Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG Stand: 23.07.2013 Sektion I Inhaltsverzeichnis Allgemeines zu Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen 3 Dialogische Führung 4 Führung ist Handhabung von Veränderung – jedoch anders als bisher … 4 Führung ist Handhabung von Veränderung – mit allen Gelingensbedingungen … 5 Führung ist Handhabung von Veränderung – mit dem Fokus auf den Prozess … 6 Führung ist Handhabung von Veränderung – auch und besonders in SQA (Schulqualität Allgemeinbildung) 11 Struktur und Leitfaden von Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen 13 Zeitliche Abfolge von Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen 13 Internetverweise 14 Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 2 Allgemeines zu Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräche (BZG) sind ein weiteres zentrales Element des Nationalen Qualitätsrahmens. Sie erfolgen periodisch zwischen den bzw. innerhalb der Ebenen des Schulsystems (Schulleitung – Schulaufsicht – BMUKK). BZG sind wichtige Führungsinstrumente. In ihnen zeigen sich dialogische Führung1 und Vereinbarungskultur. Sie sind von einem Klima grundsätzlicher Wertschätzung für Persönlichkeit und Expertise des Gesprächspartners/der Gesprächspartnerin geprägt und erfolgen in diesem Sinne auf Augenhöhe. Gleichzeitig ist klar, dass es Führungs- und Controllingverantwortung gibt: Die jeweilige Führungsperson ist „Hüter/in“ der gesetzlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie der Umsetzung bundesweiter/regionaler Interessen und Themenvorgaben. Das Controlling schließt die Möglichkeit – bei Bedarf sogar die Verpflichtung – für die Führungsebene mit ein, sich über das BZG hinaus selbst ein Bild „vor Ort“ zu machen. „Inspektion“ ist jedoch nicht mehr das Grundmuster. Die Verbindlichkeit des BZG wird durch Unterzeichnung der schriftlich festgehaltenen Vereinbarungen hergestellt. Bei Änderungsbedarf wird eine Überarbeitungsschleife zwischengeschaltet. Grundsätzlich handelt es sich bei den BZG – im Sinne der „dialogischen Führung“ – um 2er-Gespräche zwischen Führungspersonen (also z.B. zwischen Schulleiter/in und Bezirksschulinspektor/in oder zwischen Landesschulinspektor/in und Leiter/in der zuständigen schulführenden Abteilung im BMUKK). Denn: Vereinbarung ist „Chef/innen-Sache“. Letzteres gilt auch in jenen Fällen, in denen sinnvoller Weise mehrere Personen am Gespräch teilnehmen: Die Vereinbarung selbst ist Sache der Führungspersonen. Die BZG folgen einer vorgegebenen Struktur2. Grundlage und Ausgangspunkt der BZG sind die Entwicklungspläne3 sowie weitere relevante Unterlagen, die den Führungspersonen vorab zur Verfügung gestellt werden. BZG sollten idealerweise einmal jährlich stattfinden. Dies wird aufgrund der teilweise ungünstigen Mengenverhältnisse (bes. im Bereich BSI – Schulen) nicht immer möglich sein. Entsprechende Regelungen und Gesprächsmodelle werden im Pilotjahr 2012/13 auf Basis einer bundesweiten Rahmenvorgabe in den Ländern ausgearbeitet und erprobt. Das BMUKK organisiert ab 2012 Qualifizierungsreihen für die Schulaufsicht und Führungskräfte im BMUKK (Sektion I). Eine analoge Fortbildungsreihe für alle Schulleiter/innen wird im Auftrag des BMUKK von den Pädagogischen Hochschulen durchgeführt. Die Arbeit an Führungsverständnis und -haltung steht dabei immer im Mittelpunkt. Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 3 Dialogische Führung Im (pseudo)hierarchischen System Schule – naives Führungsverständnis oder professionelle Führungshaltung? Karin Schubert & Walter Degendorfer Führung ist Handhabung von Veränderung – jedoch anders als bisher … Es besteht kein Zweifel – das System Schule befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Lehrer/innen, Schulleitungen und Schulaufsicht empfinden eine immer höhere Spannung. Warum? Das Bildungssystem ist hierarchisch-bürokratisch organisiert, wie auch z.B. politische Parteien, Kirchen etc. