigt. Die Stärken der vorliegenden Operationalisierung sind in
der inhaltlichen Breite sowie der theoretisch begründeten und systematischen Umsetzung des
dreidimensionalen Konstruktes Absorptionsfähigkeit zu sehen. Insgesamt konnten die
76
Die Entwicklung und Umsetzung von Produkt- und Prozessinnovationen werden mit zunehmender
Unternehmensgröße häufiger, wie bspw. Damanpour & Gopalakrishnan (2001) oder Reichstein & Salter
(2006) zeigten. Bei den drei anderen Skalen der Absorptionsfähigkeit sind Größenunterschiede weniger
bedeutsam, wie die Ergebnisse von Pawlowsky et al. (2006) und Pawlowsky et al. (2011) zur Verbreitung
von Wissensmanagementmaßnahmen nahelegen.
176
4 Empirische Überprüfung
Operationalisierung aufgrund der Item- und Skalenanalyse als angemessen betrachtet und für
die weiteren Analysen zugrundegelegt werden. Die Überprüfung der Hypothesen sowie deren
Ergebnisse werden im nächsten Abschnitt diskutiert.
4.3.3.
Überprüfung der Hypothesen
4.3.3.1. Diskussion zum Modell der Innovationsbereitschaft
Wahrgenommener Veränderungsbedarf als Ergebnis des ersten Bewertungsprozesses
Die
Innovationsbereitschaft
wurde
als
Produkt
des
wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen Veränderbarkeit definiert, welche ihrerseits
Ergebnisse von zwei Bewertungsprozessen sind. Im ersten Bewertungsprozess wird die
aktuelle Unternehmenssituation mit einem erwünschten Soll-Zustand verglichen und bei einer
Differenz zwischen Ist- und Soll-Zustand ein Veränderungsbedarf erkannt (vgl. auch
Unterkapitel
2.3).
Diese
Differenz
kann
sich
einerseits
in
wahrgenommenen
Herausforderungen für das Unternehmen ausdrücken und sich andererseits in der
Unzufriedenheit mit den Leistungserstellungsprozessen oder mit deren Ergebnissen zeigen. Es
wurde daher erwartet, dass der Veränderungsbedarf durch die Herausforderungen und die
Unzufriedenheit vorhergesagt werden kann. Konform mit der Annahme wurde eine positive
Korrelation der Herausforderungen mit dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf gefunden
(r=.24, p<.001)77. Entgegen der Annahme korrelierten auch die Wettbewerbsvorteile durch
neuartige Produkte/Dienstleistungen und durch kostengünstige Produktion, die als indirekte,
umgekehrte Messung der Unzufriedenheit genutzt wurden, gering positiv mit dem
Veränderungsbedarf (r=.10 und r=.13, p<.05). Diese Zusammenhänge wurden auf dem 1%Alpha-Fehler-Niveau nicht signifikant und ihre praktische Bedeutsamkeit war aufgrund der
geringen Korrelationskoeffizienten ebenfalls nicht gegeben.
Um die Hypothesen 1.1 und 1.2 zu testen, wurde aufbauend auf diesen Korrelationen
eine
multiple
lineare
Regression
gerechnet,
um
die
Vorhersagbarkeit
des
Veränderungsbedarfes zu überprüfen. Mit einer Varianzaufklärung von 7% war die Güte des
Regressionsmodells trotz signifikantem F-Wert zur Modellüberprüfung als eher niedrig
einzustufen. Einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage des Veränderungsbedarfes leisteten im
Modell die wahrgenommenen Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht,
welche 6% gemeinsame Varianz mit dem Veränderungsbedarf aufwiesen. Diese Ergebnisse
77
Dabei wurden keine bedeutsamen Unterschiede in den Korrelationskoeffizienten zwischen den per
exploratorischer Faktorenanalyse gefunden inhaltlichen Schwerunkten gefunden, weshalb für die
weiteren Analysen nicht zwischen den Arten der Herausforderungen differenziert wurde.
4 Empirische Überprüfung
177
bestätigten die Hypothese 1.1: je mehr Herausforderungen erkannt wurden, umso höher
wurde auch der Veränderungsbedarf eingeschätzt. Damit konnte die Beziehung zwischen der
Bewertung einer Soll-Ist-Differenz und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit einer
Veränderung empirisch bestätigt werden. Hierbei handelte es sich nicht um einen
Positionseffekt aufgrund der Fragereihenfolge, da im Fragebogen zwischen der Beurteilung
von Herausforderungen und der Aussage zur Veränderungsnotwendigkeit die Einschätzung
von Wettbewerbsvorteilen erfolgte, so dass Antwortverzerrungen aufgrund der Positionsnähe
von Herausforderungen und Veränderungsnotwendigkeit auszuschließen waren. Während
Gebert (1987, 2002) und Armenakis et al. (1993) diese Zusammenhänge von Soll-Ist-Differenz
bzw. Problemdruck und Veränderungsbedarf konzeptionell herleiteten, aber empirisch nicht
überprüften, konnte die vorliegenden Untersuchung die theoretischen Annahmen bestätigen
und damit das Modell der Innovationsbereitschaft in diesem Punkt bestätigen.
Nicht bestätigt wurde dagegen die Hypothese 1.2 zur Vorhersagbarkeit des
Veränderungsbedarfes aus der Unzufriedenheit mit den Unternehmensprozessen. Wie sich
bereits in den Korrelationsanalysen andeutete, trugen die Wettbewerbsvorteile durch die Art
oder
Ergebnisse
der
Leistungserstellungsprozesse
nicht
zur
Vorhersage
des
Veränderungsbedarfes bei, obwohl ein negativer Einfluss erwartet wurde. Eine wesentliche
Ursache für diesen Befund ist in der Operationalisierung der Unzufriedenheit mit der internen
Leistungserstellung zu sehen. Aufgrund des Gesamtumfanges des Fragebogens sowie der
Schwerpunktsetzung auf die Absorptionsfähigkeit sowie weiteren Konstrukten im Kontext des
Projektes Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010 war es nicht möglich, detaillierter die
Leistungserstellungsprozesse des Unternehmens bewerten zu lassen, um daraus die
Unzufriedenheit genauer bemessen zu können. Die Frage nach den Wettbewerbsvorteilen
bildet diese Unzufriedenheit im Umkehrschluss unzureichend ab, wodurch auch die
unerwartete,
positive
Korrelation
der
Wettbewerbsvorteile
durch
neuartige
Produkte/Dienstleistungen mit der wahrgenommenen Veränderbarkeit zu erklären ist.
Wahrgenommene Veränderbarkeit als Ergebnis des zweiten Bewertungsprozesses
Während
sich
die
positive
Korrelation
der
Herausforderungen
mit
der
wahrgenommenen Veränderbarkeit im zweiten Regressionsmodell nicht in einem signifikanten
Beitrag zur Vorhersage niederschlug, konnten die Wettbewerbsvorteile durch neuartige
Produkte/Dienstleistungen die Einschätzung der Veränderbarkeit der Situation signifikant
vorhersagen. Mit einem Regressionsgewicht von ß=.25 entsprach die Vorhersagekraft der
Wettbewerbsvorteile auf die Veränderbarkeit der Vorhersagekraft der Herausforderungen auf
den Veränderungsbedarf. Gleichzeitig sprach die hohe positive Korrelation mit der
Mitarbeiterleistung
(r=.53,
Leistungsfähigkeit
des
p<.001)
dafür,
Unternehmens
Leistungserstellungsprozessen
erfasst
dass
hier
denn
die
wurde.
Damit
eher
die
wahrgenommene
Zufriedenheit
würde
es
sich
mit
bei
den
den
178
4 Empirische Überprüfung
Wettbewerbsvorteilen durch neuartige Produkte/Dienstleistungen um eine Möglichkeit zur
Erfassung von Produktinnovationen handeln, entsprechend hoch sollte die Korrelation mit den
Items zur Erfassung dieser Innovationsleistung ausfallen. Diese Zusammenhänge müssten in
einer nächsten Untersuchung überprüft werden. Für die vorliegende Untersuchung wurden die
Wettbewerbsvorteile nicht länger als Determinanten des Veränderungsbedarfes betrachtet
und aufgrund der fehlenden theoretischen Fundierung auch nicht für die Beeinflussung der
Veränderbarkeit durch die Absorptionsfähigkeitsdimensionen genutzt.
Als Determinanten der Veränderbarkeit theoretisch begründet waren dagegen die
aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft, ihre Wahrnehmung der
Mitarbeiterleistung sowie der Fehlertoleranz im Unternehmen. Diese drei Aspekte wurden als
Ressourcen für eine potenzielle Veränderung gesehen. Je höher sie ausgeprägt waren, umso
höher sollte die wahrgenommene Veränderbarkeit der Unternehmenssituation sein. Diese
Aussagen waren empirisch nur für die Korrelationen der Selbstwirksamkeitserwartung und der
Mitarbeiterleistung mit der Veränderbarkeit zutreffend, die Fehlertoleranz korrelierte
unerwartete negativ mit der Veränderbarkeit.
Aufgrund der statistisch bedeutsamen linearen Zusammenhänge wurde wiederum
eine multiple lineare Regression zur Überprüfung der Hypothesen 1.3, 1.4. und 1.5 berechnet.
Das Modell wurde signifikant und erreichte eine mäßige Varianzaufklärung von 9%. Zur
Vorhersage der Veränderbarkeit trugen allerdings nur die Mitarbeiterleistung und die
Fehlertoleranz im Unternehmen bei. Für die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung
konnte kein Einfluss festgestellt werden.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Befunden von Eby et al. (2000), die keinen
Zusammenhang
zwischen
Selbstwirksamkeitserwartung
und
wahrgenommener
organisationaler Veränderungsbereitschaf fanden. In der Studie von Neves (2009) zeigte sich
ebenfalls kein Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung auf das affektive Commitment als
Resultat von Veränderungsbereitschaft. Im Gegensatz dazu konnten Holt et al. (2007) dieses
Commitment signifikant durch die Selbstwirksamkeitserwartung vorhersagen und auch
Cunningham et al. (2002) bestätigten eine positive Wirkung auf die Bereitschaft für
organisationale Veränderungen. Diese widersprüchlichen Befunde können nur begrenzt auf die
unterschiedlichen Operationalisierungen in den empirischen Studien zurückgeführt werden. So
generierten Holt et al. (2007) eine eigene Skala aus sechs Items, während Neves (2009) drei
der fünf Items der Skala von Cunningham et al. (2002) nutzte78 und auch Eby et al. (2000) auf
vier Items einer anderen Studie zurückgriffen. Damit bleibt weiterhin ein Forschungsbedarf zur
Rolle der Selbstwirksamkeitserwartung für die wahrgenommene Veränderbarkeit und die
78
Wobei die interne Konsistenz der Skala von Neves (2009) mit Cronbachs α=.6 als ungenügend
erscheint, allerdings erreichten auch Cunningham et al. (2002) mit fünf Items nur eine marginal bessere
Reliabilität von Cronbachs α=.71.
4 Empirische Überprüfung
179
resultierende Veränderungsbereitschaft bestehen. Die vorliegende Untersuchung konnte
hierzu
keinen
Beitrag
leisten,
da
nicht
wie
bei
den
referierten
Studien
die
veränderungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung erfasst, sondern nur allgemein nach
einem Wettbewerbsvorteil durch das bessere Management/die bessere Geschäftsführung des
Unternehmens gefragt wurde. Gemessen wurde damit das situationsunabhängige Vertrauen in
die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Führung des Unternehmens, zu welcher das
Fördern von Innovationen zählt. Damit bleibt im Rahmen dieser Studie ungeklärt, ob der
fehlende Einfluss der Selbstwirksamkeitserwartung auf die Veränderbarkeit durch die Art der
Befragung oder die tatsächlichen Gegebenheiten im Unternehmen verursacht wurde.
Die zweite Ressource für Veränderungen wurde im Engagement und der
Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern gesehen. Je größer diese von der Führungskraft beurteilt
wurden, umso höher sollte die wahrgenommene Veränderbarkeit sein. Mit einem
Regressionsgewicht von ß=.21 (p<.001) ließ sich dieser Einfluss in der multiplen linearen
Regressionsanalyse statistisch nachweisen. Damit konnten die Annahmen von Gebert (1987,
2002) zur Bedeutung von Ressourcen, auf die für die Bewältigung der anstehenden
Veränderung zurückgegriffen werden kann, bestätigt werden. Krause (2004) nutzte das Modell
von Gebert ebenfalls für ihre empirische Untersuchung und fand dabei eine hohe positive
Korrelation zwischen innovationsbezogener Unterstützung durch die Führungskraft und
Veränderungsfähigkeit der Situation, die Mitarbeiter wahrnehmen (r=.58, p<.001). Allerdings
konnte sie den positiven Einfluss dieser Unterstützung in einer Regressionsanalyse nicht
nachweisen. Einen positiven Einfluss des Vertrauens in Peers mit b=.28 (p=.05) fanden dagegen
Eby et al. (2000), wobei dort Mitarbeiter befragt wurden und damit das Vertrauen in die ihnen
Gleichgestellten erfasst wurde. Hierin zeigt sich auch die Besonderheit der vorliegenden
Studie, die die Veränderungsbereitschaft von Führungskräften fokussierte und damit andere
Determinanten betrachtete, als das in Studien mit Mitarbeitern der Fall ist (vgl. dazu auch
Abschnitt 2.3.2). In der empirischen Bestätigung der Hypothese 1.4 besteht damit auch ein
Beitrag zur Validierung des Modells der Innovationsbereitschaft nach Gebert (1987, 2002), der
bislang bezogen auf Führungskräfte nicht geleistet wurde.
Ähnlich verhält es sich mit der dritten Ressource, die mit Blick auf die
organisationalen Ebene als Fehlertoleranz des Unternehmens operationalisiert wurde.
Allerdings zeigte sich hier unerwartet ein negativer Zusammenhang zwischen Fehlertoleranz
und Veränderbarkeit. Mit einem signifikantem Regressionsgewicht von ß=-.14 (p<.001)
reduzierte sich die wahrgenommene Veränderbarkeit, je höher die Fehlertoleranz im
Unternehmen ausgeprägt war. Betrachtet man die skalenbildenden Items, so bedeutet das,
dass die Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen damit einhergeht, dass im
Unternehmen keine Fehler gemacht werden dürfen und aufgetretene Fehler sanktioniert
werden. Dieser Befund lässt sich vor den Ergebnissen anderer Studien (z. B. Eby et al., 2000
zum signifikanten Einfluss der Flexibilität von organisationalen Normen und Prozeduren)
180
4 Empirische Überprüfung
schwer erklären. Da sich der Zusammenhang von Veränderbarkeit und Fehlertoleranz im
Regressionsmodell durch die Bereinigung um die gemeinsame Varianz mit den beiden anderen
Prädiktoren nicht bedeutsam veränderte, muss die Stabilität dieses Ergebnisses in weiteren
Studien überprüft werden. Interessant wird dieser Befund auch im Zusammenhang mit der
linearen
Strukturmodellierung,
Absorptionsfähigkeit
auf
die
die
den
Einfluss
Veränderbarkeit
der
prüfte.
zweiten
Um
der
Dimension
der
Diskussion
des
Strukturgleichungsmodells zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit an dieser Stelle nicht
vorzugreifen, wird auf den Unterabschnitt 4.3.2.2 verwiesen.
