PHILOSOPHISCHE PRAXIS Philosophy Slam Von Gerhard Hofweber Der Philosophy Slam bringt Philosophie auf die Bühne und macht so lebendiges, authentisches philosophisches Denken für ein Nichtfachpublikum erlebbar. Im Folgenden möchte ich erläutern, was sich hinter dem Konzept verbirgt, einige Gedanken zur Idee, der Umsetzung, dem aktuellen Stand ausführen und einen kurzen Ausblick auf die Zukunft geben. Das Konzept Für die Umsetzung des Philosophy Slams entwickelte ich zusammen mit Studierenden (wobei insbesondere Izabela Zerebjatjew und Severin Lux zu nennen sind) ein Konzept. Danach treten fünf oder sechs Slammer der Reihe nach auf die Bühne und tragen ihre philosophischen Gedanken vor. Anders als beim Poetry Slam kommt es beim Philosophy Slam weder auf Sprachrhythmik oder Sprachmelodie noch auf die Performance an, sondern allein auf den Inhalt des Gedankens und auf die Authentizität des Slammers. Der Philosophy Slam sollte keine Bühne für Selbstdarsteller bieten, sondern für ernsthaft Denkende. Freilich ist dies ein schmaler Grat und manchmal vermischen sich auch die beiden Elemente. Ich werde später dazu ein paar Beispiele liefern. Die Idee Die Idee des Philosophy Slams entstand 2007 als ich akademischer Rat an der Universität Augsburg war. Im Rahmen eines PhilosophieStammtisches saß ich mit einigen Studenten zusammen. Es wurde sehr intensiv über diverse philosophische Themen diskutiert. Ich fand die geäußerten Gedanken gut und spannend und dachte mir, es sei doch schade, dass niemand außerhalb dieses Kreises je davon erfahren würde. Damit dies geschehen könne, bedürfte es eines Rahmens, in welchem Philosophierende ihre Gedanken einer Öffentlichkeit zugänglich machen und so einem Publikum die Faszination dieses Prozesses vermitteln könnten. Damit war die Idee des Philosophy Slams geboren. Des Weiteren war es uns wichtig, nicht dem Gerede eine Bühne zu bieten, sondern der Philosophie. Als Philosophie wird ja heute vieles und allzu vieles bezeichnet und fast ein jeder vermeint, einen kleinen Philosophen in sich zu entdecken. Um die Qualität zu sichern haben wir deshalb zwei Hürden eingebaut. Erstens: Die Slammer müssen sich vorher mit einem kurzen Abstract bewerben, damit wir ungefähr absehen können, ob es sich um philosophischen Beitrag handelt. Dabei gibt es keine Präferenz was den Inhalt, also eine bestimmte philosophische Richtung oder Schule, anbelangt, sondern es geht nur darum, ein gewisses philosophisches Niveau sicher zu stellen. Als zweites haben wir eine Jury installiert, welche bei der Veranstaltung die Beiträge der Slammer kommentiert. In der Regel besteht diese aus drei Jurorinnen und Juroren, die unmittelbar nach dem Vortrag der Slammer auf den Inhalt desselben eingehen. Die Jury besteht aus Universitätsdozenten, Kulturschaffenden, Journalisten oder allgemein Der Philosophy Slam bietet allen, die ernsthaft, leidenschaftlich und authentisch philosophieren eine Bühne, ihre Gedanken vor einem Publikum zu präsentieren, wohl wissend, dass es sich bei dem Publikum nicht um Fachleute handelt. Das Motto für den Slam lautet dabei: „Ring um Wahrheit!“. Damit soll ausgedrückt sein, dass die Wahrheit nicht etwas fertig Gegebenes ist, sondern etwas, um das gerungen und das errungen werden muss. Dieses Ringen macht einen wesentlichen Teil des Philosophierens aus und die Faszination desselben erschließt sich auch Leuten, welche nicht professionell Philosophie betreiben. 