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit haben „Führungskräfte“ oftmals mit Verordnungen, Erlässen, (Bitt)Weisungen, Übermittlung von Konzepten versucht, Veränderungen an „ihren“ Schulen als nachgeordnete Dienststellen zu bewirken. Diese Steuerungslogik versagt heute. Warum? 1. Unsere Welt wird immer vernetzter, komplexer, schnelllebiger und gleichzeitig individualisierter. Rasante technische Entwicklungen (z.B. Informations- und Kommunikationstechnologien, virtuelle Welten), wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Budgetknappheit, Ökonomisierung von Bildung) und gesellschaftliche Veränderungen (z.B. geänderte Familienstrukturen, Notwendigkeit von Ganztagesbetreuung der Schüler/innen, Migrationsproblematik etc.) verlangen Entscheidungen vor Ort – in jener Organisation (Schule), wo diese Komplexität auftritt. Entscheidungen müssen maßgeschneidert und sehr rasch unter den standortspezifischen (regional oft sehr unterschiedlichen) Rahmenbedingungen getroffen sein. 2. Wenn notwendige bildungspolitische Vorgaben (z.B. die flächendeckende Implementierung kompetenzorientierter Lehrpläne sowie eines kompetenzorientierten Unterrichts durch Realisierung der Bildungsstandards und der darauf abgestimmten Prüfungen) in der schulischen Praxis umgesetzt werden sollen, wird vielfach „alles hier und jetzt und von jedem“ verlangt. Geht es jedoch um tiefgreifende Veränderungen (z.B. eine geänderte Rollenwahrnehmung der Lehrerin/des Lehrers für die Organisation Schule), wird der Steuerungsfaktor Zeit oftmals unberücksichtigt gelassen (Abbildung 1). Abb. 1: „Gut Ding braucht Weile …“ Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 4 Oft überholen die aktuellen Ereignisse gut überlegte Planungen. Notwendigkeiten und politische Entscheidungen stehen manchmal sehr überraschend „vor der Tür“. Darauf wird dann meist mit viel Überzeugungsarbeit der Führungskräfte gegenüber den anderen Hierarchieebenen bzw. gegenüber den Mitarbeiter/innen reagiert. Weitaus später – wir haben es ja mit einem schwerfälligen bürokratischen System zu tun – werden zögerlich und meist unzureichend rechtliche Grundlagen und/oder erforderliche Strukturen „nachgereicht“: (z.B. gesetzliche Verankerung eines schulischen Qualitätsmanagementsystems im Bundesschulaufsichtsgesetz und Bereitstellung von Ressourcen sowie Nominierung von Qualitätsbeauftragten). Hier endet meist das Tun der Führungsverantwortlichen. Diese Schritte sind zwar notwendig, allerdings nicht hinreichend, um langfristig spürbare Veränderungsprozesse zu gestalten und die Haltung, die emotionale Akzeptanz der Betroffenen und Beteiligten (siehe grüner Pfeil) zu „berühren“. Diese können, wenn sie das wollen, weiterhin in der „Komfortzone“ bleiben – es passiert nachhaltig nichts! die jahrzehntelang bewährten und subjektiv gut begründeten Umgehungstaktiken erfahrener Systemkenner/innen („Wir haben schon viele Reformen erlebt, aber noch keine mitgemacht“), auszuhebeln. Führung ist Handhabung von Veränderung – mit allen Gelingensbedingungen … Damit die letztlich erfolgsentscheidende, emotionale Akzeptanz einer Veränderung und die erforderlichen Lernprozesse bei den Betroffenen auch wirklich entstehen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Es braucht den Dialog (eine Kommunikationskaskade bzw. eine Führungskoalition auf und zwischen allen Hierarchieebenen des Bildungssystems) insbesondere über das „Warum?“ und das „Wohin?