James Senter–Aufsatz 2

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James Senter
2. Aufsatz
7.10.12
Die zwei Arten des Theaters (Frage 5)
Was ist der Zweck des Theaters? Im traditionellen Theater ist der Zweck, die Zuschauer
zu unterhalten und Katharsis, “die seelische Läuterung des Zuschauers” (Brecht,
“Experimentelles Theater,” S. 89) zu erwecken. Mit diesen Zielen kommen die Zuschauer, um
eine Geschichte zu sehen und mit dem Held zu identifizieren. Brecht wollte aber, dass das
Theater nicht nur eine Geschichte, sondern auch ein Sozialer Kommentar wäre. Also hat er oft
mit epischen Theater experimentiert, statt des klassischen oder dramatischen Theaters. Er erklärt
den Unterschied zwischen dem dramatischen und dem epischen Theater in seinem Artikel
“Vergnügungstheater oder Lehrtheater?” Die wichtigste Unterschiede findet man in einer Tabelle
von Gegensätzen zwischen den zwei Formen. Brechts Die Dreigroschenoper ist ein Beispiel des
epischen Theaters und steht im Gegensatz zu dramatischen Stücken wie Shakespeares oder
Sophokles’.
Zuerst sagt Brecht, dass in der dramatischen Form, “Die Bühne verkörpert einen
Vorgang, verwickelt den Zuschauer in eine Aktion und verbraucht seine Aktivität” und auch,
“Der Zuschauer wird in eine Handlung hineinversetzt” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S. 72).
Das heiβt, die ganze Handlung wird zum Leben gebracht, um eine Geschichte zu erzählen. Die
Zuschauer stehen mit den Figuren, sehen alles, und hören ihre Gedanken—zum Beispiel,
Hamlets “Sein oder nicht sein” Gespräch. Aber wenn das Stück vorbei ist, wissen die Zuschauer
schon alles über die Figuren, und es gibt nichts mehr, über dem zu denken. In Hamlet, zum
Beispiel, sterben fast alle, und wir wissen genau wie und warum. So wird unsere Aktivität
verbraucht; wir haben alles im Stück schon erlebt. Für episches Theater sagt Brecht im
Gegensatz, “[Die Bühne] erzählt [einen Vorgang], macht [den Zuschauer] zum Betrachter, aber
weckt seine Aktivität” und später, “[der Zuschauer] wird [der Handlung] gegenübergesetzt”
(Brecht, “Vergnügungstheater,” S. 72). Im epischen Theater sehen die Zuschauer nicht alles über
die Figuren und wissen sie immer, dass sie drauβen sind. Zum Beispiel enthält die Inszenierung
von Die Dreigroschenoper Tafeln, die die Handlung beschreiben, vor jedem Bild. Die Tafeln
erinnern die Zuschauer, dass sie nur eine Produktion sehen. Dann am Ende des Stücks haben die
Zuschauer nicht alles über die Figuren und die Handlung gelernt. Wir wissen, “Anläβlich ihrer
Krönung befiehlt die Königin, daβ der Captn Macheath sofort freigelassen wird. Gleichzeitig
wird er hiermit in den erblichen Adelstand erhoben” (Brecht, Dreigroschenoper, S. 87) nachdem
Mac fast gehängt wurde. Aber dann sagt Frau Peachum, “So leicht und friedlich wäre unser
Leben, wenn die reitenden Boten des Königs immer kämen” (Brecht, Dreigroschenoper, S. 88).
Das Stück ist zu Ende, aber die Zuschauer haben noch viele Fragen. Wird Mac jetzt ein
ehrlicheres Leben haben? Wird die Peachums’ Leben wechseln? Warum sind die Peachums nicht
mehr so ärgerlich über die Heirat ihrer Tochter? Die arme Leute sind noch unzufrieden, oder? So
wird unsere Aktivität geweckt; wir verstehen nicht alles und alles ist nicht vorbei.