Zusammengefasst bestätigten die Regressionsanalysen damit die Vorhersagbarkeit
des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes sowie der wahrgenommenen Veränderbarkeit
durch die Indikatoren der Bewertungsprozesse nur zum Teil, während die Mehrheit der
erwarteten Zusammenhänge in den Korrelationsanalysen gefunden wurde. Entscheidend für
die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes ist demnach das Erkennen eines
Problemdrucks, der sich wie im vorliegenden Fall in der Beurteilung von Herausforderungen,
denen das Unternehmen gegenübersteht, niederschlägt. Eine Auswirkung der Unzufriedenheit
mit den Leistungserstellungsprozessen auf den Veränderungsbedarf konnte aufgrund der
Operationalisierung anhand von Wettbewerbsvorteilen nicht nachgewiesen werden. Für die
Einschätzung der Veränderbarkeit sind das Engagement und die Leistung der Mitarbeiter
verstärkende Einflussfaktoren, während die Fehlertoleranz im Unternehmen überraschend zu
einer
Reduktion
der
Aufgeschlossenheit
gegenüber
Veränderungen
führte.
Die
aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung der Geschäftsführer korrelierte zwar
signifikant positiv mit der Veränderbarkeit, hatte in der Regressionsanalyse allerdings keine
Vorhersagekraft. Diese Ergebnisse werden in Tabelle 4-43 noch einmal als Überblick
zusammengefasst.
Tabelle
4-43.
Zusammenfassung
der
Ergebnisse
zur
Vorhersagbarkeit
des
Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit aus den jeweiligen Indikatoren der
zugrundeliegenden Bewertungsprozesse (Hypothesentest)
Hypothese
Fazit aus der empirischen
Überprüfung
H1.1
Die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes lässt sich aus der Beurteilung
der Relevanz von Herausforderungen für das Unternehmen durch die
Führungskraft vorhersagen. Je mehr Herausforderungen die Führungskraft
wahrnimmt, desto größer schätzt sie den Veränderungsbedarf ein.
bestätigt
positive Korrelation;
signifikantes positives
Regressionsgewicht
H1.2
Die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes lässt sich aus der Beurteilung
der internen Leistungserstellung durch die Führungskraft vorhersagen. Je
höher die Unzufriedenheit der Führungskraft mit den internen
Leistungserstellungsprozessen oder deren Ergebnissen ist, desto größer
schätzt sie den Veränderungsbedarf ein.
nicht bestätigt
positive Korrelation der
Wettbewerbsvorteile
mit Veränderungsbedarf
kein Regressionsgewicht
4 Empirische Überprüfung
181
Tabelle 4-43. (Fortsetzung)
Hypothese
Fazit aus der empirischen
Überprüfung
H1.3
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus der
aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung der Führungskraft
vorhersagen. Je höher die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeitserwartung
der Führungskraft ist, desto größer ist die wahrgenommene
Veränderbarkeit.
nicht bestätigt
positive Korrelation aber
kein sign.
Regressionsgewicht
H1.4
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus der Wahrnehmung
des Engagements und der Leistung der Mitarbeiter vorhersagen. Je höher
die Führungskraft das Engagement und die Leistung der Mitarbeiter
beurteilt, desto größer ist die wahrgenommene Veränderbarkeit.
bestätigt
positive Korrelation;
signifikantes positives
Regressionsgewicht
H1.5
Die Wahrnehmung der Veränderbarkeit lässt sich aus dem Umgang mit
Fehlern im Unternehmen vorhersagen. Je höher die Fehlertoleranz im
Unternehmen ist, desto größer ist die wahrgenommene Veränderbarkeit.
nicht bestätigt
negative Korrelation;
signifikantes negatives
Regressionsgewicht
4.3.3.2. Diskussion zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft
der Führungskraft
Das
Hauptziel
der
empirischen
Analyse
war
es,
die
Förderung
der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch die organisationale Absorptionsfähigkeit
zu untersuchen. Begründet war diese Wirkungsannahme damit, dass zum einen die
Entstehung von Innovationsbereitschaft als kognitiver Informationsverarbeitungsprozess
verstanden werden kann und zum anderen die Bedeutung von Wissen und der
intraorganisationale Umgang damit zentral für die Innovativität von Unternehmen sind. Ein
besonderer Stellenwert kommt dabei der Verbindung von neuem und unternehmensexternem mit vorhandenem, internem Wissen zu. Diese Verbindung kann mit dem Konzept der
Absorptionsfähigkeit beschrieben werden. Diese Fähigkeit wurde in der vorliegenden Arbeit als
dreidimensionales Konstrukt verstanden, welches die Phasen Erkennen externen, relevanten
Wissens, Aufnehmen und Transformieren sowie die nutzstiftende Verwertung dieses Wissens
umfasst. Nachfolgend werden die Ergebnisse zum Einfluss dieser drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit auf die Bewertung des Veränderungsbedarfes und der Veränderbarkeit
der Situation als Kenngrößen der Innovationsbereitschaft diskutiert. Da diesen Bewertungen
zwei verschiedene Beurteilungsprozesse zugrunde liegen – nämlich die Evaluation des
Problemdrucks in der Situation und die Evaluation der für eine Veränderung zur Verfügung
stehenden Ressourcen – wurden die Hypothesen zur Beeinflussung des Veränderungsbedarfes
und der Veränderbarkeit getrennt voneinander formuliert und ebenso empirisch getestet.
182
4 Empirische Überprüfung
Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf den wahrgenommenen Veränderungsbedarf
Mit den Hypothesen 2.1 und 2.3 wurde zunächst erwartet, dass die erste und zweite
Dimension der Absorptionsfähigkeit und damit der Kontakt mit externem Wissen, dessen
Aufnahme, Transformation und unternehmensinterne Verteilung zu einem höheren
wahrgenommenen Veränderungsbedarf führen. Hypothese 2.5 ging davon aus, dass die
Wirkung der zweiten Dimension größer als die der ersten ausfallen sollte, weil in der Phase der
Wissensaufnahme in das Unternehmen die Führungskraft auch auf das Wissen anderer
Organisationsmitglieder zurückgreifen kann, während in der ersten Phase ihr nur das selbst
entdeckte Wissen zur Verfügung steht. Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden die
bivariaten Produkt-Moment-Korrelationen untersucht, t-Tests zum Vergleich der Gruppen mit
geringer und sehr hoher Absorptionsfähigkeit durchgeführt sowie multiple lineare
Regressionsmodelle
berechnet.
Strukturgleichungsmodell
die
Ergänzend
dazu
mediierende
wurde
Wirkung
in
der
einem
linearen
wahrgenommenen
Herausforderungen analysiert.
Die Korrelationsanalyse unterstützte die Annahmen 2.1 und 2.3, da beide
Dimensionen der Absorptionsfähigkeit signifikant positiv mit dem wahrgenommenen
Veränderungsbedarf korrelierten, wobei der Korrelationskoeffizient der zweiten Dimension
niedriger als der der ersten Dimension ausfiel, was gegen die Hypothese 2.5 sprach. Diese
Tendenz zeigte sich auch in den Extremgruppenvergleichen. Für diese Vergleiche wurden je
Dimension der Absorptionsfähigkeit nach dem 25. und dem 75. Perzentil eine Gruppe mit
geringer Ausprägung der Absorptionsfähigkeit und eine Gruppe mit hoher Ausprägung
gebildet.
Diese
Gruppen
wurden
mit
t-Tests
hinsichtlich
ihrer
Mittelwerte
des
wahrgenommenen Veränderungsbedarfes verglichen. Dabei unterschied sich der Mittelwert
der Gruppe mit einer niedrigen Ausprägung der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit
statistisch signifikant von dem der Gruppe mit sehr hoher Ausprägung. Mit einer mittleren
Effektstärke von d=.48 war dieser Unterschied auch praktisch bedeutsam. Ein statistisch
signifikanter Unterschied wurde zwischen den Extremgruppen der zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit gefunden, der mit einer Effektstärke von d=.28 praktisch gering ausfiel.
Bezogen auf die drei Subskalen der zweiten Absorptionsfähigkeitsdimension zeigten sich bei
der technischen Unterstützung kein Unterschied zwischen den Gruppen und auch keine
Korrelation mit dem Veränderungsbedarf. Kleine Effekte der Mittelwertsunterschiede fanden
sich in der systematischen Auswertung von Informationen sowie dem Erfahrungsaustausch im
Unternehmen. Mit diesen Ergebnissen wurde deutlich, dass der wahrgenommene
Veränderungsbedarf höher ist, wenn Kontakte zur Unternehmensumwelt bestehen, die für die
Entdeckung neuen, relevanten Wissens genutzt werden können. Wenn Wissen und
Informationen systematisch ausgewertet werden und wenn es einen formellen wie
informellen Erfahrungsaustausch im Unternehmen gibt, resultiert ebenfalls ein höherer
wahrgenommener Veränderungsbedarf. Ob für den Austausch und die Speicherung von
4 Empirische Überprüfung
183
Wissen und Informationen technische Möglichkeiten genutzt werden, macht für den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf dagegen keinen Unterschied.
Um gleichzeitig den Einfluss aller drei Dimension der Absorptionsfähigkeit auf den
wahrgenommenen Veränderungsbedarf zu untersuchen, wurde aufbauend auf den linearen
Korrelationen eine multiple lineare Regression berechnet, bei der das Kriterium
Veränderungsbedarf durch die einzelnen Dimension der Absorptionsfähigkeit vorhergesagt
wurde. Das Regressionsmodell wurde signifikant, erreichte mit 4% Varianzaufklärung allerdings
nur eine geringe Modellgüte. Aufgrund der Operationalisierung des Veränderungsbedarfes ist
diese Güte nur mit der Studie von Krause (2004) vergleichbar, in der allerdings post-hoc eine
konkrete Prozessinnovation analysiert wurde. Zur Erklärung der durch Mitarbeiter
wahrgenommenen Veränderungsbedürftigkeit wurden dort als vier Qualitäten des
Führungsverhaltens die Führung durch Einfluss, durch Macht, durch Vertrauen und durch
Misstrauen herangezogen, die insgesamt 11% Varianz erklärten, wobei als einziger Prädiktor
die Führung durch Einfluss mit ß=.44 signifikant wurde (Krause, 2004, S. 280). Vor dem
Hintergrund, dass in dieser Untersuchung die Prädiktoren inhaltlich verschiedener als in der
vorliegenden Arbeit waren, erscheint die Varianzaufklärung von 4% nicht mehr so gering wie
nach der Konvention von Cohen (1988) interpretiert wurde.
In das Regressionsmodell wurden entsprechend der Phasenabfolge nacheinander die
erste, zweite und dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit in das Modell aufgenommen.
Dabei blieb die Vorhersagekraft der ersten Dimension in allen vier Schritten nahezu
unverändert, womit ein stabiler und statistisch bedeutsamer Einfluss der Umweltkontakte
vorlag.
Dagegen
reduzierte
sich
der
Zusammenhang
zwischen
der
zweiten
Absorptionsfähigkeitsdimension und dem Veränderungsbedarf deutlich, wenn er um die
gemeinsame Varianz mit den anderen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit bereinigt wurde.
Daher blieb die zweite Dimension in allen Regressionsschritten ohne Vorhersagekraft,
allerdings erhöhte ihr Einbezug die Vorhersagekraft der anderen Variablen, indem sie
irrelevante Varianzen der anderen Prädiktoren unterdrückte und somit als Suppressorvariable
auftrat. Ohne signifikante Vorhersagekraft blieb auch die Umsetzung des neuen Wissens in
inkrementelle
Prozess-
und
Strukturveränderungen.
Dieser
Aspekt
der
dritten
Absorptionsfähigkeitsdimension trat nicht als Suppressorvariable in Erscheinung und war
aufgrund seines statistisch zwar nicht bedeutsamen, aber minimal vorhandenem Anteil an der
Varianzaufklärung des Kriteriums auch keine redundante Variable. Seine positive Korrelation
mit dem Veränderungsbedarf reduzierte sich durch die Bereinigung um die gemeinsame
Varianz mit den anderen Prädiktoren, womit er in der Erklärung der Ausprägung einer
erkannten Veränderungsnotwendigkeit eine untergeordnete Rolle spielte. Dementgegen
erhöhte der Einbezug der Prozessinnovationen die Güte des Regressionsmodells signifikant.
Dabei
reduzierte
sich
der
wahrgenommene
Veränderungsbedarf,
je
häufiger
Prozessinnovationen im Unternehmen realisiert wurden. Während die Korrelationsanalyse
184
4 Empirische Überprüfung
keinen Zusammenhang zwischen Veränderungsbedarf und Prozessinnovationen zeigte, führte
die Bereinigung um die gemeinsame Varianz mit den anderen Prädiktoren zu einer deutlichen
Erhöhung der Korrelation dieses Prädiktors mit dem Kriterium. Damit lässt sich das vom
Ergebnis der Korrelationsanalyse abweichende signifikante ß-Gewicht der Prozessinnovationen
erklären.
Diese hierarchische Regression bestätigte damit die Hypothese 2.1 und sprach
deutlich gegen die Hypothesen 2.3 und 2.5. Demnach war die erste Dimension der
Absorptionsfähigkeit für die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes ausschlaggebend,
während die zweite Dimension im Zusammenspiel aller Absorptionsfähigkeitsphasen keinen
signifikanten Einfluss mehr hatte. Zu erklären ist die starke Wirkung der ersten Dimension
dadurch,
dass
sowohl
Innovationsbereitschaft
als
auch
die
erste
Phase
der
Absorptionsfähigkeit auf der individuellen Ebene der Führungskraft betrachtet wurden. Im
Kontext der vorliegenden Untersuchung bedeutete eine hohe Ausprägung der ersten
Absorptionsfähigkeitsdimension, dass im Unternehmen mehr Möglichkeiten zum Erkennen
von neuem, relevantem Wissen in der Umwelt bestanden. Zu diesen Möglichkeiten zählten
Kontakte mit Kunden und Lieferanten aber auch F&E-Kooperationen sowie der
Erfahrungsaustausch auf Messen und Kongressen. Vor dem Hintergrund der Stichprobe wird
deutlich, dass in KMU insbesondere die befragten Geschäftsführer über diese Kontakte mit der
Unternehmensumwelt verfügen (vgl. z. B. Blessin, 2001). Damit wird die ersten Dimension der
Absorptionsfähigkeit vorrangig auf der individuellen Ebene der befragten Führungskraft
abgebildet, woraus ein höherer Zusammenhang mit der individuellen Innovationsbereitschaft
dieser Führungskraft resultieren könnte, da in beiden Fällen Informationsverarbeitungsprozesse des Individuums betrachtet werden. Damit kann erklärt werden, warum die erste
Dimension der Absorptionsfähigkeit einen so großen Einfluss auf den subjektiv empfundenen
Problemdruck ausübt. Wie die Befunde der Expertiseforschung (z. B. Chi, 2006; Sonnentag &
Schmidt-Brasse, 1998) sowie von Vance et al. (1991) nahelegen, bewertete die Führungskraft
die unternehmensinterne Situation aufgrund ihrer subjektiven Auseinandersetzung mit
externen, relevanten Wissen differenzierter und gleichzeitig kritischer. In einem explorativen
linearen Strukturgleichungsmodell konnte darüber hinaus belegt werden, dass der Einfluss der
Kontakte zur Unternehmensumwelt dadurch mediiert wurde, dass die Führungskraft mehr
Herausforderungen für das Unternehmen wahrnahm. Das Modell erklärte 7% der Varianz im
wahrgenommenen Veränderungsbedarf, wobei sowohl der direkte Pfad von der ersten
Absorptionsfähigkeitsdimension auf den Veränderungsbedarf als auch der indirekte Pfad über
die erkannten Herausforderungen signifikant wurden. Daraus ergab sich ein totaler Einfluss der
Absorptionsfähigkeit von γ=.24 auf das Erkennen einer Notwendigkeit zur Veränderung, der
zum Teil durch die Beurteilung von Herausforderungen mediiert wurde. Mit einer
Einflussstärke von γ=.5 erklärten die Kontakte zur Unternehmensumwelt 25% der Varianz in
den wahrgenommenen Herausforderungen.