“ der Veränderung. Nur wenn den Betroffenen die Notwendigkeit und der intendierte Nutzen sinnhaft erscheinen, also subjektiv Sinn ergeben, kann ein Veränderungsprozess (ein „Musterwechsel“) akzeptiert werden (Abbildung 2): Abb. 2: Gelingens Bedingungen für Veränderung Fazit auf Schulebene: Wenn es um haltungsrelevante Steuerung von Veränderung geht, haben Schulen und deren Führungskräfte gar keine andere Möglichkeit mehr, als sich eigenverantwortlich zu zeigen, „ihres“ in die eigene Hand zu nehmen und zu gestalten („Ownership“). Und dazu braucht es Führung – am Schulstandort! Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 5 Führung ist Handhabung von Veränderung – mit dem Fokus auf den Prozess … Die oben skizzierten Gelingens Bedingungen sind unabdingbare Voraussetzungen für jeden Veränderungsbzw. Entwicklungsprozess. Welche Einflussfaktoren sind aber für den erfolgreichen Veränderungs- bzw. Entwicklungsprozess selbst maßgeblich? Die folgende Abbildung 3 stellt diese zunächst im Überblick dar: Abb. 3: Einflussfaktoren einer wirksameren Steuerungslogik in einem Veränderungsprozess im Bildungssystem Die große Herausforderung für einen tatsächlichen Musterwechsel hinsichtlich Steuerung von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen im Bildungssystem besteht darin, dass alle dargestellten Einflussfaktoren erfüllt sein müssen. Man könnte das vereinfacht mit einer Multiplikation vergleichen: Ist auch nur ein Faktor „Null“, ist auch das Ergebnis „Null“. Gleichzeitig gibt es eine Abhängigkeit innerhalb der einzelnen Faktoren (durch die drei Pfeile von unten symbolisiert). Diese Einflussfaktoren sollen nun kurz erläutert werden, wobei primär die Ebene der Einzelschule betrachtet wird: a) Führung ist Handhabung von Veränderung – mit einer systemischen Grundhaltung … Basis und „Nährboden“ jeglichen Handelns ist eine systemische Haltung der Führungskraft bzw. der Führungskräfte zu Menschen (z.B. Schulleiter/in zu „seinen“ bzw. „ihren“ Lehrer/inne/n), zur Organisation (z.B. Schule) und zur eigenen Führungsrolle (z.B. als Direktor/in) Systemische Haltung ist vereinfacht formuliert der Versuch, „das Ganze“ in den Blick zu nehmen. Ein niemals gelingender Versuch, denn was „das Ganze“ ist, wird vom/der Betrachter/in immer neu definiert. Das heißt, wenn ein/e Schulleiter/in die eigene Organisation Schule „betrachtet“, sieht er/sie genau das, was er/sie im konkreten Fall gerade in den Blick nimmt, z.B.: welche „Umwelten“ des Systems Schule sind gerade wichtig? (z.B. der Landesschulrat, die Eltern, die Gemeinde etc.), welche Konflikte werden gerade als zusammenhängend angesehen? (z.B. Schüler/innenverhalten in Abhängigkeit von Unterrichtsgestaltung durch eine bestimmte Fachgruppe etc.) Die „Betrachtungsverantwortung“ hinsichtlich Betrachtungsausschnitt liegt bei der Führungskraft. Diese Erkenntnis, das jeweils selbst geschaffene Beobachtungskonstrukt als das zu nehmen was es ist, nämlich Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 6 erstens unter einem bestimmten Blickwinkel konstruiert und zweitens selbst (also auf Grund persönlicher Präferenzen, Werte etc.) konstruiert, lässt viel leichter eine „Vogelperspektive“ einnehmen. Dadurch wird sehr rasch deutlich: Wenn man wie mit einem „Zoom“ den Betrachtungsausschnitt der Beobachtung erweitern oder ändern kann, folgt aus A nicht zwangsläufig B. Dann kann man andere Perspektiven einnehmen, andere Blickwinkel ausprobieren und damit für das eigene Konstrukt neue Erkenntnisse gewinnen. Dann kann z.B. ein „entweder – oder“ zu einem „sowohl als auch“ werden. Eine oft voreilig strapazierte „Ursache-Wirkungs-Logik“ kann relativiert werden. Abb. 4: Ein Grundprinzip systemischen Denkens Das systemische Denken und die „darunter“ liegende systemische Haltung gehen davon aus, dass das Bildungssystem aus zahlreichen lebenden Systemen besteht (einzelne Menschen, Gruppen, Schulen, Abteilungen