Pädagogik 12 LK Lernpapier: Aggressionstheorien Datum:___________ 0 Bandura: Modelllernen LERNTHEORIEN Gewalttätiges Verhalten wird durch BEOBACHTEN erlernt. Folgende Bedingungsfaktoren machen eine Nachahmung wahrscheinlicher: Aneignungsphasen: Aufmerksamkeit gefördert durch: Deutlichkeit des Verhaltens, bewusstes Beobachten, Interesse Behalten gefördert durch: eingängige Präsentation, gedankliche oder tatsächliche Übung Ausführungsphasen: Reproduktion/Ausführung gefördert durch: Können, Feedback, sich Beobachten können Verstärkung- und Motivation (führt zu Wiederholung) bewirkt durch: Belohnung des gezeigten Verhaltens, Aufforderung, Ehrgeiz STELLVERTRETENDE VERSTÄRKUNG (Belohnung des Modells) macht Nachahmung wahrscheinlicher; STELLVERTRETENDE BESTRAFUNG macht sie unwahrscheinlicher Prävention: durch Zensur/Vorenthalten von Medien & vorbildliches Erzieherverhalten/Umfeld 1 a Lorenz (Instinktlehre / psychohydraulisches Energiemodell): ANTHROPOLOGIE Aggression ist eine Instinktäußerung, die lange Zeit dem Erhalt der menschlichen Rasse diente. Aggressive ‚Energie‘ kann sich aufstauen und muss sich ‚entladen‘. Prävention: Aggressionspotential muss in Ersatzhandlungen kanalisiert (z.B. sportliche, geistige oder künstlerische Aktivitäten) werden. 1 b Freud (Trieblehre): PSYCHOANALYSE Aggressionen sind v.a. Folge des angeborenen menschlichen TODESTRIEBS. Thanatos (Todestrieb) Destrudo (Triebenergie) Eros (Sexualtrieb) Libido (Triebenergie) Auch TRIEBUNTERDRÜCKUNG führt zu Hass / Aggression. Dampfkesselprinzip: - Aufstauung von negativen Gefühlen, Trieben, Emotionen über einen längeren Zeitraum - Plötzliche „Entladung“ dieser Gefühle, Triebe, Emotionen Prävention: Triebenergie muss umgelenkt (z.B. sportlicher Wettkampf, Militär), Triebunterdrückung weitestgehend vermieden werden Sowohl Freud als auch Lorenz spielen in der modernen Wissenschaft keine Rolle mehr, da nachweislich eine ‚Energieentladung‘ durch Sport oder ähnliche Aktivitäten Gewalttaten nicht verhindern kann. Im Gegenteil kann z.B. eine Sportwettkampfsituation zu Gewaltakten führen. Pädagogik 12 LK Lernpapier: Aggressionstheorien 2 Rauchfleisch: Datum:___________ PSYCHOANALYSE Gewalttätiges Verhalten ist häufig Folge schwerer FRÜHKINDLICHER MANGELERFAHRUNGEN und erlebter TRAUMATA. Straffällige Gewalttäter haben oft eine (evtl. subjektiv) traumatische Kindheit hinter sich, z.B.: - soziale Instabilität der Familie - intrafamiliäre Spannungen - ökonomische Probleme - Beziehungsabbrüche ↓ Entstehung von (Ur-)Misstrauen Anstauungen von Wünschen und Ansprüchen, sowie ein Hunger nach Zuwendung und Bestätigung (oralaggressiver Kernkonflikt) gleichzeitig Angst vor tiefergehenden Beziehungen (Sehnsucht-Angst-Dilemma) starke Abwehrmechanismen → z.B. Spaltung: Menschen sind manchmal (nur) gut oder (nur) böse → oder Verleugnung: z.B. der eigenen Kindheitstraumata oder negativen Verhaltens gestörte Realitätswahrnehmung => Entwicklungshemmung + mangelnde Integration Entstehung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS): → Menschen als Mittel zum Zweck → überhöhtes Ich-Ideal (unerreichbar) → geringe Frustrationstoleranz extreme Frustration Aggression Prävention: Vermeidung frühkindlicher Traumata (Ausgleich finanz. Benachteiligung, Vermeidung von Ausgrenzung in Randgruppen, institutionelle Unterstützung bei Erziehung, Elternkurse) 3 a) Dollard: FA- Theorie EXPERIMENTELLE AGGRESSIONSFORSCHUNG Frustration (Hindernisse, Provokation, körperlicher Stress) führt zu Aggression Prävention: Vermeidung frustrierender Situationen ABER Frustration kann auch positiv wirken, z.B. zum Lernen / zu Veränderung anregen oder die Persönlichkeitsentwicklung fördern (s. Erikson). 