Veranstaltungsbericht (docx, 0.26 MB, DE)

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Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ● Sitz der Gesellschaft Bonn und Eschborn ● Friedrich-Ebert-Allee 40 ● 53113 Bonn/Deutschland
T +49 228 44 60-0 ● Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 ● 65760 Eschborn/Deutschland ● T +49 61 96 79-0 ● F + 49 61 96 79-11 15 ● E [email protected] www.giz.de
GIZ-Reihe „Forschung trifft Praxis“
29. September 2015
Verhaltensökonomie und Armut – Wann entscheiden sich Menschen für technologische
Innovationen? Das Beispiel Kochenergie.
Zeitgewinn, Ressourcenschutz, Gesundheit – es gibt viele gute Gründe für einen Wechsel
von offenen Kochstellen zu energieschonenden Herden. Dennoch liegt die Verbreitung
vorhandener technischer Lösungen weit hinter den Erwartungen zurück. Diesmal
diskutierten die Dialogpartner, wie sich Armut auf Entscheidungsverhalten auswirkt und
was Entwicklungszusammenarbeit mit Sozialpsychologie und Marketing zu tun hat.
Die Veranstaltung begann mit der praktischen
Seite: Vier Herde hatte Andrea Reikat für die
Veranstaltung mitgebracht. Alle vier Modelle
kommen im westafrikanischen Burkina Faso
beim Kochen zum Einsatz. Die Mehrheit der
Öfen bilde der traditionelle Drei-Steine-Herd.
Dieser koste, als offene Feuerstelle, den Nutzern
erst einmal nichts in der Anschaffung. Dafür
verbrauche er viel Brennholz und rauche stark.
Dr. Andrea Reikat (GIZ Burkina Faso)
Die drei weiteren Herde – einer aus Ton, zwei
aus Blech – funktionierten ebenfalls über Holz oder Holzkohle, sparten aber bis zu 60 Prozent Energie
und amortisierten sich daher nach vier bis sechs Wochen, schilderte Reikat. Seit den 1970er Jahren
versuchten in Burkina Faso sowie im restlichen Westafrika eine Vielzahl von Organisationen, solche
Energiesparherde breitenwirksam und nachhaltig einzuführen – größtenteils ohne Erfolg, obwohl die
Vorteile auf der Hand zu liegen scheinen: unter anderem weniger gesundheitsschädliche
Rauchentwicklung, Zeitersparnis bei der Suche nach Brennholz oder Schutz der Umwelt durch
weniger Energieverbrauch. Womit das Podium, moderiert von Wissenschaftsjournalist Dirk Asendorpf,
beim Thema angelangt war: der Verhaltensökonomie und der Frage, warum Menschen, insbesondere
aus ärmeren Verhältnissen, sich in wirtschaftlichen Situationen anders verhalten als vom Homo
oeconomicus angenommen, der im Sinne der des rationalen Nutzenmaximierens handelt.
Sozialpsychologe Dr. Florian Kutzner von der Universität Heidelberg war als Vertreter der
verhaltenswissenschaftlichen Forschung eingeladen. Anhand vieler anschaulicher Beispiele erläuterte
er, dass der Kontext, in welchem eine Entscheidung getroffen wird, einen großen Einfluss auf den
Entscheidungsausgang und das Verhalten hat. Anhand von verhaltenswissenschaftlichen Methoden
wie Interviews und gezielt erprobten Interventionen könne empirisch untersucht werden, so Kutzner,
was die Bedürfnisse der Menschen seien und welche mitunter emotionalen Motive für die Nutzung
oder Verweigerung einer Technologie vorliegen. Schließlich könne dann verglichen werden, welche
Ansätze am besten funktionieren, um nachhaltiges Verhalten zu fördern. Dies verdeutlichte er am
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Beispiel des Kaufs einer teureren Energiesparlampe in einem einkommensschwachen
südafrikanischen
Stromnetz.
Township
Während
mit
unsicherem
Energiesparargumente
eher verfehlt waren, funktionierten Haltbarkeitsargumente
besser.
Die
Kombination
von
Information und einem Gutschein, mit dem eine
Energiesparlampe zum gleichen Preis wie eine
herkömmliche
Dr. Florian Kutzner (Universität Heidelberg)
Glühbirne
erworben
werden
konnte, führte in mehreren Versuchsanord-
nungen zum besten Ergebnis: 85 Prozent der Haushalte in der Kontrollgruppe hatten sich nach fünf
Wochen eine Energiesparlampe gekauft. „Es wäre wünschenswert, die Forschung stärker in die
Projektplanung mit einzubinden, nicht erst in der Evaluierung“, sagte Reikat. Die Vermarktung der
Energiesparherde hatte viele Fragen aufgeworfen und Ideen, die zunächst nach dem Trial-and-ErrorPrinzip ausprobiert werden mussten: „Das Argument der Zeitgewinnung durch die Öfen wird dem
Selbstverständnis der guten Hausfrau nicht gerecht. Auch Umweltschutzkampagnen in Richtung
‚Kaufe Öfen, pflanze Bäume!’ waren nicht zielführend. Eher durchgesetzt hat sich die ökonomische
Begründung, dass man mit den Herden Geld sparen kann. Ein anderer Kaufgrund kann sein, dass es
ein schickes Produkt ist, das ich brauche, um mit meiner Nachbarin mithalten zu können,“ erläuterte
die Westafrika-Expertin.
Damit die Herde die Projektlaufzeiten zukünftig überdauern, setzt die GIZ auf Ausbildung der
Hersteller, Qualitätskontrolle, Marketing- und Überzeugungskampagnen. Gleichzeitig wird gänzlich auf
direkte Subventionen verzichtet, um die Endverbraucher an den realen Herstellerpreis zu gewöhnen.
Mit dieser Strategie ist es seit 2006 gelungen, 600.000 Herde zu verkaufen. „Ausschlaggebend für
den Erfolg der Modelle ist, dass sie lokal hergestellt werden können und nah am Nutzerverhalten der
Zielgruppen bleiben“, so Reikat. „Wenn in der Vergangenheit mehrere Schritte auf einmal gegangen
wurden und beispielsweise hoch gemauerte oder solarbetriebene Herde konzipiert wurden, so war
das zu weit von der tatsächlichen Kochpraxis der burkinischen Frauen entfernt.“ An der Stelle verglich
Kutzner die GIZ-Praxis mit den vier „Ps“ des Marketing-Mix: englisch für Product, Price, Place und
Promotion. Hier gäbe es vier Stellschrauben, die jeweils verbessert werden könnten, so Kutzner, der
mit seiner Beratungsagentur „decision-context“ auch Marktforschungen durchführt. „Etwa die
Identifikation mit dem Produkt oder das Angebot mehrerer Varianten und Preisklassen – denn zu billig
wird als wertlos empfunden, selbst bei einkommensschwachen Zielgruppen.“ Die städtische
Bevölkerung sei leichter zu überzeugen, als die ländliche, ergänzte Reikat, „wo neben Armut auch
Bildungs- und Informationsferne hinzukommt. Dies macht es schwerer, neue technologische
Innovationen einzuführen. Hier fehlt die Vorstellungskraft, inwiefern etwas Neues besser sein könnte“,
schilderte Reikat. Generell würden die Herde bereits gut angenommen und die Zufriedenheit sei hoch.
Eine große Hürde sei jedoch der Wiederkauf, wenn der Herd nach circa zwei Jahren nicht mehr
funktioniert. Eine weitere Herausforderung, an der Forschung und Praxis gemeinsam arbeiten können.
Text: Sofia Shabafrouz
Fotos: Deniss Kacs
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