des Bezirks-/Landesschulrates/Ministeriums, Unterstützungsorganisationen wie z.B. Pädagogische Hochschulen etc.). Die Herausforderung des Führens liegt darin, die Eigenlogiken dieser lebenden Systeme zu erkennen und zu respektieren, um dann eigenverantwortlich zu sein – für die Menschen, die man führt, für die Organisation, für die man verantwortlich ist und für sich selbst. Und zwar, indem man die (im Hinblick auf die „Sinnhaftigkeit“ für das gerade betrachtete System) sinnvollen Handlungsoptionen systemisch auslotet und entscheidet, um wirksam zu werden. b) Führung ist Handhabung von Veränderung – dialogisch… Wenn Schule zunehmend und konsequent für die von ihr erbrachte Leistung (jene der Schüler/innen, der Lehrer/innen, der Führungskräfte, des Verwaltungspersonals usw.) verantwortlich gemacht wird, dann erfordert es mehr denn je auf allen hierarchischen Ebenen des Bildungssystems eine Führung, die die Prozessund Ergebnissteuerung in den Fokus nimmt. Das ist umso schwieriger, als Führungskräfte im Bildungssystem eine massive Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten haben. Sie haben wenig bis keine Einflussnahme auf eingesetztes Personal, Budget, Gesetzgebung. Dennoch werden sie zunehmend für die Ergebnisse (den „Output“) verantwortlich gemacht. Wenn Schule auf Eigenverantwortlichkeit „zurückgeworfen“ wird, sind Schulleiter/innen mit einem dialogischen Führungsverständnis gefragt, und wenn Regionen bzw. Bundesländer bildungspolitisch strategisch gesteuert werden sollen, ist dieses besondere Führungsverständnis ebenso erforderlich. Es braucht Führungskräfte, die für standort- bzw. regionalspezifische Schulentwicklung (verstanden als Gesamtheit von Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung) die Verantwortung übernehmen können, müssen, dürfen und wollen! Im Sinne der systemischen Haltung nimmt demnach dialogische Führung den einzelnen Menschen ernst und verzichtet darauf ihn zu konditionieren. Sie basiert auf der systemischen Haltung, die „Eigenlogik“ des anderen zu respektieren, ohne sich selbst und seine eigene Verantwortung hintanzustellen. Dialogische Führung ist kein Patentrezept im Sinne herkömmlicher Managementkonzepte, keine Methode, sondern der Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 7 Versuch, jeweils in konkreten Führungssituationen Wege zu einer Praxis der gegenseitigen Achtung und des gemeinsamen Handelns zu finden. Ziel ist es zu einer von beiden akzeptierten Vereinbarung zu kommen. Nur so kann jede/r in die Eigenverantwortung gehen. Deshalb ist dialogische Führung auch eine systemische Haltungsfrage! Der Dialog zeigt sich dabei als eine Kommunikationsform, in der sich die Beteiligten gegenseitig helfen, eigene Einsichten und Initiativen zu entwickeln. Ziel einer dialogischen Kultur bzw. Führung ist also eine Art des Zusammenwirkens, in der die Individualität des einzelnen Menschen nicht nur gelebt werden darf, sondern erwünscht ist und als Potenzial verstanden, ja gefordert wird. Dafür gibt es einen psychologischen und einen strategischen Grund: 1. Jeder Mensch will als Individuum mit seinen ganz spezifischen Bedürfnissen, Kompetenzen, Zielen ernst genommen werden, um leistungswillig und leistungsfähig zu sein. Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass – insbesondere bei jungen Mitarbeiter/innen („Generation „Y“) – die Arbeitszufriedenheit immer weniger von materiellen Werten wie z.B. hohem Einkommen abhängt, sondern immer häufiger davon, dass der/die Einzelne seine/ihre Arbeit als sinnvoll erlebt und die Möglichkeit hat, die eigenen Fähigkeiten umfassend einzubringen. „Verhandlungsergebnisse, hinter denen ich stehe, ergeben für mich Sinn“. 