1 PHILOSOPHISCHE PRAXIS fassen und auf seine Stringenz hin zu bewerten. Alternativ könnte eine Jurorin den Gedanken systematisch oder historisch einordnen und ihn aus dieser Perspektive heraus interpretieren. Der Jury kommt dabei eine kaum zu unterschätzende Rolle zu. Dadurch, dass die Beiträge teilweise sehr dicht, manchmal aber auch sehr verwirrend sind, vermitteln sie den Inhalt noch einmal an das Publikum. Zudem sorgen sie, da sie ja jeden der einzelnen Slammer, welche sehr unterschiedlich sein können, kommentieren, für Konstanz, an welcher sich das Publikum orientieren kann. Üblicherweise bilden sich bei den Zuschauern nicht nur Präferenzen für einen bestimmten Slammer, sondern auch für einen bestimmten Juror. Nicht zuletzt sorgt die Anwesenheit der Jury für eine Qualitätssicherung, die mir persönlich sehr wichtig ist. Wenn alle Slammer ihren Vortrag gehalten haben und die Jury auch den letzten kommentiert hat, kommt es zur Preisverleihung. Dabei vergeben wir zwei Preise: einen Preis der Jury und einen Preis des Publikums. Der Publikumspreis wird durch Applaus ermittelt und zuletzt vergeben. Seit wir den Philosophy Slam veranstalten gibt es immer wieder Diskussionen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Reihenfolge zu ändern und den Publikumspreis zuerst zu vergeben. Ich bin jedoch der Auffassung, dass dem Publikum, das lange zuhören musste, obwohl es vielleicht auch selbst viel zu sagen hätte, das letzte Wort gebührt. Somit hat es auch die Gelegenheit, das Votum der Jury in seinem Sinne zu korrigieren. Als Preis wird ein Schierlingsbecher (ungefüllt!) vergeben. Dies ist natürlich eine Reminiszenz an Sokrates als die Personifikation der Philosophie. Gerhard Hofweber Menschen des geistigen Lebens. Die Jurorinnen und Juroren kennen dabei den genauen Inhalt der Beiträge vorher nicht, sondern nur das zuvor eingereichte Abstract. Sie müssen also spontan auf die Slammer reagieren. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, die Slammer zu kritisieren und schon gar nicht darin, diese persönlich anzugreifen. Vielmehr verdient jeder, der auf die Bühne tritt und vor Publikum seine eigene Überzeugung vertritt, Respekt, auch und gerade von Seiten der Jury. Ihr Auftrag besteht vielmehr darin, die Beiträge aus ihrer jeweiligen Profession zu kommentieren. Dabei kommt den Juroren die wichtige Funktion zu, den Inhalt der Beiträge für das Publikum noch einmal nachvollziehbar zu machen oder in einen anderen Kontext zu stellen. Ein typischer Beitrag eines Jurors wäre es z. B., wenn er versuchte, den Gedankengang noch einmal zusammen zu Mit der Preisverleihung ist der offizielle Teil zu Ende. Danach sind alle zu einer Art Aftershow Party eingeladen, so dass sich die Möglichkeit ergibt, mit den Slammern, der Jury und den Veranstaltern ins Gespräch zu kommen und weiter zu diskutieren. 