3 b) Nolting: FA- Theorie BEHAVIORISMUS Frustration kann zu Aggression führen. Folgende Bedingungsfaktoren machen gewalttätiges Verhalten wahrscheinlicher. 1) negative Bewertung (z.B. Absicht des anderen) => Ärger => Aggression 2) + Verhaltensrepertoire (eher gewalttätig als konstruktiv problemlösend) 3) + fehlende Hemmungen 4) + aggressive Modelle und Signale (u.a. Provokateur) Prävention: 1) wohlwollende Behandlung / Erziehung, Fördern von Einfühlungsvermögen & Gelassenheit 2) konstruktive Problemlösekompetenzen fördern 3) Hemmungen durch Strafen (Vorsicht! => mehr Frust) und Einfühlungsvermögen fördern 4) z.B. Waffen schlechter verfügbar machen, Medien zensieren, vorbildliches Verhalten zeigen, aggressiv aufgeladene Situationen meiden, stellvertretende Bestrafung vermeiden Pädagogik 12 LK Lernpapier: Aggressionstheorien Datum:___________ 3 c) Nolting: Bedeutung des Erzieherverhaltens Maximale Kontrolle BIOGRAPHIEFORSCHUNG Minimale Kontrolle Wärme untypisch für Aggressivität, aber problematisch - Kälte verschiedene unerfreuliche Auswirkungen besonders aggressions-fördernd Besonders förderlich ist emotionale Wärme in Verbindung mit angemessener Kontrolle. Aber: Sozioökonomische Lebensbedingungen und familiäre und außerfamiliäre Faktoren sind zu beachten! Generell führt v.a. das Erzieherverhalten zu Gewalt, was von den Kindern als missachtend empfunden wird! Prävention: Institutionelle Aufklärung (z.B. Pädagogikunterricht) und Unterstützung (z.B. Jugendamt). Vertrauenslehrer, Freunde oder Psychologen können als ‚Schutzfaktoren‘ dienen. 4 Sutterlüty: die ‚Gewaltkarriere‘ BIOGRAPHIEFORSCHUNG Gewalttätiges Verhalten ist häufig Folge KINDLICHER OHNMACHTSERFAHRUNGEN. Die Gewaltakte stellen für die Täter eine INNERE BEFRIEDIGUNG dar. I Opfer von familiärer Gewalt / Erleben familiärer Gewalt an Elternteil oder Geschwistern ↓ Ohnmachtsgefühle (v.a. wenn Gewalt aus nicht nachvollziehbaren Gründen angewendet wurde) oder Missachtungserfahrungen (v.a. bei gezielter Demütigung) II Epiphanische Erfahrung: erste eigene Gewaltakte ↓ Rollentausch wird als Wendepunkt gesehen, das Opfer wird zum Täter III Handlungsschemata der Gewaltausübung Drang, Opfererfahrungen auszugleichen + andere werden negativ interpretiert (wollen sie demütigen, ärgern, unterdrücken) + Suchen von Triumphgefühlen durch Gewalt + Gewalt wird irgendwann als etwas Positves angesehen ↓ Gewaltakte werden wiederholt Prävention: Institutionelle Aufklärung (z.B. Pädagogikunterricht) und Unterstützung (z.B. Jugendamt). Vertrauenslehrer, Freunde oder Psychologen können als ‚Schutzfaktoren‘ dienen. 5 Heitmeyer: INDIVIDUALISIERUNG => DESINTEGRATION => GEWALT Individualisierung nimmt zu durch… - gesteigerten materiellen Lebensstandard => verschiedene Lebensstile - gestiegene soziale und geographische Mobilität - höhere individualisierende Bildung Die Folgen der Individualisierung sind ambivalent. SOZIALPÄDAGOGIK Pädagogik 12 LK Lernpapier: Aggressionstheorien positiv - mehr Entscheidungsfreiheit - leistungsabhängiger Lebensstandard (= nicht durch den der Eltern festgelegt) - Pluralismus - Selbstverwirklichung durch Beruf - freie Partnerwahl … Datum:___________ negativ - Entscheidungszwang, mehr Verantwortung - Leistungsdruck & Benachteiligung durch Lebensumfeld oder angeborene Leistungsfähigkeit (ADHS, Behinderungen etc.) - Konflikte zwischen verschiedenen Wertvorstellungen, mangelnde Sicherheit durch Traditionen, Normen & Werte - Forderung nach Flexibilität => mangelnde Sicherheit in der Familie - wechselnde Beziehungen … Wer in der Leistungsgesellschaft nicht besteht, wird ausgegrenzt: DESINTEGRATION Dies führt zu einem Mangel an Selbstwertgefühl: VERUNSICHERUNG Heitmeyer beschreibt drei Ebenen, auf denen Desintegration stattfinden kann - die sozial-strukturelle Ebene - die institutionelle Ebene - die personale Ebene GEWALT dient jetzt… … der Identitätsdarstellung (z.B. Überlegenheitsgefühl, Stolz etc.) … dem Gemeinschaftsgefühl (kriminelle/gewalttätige Gruppen als Ersatzfamilie) GEWALT ALS PRODUKTIVE REALITÄTSVERARBEITUNG 4 ARTEN DER GEWALT 1. expressive Gewalt (nicht kalkulierbar) Ziel: Aufmerksamkeit, Anerkennung, Darstellung der eigenen Person; Opfer wird zufällig ausgewählt, Täter sind Menschen, die Nicht-Unterscheidbarkeit und Langeweile als Bedrängung empfinden (akzeptable Form: Tabuverletzungen) 2. instrumentelle Gewalt Ziel: Selbstdurchsetzung bei geringen Durchsetzungschancen, Probleme lösen, Anschluss finden => Opfer: ausgewählt, Überlegung zu Tat (z.B. Mobbing von Kollegen) 3. regressive Gewalt (= hinter demokratische Werte zurückfallend) Ziel: Ausdruck von Überlegenheit, Aufhebung von unsicherheitsfördernden Desintegrationsprozessen (politisch, sozial, beruflich) und Erlangen ethnischer Überlegenheit, Opfer: Minderheiten (z.B. Nationalität), Anwendung: politische Motive 4. autoaggressive Gewalt (auf sich selbst gerichtet) Ziel: Gewalt als letztes Mittel, Wunsch wahrgenommen zu werden, Problemlösung für sich selbst, Opfergefühl Spezialfall Amokläufe Es gibt ein breites Spektrum von Amokläufern: den Akteur eines erweiterten Selbstmordes (v.a. Familienväter); den, der wahllos in eine Menschenmenge schießt; den, der aus Rache ein schreckliches Blutbad anrichtet. Nach der etwa 200 Fälle einbeziehenden Untersuchung von Lothar Adler handelt es sich Pädagogik 12 LK Lernpapier: Aggressionstheorien Datum:___________ nahezu durchweg um Männer. Die maskuline Dominanz entspricht damit weitgehend dem Bild, das sich aus Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik zur Gewaltkriminalität ergibt. Bei der Altersgruppe des Erfurter Täters (18- bis 21-Jährige) lag die Quote der Männer, die wegen Gewalttaten registriert worden sind, im Jahr 2000 um das 12,5-fache über der der Frauen (1,9 % zu 0,15 %). Im Vergleich zu anderen Gewalttätern verfügen Amokläufer erheblich häufiger über eine gehobene Ausbildung, zur Zeit der Tat war allerdings fast jeder zweite arbeitslos. Sogenannte „School Shootings“ stellen eine Spezialform des Amoklaufs dar: 6 Eisenberg: SOZIOLOGIE Es gibt KONKRETE AUSLÖSEFAKTOREN für Amokläufe. In der Regel sind die Täter generell desintegriert. Hinzu kommt dann immer noch ein akutes traumatisches (noch stärker desintegrierendes) Erlebnis, z.B.: - Scheidung - Arbeitsplatzverlust - Schulverweis etc. Eisenberg führt die Zunahme von Amokläufen auf eine negative Entwicklung der Gesellschaft zugunsten der kalten Kapitallogik zurück: Rücksichtslosigkeit führt zu Erfolg berufliche Anforderungen steigen wirkt sich auf die Kindererziehung aus: ambivalente Verhaltensanforderungen an Eltern: Beruf Kinder Kind wird nach eigenem Nutzen beurteilt EMOTIONALE KÄLTE (z.B. an Bedingungen geknüpfte Liebe) MEDIEN werden als Ersatzerzieher missbraucht / dienen als Ersatzbefriedigung für fehlende Geborgenheit ausgeprägte Modelle fehlen Narzissmus wird verstärkt + SCHULEN haben höhere Leistungsanforderungen und führen zu Frustration und Kränkung Prävention: Eltern müssen ihrer Erzieherfunktion gerecht werden und emotionale Sicherheit bieten. Schulen müssen als Ersatzvorbilder dienen, wenn dies nicht geleistet wird. Anforderungen an Kinder müssen angemessen sein.