Die nächste Charakteristike des dramatischen Theaters sind, “[Die Bühne] ermöglicht
[dem Zuschauer] Gefühle, vermittelt ihm Erlebnisse,” und “Es wird mit Suggestion gearbeitet,
[und] die Empfindungen werden konserviert” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S. 72). Brecht
erklärt über diese Punkte: “Der Schauspieler ahmt den Helden nach (den Oedipus und den
Prometheus) und er tut es mit solcher Suggestion und Verwandlungskraft, daβ der Zuschauer ihn
darin nachahmt und sich so in Besitz der Erlebnisse des Helden setzt” (Brecht, “Experimentelles
Theater,” S. 89). Er meint, dass im dramatischen Theater, die Zuschauer fühlen, was der
Hauptfigur fühlt. Das Ziel des Schauspielers ist, dass die Zuschauer Oedipus’ Qual erleben, als
ob sie auch da wären. So ist die Einfühlung ein wichtiges Teil des dramatischen Theaters
(Brecht, “Experimentelles Theater,” S. 89). Im Gegensatz sagt er über episches Theater, “[Die
Bühne] erzwingt von ihm Entscheidungen, vermittelt ihm Kenntnisse,” und “Es wird mit
Argumenten gearbeitet, bis zu Erkenntnissen getrieben” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S. 72).
Zum Beispiel gibt es in Die Dreigroschenoper kein klares Gut und Böse. Peachum ist kein
Verbrecher, aber er beutet Bettler aus und hält seine Tochter Polly für eine Besitzung: “Meine
Tochter soll für mich das sein, was das Brot für den Hungrigen” (Brecht, Dreigroschenoper, 17).
Im Gegensatz ist Macheath ein Verbrecher, aber mindestens gibt er Polly eine Chance, ihr
eigenes Geschäft zu haben; und Polly hat Mac lieber als sie hat ihre Eltern. Die Zuschauer
wissen, dass Peachum und Mac zugleich gute und schlechte Seiten haben. In Oedipus ist es klar,
dass Oedipus der gute Held ist, aber in Die Dreigroschenoper muss man entscheiden, wer Recht
hat, oder ob irgendjemand Recht hat. Die Antworte sind nicht immer da, deshalb müssen die
Zuschauer mehr überlegen. Die Zuschauer bekommen Kenntnisse, wenn sie zum Beispiel
Peachums Argumente hören: “Weil einem niemand sein eigenes Elend glaubt, mein Sohn. Wenn
du Bauchweh hast, und du sagst es, dann berührt das nur widerlich” (Brecht, Dreigroschenoper,
16). Das Ziel des dramatischen Theaters ist nicht, alles zu zeigen, sondern Fragen aufzuwerfen.
Dann sagt Brecht, dass im dramatischen Theater, “der Mensch wird als bekannt
vorausgesetzt” und ist “unveränderlich,” aber im epischen Theater, “der Mensch ist Gegenstand
der Untersuchung” und ist “veränderlich und verändernd” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S.
72). Im dramatischen Theater wissen wir schon alles über die Natur der Figuren. Zum Beispiel,
in Romeo und Juliet ist es einfach zu sehen, dass Romeo und Juliet sehr passioniert und
eigenwillig sind, auch wenn sie nicht so vernünftig sind, als sie ihre Flucht planen. Sie glauben,
dass sie einander haben müssen, egal was der Preis wäre. Sie sind “stern-gekreuzt” und müssen
sterben, weil sie ihre Nature nicht ändern können. Die Figuren in Die Dreigroschenoper sind
sehr anders. Mac, zum Beispiel, könnte einfach nur einmal nicht zum Hurenhaus gehen, wenn er
wegfliehen muss. Es wäre sehr einfach für ihn, sich zu retten. Aber er geht immer zurück zu den
Huren, und deshalb wird er zweimal verhaftet. Wir wissen nicht genau, warum er so blöd sein
muss; also untersuchen wir ihn. Ist er ein Schweine oder hat er bessere Gründen? Polly ist ein
Beispiel der Wandlung. Sie ist am Anfang naiv und in Mac verliebt, aber dann findet sie heraus,
dass sie nicht die einzige Frau in Macs leben ist. Die Figuren sind nicht so einfach und einseitig
wie die in Romeo und Juliet, also wollen wir sie mehr untersuchen.