4 Empirische Überprüfung
185
Der fehlende Einfluss der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit lässt sich unter
Einbezug von empirischen Befunden zur Wirkung des unternehmensinternen Umganges mit
Wissen erklären. Operationalisiert wurde die zweite Dimension mit Items zur systematischen
Auswertung des externen Wissens, dem formellen wie informellen Erfahrungsaustausch
zwischen Organisationsmitgliedern sowie der Nutzung von technischen Möglichkeiten zur
Speicherung und Verteilung von Informationen im Unternehmen. Wie bspw. Lee und Sun-Kyu
Lee (2007, S. 38) in einer Studie mit 68 koreanischen Unternehmen zeigten, haben Prozesse
zur Bewertung, Generierung, Einbindung oder Nutzung von Wissen mit einem Pfadkoeffizient
γ=.73 (p<.01) einen signifikanten positiven Einfluss auf kundenbezogene Leistungsergebnisse
(Kundenzufriedenheit, Anzahl der Neukunden) sowie mit γ=.47 (p<.01) auch auf finanzielle
Erfolgsgrößen (ROI, Marktanteil, Gewinn). Damit liegt nahe, dass die zweite Dimension der
Absorptionsfähigkeit positiv mit Kennzahlen des Unternehmenserfolges korreliert, wodurch sie
auch die Wahrnehmung der Führungskraft bezüglich der internen Leistungserstellungsprozesse positiv beeinflussen kann. Je effizienter und effektiver der Umgang mit Wissen im
Unternehmen ist, umso weniger würde die Führungskraft dann eine Notwendigkeit für
Veränderungen sehen. Bleibt man darüber hinaus in der Argumentationslogik dieser Arbeit,
dann könnte es sich bei dem Zusammenhang von Wissensaufnahme ins Unternehmen und
dem wahrgenommenen Veränderungsbedarf um eine umgekehrte U-Funktion79 handeln. Bei
geringer und sehr hoher Ausprägung der zweiten Phase der Absorptionsfähigkeit wäre der
Veränderungsbedarf geringer als bei einer mittleren Ausprägung, weil im ersten Fall weniger
Wissen über alternative Möglichkeiten zur Verfügung steht und im letzten Fall durch den
systematischen Umgang mit Wissen die Unternehmensergebnisse positiv beeinflusst werden,
so dass die Zufriedenheit der Führungskraft mit den internen Leistungserstellungsprozessen
höher ausfällt. Um diese Annahmen empirisch überprüfen zu können, müsste die
Unzufriedenheit mit der internen Leistungserstellung exakter gemessen und zusätzliche Daten
bspw. zur Verfügbarkeit von Informationen erhoben werden.
Mit der Regressionsanalyse konnte weiterhin die Hypothese 2.7 zur negativen
Wirkung der dritten Absorptionsfähigkeitsdimension auf den Veränderungsbedarf nur zum Teil
bestätigt
werden.
So
Strukturveränderungen,
fand
sich
während
kein
Effekt
der
inkrementellen
hypothesenkonform
eine
Prozess-
höhere
Zahl
und
von
Prozessinnovationen den wahrgenommenen Veränderungsbedarf reduzierte. Vor dem
Hintergrund
der
Operationalisierung
des
Verwertens
neuen
Wissens
als
dritte
Absorptionsfähigkeitsdimension, lassen sich diese Effekte inhaltlich nachvollziehen. So enthielt
die Skala AF3-Verwerten_KVP drei Items, die inkrementelle Veränderungen von Prozessen und
Strukturen
des
Unternehmens
abbildeten.
Dabei
impliziert
ein
kontinuierlicher
Verbesserungsprozess bereits die Annahme, dass stetig ein Verbesserungsbedarfes
79
Mathematisch korrekter formuliert: eine nach unten geöffnete Parabelfunktion.
186
4 Empirische Überprüfung
wahrgenommen wird, wodurch die leicht positive Korrelation mit dem Erkennen einer
Veränderungsnotwendigkeit erklärbar ist. Dagegen werden mit Prozessinnovationen
Herstellungsprozesse, Methoden oder Verfahren grundlegend erneuert, was dazu führt, dass
bei einer hohen Frequenz solcher Neuerungen der Bedarf nach weiteren Veränderungen
geringer eingestuft wird.
Deutlich wurde bei der hierarchischen Regressionsanalyse auch das komplexe
Zusammenspiel der einzelnen Aspekte der Absorptionsfähigkeit, wenn deren gleichzeitiger
Einfluss auf die Veränderbarkeit betrachtet wird. Hierin zeigte sich auch der Vorteil der
Regressionsanalyse,
da
sie
im
Unterschied
zu
bivariaten
Korrelationsanalysen
Interdependenzen zwischen den Variablen einbezieht und damit das Zusammenspiel der
einzelnen Prädiktoren besserer darstellen kann. Die Mittelwertsvergleiche zwischen den
Extremgruppen nach Ausprägung der jeweiligen Absorptionsfähigkeitsdimension sind
dahingehend aufschlussreich, dass sie die grundlegende Tendenz empirisch bestätigen
konnten, wonach eine höhere Ausprägung in der ersten und zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit mit einem höheren wahrgenommenen Veränderungsbedarf einhergeht.
Der wahrgenommene Veränderungsbedarf unterschied sich statistisch signifikant von dem in
der Gruppe mit niedriger Absorptionsfähigkeit. In Anbetracht der großen Stichprobe80 wurden
neben dem Signifikanztest die Effektstärken der Mittelwertsunterschiede berechnet, womit
der Unterschied in der praktischen Bedeutsamkeit der ersten und der zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit bezüglich des Veränderungsbedarfes sichtbar wurde. Entgegen der
Annahmen unterschieden sich die Extremgruppen der ersten Absorptionsfähigkeitsdimension
stärker als die der zweiten Absorptionsfähigkeitsdimension, was in Einklang mit den
Ergebnissen der Regression als größere Einflussstärke interpretiert werden kann und bereits
diskutiert wurde.
80
Je größer die Stichprobe ist, umso eher werden Mittelwertsunterschiede signifikant, da die Teststärke
zunimmt, die das Entdecken auch kleiner Differenzen erlaubt (zum Zusammenhang von
Stichprobengröße, Teststärke und Alpha-Fehler-Niveau siehe ausführlich Sedlmeier, 1996). Ergänzend zu
Signifikanztest wird daher die Berechnung von Effektstärken empfohlen, deren Interpretation
wesentlich auf die Arbeiten von Cohen (1988) zurückgeht. Demnach kann ein Unterschied zwischen den
Mittelwerten zweier Gruppen unter Beachtung der Standardabweichung(en) und Stichprobengröße(n)
eine kleine, mittlere oder große praktische Bedeutsamkeit haben. Siehe auch Fußnote 67, S. 152.
4 Empirische Überprüfung
187
In der Tabelle 4-44 werden die Befunde bezogen auf die Überprüfung der Hypothesen noch
einmal zusammengefasst.
Tabelle 4-44. Zusammenfassung der Befunde zur Beeinflussung des wahrgenommenen
Veränderungsbedarfes durch die drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
(Hypothesentests)
Hypothese
Fazit aus der empirischen Überprüfung
H2.1
Die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit hat einen
positiven Einfluss auf die Beurteilung des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen Situation. Je stärker die erste Dimension
ausgeprägt ist, umso höher ist der wahrgenommene
Veränderungsbedarf.
bestätigt
mittlerer Effekt bei Extremgruppen-vergleich;
positiver Einfluss in Regression und positiver
direkter und indirekter Effekt im SEM
H2.3
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit hat
einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung des
Veränderungsbedarfes
der
unternehmensinternen
Situation. Je stärker die zweite Dimension ausgeprägt ist,
umso höher ist der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
nicht bestätigt
Extremgruppen unterscheiden sich nur mit
kleinem Effekt; kein Einfluss in Regression
H2.5
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
beeinflusst die Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes der unternehmensinternen Situation stärker als
die erste Dimension.
nicht bestätigt
H2.7
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit hat einen
negativen Einfluss auf die Wahrnehmung des
Veränderungsbedarfes
der
unternehmensinternen
Situation. Je stärker die dritte Dimension ausgeprägt ist,
umso geringer ist der wahrgenommene Veränderungsbedarf.
nur für Prozessinnovationen bestätigt
im
Extremgruppenvergleich
entgegengesetzter bzw. kein Effekt; in Regression kein
Einfluss von KVP aber negativer Einfluss der
Prozessinnovationen
Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die wahrgenommene Veränderbarkeit
Analog zur Beeinflussung des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes wurden vier
Hypothesen zu Wirkungen der einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit auf die
Veränderbarkeit formuliert. Dabei wurde mit der Hypothese 2.2. für die erste Dimension der
Absorptionsfähigkeit nur dann ein positiver Einfluss auf die Veränderbarkeit erwartet, wenn
auch die zweite und dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit hohe Ausprägungen aufweisen.
Hintergrund der Annahme war, dass das von allen Organisationsmitgliedern erkannte externe
Wissen eine größere Wirksamkeit entfalten kann, wenn es in das Unternehmen
aufgenommen, verteilt und verwertet wurde.
188
4 Empirische Überprüfung
Die Korrelationsanalyse zeigte zunächst einen hohen positiven Zusammenhang
zwischen der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit und der wahrgenommenen
Veränderbarkeit der Situation. Entsprechend fanden sich im Extremgruppenvergleich deutliche
Unterschiede in der Veränderbarkeit zwischen der Gruppe mit niedriger und der der mit hoher
Ausprägung der Absorptionsfähigkeit. Um die Annahme des bedingten Einflusses dieser
Dimension auf die Veränderbarkeit zu überprüfen, wurde eine mehrfaktorielle Varianzanalyse
gerechnet, die jedoch aufgrund fehlender Werte in einzelnen Merkmalskombinationen nicht
aussagekräftig war. Deshalb wurde anschließend in drei zweifaktoriellen Varianzanalysen
geprüft, ob Interaktionseffekte zwischen der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit und
der zweiten sowie dritten Dimension auftraten. In keiner Kombination ließ sich eine
Interaktion feststellen, weshalb die Hypothese 2.2 abgelehnt werden musste. Eine weitere
Regressionsanalyse
ergab
zudem,
dass
der
Einfluss
der
ersten
Dimension
der
Absorptionsfähigkeit auf die Veränderbarkeit deutlich reduziert wurde, wenn die anderen
Dimensionen in die Berechnung einbezogen wurden. Damit handelte es sich bei der ersten
Dimension um eine redundante Variable, die trotz hoher bivariater Korrelation mit dem
Kriterium keine zusätzliche Information für dessen Vorhersage lieferte, wenn sie um die
gemeinsame Varianz mit den anderen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit bereinigt wurde.
Ob die unternehmensinterne Situation als veränderbar erlebt wird, hängt also nicht
davon ab, wie viele Kontakte ein Unternehmen zu seiner Unternehmensumwelt hat und wie
viele Möglichkeiten es zum Entdecken von relevantem, externem Wissen gibt. Greift man auf
die oben bereits geführte Diskussion zur speziellen Rolle des Geschäftsführers eines KMU für
die Ausgestaltung der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit zurück, so bedeuten die
Befunde auf der individuellen Ebene, dass ein Geschäftsführer seinen Zugang zu
Wissensquellen außerhalb des eigenen Unternehmens nicht unmittelbar als Ressource für eine
unternehmensinterne Veränderung wahrnimmt. Zusammengefasst heißt das, dass der Kontakt
zu neuem Wissen per se noch keine Vorteile für die Umgestaltung des eigenen Unternehmens
bedeutet, weil solche internen Veränderungen viel stärker von den Strukturen, Prozessen und
Mitgliedern der Organisation determiniert werden als von der Verfügbarkeit neuen Wissens.
Dieser Annahme wurde mit den Hypothesen 2.4, 2.6 und 2.8 Rechnung getragen.
Mit den Hypothesen 2.4 und 2.6 wurde zunächst davon ausgegangen, dass eine
höhere Ausprägung der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit zu einer größeren
wahrgenommenen Veränderbarkeit führen sollte (H2.4) und dieser Einfluss größer sein sollte
als der der ersten Dimension der Absorptionsfähigkeit (H2.6). In den Korrelationsanalysen fand
sich erwartungskonform ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der zweiten
Dimension der Absorptionsfähigkeit und der Veränderbarkeit, wobei die Subskala der
systematischen Auswertung von Wissen und Informationen im Unternehmen am höchsten mit
der Veränderbarkeit korrelierte. Im Vergleich der Extremgruppen fanden sich über alle
Subskalen hinweg statistisch und praktisch bedeutsame, große Unterschiede zwischen der
4 Empirische Überprüfung
189
Gruppe mit jeweils niedriger Ausprägung der Absorptionsfähigkeit und der mit jeweils hoher
Ausprägung.
Um den Einfluss der drei Absorptionsfähigkeitsdimensionen auf die Veränderbarkeit
miteinander in Beziehung zu setzen, wurde eine hierarchische multiple Regression berechnet.
In diese wurden entsprechend der Phasenfolge alle drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit
aufgenommen,
da
alle
signifikant
positiv
mit
dem
Kriterium
korrelierten.
Die
Regressionsmodelle zeigten dabei, dass die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit und das
Vorhandensein von Prozessinnovationen als Bestandteil der dritten Dimension keine
Bedeutung für die Vorhersage der Veränderbarkeit hatten. Dementsprechend wurde eine
weitere hierarchische multiple Regression mit den Prädiktoren AF2-Aufnehmen und AF3Verwerten_KVP berechnet, in der die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit 18% der
Varianz in der wahrgenommenen Veränderbarkeit aufklären konnte und zusammen mit den
inkrementellen Prozess- und Strukturveränderungen als Aspekt der dritten Dimension 21% der
Varianz.