2. Wir erleben eine zunehmend dynamischer und komplexer werdende Welt (siehe oben). Wenn aus der Zukunft Fragen auf uns zukommen, werden diese nur dann beantwortet/gelöst werden können, wenn sie möglichst nah am bisher Vorstellbaren, Kalkulierbaren, Einschätzbaren und Vorhersehbaren sind. Aber was an der Zukunft ist schon wirklich vorstellbar, kalkulierbar, einschätzbar und vorhersehbar? Wenn es sich um Probleme handelt, die wir heute im Bildungssystem nicht oder eben noch nicht kennen, so wird der Durchschnitt keinerlei Antwort darauf haben. „Wenn das System aber eine höchstmögliche Streuung aufweist, also von Verschiedenartigkeit und Individualität nur so strotzt, wird vielleicht einer, oder auch ein zweiter, mit seinem individuellen Ansatz, mit seinen ganz eigenen Denkmustern eine Antwort finden können“ (Hengstschläger, M. 2012, S. 13 f). Vielfalt muss daher als Ressource, als Potential zur Zukunftsbewältigung verstanden werden, und das Verhandlungsergebnis muss sich auf jene Organisation (z.B. die konkrete Schule) beziehen, in der dessen Auswirkung spürbar ist. c) Führung ist Handhabung von Veränderung - eigenverantwortlich … Auf die Problematik für Führungskräfte (insbesondere auf Schulebene), die Inputsteuerung, wie etwa die Schulgesetzgebung, real derzeit nur in geringem Ausmaß beeinflussen zu können, wurde bereits hingewiesen. Was bleibt aber, wenn zwar die Ergebnisverantwortung eingefordert, die dafür notwendige Durchsetzungsmacht aber real nicht gegeben ist? Die Antwort kann nur – zugegeben, etwas vereinfacht formuliert lauten: eine Vergemeinschaftung der Eigenverantwortung auf Basis der systemischen Haltung, ausgedrückt durch dialogische Führung. Wenn Schule als eigenständige Organisation verantwortlich gemacht wird für ihre Ergebnisse (die Bildungspolitik versteht das als Paradigmenwechsel von der Input- zur Output- oder besser: Outcome-Orientierung), dann bedarf es zunehmend der Verantwortungsübernahme möglichst aller am System Schule beteiligten Personen für deren Handeln und auch für deren Unterlassen. Eigenverantwortlich kann aber nur jemand sein, der seine Stärken, seine Schwächen, seine Grenzen, seine Potenziale, seine realen Handlungsoptionen bzw. -grenzen und vieles, das „darunter“ liegt, kennt und in einem ausreichenden Maße auch schätzt. Dann ist die Übernahme von Verantwortung „erwachsen“. Wenn man diese Grundhaltung jedem Menschen unterstellt, den man führt oder von dem man geführt wird, ist eine Begegnung „auf gleicher Augenhöhe“ möglich. Die systemrelevanten Menschen in ihrer jeweiligen Rolle (z.B. als Lehrer/innen) mit all ihren Zugängen und Haltungen ernst zu nehmen und gleichzeitig im Sinne einer systemischen Haltung sich selbst als Führungskraft auch ernst zu nehmen und zu wissen, wo mein Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 8 eigenes Wollen, mein eigenes Können“ und jenes meiner Organisation(en) liegen, ermöglicht eine „symmetrische“ Begegnung/einen „symmetrischen“ Dialog. Das klingt zwar banal, die Tücken liegen im Detail, insbesondere in der erforderlichen Verhandlung. d) Führung ist Handhabung von Veränderung – in symmetrischen Verhandlungsstrukturen auf Basis einer wertschätzenden Verhandlungskultur … Basis der unter diesen bildungspolitischen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen notwendigen Führungshaltung ist das Verhandeln, das „Ausmachen“, das Vereinbaren. Die geringe bzw. fehlende Möglichkeit der Inputsteuerung lässt der Führungskraft eigentlich gar keine andere Wahl. Vielfach haben kurzsichtigautoritäre „Kopf durch die Wand“-Verhaltensweisen („ich befehle“) ihre Wirkung nicht verfehlt, langfristig – gut an der Performance einer Organisation (z.B. einer Schule) ablesbar - ihre Nachhaltigkeit eingebüßt. Wenn heute einer Expertin/einem Experten, (z.B. einer Lehrperson), die Eigenverantwortung