Gemeinsame Pressemitteilung FacharztProgramm Baden-Württemberg: Ärzte und Psychotherapeuten bestätigen Vorteile in der Therapie Stuttgart, 06.03.2014 – Das FacharztProgramm in Baden-Württemberg bietet Betroffenen mit psychischen Erkrankungen einen schnelleren Zugang zur Therapie als die Regelversorgung. Damit wird hier mit großem Erfolg schon seit Juli 2012 ein Konzept umgesetzt, das von anderen Teilnehmern an der Versorgung regelmäßig – zuletzt vom GKV-Spitzenverband im November 2013 – eingefordert wird. Durch den Wegfall des Gutachterverfahrens ist die Antragspflicht gelockert und das Stundenkontingent flexibilisiert; darüber hinaus wird die Gruppentherapie gefördert. Zugang zum FacharztProgramm, das gemeinsam mit MEDI Baden-Württemberg, ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsverbänden initiiert wurde, haben Versicherte der AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK. Der GKV-Spitzenverband hat im November 2013 in einem Positionspapier zur Reform der ambulanten Psychotherapie angeregt, den zeitnahen Zugang zum Psychotherapeuten zu ermöglichen, die Antragspflicht zu lockern, die Stundenkontingente zu flexibilisieren und die Gruppentherapie zu fördern, die in der Regelversorgung meist an bürokratischen Hindernissen scheitert. Weitere Vorschläge betreffen eine verbesserte Basisdiagnostik, die engere Abstimmung des psychotherapeutischen Angebots mit anderen Versorgungsbereichen sowie eine mehr an den Behandlungsbedarf angepasste Vergütung. In Baden-Württemberg werden diese Forderungen bereits seit knapp zwei Jahren umgesetzt, nachdem die Vertragspartner den Facharztvertrag Psychiatrie/Neurologie/Psychotherapie nach Paragraf 73c SGB V, kurz PNP-Vertrag, unterzeichnet haben. Dort können Versicherte der AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK teilnehmen, die auch in die hausarztzentrierte Versorgung (HZV) nach Paragraf 73b SGB V eingeschrieben sind. Der Hausarzt wird in seiner Lotsenfunktion gestärkt Als erste Anlaufstelle des Patienten diagnostiziert der Hausarzt die beginnende Depression. „Hausärzte, die an der HZV teilnehmen, werden regelmäßig und flächendeckend in den Qualitätszirkeln zum Krankheitsbild Depression fortgebildet“, berichtet Dr. Franz Ailinger, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Lichtenstein. Die Teilnahme an Qualitätszirkeln ist für alle Allgemeinmediziner, die sich in die HZV eingeschrieben haben, verpflichtend. Dabei wird das Augenmerk der Hausärzte auch 1 auf psychische Störungen gelenkt. Damit wird der Empfehlung des GBA-Berichts vom Februar 2011 Rechnung getragen, nach der eine nicht adäquate und leitlinienkonforme Diagnostik unmittelbar in einer Unter-, Über- und Fehlversorgung resultieren kann. Die Vergütungsstruktur ist so aufgebaut, dass sich Ailinger und seine Kollegen genügend Zeit für ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten nehmen können – ein wichtiger Punkt, denn die Diagnose Depression kann zu 80 Prozent durch ein Gespräch mit den richtigen Fragen gestellt werden. „Wir haben mit allen unseren Direktverträgen, also auch hier, den Patienten endlich in den Mittelpunkt gerückt. Es ist dann nur schlüssig, dass Therapeuten, die sich viel intensiver um ihre Patienten kümmern, dafür auch angemessen honoriert werden“, so der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann. Gewinnt der Hausarzt den Eindruck, dass eine psychotherapeutische Behandlung notwendig ist, überweist er den Patienten schnellstmöglich zu einem Psychotherapeuten, Psychiater oder Nervenarzt, der am FacharztProgramm teilnimmt. Dort erhalten die Patienten in der Regel innerhalb von 14 Tagen einen Termin – in Notfällen sogar noch am gleichen Tag. „Bei psychischen Erkrankungen ist es sehr wichtig, dass die Betroffenen schnell einen Termin bekommen“, erklärt der Diplom-Psychologe Rolf Wachendorf aus Esslingen, Chef der Freien Liste der Psychotherapeuten in BadenWürttemberg. „Menschen mit psychischen Erkrankungen sind häufig weniger belastbar. In meine Praxis kommen inzwischen mehr Patienten, die früher wegen der Wartezeiten und der Nichterreichbarkeit der Psychotherapeuten aufgegeben hätten“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn die Behandlung erst nach einem längeren Zeitraum beginnt, sind die Patienten häufig bereits chronifiziert, was eine Behandlung erschwert und die Aussicht auf vollständige Heilung schmälert.