Diese Werte der Varianzaufklärung lagen wiederum unter denen im Regressionsmodell von Krause (2004), das die Veränderungsbedürftigkeit durch vier Qualitäten des
Führungsverhaltens (Einfluss, Macht, Vertrauen, Misstrauen) vorhersagte und 66%
Varianzaufklärung erreichte. Anzumerken ist allerdings, dass sich Prädiktoren und Kriterium in
der Studie von Krause (2004) inhaltlich ähnlich waren, da die Veränderungsfähigkeit der
Situation anhand der empfundenen Unterstützung durch den Vorgesetzten gemessen wurde.
Bei der vorliegenden Untersuchung traf diese inhaltliche Nähe auf die inkrementellen
Veränderungen der Strukturen und Prozesse (AF3-Verwerten_KVP) zu, deren Einfluss auf die
Veränderbarkeit später noch diskutiert wird. Wie bei Krause (2004) konnte in der vorliegenden
Arbeit ein höherer Anteil der Varianz in der Veränderbarkeit aufgeklärt werden als in der
Varianz des Veränderungsbedarfes. Daraus wird deutlich, dass auf den Veränderungsbedarf
neben der Absorptionsfähigkeit weitere Faktoren einen noch größeren Einfluss ausüben als auf
die Veränderbarkeit, da die Absorptionsfähigkeit einen größeren Anteil der Veränderbarkeit
erklären kann als im Vergleich zum Veränderungsbedarf.
Im Regressionsmodell zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus der zweiten und
dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit wurden beide Prädiktoren signifikant. Der Einfluss
der zweiten Dimension war mit ß=.29 etwas höher als der der dritten Dimension mit ß=.21.
Damit wurde Hypothese 2.4 bestätigt und, weil die erste Dimension der Absorptionsfähigkeit
nicht zur Vorhersage der Veränderbarkeit beitrug, auch die Hypothese 2.6 empirisch belegt.
Eine weitere Regressionsanalyse mit den drei Subskalen der zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit als Prädiktoren zeigte, dass sich die wahrgenommene Veränderbarkeit
dann erhöht, wenn eine systematische Auswertung von Wissen und Informationen im
Unternehmen erfolgt und wenn Erfahrungen zwischen Mitarbeitern und zwischen
Mitarbeitern und Vorgesetzten weitergegeben werden. Dagegen standen die Nutzung
190
4 Empirische Überprüfung
technischer Möglichkeiten zur Speicherung und Verteilung von Wissen und Informationen in
keinem Verhältnis zur Veränderbarkeit, nach der Bereinigung um die gemeinsame Varianz mit
den anderen Subskalen konnte kein Zusammenhang mit dem Kriterium mehr festgestellt
werden. Diese Befunde zeigen, dass die technische Ausstattung sowie deren Nutzung nicht als
Ressource für organisationale Neuerungen einzustufen sind.
Vermutet wurde darüber hinaus, dass die Organisationsmitglieder durch die
Auseinandersetzung mit relevantem, externem Wissen ihre intellektuellen Fähigkeiten
verbessern und sich dieses Lernen wiederum positiv auf ihre Arbeitsleistung auswirkt, wodurch
die Mitarbeiter des Unternehmens von der Führungskraft als Ressource für anstehende
Veränderungen
wahrgenommen
werden.
Diese
Annahme
einer
Mediation
der
Absorptionsfähigkeitswirkung durch die Beurteilung der Mitarbeiterleistung wurde explorativ
mit einem linearen Strukturgleichungsmodell überprüft. In dieses Modell wurden
entsprechend der Ergebnisse der Regressionsanalyse nur die Subskalen systematische
Auswertung von Wissen und Informationen sowie der Erfahrungsaustausch innerhalb des
Unternehmens als Bestimmungsgrößen der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit
aufgenommen. Dabei beeinflusste die Absorptionsfähigkeit zwar die Einschätzung der
Mitarbeiterleistung (γ=.44, p<.001), diese konnte ihrerseits aber nicht auf die Veränderbarkeit
wirken. Stattdessen trat die Fehlertoleranz im Unternehmen als Mediator in Erscheinung. Je
höher die Fehlertoleranz ausfiel, umso geringer wurde die Veränderbarkeit eingeschätzt (vgl.
die Ausführungen unter Punkt 4.3.2.1). Weil die Fehlertoleranz jedoch mit zunehmender
Absorptionsfähigkeit geringer wurde, erhöhte sich der totale Einfluss der Absorptionsfähigkeit
durch die Variable Fehlertoleranz auf insgesamt γ=.43, womit 24% der Varianz in der
wahrgenommenen Veränderbarkeit erklärt werden konnte. Damit wurde die Hypothese 2.4
bestätigt und ein großer direkter Effekt sowie ein geringer indirekter Effekt der zweiten
Dimension der Absorptionsfähigkeit auf die Veränderbarkeit nachgewiesen.
Die Ergebnisse der linearen Strukturmodellierung bedeuten weiterhin, dass im
Unternehmen die Fehlertoleranz umso geringer ist, je systematischer der Umgang mit Wissen
und Informationen erfolgt und je mehr Erfahrungen über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen
hinweg weitergegeben werden. Das könnte bedeuteten, dass die größere Transparenz im
Unternehmen und die größere Verantwortung von Mitarbeitern durch die Auswertung und
Verteilung von Wissen dazu führen, dass die Fehlertoleranz insgesamt geringer wird. Damit
würden Mitarbeiter selbst einen Anteil daran haben, wenn Fehler konsequent sanktioniert
werden. Schwer zu erklären ist, warum solche Sanktionen empirisch in einem positiven
Zusammenhang mit der wahrgenommenen Veränderbarkeit stehen. Da die Berechnung des
linearen Strukturgleichungsmodells auf Kovarianzen und Korrelationen basiert, bildet das
Modell streng genommen nur lineare Zusammenhänge ab, die aufgrund theoretischer Modelle
und bisheriger Erkenntnisse allerdings kausal interpretiert werden. Betrachtet man unter
diesem Gesichtspunkt den negativen Zusammenhang zwischen Absorptionsfähigkeit und
4 Empirische Überprüfung
191
Fehlertoleranz, könnte auch eine umgekehrte kausale Beziehung bestehen. Damit würde die
Sanktionierung von Fehlern dazu führen, dass im Unternehmen Wissen und Informationen
systematisch ausgewertet und umfassend verteilt werden. Aus dieser Perspektive wäre die
Fehlertoleranz keine Ressource für die Veränderbarkeit der Situation, sondern vielmehr eine
Bedingung dafür, dass Wissen im Unternehmen verarbeitet und verteilt wird. Hier wird die
Grenze der Querschnittsuntersuchung deutlich, da zur eindeutigen Beantwortung der Frage
nach der kausalen Beziehung mindestens zwei Messzeitpunkte erforderlich sind. Diese
Einschränkung der kausalen Schlüsse gilt für die gesamte Untersuchung, weil die Daten nur zu
einem Zeitpunkt erhoben wurden. Aufgrund der theoretischen Herleitung sowie der
Itemformulierungen
lassen
sich
die
anderen
gefundenen
Zusammenhänge
unter
Berücksichtigung der methodischen Grenzen jedoch kausal interpretieren.
Als letzter Aspekt wurde der Einfluss der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit
auf die wahrgenommene Veränderbarkeit im Zuge der bereits beschrieben multiplen linearen
Regression gemeinsam mit dem Einfluss der zweiten Dimension der Absorptionsfähigkeit
untersucht. In diesem Modell konnte auch die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit die
wahrgenommene Veränderbarkeit der Situation signifikant vorhersagen. Je häufiger
inkrementelle Prozess- und Strukturveränderungen im Unternehmen stattfanden, umso
größer wurde die Möglichkeit zur Veränderung der Situation eingeschätzt. Damit konnte die
Hypothese 2.8 für diesen Aspekt der Verwertung neuen Wissens bestätigt werden, während
die Prozessinnovationen, wie bereits beschrieben, keine Vorhersagekraft besaßen. Zu
beachten ist bei der Höhe des Regressionsgewichtes allerdings, dass zwischen Prädiktor und
Kriterium eine relativ große inhaltliche Nähe bestand. So wurde die Prädiktorvariable aus
Fragen zum Stellenwert des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses im Unternehmen sowie
der Anpassung von Verfahren und Abläufen aufgrund der Anregungen von Mitarbeitern
erfasst, während das Kriterium mit der Frage nach der Aufgeschlossenheit im Unternehmen
gegenüber Veränderungen abbildet wurde. Diese inhaltliche Nähe wurde jedoch bereits im
Wirkungsmodell im 3. Kapitel beschrieben. Die Hypothese 2.8 wurde formuliert, weil davon
ausgegangen wurde, dass die positiven Erfahrungen mit bisherigen organisationalen
Veränderungen im Unternehmen das Vertrauen der Führungskraft in die Machbarkeit
zukünftiger Veränderungen erhöhen würde.
Hierin wird auch die Verwobenheit der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit,
die zu großen Teilen auf Entscheidungen der Führungskraft basieren und hier die unabhängige
Variable darstellte, mit der Innovationsbereitschaft der Führungskraft als abhängige Variable
deutlich. Um diese Wechselwirkungen angemessen beschreiben zu können, ist eine
Betrachtung zu mehreren Zeitpunkten nötig. Dass die bisherigen Prozessinnovationen des
Unternehmens keine Vorhersagekraft für die wahrgenommene Veränderbarkeit besaßen, mag
an einer schwächeren Verbindung beider Konstrukte im kognitiven Netz der Führungskraft
liegen (vgl. z. B. Schmidt & Boshuizen, 1993). Da für einen Marktvorteil durch neue Verfahren,
192
4 Empirische Überprüfung
Methoden oder Herstellungsprozesse – wie Prozessinnovationen in der vorliegenden Studie
operationalisiert wurden – weit mehr als nur interne Möglichkeiten zur Veränderung relevant
sind81, könnte dazu geführt haben, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen
wenig mit den bisher erfolgreichen Prozessinnovationen in Verbindung gebracht wurde.
Die Konsequenzen dieser Ergebnisse werden im Kapitel 5 noch aufgezeigt werden.
Um die empirischen Befunde zur Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf den wahrgenommenen
Veränderungsbedarf noch einmal zusammenzufassen, werden in Tabelle 4-45 die Aussagen zur
Gültigkeit der Hypothesen im Überblick dargestellt.
Tabelle 4-45. Zusammenfassung der Befunde zur Beeinflussung der wahrgenommenen
Veränderbarkeit durch die drei Dimensionen der Absorptionsfähigkeit (Hypothesentests)
Hypothese
Fazit aus der empirischen Überprüfung
H2.2
Wenn die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
sowie die dritte Dimension eine hohe Ausprägung haben,
dann führt auch eine hohe Ausprägung der ersten
Dimension zu einer höheren wahrgenommenen
Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation.
nicht bestätigt
keine Interaktion bei ANOVA; generell
großer Effekt bei Extremgruppenvergleich, aber redundante Variable in
der Regression
H2.4
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit hat einen
positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der
Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation. Je
stärker die zweite Dimension ausgeprägt ist, umso höher
wird die Veränderbarkeit der Situation bewertet.
bestätigt
Extremgruppen unterschieden sich mit
großem Effekt; positiver Einfluss in der
Regression, dabei nur durch die Skalen
Systematik und Austausch; positive
direkte und indirekte Effekte im SEM
H2.6
Die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit beeinflusst
die
Wahrnehmung
der
Veränderbarkeit
der
unternehmensinternen Situation stärker als die erste
Dimension.
bestätigt
Mittelwertsunterschiede der
Extremgruppen und sign. Einfluss der
AF2 in der Regression
H2.8
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit hat einen
positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation. Je stärker
die dritte Dimension ausgeprägt ist, umso höher wird die
Veränderbarkeit bewertet.
nur für inkrementelle Prozess- und
Strukturveränderungen bestätigt
im Extremgruppenvergleich großer
Effekt für KVP, mittlerer Effekt bei
Prozessinnovationen; in der Regression
positiver Einfluss von KVP aber kein
Einfluss der Prozessinnovationen
81
Einen Überblick gibt bspw. Sammerl (2006, S. 70), welche die zahlreichen Einflussfaktoren auf den
Innovationserfolg in Kategorien wie „Ressourcenausstattung, Management- Commitment,
Innovationsprozess und Projektmanagement, Organisation, Kooperation, Kommunikation, Technologie
und Markt“ zusammenfasst. Ähnlich beschreiben Adams, Bessant und Phelps (2006, S. 26) die
Einflussgrößen eines erfolgreichen Innovationsmanagements als „inputs, knowledge management,
strategy, organization and culture, portfolio management, project management and
commercialization.“
4 Empirische Überprüfung
193
Zusammenfassende Betrachtung der Wirkung organisationaler Absorptionsfähigkeit auf die
Innovationsbereitschaft der Führungskraft
Mit einem letzten Extremgruppenvergleich wurde die Hypothese 2.9 überprüft. Diese
ging davon aus, dass bei insgesamt hoher Ausprägung aller drei Dimensionen der
Absorptionsfähigkeit die wahrgenommene Veränderbarkeit der unternehmensinternen
Situation höher eingeschätzt würde als der Veränderungsbedarf. Hintergrund dieser
Annahmen war die erwartete differenzierte Wirkung der drei Absorptionsfähigkeitsdimensionen, wonach alle drei zu einer Erhöhung der wahrgenommenen Veränderbarkeit
führen sollte, während durch die Verwertung des neuen Wissens als dritte Dimension der
wahrgenommene Veränderungsbedarf reduziert werden sollte. Diese Annahmen konnten
empirisch bestätigt werden. So fiel der Mittelwert der wahrgenommenen Veränderbarkeit in
der Gruppe mit hoher Absorptionsfähigkeit mit
Vbk=8.54
Mittelwert des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes mit
deutlich größer aus als der
Vb=6.07.
Dieser Unterschied
war deutlich größer als in der Gruppe mit niedriger Absorptionsfähigkeit und war mit einer
Effektstärke von Cohens d=1.2 von großer praktischer Bedeutung. Insgesamt fiel damit die
Innovationsbereitschaft als Produkt von Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit bei hoher
Absorptionsfähigkeit deutlich größer aus als bei geringer Absorptionsfähigkeit. Dies wurde
wiederum als Beleg für die Förderung der individuellen Innovationsbereitschaft von
Führungskräften
durch
die
Identifikation,
Aufnahme
und
Verwertung
relevanten,
unternehmensexternen Wissens in ihrem Unternehmen gewertet. Wie diese letzte Analyse
zeigte, ergab sich die Zunahme der Innovationsbereitschaft insbesondere durch die positivere
Bewertung der Veränderbarkeit der Situation. In der einfaktoriellen Varianzanalyse konnte die
Absorptionsfähigkeit 30% der Varianz in dieser Komponente erklären, während der Anteil an
der Varianz des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes mit 3% eher gering ausfiel. Als
Konsequenz leitet sich daraus ab, dass die Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch
die organisationale Absorptionsfähigkeit gefördert werden kann, wobei vor allem die
Beurteilung der Veränderungsmöglichkeiten von dem Erkennen, Aufnehmen und Verwerten
neuen, unternehmensexternen Wissens in eine Organisation profitiert.