durch die Führungskraft abgesprochen oder aufgedrängt wird, dann lässt sich diese Expertenorganisation langfristig nicht erfolgreich steuern. Aber was ist Verhandlungsgegenstand? Es ist die konkrete Rollenerwartung in der jeweiligen Funktion als Führungskraft oder Expert/in! Als Schulleiter/in arbeitet man im Spannungsfeld „Mitarbeiter/innen führen“ „Organisation Schule führen“ – „sich selbst führen“. Dieser systemimmanente Konflikt verlangt von einem/einer Schulleiter/in, die seine/ihre Rolle ernst nimmt, tagtäglich Entscheidungsprioritäten. Es wird Loyalität zu den Lehrer/innen, zu den Schüler/innen, aber auch zur Schulaufsicht, zu Vertreter/innen der Landesschul-/Bezirksschulräte und parallel auch zu Organisationseinheiten des Ministeriums erwartet. Und gleichzeitig auch Loyalität zur Organisation Schule, ein Bekenntnis zu ihrer Zukunft, zu ihrem Ruf, zu ihrer Verlässlichkeit in ethischen Grundhaltungen und vielem anderen mehr. Um als Schulleiter/in „in Führung zu gehen“, braucht es die Akzeptanz dieses systemimmanenten Führungskonflikts durch alle Beteiligten – der „Zoomausschnitt“ muss groß genug sein (siehe systemische Haltung oben). Wenn es dem/der Schulleiter/in gelingt, in dieser „Multi-Rollenerwartung“ auch noch die eigene Person, die eigene Persönlichkeit und die eigenen Bedürfnisse für sich gut abzusichern, dann ist ein Verhandeln, z.B. mit der zuständigen Schulaufsichtsperson gelungen. Dann ist ein Verhandeln über Ziele, die „seine/ihre“ Schule in den nächsten drei Jahren erreichen soll oder will, im doppelten Sinne des Wortes zielführend. Dann lässt es sich „gut verhandeln“, denn dann entsteht eine Begegnung auf Augenhöhe, die dem Gegenüber genauso wie sich selbst unterstellt, aus eigener Einsicht und in eigener Verantwortung zu handeln. Dazu bedarf es also des Wissens um sich selbst, um die eigene Person, das Spüren der eigenen „Druckpunkte“, die Erfahrung mit sich selbst in heiklen Situationen, und gleichzeitig erfordert es das strategische Denken für die eigene Organisation Schule, das Gestalten von professionellen und guten Beziehungen zu den Lehrer/inne/n und dem Verwaltungspersonal. Dies passiert nicht von selbst. Die eigene (systemische) Haltung ist Grundvoraussetzung für das Entstehen einer Kultur, die diese Art der (Führungs-)Arbeit zwischen Entscheidungsträger/innen auf verschiedenen Hierarchieebenen ermöglicht und fördert. Um zu Vereinbarungen auf gleicher Augenhöhe hinsichtlich Zielwünschen, -vorgaben, Erfüllungserwartungen, -forderungen, Machbarkeiten und Konfliktlösungen zu kommen, soll die Führungskraft für sich Sicherheit bezüglich der Ziele, der Rollen und der Struktur schaffen (siehe Schubert, K./Degendorfer, W. 2010, S. 37-44). Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 9 Abb. 5: Sicherheit in der Verhandlungssituation Ziel- und Situationssicherheit Verhandeln ist im Grunde nichts anderes als der Interessensausgleich zwischen Personen, die zumindest zum Teil widersprüchliche Ziele oder Interessen verfolgen und zugleich in der Realisierung ihrer Ziele oder Interessen voneinander abhängig sind. Damit Verhandeln gelingen kann, muss der Dialog wie oben skizziert auf gleicher Augenhöhe stattfinden – und dies, obwohl Menschen unterschiedlicher Hierarchiestufen miteinander verhandeln (siehe Schulte-Derne, M./Schulte-Derne, M 2010, S. 52 f). Dabei geht es nicht darum, die Hierarchie zu leugnen, sondern Verhandlungen auf der inhaltlichen Ebene („Was ich kann/weiß/erfahren habe, ist soviel wert wie das, was du kannst/weißt/erfahren hast.“) persönlichen Ebene (Wertschätzung des Gegenübers als Folge der Wertschätzung meiner selbst) strukturellen Ebene („Meine Funktion unterscheidet sich von deiner, sie ist aber gleich viel wert für unsere Verhandlung.