“ Der Landesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung Dr. Alessandro Cavicchioli betont: „Durch diesen bahnbrechenden Vertrag können erstmalig Patienten eine optimale, maßgeschneiderte Behandlung ohne unnötige bürokratische Hindernisse erhalten. Gerade Patienten mit schweren chronischen Verläufen profitieren von einem schnellen Zugang, einer verbesserten Diagnostik, einer erleichterten Teilnahme an der Gruppentherapie und können zudem niederfrequent behandelt werden.“ Strukturierte Zusammenarbeit unterstützt die bedarfsorientierte Therapie Die Behandlung selbst ist dank des Wegfalls des in der Regelversorgung festgeschriebenen starren Stundenkontingents flexibler und kann individuell auf den Patienten abgestimmt werden. „Der Facharzt kann sich darauf konzentrieren, den Patienten über einen angemessenen und gegebenenfalls auch längeren Zeitraum zu begleiten, ohne ständig auf Stundenvorgaben und Budgets Rücksicht nehmen zu müssen“, beschreibt 2 Dr. Thomas Hug, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Heidelberg, die Vorteile für die Therapie. Hinzu kommt, dass der PNP-Vertrag die Gruppentherapie fördert, die insbesondere bei Depressionen sinnvoll sein kann. „Die Patienten kommen aus ihrer Zurückgezogenheit heraus und können von den Bewältigungsstrategien und Kompetenzen der anderen Patienten in der Gruppe profitieren“, erklärt Hug. „Aufgrund des großen Aufwands und der bürokratischen Hürden werden ambulante Gruppentherapien in der Regelversorgung weniger angeboten“, bedauert er. Schließlich profitieren Patienten mit psychischen Erkrankungen von der strukturierten Zusammenarbeit von Psychiatern, Psychotherapeuten, Haus- oder Betriebsärzten. Zudem werden Patienten durch weiterführende Angebote des Sozialdienstes der AOK Baden-Württemberg und der Patientenbegleiter der Bosch BKK sowie ergänzende Programme – zum Beispiel zu körperlicher Bewegung durch AOK-Sportfachkräfte – unterstützt. „In der Regelversorgung ist die Vernetzung von Ärzten de facto nicht so gut organisiert“, sagt Dr. Michael Ruland, Vize von MEDI Baden-Württemberg und Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie mit Sitz in Korntal-Münchingen, dazu. „In der hausarztzentrierten Versorgung leben wir dank der angeschlossenen Facharztverträge in einer anderen Welt; hier ist die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Facharzt vertraglich festgelegt und damit strukturiert“, lobt Ruland. Die Fachärzte und Therapeuten erhalten Vorabinformationen durch ein Begleitschreiben des Hausarztes, der wiederum durch strukturierte Arztbriefe der weiterbehandelnden Ärzte und Therapeuten über den aktuellen Stand der Therapie informiert wird. Im Ergebnis wird dadurch gewährleistet, dass der Patient so weit wie möglich in ambulanter Behandlung und damit in seiner gewohnten Umgebung verbleiben und ihn sein familiäres Umfeld unterstützen kann. Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken werden so weitgehend vermieden und die Zahl krankheitsbedingter Fehltage gesenkt. Dies hat auch wirtschaftliche Bedeutung: Mit einem Durchschnittsalter von 41 (Frauen) bis 43 (Männer) Jahren sind hauptsächlich Menschen im erwerbsfähigem Alter betroffen. Ansprechpartner AOK Baden-Württemberg: Kurt Wesselsky (Pressesprecher) Telefon: 0711 2593-231 [email protected] Ansprechpartner MEDI Baden-Württemberg: Angelina Schütz (Pressesprecherin) Telefon: 0711 806079-223 [email protected] 3 Ansprechpartner Bosch BKK: Sonja Feihle (Pressesprecherin) Telefon: 0711 811-30790 [email protected] 4