Bringt man diesen Befund in Zusammenhang mit den bereits vorgestellten
Ergebnissen zur Wirkung der einzelnen Dimensionen der Absorptionsfähigkeit, resultiert die
stärkste Förderung der Innovationsbereitschaft durch die Aufnahme, Anpassung, Verteilung
und Verwertung von neuem Wissen in der Organisation, da die zweite Dimension sowie
inkrementelle
Prozess- und Strukturveränderungen den größten Einfluss
auf die
wahrgenommene Veränderbarkeit ausübten. Weil die Innovationsbereitschaft jedoch auch das
Erkennen eines Veränderungsbedarfes voraussetzt, kommt gleichfalls der ersten Dimension
der Absorptionsfähigkeit eine große Bedeutung zu, da diese als einzige zu einer größeren
Einschätzung der Notwendigkeit interner Veränderungen führte. Als Einschränkung dieser
Aussage wird auf die untersuchte Stichprobe verwiesen, worin vorrangig durch den
194
4 Empirische Überprüfung
individuellen
Kontakt
des
Geschäftsführers
mit
der
Unternehmensumwelt
dessen
Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes beeinflusst wurde.
Die Befunde der empirischen Untersuchung werden im Kapitel 5 noch einmal in den
Kontext der gesamten Arbeit eingeordnet. Aus den Erkenntnissen werden zudem
Implikationen für die Forschung und die Unternehmenspraxis abgeleitet und als Abschluss ein
Gesamtfazit gezogen.
5 Resümee
5
195
Resümee
Im Unterkapitel 5.1 werden die wesentlichen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit
noch einmal zusammengefasst und im Unterkapitel 5.2 daraus forschungstheoretische und
forschungsmethodische Implikationen sowie Empfehlungen für die Unternehmenspraxis
abgeleitet. Mit einem kurzen Fazit im Unterkapitel 5.3 schließt die Dissertation.
5.1.
Zusammenfassung der Erkenntnisse
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Bedeutung der personellen Führung
für den Erfolg von Innovationen82. Zentrale Bestandteile dieser innovationsförderlichen
Führung sind das Verhalten einer Führungskraft sowie deren positive Einstellung gegenüber
Veränderungen, wobei diesen beiden insbesondere im Kontext von Prozessinnovationen ein
hoher Stellenwert zukommt. Da die positive Einstellung gegenüber Veränderung sowohl im
direkten Zusammenhang mit dem Verhalten als auch mit der organisationalen Innovativität
steht, lag darauf der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Entsprechend den empirischen
Befunden der Einstellungsforschung ist dann ein hoher Zusammenhang zwischen Einstellung
und Verhalten zu erwarten, wenn beide Konstrukte ähnlich spezifisch erfasst werden. Daher
wurde der Fokus auf die individuelle Innovationsbereitschaft als spezielle Form der positiven
Einstellungen gegenüber organisationalen Wandel gerichtet und danach gefragt, wie diese
Bereitschaft für Prozessinnovationen bei Führungskräften entsteht und wodurch sie gefördert
werden kann. Zur Beantwortung dieser Fragen wurde auf das Modell von Gebert (1987, 2002)
zurückgegriffen, welches Innovationsbereitschaft als kognitiv-evaluativen Informationsverarbeitungsprozess begreift, weshalb der Umgang mit Wissen und Informationen als eine
Fördermöglichkeit herausgearbeitet
wurde. Weil die Verknüpfung von neuem und
unternehmensexternem Wissen mit bereits vorhandenem und unternehmensinternem Wissen
darüber hinaus erfolgskritisch für das Innovationsmanagement ist, wurde auf das Konzept der
organisationalen Absorptionsfähigkeit rekurriert, um diese Prozesse umfassend beschreiben zu
können. Daher war das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Wirkung der organisationalen
Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften im Kontext von
Prozessinnovationen theoretisch abzuleiten sowie empirisch zu überprüfen.
Beginnend mit der Definition von Prozessinnovationen und ihren Besonderheiten im
Vergleich zur Produktinnovationen wurde der Rahmen für die vorliegende Fragestellung
gesetzt. Innerhalb dieses Rahmens wurden die Führungskräfte als Verantwortungsträger für
82
Aus Gründen der Lesbarkeit wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die zugrundeliegenden
Literaturquellen erneut anzugeben. Stattdessen sei hier auf das Unterkapitel 1.1. verwiesen.
196
5 Resümee
Prozessinnovationen genauer betrachtet und die Kennzeichen eines innovationsförderlichen
Verhaltens von Führungskräften definiert. Demnach fördern Führungskräfte die Entstehung
und Durchsetzung von Innovationen, indem sie als moralisches und fachliches Vorbild agieren,
eine emotional begeisternden Vision vermitteln, das bisherige Vorgehen immer wieder in
Frage stellen und jeden Mitarbeiter individuell fordern und fördern. Dieses Verhalten wird
unter
dem
Begriff
transformationaler
Führungsstil
sowohl
in
der
allgemeinen
Führungsforschung als auch in der Innovationsforschung umfangreich untersucht, wobei seine
Effektivität inzwischen gut belegt ist. Entsprechend dieser Befunde treten transformationale
Führungskräfte als Rollenmodell für Innovation und kreatives Problemlösen auf und
unterstützen aktiv Neuerungen und Kreativität im Unternehmen. Eine wesentliche Bedingung
für dieses Führungsverhalten liegt dabei in der individuellen positiven Einstellung der
Führungskraft gegenüber Veränderungen, worunter die Bereitschaft für Innovationen eine
Spezialform bildet.
Um der ersten Forschungsfrage nach der Entstehung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften nachzugehen, erfolgte die Auseinandersetzung mit dem Konzept der
Innovationsbereitschaft von Gebert (1987, 2002). Dieses weist eine relativ hohe
Übereinstimmung mit anderen etablierten Modellen der individuellen Bereitschaft für
organisationale Veränderungen auf, überzeugte jedoch durch seine einfache Struktur, den
theoretischen Grundlagen im Stressbewältigungsmodell von Lazarus (1966) sowie seiner
bisherigen empirischen Bewährung. Diesem Modell zufolge resultiert Innovationsbereitschaft
aus den Ergebnissen zweier Bewertungsprozesse. Im ersten Bewertungsprozess wird der IstZustand der relevanten Situation mit einem erwünschtem Soll-Zustand verglichen, woraus sich
das Erkennen eines Veränderungsbedarfes ergibt. Im zweiten Schritt werden die Ressourcen
evaluiert, die für die Bewältigung der Veränderung zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich
um Kompetenzen und Mittel der eigenen Person, aber auch um die Fähigkeiten und
Fertigkeiten anderer Personen, auf die zurückgegriffen werden kann. Als Ergebnis dieser
Evaluation wird die Veränderbarkeit der Situation festgestellt. Wird sowohl ein
Veränderungsbedarf als auch die Möglichkeiten zur Veränderung wahrgenommen, liegt eine
Bereitschaft für Innovationen vor. Mit diesem Ansatz wurde eine kognitive Perspektive
eingenommen und die Entstehung von Innovationsbereitschaft aus der subjektiven
Informationsverarbeitung heraus erklärt.
An dieser subjektiven Informationsverarbeitung der Führungskräfte setzte die
Beantwortung der zweiten Forschungsfrage nach der Förderung der Innovationsbereitschaft
an. Ausgehend von den kognitiven Evaluationsprozessen wurde anhand der Ergebnisse
empirischer
Studien
zur
Beeinflussung
dieser
Prozesse
sowie
Befunden
zur
Einstellungsänderung durch persuasive Kommunikation und zur Wirkung der mikropolitischen
Einflussstrategie Rationalität in Unternehmen die Bedeutung von Wissen und Informationen
für die Förderung der Innovationsbereitschaft dargelegt. Indem die Verfügbarkeit von Wissen
5 Resümee
197
und Informationen in Unternehmen betrachtet wurde, konnte auch die Verbindung zu den
generellen Erfolgsfaktoren von Prozessinnovationen wieder hergestellt werden.
Wie mehrere Studien bestätigen, sind neues Wissen sowie dessen Verknüpfung mit
bereits vorhandenen Strukturen erfolgskritisch für neuartige Produkte und Verfahren. Eine
große Bedeutung wird dabei der Verbindung von relevantem, unternehmensexternem Wissen
mit unternehmensinternem Wissen und dessen Überführung in wertsteigernde Ergebnisse
zugeschrieben. Diese Prozesse werden unter dem Begriff der Absorptionsfähigkeit diskutiert,
womit das Erkennen, Aufnehmen, Anpassen und Verwerten von relevantem, externem Wissen
im
Unternehmen
Absorptionsfähigkeit
bezeichnet
wird.
sowie
Arbeiten
Abgeleitet
zum
aus
den
individuellen
bisherigen
und
Arbeiten
insbesondere
zur
zum
organisationalen Lernen wurde für die vorliegende Arbeit Absorptionsfähigkeit als
dreidimensionales Konstrukt definiert. Demnach wird in der ersten Phase neues Wissen
außerhalb des eigenen Unternehmens identifiziert und seine Relevanz für das eigene
Unternehmen bewertet. Dieses relevante, unternehmensexterne Wissen wird in der zweiten
Phase durch Assimilation, Transformation und Diffusion in das Unternehmen aufgenommen
und eingebunden, wo es in der dritten Phase zur Generierung neuen Wissens oder/und der
Umsetzung in organisationale Routinen und Prozesse führt.
Auf der Basis bisheriger Forschungserkenntnisse wurden dann Hypothesen zur
Wirkung
der
organisationalen
Absorptionsfähigkeit
auf
die
Wahrnehmung
eines
Veränderungsbedarfes sowie einer Veränderbarkeit der Situation als Kennzeichen der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften abgeleitet. Dafür wurde zunächst das Modell der
Innovationsbereitschaft differenziert, indem Indikatoren der Bewertungsprozesse eingeführt
und Annahmen zur ihrem Einfluss auf den Ausgang der Bewertungsprozesse formuliert
wurden. Darauf aufbauend wurde die Wirkung der Absorptionsfähigkeit entsprechend der drei
Dimensionen differenziert. An einer für Deutschland nach Größe und Branche repräsentativen
Stichprobe von 668 Geschäftsführern kleiner und mittlerer Unternehmen wurden die
Hypothesen empirisch getestet. Die Daten aus der schriftlichen bzw. telefonischen,
quantitativen Befragung wurden zur Überprüfung der Hypothesen mithilfe statistischer
Softwarepakete ausgewertet.
In einem ersten Analyseschritt konnte das Model der Innovationsbereitschaft
empirisch getestet werden. Mit multiplen linearen Regressionen wurde analysiert, inwieweit
der wahrgenommene Veränderungsbedarfes und die wahrgenommene Veränderbarkeit der
unternehmensinternen Situation durch Indikatoren der Bewertungsprozesse vorhergesagt
werden konnten. Abbildung 5-1 stellt die Ergebnisse dieser Analyse im Überblick dar.
198
5 Resümee
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
für das
Unternehmen
Unzufriedenheit
mit der internen
Leistungserstellg.
Zweiter Bewertungsprozess
Selbstwirksamkeitserwartung
der Führungskraft
Engagement
und Leistung
der Mitarbeiter
ß=.25**
Fehlertoleranz
im
Unternehmen
ß=.21**
Wahrgenommener
ß=-.14**
Wahrgenommene
Veränderungsbedarf
Veränderbarkeit
x
der Unternehmenssituation
der Unternehmenssituation
Innovationsbereitschaft
Abbildung 5-1. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regressionen zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen
Veränderbarkeit durch die Indikatoren der beiden Bewertungsprozesse (ß=standardisiertes
Regressionsgewicht, **p<.001)
Der wahrgenommene Veränderungsbedarf wurde hypothesenkonform durch die Einschätzung
von Herausforderungen für das eigene Unternehmen vorhergesagt, während die
Unzufriedenheit
mit
den
internen
Leistungserstellungsprozessen
aufgrund
der
Operationalisierung keine Wirkung entfaltete (vgl. dazu die Diskussion im Unterkapitel 4.3).
Bezogen auf die Veränderbarkeit wirkte nur die Beurteilung der Mitarbeiterleistung
entsprechend den Hypothesen, die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeit der Führungskraft
hatte keine Vorhersagekraft und die Fehlertoleranz wirkte entgegen der Erwartung negativ auf
die Beurteilung von Veränderungsmöglichkeiten. Mit diesen Befunden lässt sich das Modell
der
Innovationsbereitschaft
differenzierter
beschreiben,
wobei
auf
den
weiteren
Forschungsbedarf in Unterkapitel 5.2 eingegangen werden wird.
Hauptziel der empirischen Untersuchung war es, die theoretisch erarbeitete Wirkung
der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft von Führungskräften mithilfe
mehrerer statistischer Verfahren zu überprüfen. Dabei zeigte sich, dass die erste Dimension
der Absorptionsfähigkeit einen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung eines
Veränderungsbedarfes hat. Dieser Einfluss wurde zum Teil durch das Erkennen von
Herausforderungen für das Unternehmen mediiert. Diese Mediation unterstützte die
Annahme eines ersten Bewertungsprozesses zur Beurteilung der Soll-Ist-Differenz in der
Unternehmenssituation, woraus der wahrgenommene Veränderungsbedarf resultiert. Weil die
zugrundeliegende Stichprobe aus Geschäftsführern in KMU bestand, ist davon auszugehen,
dass vorrangig deren individueller Zugang zu externem, neuem Wissen auf ihre Wahrnehmung
5 Resümee
199
eines Veränderungsbedarfes im eigenen Unternehmen einwirkt. Allerdings reichen diese
Umweltkontakte nicht aus, um auch die Veränderbarkeit der unternehmensinternen Situation
positiv zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist die zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit
relevant. Wie die empirischen Daten belegten, wird die interne Situation veränderbarer erlebt,
wenn Wissen und Informationen im Unternehmen systematisch ausgewertet und zwischen
Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Führungskräften formell wie informell
weitergegeben werden. Diese zweite Dimension der Absorptionsfähigkeit hatte dagegen
keinen Einfluss auf die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes. Während für die
Wahrnehmung des Veränderungsbedarfes die Kontakte zur Unternehmensumwelt und dem
dortigen neuen, relevanten Wissen grundlegend sind, müssen die Informationen und das
Wissen im Unternehmen systematisch verarbeitet und verteilt werden, damit die Situation als
veränderbar eingeschätzt werden kann. Diese Einschätzung wird zudem von der Beurteilung
der Mitarbeiterleistung sowie der Fehlertoleranz beeinflusst. In Abbildung 5-2 werden die
Ergebnisse der Strukturmodellierung auf das postulierte Wirkungsmodell übertragen.