Zunächst gibt es einen Unterschied zwischen den zwei Strukturen. Dramatisches Theater
hat “Spannung auf den Ausgang” und “eine szene für die andere, die Geschehnisse verlaufen
linear,” und “natura non facit saltus”—die Natur macht keine Sprünge (Brecht,
“Vergnügungstheater,” S. 73). Diese Ideen bedeuten einfach eine traditionelle Handlung—
Anfang, Mitte, und Ende—die auch zu einem Höhepunkt kommt. Episches Theater ist nicht so
linear: es hat “Spannung auf den Gang” und “jede Szene für sich,” die Geschehnisse verlaufen
“in kurven,” und natura “facit saltus”—die Natur macht Sprünge (Brecht, “Vergnügungstheater,”
S. 73). Das gröβte Beispiel dieser untraditionellen Handlung in Die Dreigroschenoper ist, dass
Mac nicht einmal, sondern zweimal verhaftet wird, nachdem er zu den Huren geht. Es gibt einen
Kreis mit zwei Höhepunkten, statt einer Linie mit einem Höhepunkt. So ist die Struktur des
epischen Theaters nicht wie erwartet.
Endlich hat Brecht einige Beobachtungen über die soziale Bedeutungen der zwei Formen.
Dramatisces Theater zeigt “die Welt, wie sie ist,” aber episches Theater zeigt “die Welt, wie sie
wird” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S. 73). Dramatisches Theater sagt, dass man die
Verhältnisse der Welt akzeptieren müssen, aber episches Theater sagt, dass man für die
Verhältnisse der Welt verantwortlich ist. Zum Beispiel zeigt Peachums Geschäft, dass Bettler
besser behandelt werden könnten. Dann handelt dramatisches Theater davon, was der Mensch
soll, seine Triebe,” und wie “das Denken bestimmt das Sein” (Brecht, “Vergnügungstheater,” S.
73). Man sieht groβe Einzelpersonen, dessen Gefühle sind die Basis ihrer Aktionen, zum
Beispiel Romeo und Juliets Liebe, und die Gesellschaft ist nicht so wichtig. Aber im epischen
Theater ist die Gesellschaft sehr wichtig. Es handelt davon, “was der Mensch muβ, seine
Beweggründe,” und wie “das gesellschaftliche Sein bestimmt das Denken” (Brecht,
“Vergnügungstheater,” S. 73). Das heiβt, die Aktionen eines Mensches werden von der
Gesellschaft entschieden. Zum Beispiel sagt Brown, dass er “nichts mehr für [Mac] machen”
kann, nachdem Peachum die Polizei gegen Mac rührt (Brecht, Dreigroschenoper, 48). Brown ist
ein Freund von Mac, aber er kann Mac nicht helfen, weil Brown Sheriff ist und Mac Verbrecher
ist. Er muss sich benehmen, wie die Gesellschaft erwartet. Brecht lädt uns zu denken ein, “Ist das
richtig? Könnte die Gesellschaft anders werden?”
Nach Brecht ist dramatisches Theater überall ein Weg, eine vertraute Geschichte zu
erzählen und Leute zu unterhalten. Der wichtigste Punkt ist Einfühlung (Brecht,
“Experimentelles Theater,” 90). Mit Einfühlung sagt der Zuschauer des dramatischen Theaters,
“Ja, das habe ich auch schon gefühlt. So bin ich. Das wird immer so sein” (Brecht,
“Vergnügungstheater,” 73). Die dramatische Geschichte ist konventionell. Im Gegensatz ist der
wichtigste Punkt des epischen Theaters Verfremdung (Brecht, “Experimentelles Theater,” 93).
Mit Verfremdung sieht man die Figuren wie Teile eines sozialen Experiments. Man denkt, “Das
hätte ich nicht gedacht. So darf man es nicht machen. ... Das muss aufhören” (Brecht,
“Vergnügungstheater,” 73). Das Ziel des epischen Theaters ist soziale Wende. Nachdem wir Die
Dreigroschenoper ansehen, wollen wir eine Gesellschaft haben, die nicht so kriminell ist und
Bettler und Frauen nicht so viel ausbeutet. Die Unterhaltung des dramatischen Theaters ist
interessant, aber episches Theater ist wahrscheinlicher, die Gesellschaft zu verändern.
Quellen
Bertolt Brecht, Die Dreigroschenoper, Suhrkamp BasisBibliothek, 2004.
Bertolt Brecht, “Vergnügungstheater oder Lehrtheater?” in: Theorie des Dramas, Hg. Von
Ulrich Staehle, Stuttgart, 1973: 68-80.
Bertolt Brecht, “Über experimentelles Theater” in: Theorie des Dramas, Hg. Von Ulrich
Staehle, Stuttgart, 1973: 80-96.
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