2 PHILOSOPHISCHE PRAXIS Die Historie Der erste Philosophy Slam fand 2008 in Augsburg statt. Veranstaltungsort war das Café Viktor, welches bei 150 Zuschauern aus allen Nähten platze. Danach fanden in Augsburg bis 2012 (der Beendigung meiner Lehrtätigkeit in Augsburg) zwei Slams pro Jahr statt mit jeweils 250 – 300 Zuschauern. Zweimal war der Philosophy Slam Teil des Brecht-Festivals, eine der größten Kulturveranstaltungen in Augsburg. In diesem Rahmen fand der Slam zuletzt 2012 im berühmten Goldenen Saal des Rathauses in Augsburg statt. Youtube Kanal, auf dem wir die Videos von den Slammern hochladen. Probleme und Vorurteile Eine Reihe von Problemen und Vorurteilen werden teils von Seiten der Universitäten, teils von Seiten der Journalisten, aber auch von Seiten des Publikums an uns herangetragen. Zwar gibt es von allen diesen Seiten eine enorme Unterstützung und wir erleben etwa von manchen Professoren eine begeisterte Aufnahme; der eine oder die andere tritt selbst auf oder ist zumindest in der Jury präsent. Hinzu kommt eine überwältigende Resonanz in der Presse. Hier Kurz nachdem der Philosophy Slam in sollen aber kurz die Probleme benannt Augsburg etabliert war, haben eine Reihe von werden. anderen Universitäten (bzw. Studierende der jeweiligen Universitäten) das Konzept Von Seiten der Universitätsangehörigen aufgegriffen und auf ihre Weise umgesetzt, hören wir öfter das Bedenken, ob man denn wobei in Kassel der erste Slam außerhalb von der Philosophie damit einen Gefallen tue. Augsburg stattgefunden hat. Danach folgten Zwar sehen auch wir derzeit eine Tendenz, die eine ganze Reihe von anderen Städten wie Philosophie dermaßen zu trivialisieren und zu München, Frankfurt, Graz, Tübingen, Halle, popularisieren, dass sie ihr Wesen verliert. Frankfurt a. M. und andere. Manche Aber in dieses Horn stoßen wir nicht. Veranstalter verzichteten auf die Jury, andere Philosophie ist anspruchsvoll und sie ist wollten spontane Beiträge, ohne vorherige wichtig. Was wir wollen, sind Menschen, die Bewerbung etc. Viele dieser Slams finden sich intensiv, leidenschaftlich und authentisch bedauerlicher Weise inzwischen nicht mehr mit Philosophie beschäftigen, die um den statt. Gedanken und um die Wahrheit ringen, die Leider ist es noch nicht gelungen, die aber versuchen, dies so auszudrücken, dass es einzelnen Slams und deren Organisatoren zu auch für Laien, wenn auch nicht bis ins letzte vernetzen, um so bessere Synergien verständlich, so doch faszinierend und herzustellen. Ist die Idee des Philosophy anregend ist. Wir möchten, dass die Slams doch auch von dem Gedanken beseelt, Menschen aus dem Publikum angeregt, eine Gemeinschaft von Denkenden und inspiriert und nachdenklich nach Hause gehen Philosophierenden zu etablieren, die und sei es auch nur mit einem Satz, der untereinander im Austausch stehen und sich hängengeblieben ist, der eingeschlagen hat. gegenseitig befruchten. Meistens hat jeder Es geht darum, die Kraft und die Substanz der Veranstalter jedoch monadisch agiert und Philosophie zu vermitteln, nicht darum, diese versucht, sich von den anderen zu trivialisieren. Veranstaltungen abzugrenzen. Dies bringt uns sogleich zu einem Einwand Seit 2014 veranstalte ich zusammen mit Pia von umgekehrter Seite, also nicht von Seiten Zachmann wieder Philosophy Slams und der Fachphilosophen, sondern von Seiten der zwar in den Städten Augsburg, Innsbruck, Öffentlichkeit, ob nämlich die Sache nicht zu Chemnitz, Potsdam und Bamberg, Nürnberg, kompliziert und zu schwer sei, um sie Laien Dresden und Tübingen. Inzwischen gibt es so zu vermitteln, dass sie nicht langweile. eine eigene Website (http://philosophy- Dieser Einwand lässt sich empirisch slam.de), eine Facebook Seite und einen widerlegen, denn bislang ist es in allen 3 PHILOSOPHISCHE PRAXIS Veranstaltungen gelungen, das Publikum zu Philosophy Slams, die