Absorptionsfähigkeit
Erste Dimension:
Erkennen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen
Zweite Dimension:
Aufnehmen von relevantem,
unternehmensexternem Wissen
γ=.50**
γ=.44**
Zweiter Bewertungsprozess
Erster Bewertungsprozess
Herausforderungen
für das Unternehmen
γ=.16*
γ=-.19**
Engagement und Leistung
der Mitarbeiter
γ=.09
γ=.15*
Fehlertoleranz im
Unternehmen
γ=-.10*
Wahrgenommener
Wahrgenommene
Veränderungsbedarf
Veränderbarkeit
x
der Unternehmenssituation
γ=.41**
der Unternehmenssituation
Innovationsbereitschaft
Abbildung 5-2. Zusammenfassung der Ergebnisse der Strukturmodellierung zur direkten und
indirekten Wirkung der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft von
Führungskräften (γ=Pfadkoeffizient im Strukturmodell, *p<.01, **p<.001)
200
5 Resümee
Die dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit, definiert als Generierung neuen
Wissens und/oder der Umsetzung des neuen Wissens in unternehmensinterne Prozess- und
Strukturveränderungen,
zeigte
nur
zum
Teil
die
erwartete
Wirkung
auf
die
Innovationsbereitschaft. So reduzierten bisherige Prozessinnovationen des Unternehmens
erwartungskonform die Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes, während bisherige
inkrementelle Prozess- und Strukturveränderungen des Unternehmens auf diese Einschätzung
keine Auswirkung hatten. Dagegen führten sie zu einer höheren Beurteilung der
Veränderbarkeit der Situation, wohingegen Prozessinnovationen hier keine Wirkung zeigten.
Diese Ergebnisse werden in Abbildung 5-3 als Überblick dargestellt.
Dritte Dimension der Absorptionsfähigkeit
Inkrementelle Prozess- und
Strukturveränderungen
Prozessinnovationen
ß=-.13**
ß=.22**
Wahrgenommene
Wahrgenommener
Veränderungsbedarf
Veränderbarkeit
x
der Unternehmenssituation
der Unternehmenssituation
Innovationsbereitschaft
Abbildung 5-3. Zusammenfassung der Ergebnisse der multiplen linearen Regressionen zur
Vorhersage des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes und der wahrgenommenen
Veränderbarkeit aus der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit (ß=standardisierter
Regressionskoeffizient, **p<.001)
Zusammengefasst
bedeuten
diese
Ergebnisse,
dass
die
Bereitschaft
von
Führungskräften für Prozessinnovationen durch die organisationale Absorptionsfähigkeit
gefördert wird. Bezüglich der Innovationsbereitschaft ist dabei die Unterscheidung der zwei
Bewertungsprozesse notwendig, da die Einschätzung des Veränderungsbedarfes und der
Veränderbarkeit durch unterschiedliche Aspekte des Umganges mit Wissen determiniert
werden.
Eine
höhere
Innovationsbereitschaft,
verursacht
durch
eine
größere
Absorptionsfähigkeit, resultiert vor allem aus der wahrgenommenen Veränderbarkeit, die mit
zunehmender Absorptionsfähigkeit größer ausfällt als im Vergleich dazu der wahrgenommene
Veränderungsbedarf der unternehmensinternen Situation. Grund hierfür ist die negative
Wirkung bisheriger Prozessinnovationen als Bestandteil der dritten Dimension der
5 Resümee
201
Absorptionsfähigkeit auf die Bewertung der Veränderungsnotwendigkeit, wohingegen
inkrementelle Prozess- und Strukturveränderungen im Unternehmen als anderer Bestandteil
der dritten Absorptionsfähigkeitsdimension die Wahrnehmung der Veränderbarkeit positiv
beeinflussen. Mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit wird somit das Verständnis der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften erweitert und Möglichkeiten für eine Förderung
aufgezeigt. Auf die Implikationen für Forschung und Praxis wird im nächsten Unterkapitel noch
genauer eingegangen.
5.2.
Implikationen für Forschung und Praxis
In diesem Unterkapitel werden aus den Befunden der Arbeit Implikationen für die
Theoriebildung, die Forschungsmethodik sowie die Unternehmenspraxis abgeleitet. Dabei wird
auf Grenzen der vorliegenden Untersuchung sowie den weiteren Forschungsbedarf kurz
eingegangen.
5.2.1.
Forschungstheoretische Implikationen
Der Beitrag der vorliegenden Arbeit ist zunächst in der Verknüpfung von
organisationaler Absorptionsfähigkeit mit der individuellen Bereitschaft von Führungskräften
für Prozessinnovationen zu sehen. Durch diese Verknüpfung wurden übergeordnete Konzepte
wie das organisationale Lernen mit individuellen Einstellungen in Verbindung gebracht,
wodurch sich auch das Verständnis von innovationsförderlicher Führung erweiterte. Wie
gezeigt wurde, führt die Auseinandersetzung mit relevantem, unternehmensexternem Wissen
zu einer Steigerung der individuellen Innovationsbereitschaft. Damit könnte diese Bereitschaft
von Führungskräften auch als Bindeglied zwischen organisationaler Absorptionsfähigkeit und
der Innovativität eines Unternehmens fungieren. Deutlich wird bei solchen Überlegungen
allerdings auch, dass die betrachteten Variablen miteinander in Wechselwirkung stehen. So
sind bspw. Prozessinnovationen Bestandteil der dritten Dimension der Absorptionsfähigkeit
und werden gleichzeitig u. a. durch die Innovationsbereitschaft von Führungskräften
determiniert. Diese Wechselwirkungen sind Teil der Realität, müssen für deren Erforschung
jedoch transparent gemacht und die betrachteten Konstrukte so eindeutig wie möglich
voneinander abgegrenzt werden. Wie notwendig hierfür ein konzeptionelles Vorgehen ist, das
auf bisherigen Theorien und empirischen Befunden aufbaut, wurde in der vorliegenden Arbeit
bei der Auseinandersetzung mit dem Konzept der Absorptionsfähigkeit deutlich.
Trotz einer über 20jähriger Forschungstradition und einer kontinuierlichen Zunahme
der empirischen Arbeiten zur Absorptionsfähigkeit, wird das Konzept trotz mehrerer
zwischenzeitlicher
Überarbeitungen
noch
immer
nicht
einheitlich
verwendet
und
202
5 Resümee
operationalisiert. So unterscheidet sich bspw. das Verständnis von Transformation, womit
entweder die Veränderung des externen Wissens durch seine Aufnahme in das Unternehmen
bezeichnet wird oder aber die Veränderung des Unternehmens durch die Aufnahme des
Wissens. Eine Lösung für diese Probleme bietet die Einordnung der Absorptionsfähigkeit in den
größeren Kontext des organisationalen Lernens, wie sie in der vorliegenden Arbeit
vorgenommen wurde. Daraus resultierte die Einteilung in die drei Dimensionen Erkennen,
Aufnehmen und Verwerten externen, relevanten Wissens, welche dann als Wissensprozesse
operationalisiert wurden. Hiermit wurde mit der vorliegenden Untersuchung das bisherige
Spektrum der Messung von Absorptionsfähigkeit deutlich erweitert, was vor dem Hintergrund
der guten Skaleneigenschaften als Fortschritt für dieses Forschungsgebiet zu werten ist.
Für belastbare Aussagen sind auch weitere Arbeiten zum Konzept der
Innovationsbereitschaft von Führungskräften notwendig, die auch eine Differenzierung
zwischen der Bereitschaft von Führungskräften für organisationale Veränderungen und der
Bereitschaft von Mitarbeitern hierfür leisten sollten. In der vorliegenden Studie wurde mit der
organisationalen Absorptionsfähigkeit eine Determinante der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften herausgearbeitet. Neben dieser organisationalen Fähigkeit sind allerdings
weitere Faktoren relevant, was auch aus der eher geringen Varianzaufklärung der Variablen
Veränderungsbedarf und Veränderbarkeit in der vorliegenden Studie geschlossen werden
kann. Wie Untersuchungen zur Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitern zeigen, kommt hier
der hierarchischen Position der Befragten und der damit verbundenen Aufgabengestaltung
und
Entscheidungsfreiheit
ein
großer
Stellenwert
zu.
Für
das
Konzept
der
Innovationsbereitschaft bedeutet das, dass sich die Determinanten der Innovationsbereitschaft von Mitarbeitern und Führungskräften in bestimmten Aspekten unterscheiden.
Wenn bei Führungskräften etwa der Autonomieaspekt gegeben ist, werden individuelle
Merkmale wie die emotionale Grundstimmung oder das Ausmaß der lösungsorientierten
Arbeitsweise bedeutsamer. Während sich die vorliegende Arbeit auf die kognitive
Informationsverarbeitung als Grundlage der Innovationsbereitschaft konzentrierte, sollte
darauf aufbauend die emotionale Komponente der Einstellung gegenüber organisationalen
Veränderungen in die Betrachtung einbezogen werden, wie es auch Gebert (2002) bereits
andeutete. Notwendig erscheint in diesem Zusammenhang auch, die tatsächliche Überführung
der Innovationsbereitschaft in innovationsförderliches Verhalten aufbauend auf dem hier
vorgeschlagenen Modell empirisch zu prüfen, um über die bisherigen Arbeiten dazu
hinauszugehen. Bezogen auf die Beurteilung des Veränderungsbedarfes und der
Veränderbarkeit hat die vorliegende Arbeit gezeigt, dass zwischen den Beschreibungen der
Bewertungsprozesse und deren Ergebnis zu differenzieren ist. Damit wurde deutlich, wie
Innovationsbereitschaft sowohl als Zustand als auch Prozess definiert werden kann, womit die
Arbeit eine Möglichkeit zur Differenzierung dieses Konzeptes lieferte.
5 Resümee
5.2.2.
203
Forschungsmethodische Implikationen
Die Konstrukte Innovationsbereitschaft und Absorptionsfähigkeit wurden in der
vorliegenden Arbeit auf allgemeiner organisationaler Ebene als subjektive Urteile der
Geschäftsführer erfasst. Diese subjektive Erfassung erfolgte basierend auf dem Modell der
individuellen Informationsverarbeitung, eine objektive Erfassung erschien hierfür nicht
erforderlich. Gezeigt wurde, dass sich Innovationsbereitschaft durch Indikatoren der
Bewertungsprozesse sowie deren Ergebnissen abbilden lässt. Die Arbeit lieferte damit eine
Erweiterung
und
Systematisierung
der
bisherigen
Operationalisierung
von
Innovationsbereitschaft, wobei die Erfassung der Bewertungsprozesse noch geschärft werden
muss. Wenn Prozessinnovationen im Zentrum stehen, sollte der erste Bewertungsprozess
zusätzlich zu den wahrgenommenen Herausforderungen anhand der Unzufriedenheit mit den
internen Leistungserstellungsprozessen erhoben werden und für den zweiten Bewertungsprozess die individuellen Ressourcen wie Fähigkeiten, Fertigkeiten und die projektbezogene
Selbstwirksamkeitserwartung detaillierter gemessen werden. Offen ist, wie groß die
Unterschiede zwischen den Beurteilungen einer konkrete Prozessinnovation und der
Beurteilung der allgemeinen Unternehmenssituation ausfallen. Abhilfe können hier
Längsschnittsuntersuchungen bieten, die neben der aktuellen Innovationsbereitschaft auch
das
nachfolgende
innovationsförderliche
Verhalten
sowie
die
Generierung
und
Implementierung von Prozessinnovationen berücksichtigen.
Mit einer Längsschnittuntersuchung lassen sich zudem kausale Aussagen über die
Wirksamkeit der Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft ziehen. In der
vorliegenden Untersuchung wurden die Daten nur zu einem Zeitpunkt erhoben, weshalb die
Interpretation der Zusammenhänge als Ursache-Wirkungs-Beziehung nur unter Vorbehalt
möglich ist. Da sich die kausalen Annahmen allerdings theoretisch begründen lassen sowie
durch die Operationalisierung unterstützen ließen, erscheinen die Aussagen zum Einfluss der
Absorptionsfähigkeit auf die Innovationsbereitschaft der Führungskräfte angemessen. Mit
einer Erhebung beider Konstrukte zur mehreren Zeitpunkten könnten diese Annahmen jedoch
empirisch untermauert werden.
Bezüglich der Absorptionsfähigkeit wurde in dieser Arbeit eine Operationalisierung
entwickelt und angewendet, die einerseits die Handlungen der Organisationsmitglieder als
Ausgangsbasis nahm und andererseits den Prozesscharakter der Absorptionsfähigkeit
abbildete. Damit wurde die Fähigkeit zum Erkennen, Aufnehmen und Verwerte externen,
relevanten Wissens deutlich umfassender als in anderen Studien gemessen, welche z. B. nur
von F&E-Ausgaben auf die Absorptionsfähigkeit von Unternehmen schlossen. Die Skalen zur
Messung der ersten und zweiten Dimension erreichten dabei gute bis sehr gute
Reliabilitätswerte, die Aufteilung der dritten Dimension in inkrementelle Prozess- und
Strukturveränderungen sowie Prozessinnovationen war für die weiteren Analysen fruchtbar.
204
5 Resümee
Somit liegt für den deutschsprachigen Raum ein reliables, prozessbezogenes Instrument zur
Messung der Absorptionsfähigkeit vor, das für weitere quantitative Untersuchungen genutzt
und angepasst werden kann.
5.2.3.
Implikationen für die Unternehmenspraxis
Für die Praxis in Unternehmen bedeuten die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zum
Ersten, dass die Innovationsbereitschaft von Führungskräften sowohl durch die unmittelbare
Beeinflussung dieser Personengruppe bspw. in Form von Weiterbildungsmaßnahmen erfolgen
kann, als auch durch organisationale Prozesse und Strukturen, die eine Identifikation,
Aufnahme und Verwertung von relevantem, unternehmensexternem Wissen im Unternehmen
ermöglichen. So konnte gezeigt werden, dass sich die Kontakte zur Unternehmensumwelt und
damit zu neuem, externem Wissen darauf auswirken, wie die Führungskraft den
Veränderungsbedarf im Unternehmen einschätzt. Je umfangreicher die Kontakte des
Unternehmens und der Führungskraft zur Umwelt sind, umso größer wird von der
Führungskraft
die
Notwendigkeit
einer
Veränderung
beurteilt,
weil
z. B.
die
Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht, deutlicher wahrgenommen
werden.
Allerdings reicht das Wahrnehmen eines Veränderungsbedarfes nicht dafür aus, dass
die Führungskraft zu Prozessinnovationen im Unternehmen bereit ist. Vielmehr muss sie im
zweiten Schritt die Veränderbarkeit der Situation positiv bewerten. Eine Möglichkeit, wie diese
Einschätzung der Veränderbarkeit beeinflusst werden kann, besteht entsprechend den
Ergebnissen dieser Arbeit darin, Wissen und Informationen im Unternehmen systematisch
auszuwerten und den Austausch über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg zu
unterstützen. Im Sinne einer positiven Verstärkung fördern zudem erfolgreiche Veränderungen
interner Strukturen und Prozesse das Vertrauen von Führungskräften in die Machbarkeit
zukünftiger Veränderungen.