“) zu führen. Das ist in der Praxis oft schwer umsetzbar, da Führungskräfte im traditionell hierarchisch-bürokratischen Bildungssystem im „Scheinverhandeln“ sozialisiert wurden. Verhandeln hat oft sogar den Nimbus des Nichtwissens oder der Entscheidungsschwäche. Dass genau das Gegenteil zutrifft, entspricht nicht der bisherigen Systemlogik und bedarf der behutsamen, aber ständigen Fokussierung in Organisationsentwicklungsprozessen des Bildungssystems. Rollensicherheit Rollenklarheit für und Verantwortungsübernahme durch die Verhandlungspartner/innen sind ein Professionskriterium und wesentlicher Verhandlungsgegenstand. Den häufig zu beobachtenden Ängsten einer Hierarchieabflachung und des Machtverlustes auf Seite der höheren Hierarchieebene kann insofern begegnet werden, als diese klar kommuniziert, was sie alleine entscheidet und darüber die nachgeordneten Führungskräfte und Expert/innen lediglich informiert, zum Gegenstand von Beratung macht, um dann für sich ein differenzierteres Bild für die eigene Entscheidung zu haben, als Gegenstand der Verhandlung und damit der gemeinsamen Entscheidung sieht, ohne eigene Mitwirkung entscheiden lässt. Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 10 Struktursicherheit Verhandeln hat auch eine wichtige organisatorische Komponente. Diese betrifft die Struktur der Organisation Schule und deren vorgelagerte „Dienststellen“. Das heißt, dass die komplexer werdenden Organisationsstrukturen (z.B. Implementierung von SQA-Landes- bzw. Schulkoordinator/innen, die es bisher nicht gab) zwar Aushandlungsprozesse erfordern und entsprechende Kompetenzen der daran beteiligten Personen voraussetzen, aber gleichzeitig die erforderlichen Grundlagen und Voraussetzungen auf organisationaler Ebene dazu nicht oder nicht ausreichend geschaffen werden. Es fehlt diesbezüglich den Verantwortlichen häufig das Verständnis, dass Verhandeln eine definierte Zeit, einen Ort, an dem man verhandeln kann und vor allem Klarheit, mit wem eigentlich was, wie verhandelt werden muss, braucht. Wenn versucht wird, das Thema Aushandlung nur auf der Ebene der Personalentwicklung abzuhandeln, verstellt das die Sicht auf den dafür notwendigen Rahmen – also auf Strukturen, in denen das Verhandeln (z.B. in Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen) überhaupt erst möglich und erwünscht ist. Führung ist Handhabung von Veränderung – auch und besonders in SQA (Schulqualität Allgemeinbildung) Aus den bisher beschriebenen allgemein gültigen Grundlagen lässt sich damit für die bildungspolitische Initiative „SQA – Schulqualität Allgemeinbildung“ folgende These ableiten: SQA als koordiniertes Zusammenspiel aller Hierarchieebenen des Schulsystems zur Implementierung von bedarfsorientierten und standortspezifischen Schul- bzw. Unterrichtsprozessen, die „bei den Schüler/innen auch ankommen“, wird nur dann erfolgreich sein, wenn tatsächlich ein Musterwechsel zu einer systemischen Führungshaltung, sichtbar durch ein dialogisches Führungsverhalten der Verantwortlichen, basierend auf Eigenverantwortlichkeit, symmetrische Verhandlungsstrukturen, im Rahmen einer adäquaten Verhandlungskultur gelingt. SQA versucht diesen erforderlichen Musterwechsel zu initiieren und zu leben. In Abbildung 6 sind die Einflussfaktoren als Voraussetzung für das Gelingen von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen nochmals dargestellt (das entspricht der Abbildung 3). Beispielhaft sind Maßnahmen und Strukturelemente von/in SQA zugeordnet (z.B. durch die Installierung von Qualitätskoordinatoren, durch die Führung von Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen etc.). Anders ausgedrückt: Die Initiative SQA möchte selbst als ein gutes Beispiel für eine geänderte Steuerungslogik und einen anderen (Haltungs-)Veränderungsanspruch erlebt werden. Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 11 Abb. 6: Einflussfaktoren einer wirksameren Steuerungslogik in SQA (Qualitätsmanagement der allgemein bildenden Schulen) Mehr: Hengstschläger, M. (2012): Die Durchschnittsfalle. Gene – Talente – Chancen, Ecowin Verlag, Salzburg Schubert, K./Degendorfer, W. (2010): „… und die richtigen Schritte sind doch noch zu kurz…“ Es braucht Verhandlungsstrukturen und –kulturaufbau im hierarchisch-bürokratischen Schulsystem. In: Journal für Schulentwicklung, 4/2010, Studien-Verlag, Innsbruck Schulte-Derne, M./Schulte-Derne, M. (2010): Wie Sie symmetrische Verhandlungsstrukturen und eine passende Verhandlungskultur etablieren. In: .C/O/N/N/E/C/T/A (Hrsg.): Führung leben. Praktische Beispiele – praktische Tipps – praktische Theorie., Carl Auer-Verlag, Heidelberg Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 12 Struktur und Leitfaden von Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen Der Entwicklungsplan (EP) greift ein Thema auf und blickt zunächst zurück: Was ist uns gelungen? Was (noch) nicht? Mit dieser Analyse beginnt auch das Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräche (BZG). Die Gesprächspartner/innen bewerten anschließend gemeinsam die im EP enthaltenen Ziele und schätzen die Erfolgsaussichten der geplanten Maßnahmen ein. Dabei geht es immer auch um die Frage, woran der Erfolg zu erkennen sein wird (Indikatoren). Die Auseinandersetzung mit dem Fortbildungs- und Unterstützungsbedarf mündet in eine Vereinbarung, in der sich beide Seiten schriftlich zur Einhaltung ihrer Zusagen verpflichten. Das BZG läuft also in folgenden Phasen ab: Bilanz ziehen: Rückschau, Erfolgsanalyse und Bewertung, Analyse des Führungsverhaltens Ziele besprechen und operationalisieren, Rahmenbedingungen bzw. Unterstützungsbedarf thematisieren Vereinbarungen treffen Ein Leitfaden4 soll die Gesprächspartner/innen bei der Vorbereitung des BZG unterstützen. Zum Ineinandergreifen von EP und BZG siehe auch Entwicklungspläne (EP) und Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräche (BZG)5 Download: Leitfaden für die Vorbereitung des BZG 6 Zeitliche Abfolge von Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen Das Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch sollte grundsätzlich möglichst bald nach der Übermittlung des jeweiligen Entwicklungsplans stattfinden. Dies wird jedoch aufgrund der großen Anzahl von Schulen, für deren Betreuung ein/e LSI/BSI verantwortlich ist, oft nicht möglich sein. Die BZG werden sich in diesen Fällen über das ganze Jahr verteilen müssen; im Pflichtschulbereich wird manchmal auch nur alle zwei bis drei Jahre ein BZG möglich sein. Ungeachtet dessen sind die Schulen verpflichtet, die Aktualisierungen ihrer EP zu Beginn des Schuljahres an die Schulaufsicht zu übermitteln und an der Umsetzung zu arbeiten. Es liegt im Ermessen des/der BSI/LSI, sich auch abseits der BZG mit einzelnen Schulen in Verbindung zu setzen – was natürlich vor allem eine Frage der Zeitressourcen ist. Die regelmäßig stattfindenden Leiter/innen-Besprechungen bieten hier eine weitere Möglichkeit, wichtige Aspekte der Qualitätsarbeit anzusprechen. Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 13 Internetverweise 1 http://www.sqa.at/course/view.php?id=65 (02.10.2012) http://www.sqa.at/course/view.php?id=64 (02.10.2012) 3 http://www.sqa.at/course/category.php?id=5 (02.10.2012) 4 http://www.sqa.at/pluginfile.php/1126/course/section/475/bzg_gespraechsleitfaden.pdf (22.10.2012) 5 http://www.sqa.at/course/view.php?id=60 (02.10.2012) 6 http://www.sqa.at/pluginfile.php/1126/course/section/475/bzg_gespraechsleitfaden.pdf (22.10.2012) 2 Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräch BZG 14