trotz des Erfolgs der begeistern – mit Philosophie. Veranstaltung inzwischen eingeschlafen sind. Schließlich ist wichtig. Hat sich das Format Zu weilen kommt auch die kritische Frage, ob einmal etabliert und hat es sein Publikum denn der Charakter eines Wettbewerbs dem gefunden, ist es wichtig, es fortzusetzen. Geist der Philosophie gerecht werde. Anstatt auf die lange Tradition des Wettstreits in der Die Zukunft Antike oder der Preisfragen in der Neuzeit zu referieren, möchte ich nur anmerken, dass Ab 2015 werden wir jedes Jahr einen diese Form für die Zuschauer spannender ist Sammelband herausgeben, in welchem wir und für die Slammer eine zusätzliche die Beiträge der Sieger veröffentlichen. Motivation bedeutet. Niemand, der auftritt Gerade für Studierende und Promovierende und nicht gewinnt, braucht sich als Verlierer könnte dies ein zusätzlicher Anreiz sein, ihre zu fühlen und ich kenne viele Slammer, die Gedanken zu präsentieren. Des Weiteren gerne immer wieder dabei sind, unabhängig wäre es mein Wunsch, wenn sich in möglichst davon, ob sie den Preis gewinnen oder nicht. vielen Städten Philosophy Slams etablierten Schließlich wird die Sinnhaftigkeit der Jury und sich so die Philosophie einen festen Raum von außen immer wieder in Frage gestellt in der Öffentlichkeit erobert. Zusammen mit (jedoch nicht von Seiten der Zuschauer). Pia Zachmann werde ich versuchen, den Jeder, der einen Philosophy Slam veranstaltet, Philosophy Slam in diesem Jahr in zehn kann diese Frage für sich selbst entscheiden. Städten fest zu etablieren und regelmäßig zu Der Philosophy Slam ist kein geschütztes veranstalten. Je nachdem, welche Freiräume Konzept und wollte es auch nie sein, sondern wir dann noch haben, gerne auch in mehr eine Form, die jeder in seinem Sinne Städten. Ich würde mich sehr über die anwenden kann und ich würde mir wünschen, Unterstützung von Lehrenden, Studierenden, dass es sich dabei um einen philosophischen Universitäten und anderen freuen, die mit uns Sinn handelt. kooperieren und uns helfen wollen, das Format zu verbreiten. Die Zeit ist reif dafür, Unsere Erfahrungen der Philosophie auch außerhalb der Universitäten einen festen Platz in der Inzwischen habe ich um die zwanzig Öffentlichkeit zu geben. Philosophy Slams veranstaltet. Die wichtigste Erfahrung ist: Die Qualität der Veranstaltung UNSER AUTOR: steht und fällt mit der Qualität der Slammer. Ich habe Auftritte von Slammern erlebt, wo Gerhard Hofweber ist promovierter Philosoph wir Juroren uns staunend ansahen und uns und war über 15 Jahre Dozent für Philosophie dachten, diese Intensität und Qualität hätten an den Universitäten München, Augsburg und wir gerne in unseren Seminaren an der Bamberg, im Jahr 2009 gründete er das Dr. Universität erlebt. Es gab andere Beiträge, wo Hofweber Institut für Philosophie und wir uns trotz Vorauswahl dachten, möge doch Wirtschaft. dieser Kelch an uns vorüber gehen. Das Spektrum der Slammer ist groß: vom Weitere Informationen: Landwirt, der sich privat mit Philosophie www.philosophy-slam.de beschäftigt (und nebenbei schon zweimal den www.facebook.com/philosophyslam Publikumspreis gewonnen hat), über Studie- www.dr-hofweber-insitut.de rende bis zum Professor. Eine weitere Erfahrung von mir ist die, dass die Jury sehr wichtig ist. Ausdauer bei der Umsetzung und Organisation spielt eine große Rolle. In vielen Städten gab es 4