Die Arbeit zeigt zusammengefasst, wie der Umgang mit neuem Wissen im
Unternehmen die Innovativität fördern kann, indem durch die organisationale Absorptionsfähigkeit nicht nur die Innovativität unmittelbar positiv beeinflusst wird, sondern auch als
vermittelnde Variable die Innovationsbereitschaft von Führungskräften durch sie erhöht wird.
Wenn Unternehmen ihre Innovativität steigern möchten, sollten sie daher möglichst viele
Möglichkeiten für den Kontakt mit neuem, relevantem Wissen in der Umwelt schaffen und
gleichzeitig Strukturen bereitstellen, damit dieses Wissen im Unternehmen eingebunden und
verwertet sowie die entsprechenden Prozesse und dafür zentrale Organisationsmitglieder
gefördert und unterstützt werden können.
5 Resümee
5.3.
205
Fazit
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass sich die Förderung der Innovationsbereitschaft von
Führungskräften durch die organisationale Absorptionsfähigkeit theoretisch begründen und
empirisch bestätigen lässt. Dabei konnten die zugrundeliegenden Prozesse herausgearbeitet
und die positive Wirkung einer systematischen Auseinandersetzung mit relevantem,
unternehmensexternem Wissen belegt werden. Da die Innovationsbereitschaft eine zentrale
Determinante des innovationsbezogenen Verhaltens der Führungskraft bildet, verdeutlichen
die Ergebnisse auch, wie Prozesse und Strukturen auf Organisationsebene zu einer
innovationsförderlichen Führung beitragen. Auf diese Weise lassen sich die organisationale
Ebene, die Gruppenebene und die Ebene des Individuums konzeptionell miteinander
verbinden. In Summe leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Führungs- und
Innovationsforschung, bietet aber auch Ansatzpunkte für die weitere Untersuchung der
Absorptionsfähigkeit und dem ihr übergeordneten organisationalen Lernen.
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Anhang
Anhang A
A
227
Operationalisierung der Wettbewerbsvorteile
Fragebogenitems zu Herausforderungen, anhand derer der Problemdruck als Prozessindikator
des wahrgenommenen Veränderungsbedarfes operationalisiert wurde
Welchen Stellenwert hat die Bewältigung folgender Herausforderungen Ihrer Ansicht nach für
den zukünftigen Erfolg Ihres Unternehmens?
Antwortskala 0-10: 0 bedeutet „keinen Stellenwert“, 10 bedeutet „sehr hoher Stellenwert“. Mit
den Werten dazwischen können Sie Ihre Einschätzung wieder abstufen.
1.
Veränderung der Kunden-/Vertriebs- und Lieferantenstruktur
2.
Gesetzliche Regelungen oder rechtliche Vorgaben, Vorschriften
3.
Neue Konsummuster
4.
Wandel zur wissensbasierten Wirtschaft
5.
Zunehmend differenzierte Belegschaft (kultureller Hintergrund, Lebensentwürfe, Werte)
6.
Internationalisierung der Märkte
7.
Mobilitätsanforderungen an Mitarbeiter (Außendienst, Homeoffice, Auslandsentsendung)
8.
Preiswettbewerb
9.
Qualitätswettbewerb
10.
Innovationswettbewerb
11.
Schrumpfende Märkte
12.
Personalknappheit an unternehmensrelevanten Arbeitsmärkten
13.
Demographiewandel
14.
Neue Technologien
15.
Sinkende Bereitschaft der Mitarbeiter, sich langfristig an das Unternehmen zu binden
16.
Steigende Ansprüche der Mitarbeiter an ihre Arbeit [Wertewandel]
17.
Wachsende Ansprüche der Vereinbarkeit von Familie und Beruf [Wertewandel]
18.
Umwelt- und Ressourcenschutz (Klimawandel)
19.
Wachsende globale Sicherheitsbedrohung
20.
Zunehmendes Gesundheitsbewusstsein (Work-Life Balance) der Mitarbeiter
21.
Neue Anforderungen durch das Internet (Web. 2.0: kollaborativ/interaktive Nutzer)
22.
Rohstoffknappheit
23.
Finanzierung
24.
Konzentrationstendenzen/Fusionen
25.
Börsenentwicklung
26.
Alternde Belegschaften
27.
Koordination von Prozessen an verschiedenen Standorten
28.
Geschwindigkeit der Veränderungen in der Umwelt des Unternehmens
29.
Ungewisse Rahmenbedingungen der Unternehmenstätigkeiten
Anhang B
B
229
Innovationsbereitschaft – Itemanalyse und Skalenbildung
Wahrgenommener Veränderungsbedarf
Abbildung B-1. Histogramm mit Normalverteilungskurve der aus 29 Items per Mittelwert
gebildete Variable Herausforderungen, denen das Unternehmen gegenübersteht. ( =5.68,
SD=1.63; N=668; der Wert 0 bedeutet „keine Herausforderungen“, der Wert 10 „sehr viele
Herausforderungen“)
Beispiel für die Überprüfung der Ausreißer
Im ersten Schritt wurden die Verteilungen aller 29 Items anhand der Boxplots analysiert. Ein
Boxplot (vgl. Abbildung B-2) bildet gleichzeitig die Quartile (graues Rechteck) sowie den
Median (Strich im Rechteck) als Lagemaße, als auch den Interquartilsabstand („Whiskers“,
vertikaler Strich unterhalb des Rechtecks) als Streuungsmaß einer Kennwerteverteilung ab. Als
Ausreißer gelten die Fälle, die den 1.5-fachen Interquartilsabstand unterhalb des ersten
Quartils oder den 1.5-fachen Interquartilsabstand oberhalb des dritten Quartils außerhalb der
Box liegen. Diese werden in Abbildung B-2 als Kreise unterhalb der vertikalen Linie des
Interquartilsabstandes
dargestellt.
Extreme
Ausreißer
liegen
jeweils
den
3-fachen
Interquartilsabstand außerhalb der Box und werden mit Sternchen gekennzeichnet. Die Zahlen
neben den Ausreißern und Extremwerten geben die Fallnummer an. Ausreißer stellen
untypische Werte dar, die Ergebnisse von statistischen Tests verzerren und so zu falschen
Schlussfolgerungen führen können, wenn sie nicht entfernt werden (vgl. Bühner, 2006, S. 109
und Sedlmeier & Renkewitz, 2008, S. 190 ff.) Die Ausreißer-Analyse per Boxplot zählt zu den
gängigsten Verfahren, wobei abhängig von der Verteilung alle Ausreißer oder nur die extremen
Ausreißer entfernt werden und speziell bei nicht-normalverteilten Daten weitere Heuristiken
angewendet werden können.
230
Anhang B
Abbildung B-2. Boxplot für das Item 5.9 Qualitätswettbewerb als Herausforderung
Da alle Items nicht normal verteilt waren, wurden die per Boxplot gefundenen extremen
Ausreißer im zweiten Schritt mit dem Ausreißertest nach Walsh (1958) für nichtnormalverteilte Daten überprüft. Diesem Test liegt die Annahme zugrunde, dass
Ausreißerwerte einer anderen Population entstammen als die restlichen Werte. Am Item 5.9
Qualitätswettbewerb wird das Vorgehen beispielhaft dargestellt.
1.
Daten in aufsteigender Reihenfolge sortieren
2.
Definition der Zahl möglicher Ausreißer anhand der Extremwerte im Boxplot: r=6
3.
Berechnungen:
𝑐 = 𝑐𝑒𝑖𝑙(√2𝑛)
𝑐 = 𝑐𝑒𝑖𝑙(√2 ∙ 659)
𝑐 = 36
𝑎=
1+𝑏 √
𝑘 =𝑟+𝑐
𝑘 = 6 + 36
𝑘 = 42
b2=
1
α
1
0.05
b2=20
b2=
𝑐−𝑏2
𝑐−1
𝑐−𝑏2-1
36 − 20
1 + √20 √
36 − 1
𝑎=
36 − 20-1
𝑎 = 0.25
4.
Die r=6 kleinsten Punkte sind Ausreißer, wenn gilt: xr-(1+a)xr+1+axk<0
Überprüfung:
0-1.25∙0+0.5∙5<0
1.25<0
Aussage trifft nicht zu, weshalb die r=6 kleinsten Werte keine Ausreißer sind und nicht
ausgeschlossen wurden.
Anhang B
231
Tabelle B-1. Ergebnisse der Faktorenanalyse zu 29 Herausforderungen, denen ein
Unternehmen gegenüberstehen kann
Items
Faktoren
1
5.16 Steigende Ansprüche der Mitarbeiter an ihre Arbeit
(Wertewandel)
5.17 Wachsende Ansprüche der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf (Wertewandel)
5.15 Sinkende Bereitschaft der Mitarbeiter, sich langfristig an das
Unternehmen zu binden
5.20 Zunehmendes Gesundheitsbewußtsein (Work-Life Balance)
der Mitarbeiter
5.9 Qualitätswettbewerb
5.10 Innovationswettbewerb
5.8 Preiswettbewerb
5.3 Neue Konsummuster
5.1 Veränderung der Kunden-/Vertriebs- und Lieferantenstruktur
5.2 Gesetzliche Regelungen oder rechtliche Vorgaben, Vorschriften
5.18 Umwelt- und Ressourcenschutz (Klimawandel)
5.22 Rohstoffknappheit
5.19 Wachsende globale Sicherheitsbedrohung
5.21 Neue Anforderungen durch das Internet (Web. 2.0:
kollaborativ/interaktive Nutzer)
5.6 Internationalisierung der Märkte
5.7 Mobilitätsanforderungen an Mitarbeiter (Außendienst,
Homeoffice, Auslandsentsendung)
5.4 Wandel zur wissensbasierten Wirtschaft
5.14 Neue Technologien
5.29 Ungewisse Rahmenbedingungen der
Unternehmenstätigkeiten
5.28 Geschwindigkeit der Veränderungen in der Umwelt des
Unternehmens
5.27 Koordination von Prozessen an verschiedenen Standorten
5.23 Finanzierung
5.13 Demographiewandel
5.12 Personalknappheit an unternehmensrelevanten
Arbeitsmärkten
5.26 Alternde Belegschaften
2
3
4
5
6
7
8
.78
.77
.68
.50
.79
.65
.60
.54
.76
.64
.63
.63
.59
.53
.52
.76
.67
.51
.83
.70
.54
5.25 Börsenentwicklung
5.24 Konzentrationstendenzen/Fusionen
5.5 Zunehmend differenzierte Belegschaft (kultureller Hintergrund,
Lebensentwürfe, Werte)
5.11 Schrumpfende Märkte
.74
.54
.69
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Die
Rotation ist in 18 Iterationen konvergiert. Angegeben sind nur die Fatorladungen >.5 (vgl. Backhaus et al., 2006, S. 331).
232
Anhang B
Tabelle B-2. Ergebnisse der Faktorenanalyse zu Wettbewerbsvorteilen eines Unternehmens
Items
Faktoren
1
6.2 Besonders eingespielte und professionelle Teams
6.4 Bessere interne Organisation und Arbeitsabläufe
6.7 Höhere Motivation und Loyalität der Mitarbeiter
6.6 Mitarbeiter mit besseren Kenntnissen und Fähigkeiten als der
Wettbewerber
6.3 Höhere Lernfähigkeit der Mitarbeiter
6.10 Höhere Qualität
6.1 Bessere Fähigkeit, Kundenbedürfnisse zu erkennen und umzusetzen
6.5 Bessere Netzwerkbeziehungen/Kontakte
6.28 Professionellere Personalarbeit
6.26 Systematischere Marktbeobachtung als Konkurrenten
6.27 Besseres Ziel- und Rollenverständnis
6.30 Besondere Marketing/Vertriebsformen
6.19 Bessere Werbung/Marketing
6.29 Besseres Management/Geschäftsführung
6.25 Bessere Projektmanagementkompetenzen
6.24 Besonders gute funktionsübergreifende Arbeitsgruppen
6.20 Besondere Kundenzufriedenheit
6.22 Einen besonders engen Kundenkontakt
6.23 Besonders kreative Mitarbeiter
6.21 Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit des
Unternehmens/Flexibilität
6.16 Zielgerichteter Umgang mit Wissen
6.18 Besonderes Know-how
6.12 Innovativere Produkte
6.11 Schnellere Entwicklung neuer Angebote
6.8 Höhere technische Reife der Produkte bzw. der Dienstleistung
6.14 Maßgeschneiderte Einzellösungen für Kundengruppen
6.17 Zusätzliche Angebote wie etwa Service / Wartung / Training
6.13 Geringe Produktionskosten
6.9 Günstigere Preise als die Hauptkonkurrenz
6.15 Kürzere Lieferzeiten als die Konkurrenz
2
3
4
5
.70
.65
.61
.61
.59
.52
.73
.67
.62
.61
.52
.52
.64
.61
.71
.59
.50
.68
.63
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Die
Rotation ist in 9 Iterationen konvergiert. Angegeben sind nur die Fatorladungen >.5 (vgl. Backhaus et al., 2006, S. 331).
Anhang B
233
Tabelle B-3. Itemkennwerte für den Faktor Wettbewerbsvorteile durch neuartige
Produkte/Dienstleistungen (Antwortskala vom Wert 0 „auf diesem Gebiet kein
Wettbewerbsvorteil“ bis Wert 10 „sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
6.12 Innovativere Produkte
566
0
10
6.23
2.91
7
-.65
-.53
6.11 Schnellere Entwicklung neuer
Angebote
602
0
10
6.57
2.80
7
-.71
-.37
6.8 Höhere technische Reife der
Produkte bzw. der Dienstleistung
595
0
10
6.63
2.73
7
-.82
.01
Tabelle B-4. Itemkennwerte für den Faktor Wettbewerbsvorteile durch kostengünstige
Produktion (Antwortskala vom Wert 0 „auf diesem Gebiet kein Wettbewerbsvorteil“ bis Wert
10 „sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
N
Min
Max
6.13 Geringe Produktionskosten
534
0
10
6.9 Günstigere Preise als die
Hauptkonkurrenz
620
0
10
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
5.08
3.30
5
-.15
-1.20
5.31
3.16
5
-.20
-1.04
Tabelle B-5. Skala Wettbewerbsvorteile durch die Entwicklung neuartiger
Produkte/Dienstleistungen: Trennschärfe und interne Konsistenz (Cronbachs α=.76)
Item
Trennschärfe
(korrigierte ItemSkala-Korrelation)
Cronbachs Alpha,
wenn Item
weggelassen
6.12 Innovativere Produkte
.67
.59
6.11 Schnellere Entwicklung neuer Angebote
.62
.65
6.8 Höhere technische Reife der Produkte bzw. der Dienstleistung
.49
.78
234
Anhang B
Abbildung B-3. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Wettbewerbsvorteile durch
die Entwicklung neuartiger Produkte/Dienstleistungen ( =6.48, SD=2.37, N=633; Wert 0
bedeutet „auf diesem Gebiet kein Wettbewerbsvorteil“, der Wert 10 bedeutet „sehr starker
Wettbewerbsvorteil“)
Abbildung B-4. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Wettbewerbsvorteile durch
kostengünstige Produktion ( =5.22, SD=2.90, N=630; Wert 0 bedeutet „auf diesem Gebiet kein
Wettbewerbsvorteil“, der Wert 10 bedeutet „sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
Anhang B
235
Wahrgenommene Veränderbarkeit
Abbildung B-5. Histogramm mit Normalverteilungskurve des Items „[Unser] besseres
Management/Geschäftsführung
ist
ein
Wettbewerbsvorteil
gegenüber
dem
Hauptkonkurrenten“ zur Operationalisierung der aufgabenbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung des Geschäftsführers ( =6.89, SD=2.63, N=641; Wert 0 bedeutet „auf diesem Gebiet
kein Wettbewerbsvorteil“, der Wert 10 bedeutet „sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
Tabelle B-6. Itemkennwerte für den Faktor Wettbewerbsvorteile durch Leistungsfähigkeit der
Mitarbeiter (Antwortskala vom Wert 0 „auf diesem Gebiet kein Wettbewerbsvorteil“ bis Wert
10 „sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
6.2 Besonders eingespielte und
professionelle Teams
651
0
10
7.96
1.99
8
-1.46
2.77
6.3 Höhere Lernfähigkeit der
Mitarbeiter
651
0
10
6.84
2.35
7
-.83
.57
6.6 Mitarbeiter mit besseren
Kenntnissen und Fähigkeiten als
der Wettbewerber
647
0
10
7.44
2.42
8
-1.18
1.08
6.7 Höhere Motivation und
Loyalität der Mitarbeiter
654
0
10
7.71
2.10
8
-1.16
1.53
6.24 Besonders gute
funktionsübergreifende
Arbeitsgruppen
606
0
10
6.54
2.63
7
-.87
.21
236
Anhang B
Abbildung B-6. Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten Skala
Mitarbeiterleistung als Ressource für Veränderungen im Unternehmen ( =7.32, SD=1.84,
N=658; Wert 0 bedeutet „auf diesem Gebiet kein Wettbewerbsvorteil“, der Wert 10 bedeutet
„sehr starker Wettbewerbsvorteil“)
Tabelle B-7. Itemkennwerte für den Fragen nach der Fehlertoleranz im Unternehmen (nach der
Umkodierung bedeutet der Antwortwert 0 „trifft voll und ganz zu“ und der Wert 10 „trifft gar
nicht zu“, weshalb eine hohe Ausprägung der Items eine hohe Fehlertoleranz abbildet)
N
Min
Max
13.2R Bei uns dürfen keine Fehler
gemacht werden. [umkodiert]
665
0
10
13.9R Bei uns werden Fehler
konsequent sanktioniert.
[umkodiert]
663
0
10
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
6.77
3.14
8
-.77
-.57
6.72
2.88
7
-.70
-.52
Abbildung B-7. Histogramm mit Normalverteilungskurve der neu gebildeten Skala
Fehlertoleranz im Unternehmen ( =6.75, SD=2.47, N=667; Wert 0 bedeutet geringe
Fehlertoleranz, Wert 10 bedeutet sehr hohe Fehlertoleranz)
Anhang C
C
237
Absorptionsfähigkeit – Itemanalyse und Skalenbildung
Tabelle C-1. Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 1-Erkennen (11-stufige
Antwortskala, der Wert 0 bedeutet „kein Stellenwert im Unternehmen“, der Wert 10 bedeutet
„sehr hoher Stellenwert“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
8.4 Intern: Nutzung von
Lernprogrammen/neuen Medien
658
0
10
4.27
3.24
4
.15
-1.22
8.1 Extern: Analyse und systematische
Auswertung von Kundenreklamationen
662
7.63
2.70
8
-1.20
.65
8.2 Extern: Direkter Kontakt zu Kunden
664
0
10
9.09
1.55
10
-2.81
10.62
8.3 Extern: Kundenbefragung
665
0
10
6.27
3.26
7
-.57
-.89
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu
Lieferanten
653
0
10
5.83
3.19
7
-.51
-.90
8.5 Extern: Kooperation mit
Kritikergruppen (User groups/Pressure
groups)
635
0
10
3.10
3.19
2
.60
-.97
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung
der Außenwelt für eigene
Innovationsprozesse
639
0
10
4.15
3.22
5
.11
-1.27
8.7 Extern: Analyse des
Wettbewerberverhaltens
658
0
10
5.70
3.06
8
-.43
-.92
8.12 Extern: Informationssuche im
Intranet, Internet oder auf
Wissensplattformen
665
0
10
6.71
3.05
8
-.93
-.16
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
667
0
10
7.27
2.43
8
-1.00
.57
11.12 Regelmäßige Gespräche mit
externen Experten und Beratern
656
0
10
4.37
3.10
5
.08
-1.15
11.14 Erfahrungsaustausch auf
Kongressen und Tagungen
661
0
10
4.75
2.95
5
-.05
-1.01
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen
Unternehmen
648
0
10
2.51
3.01
1
.98
-.24
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0
(z. B. in Foren / Chats / Blogs/
Newsgroups)
655
0
10
2.09
2.69
1
1.19
.37
238
Anhang C
Abbildung C-1. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Absorptionsfähigkeit 1Erkennen von externem Wissen ( =5, SD=1.77, N=668; der Wert 0 bedeutet keine
Absorptionsfähigkeit vorhanden, der Wert 10 bedeutet maximale Absorptionsfähigkeit
vorhanden)
Tabelle C-2. Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 2A_Systematik: Systematische
unternehmensinterne Auswertung von Informationen und Wissen (11-stufige Antwortskala, der
Wert 0 bedeutet „kein Stellenwert im Unternehmen“, der Wert 10 bedeutet „sehr hoher
Stellenwert“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
8.15 Intern: Nachbereitung von
Seminaren, Tagungen etc. zur Ableitung
von Handlungskonsequenzen
659
0
10
4.85
3.18
5
-.10
-1.17
8.22 Intern: Identifikation von
Mitarbeitern mit besonderen
Kompetenzen
664
0
10
6.84
2.55
7
-1.06
.70
8.8 Extern: Einschätzung zukünftiger
Markt- und Technologieentwicklungen
654
0
10
6.01
3.08
7
-.65
-.66
8.9 Extern: Durchführung von
Marktforschung
654
0
10
3.04
3.15
2
.72
-.74
11.1 Erkennen von internen Experten
und Erfahrungsträgern im Unternehmen
657
0
10
6.02
3.01
7
-.65
-.58
11.15 Weitergabe von Wissen aus
Weiterbildungen, Tagungen und
Kongressen im Unternehmen
663
0
10
5.43
3.03
6
-.32
-.94
12.14 Aufbereitung und Dokumentation
von Expertenwissen
658
0
10
5.30
3.15
6
-.29
-1.10
Anhang C
239
Abbildung C-2. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Absorptionsfähigkeit
2A_Systematik: Systematische unternehmensinterne Auswertung von Informationen und
Wissen ( =5.36, SD=2.05, N=668; der Wert 0 bedeutet keine Absorptionsfähigkeit vorhanden,
der Wert 10 bedeutet maximale Absorptionsfähigkeit vorhanden)
Tabelle C-3. Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 2B_Austausch: Formeller und
informeller Austausch von Erfahrungen zwischen Organisationsmitgliedern (11-stufige
Antwortskala, der Wert 0 bedeutet „kein Stellenwert im Unternehmen“, der Wert 10 bedeutet
„sehr hoher Stellenwert“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
11.2 Austausch in Projektteams
651
0
10
5.12
3.43
5
-.22
-1.28
11.3 Austausch zwischen Projektteams
645
0
10
4.72
3.41
5
-.06
-1.34
11.4 Wissen- und Erfahrungsaustausch in
hierarchie- und
schnittstellenübergreifende Teams
646
0
10
5.57
3.16
6
-.44
-.94
11.6 Unternehmensinterne
Wissensnetzwerke und Expertengruppen
643
0
10
4.19
3.41
4
.17
-1.36
11.7 Informeller Erfahrungsaustausch
zwischen Mitarbeitern (Cafeteria, Pub,
Sport etc.)
656
0
10
6.26
2.96
7
-.66
-.49
11.8 Erfahrungsaustausch mit Kollegen
662
0
10
7.62
2.01
8
-.94
.79
11.9 Erfahrungsaustausch mit
Vorgesetzten
661
0
10
7.50
2.25
8
-1.17
1.30
11.10 Erfahrungsaustausch durch
Arbeitsplatzwechsel (Job Rotation)
652
0
10
3.62
3.36
3
.43
-1.18
240
Anhang C
Abbildung C-3. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Absorptionsfähigkeit
2B_Austausch: Formeller und informeller Austausch von Erfahrungen zwischen
Organisationsmitgliedern ( =5.60, SD=2.13, N=665; der Wert 0 bedeutet keine
Absorptionsfähigkeit vorhanden, der Wert 10 bedeutet maximale Absorptionsfähigkeit
vorhanden)
Tabelle C-4. Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 2C_Technik: Technische
Möglichkeiten zur Speicherung und Verteilung von Informationen (11-stufige Antwortskala, der
Wert 0 bedeutet „kein Stellenwert im Unternehmen“, der Wert 10 bedeutet „sehr hoher
Stellenwert“)
N
Min
Max
11.13 Austausch mit Hilfe von
Projektdatenbanken
647
0
10
11.18 Einsatz moderner Informationsund Kommunikationstechnologien zum
Wissen- und Informationsaustausch
659
0
12.10 Nutzung von elektronischen
Datenbanken im Unternehmen
655
12.11 Nutzung strukturierter Ablagen
mit Register, Suchbegriffen oder
Schlagworten
12.2 Dokumentation von Projekten und
Erfahrungen
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
2.91
2.97
2
.71
-.64
10
5.33
3.35
6
-.26
-1.26
0
10
6.61
3.27
8
-.81
-.58
657
0
10
6.16
3.24
7
-.59
-.88
659
0
10
6.24
2.99
7
-.63
-.58
Anhang C
241
Abbildung C-4. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Absorptionsfähigkeit
2C_Technik: Technische Möglichkeiten zur Speicherung und Verteilung von Informationen
( =5.46, SD=2.30, N=666; der Wert 0 bedeutet keine Absorptionsfähigkeit vorhanden, der
Wert 10 bedeutet maximale Absorptionsfähigkeit vorhanden)
Abbildung C-0-5. Histogramm mit Normalverteilungskurve der Skala Absorptionsfähigkeit
2_Gesamt als Mittelwert der drei Subskalen AF2_A, AF2_B und AF2_C ( =5.47, SD=1.90,
N=668; der Wert 0 bedeutet keine Absorptionsfähigkeit vorhanden, der Wert 10 bedeutet
maximale Absorptionsfähigkeit vorhanden)
242
Anhang C
Tabelle C-5. Itemkennwerte für die Skala Absorptionsfähigkeit 3-Verwerten (11-stufige
Antwortskala, der Wert 0 bedeutet „kein Stellenwert im Unternehmen“, der Wert 10 bedeutet
„sehr hoher Stellenwert“)
N
Min
Max
SD
Median
Schiefe
Kurtosis
8.16 Intern: kontinuierliche
Verbesserung der Geschäftsprozesse
(KVP)
658
0
10
6.20
2.91
7
-.64
-.47
8.20 Intern: Anpassung von Verfahren
und Abläufen aufgrund der Anregungen
von Mitarbeitern
663
0
10
6.79
2.50
7
-.99
.55
8.10 Extern: Übertragung von
erfolgreichen Konzepten anderer auf
unser Unternehmen (Best Practice)
658
0
10
5.40
3.05
6
-.42
-.96
8.11 Extern: Nutzung externer Patente
oder Lizenzen für eigene
Produktentwicklung
638
0
10
1.68
2.71
0
1.56
1.26
13.18R Es gibt in unserem Unternehmen
nur wenige neue Ideen und
Verbesserungsvorschläge. [umkodiert]83
664
0
10
6.79
2.62
7
-.52
-.72
15.5 Wir verschaffen uns durch neue
Verfahren, Methoden oder
Herstellungsprozesse fast immer einen
Marktvorteil.
520
0
10
4.88
3.15
5
-.21
-1.20
83
Antworten wurden entsprechend der Richtung der anderen Items umkodiert, der neue Wert 0
bedeutet wenige Ideen und Verbesserungsvorschläge, der neue Wert 10 bedeutet viele Ideen und
Verbesserungsvorschläge.
Anhang C
243
Abbildung C-6. Histogramm mit Normalverteilungskurve für das Item Prozessinnovationen –
„Wir verschaffen uns durch neue Verfahren, Methoden oder Herstellungsprozesse fast immer
einen Marktvorteil.“ ( =4.88, SD=3.15, N=520; der Wert 0 bedeutet „triff gar nicht zu“, der
Wert 10 bedeutet „trifft voll und ganz zu“)
Abbildung C-7. Histogramm mit Normalverteilungskurve für die Skala Absorptionsfähigkeit 3Verwerten_KVP ( =.13, SD=2.26, N=667; der Wert 0 bedeutet geringer Stellenwert von
kontinuierlichen Prozessverbesserungen im Unternehmen, der Wert 10 bedeutet sehr hoher
Stellenwert im Unternehmen)
Anhang D
D
245
Überprüfung der Hypothesen
Regressionsanalysen
Zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus der zweiten und dritten Dimension der
Absorptionsfähigkeit
a)
b)
Abbildung D-1. a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
Zur Vorhersage der Veränderbarkeit aus den Subskalen der zweiten Dimension der
Absorptionsfähigkeit
a)
b)
Abbildung D-2. a) Histogramm der Residuen mit Normalverteilungskurve
b) Streudiagramm mit vorhergesagten Werten und Residuen
246
Anhang D
Tabelle D-1. Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse zur Struktur der ersten
Dimension der Absorptionsfähigkeit
Items
Faktoren
1
8.4 Intern: Nutzung von Lernprogrammen/neuen Medien
.41
8.6 Extern: Open Innovation: Nutzung der Außenwelt für eigene
Innovationsprozesse
.48
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten und Beratern
.43
11.12 Regelmäßige Gespräche mit externen Experten und Beratern
.43
11.14 Erfahrungsaustausch auf Kongressen und Tagungen
.56
11.16 F&E-Kooperationen mit anderen Unternehmen
.72
11.17 Erfahrungsaustausch in Web 2.0 (z. B. in Foren / Chats / Blogs/ Newsgroups)
.73
2
8.1 Extern: Analyse und systematische Auswertung von Kundenreklamationen
.67
8.3 Extern: Kundenbefragung
.61
8.4 Extern: Lernen durch Kontakt zu Lieferanten
.54
8.7 Extern: Analyse des Wettbewerberverhaltens
.57
3
8.12 Extern: Informationssuche im Intranet, Internet oder auf Wissensplattformen
.40
8.13 Extern: Lesen von Fachzeitschriften
.94
Anmerkungen. Extraktionsmethode: Hauptachsen-Faktorenanalyse. Rotationsmethode: Promax mit KaiserNormalisierung. Die Rotation ist in 5 Iterationen konvergiert. Angezeigt werden Faktorladungen >.39, nicht
zugeordnert werden konnte Item 8.5 Extern: Kooperation mit Kritikergruppen (User groups/Pressure group).
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