Predigt Estomihi - Evangelisch in Aurachtal und Oberreichenbach

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Predigt Sonntag Estomihi, Aurachtal und Oberreichenbach, Pfr. Peter Söder
Predigttext Mk 8,31-38
Die erste Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung
31Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den
Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen
auferstehen.
32Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren.
33Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir,
Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
Von der Nachfolge
34Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der
verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um
meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten.
36Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele
Schaden?
37Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen
Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der
Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.
Liebe Gemeinde,
gerade einmal zwei Wochen ist es her, da haben wir gemeinsam über das Thema: Geld und Glück
nachgedacht. Vielleicht erinnern sie sich: Eckart von Hirschhausen und die Unzufriedenheit der
Arbeiter im Weinberg. Und zwar derer, die zwar ihren verabredeten Lohn bekamen, aber dennoch
unzufrieden waren, weil andere vergleichsweise mehr bekamen.
Vor zwei Wochen lag dabei der Schwerpunkt auf dem Vergleich – dem Vergleich als Keimzelle des
Unglücks.
Heute begegnet uns das Thema Geld oder Güter erneut – allerdings mit einer anderen Zielsetzung.
„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nehme doch Schaden an seiner
Seele. Denn was kann er geben, um seine Seele zu retten?“
Wieder tauchen also Geld oder Güter auf – doch diesmal mit der Zielrichtung der eigenen Seele.
„Kein Geld der Welt kann deine Seele retten“, das ist die Botschaft.
Diese Botschaft ist allerdings eingebettet in Jesu Ankündigung des Leidens und Sterbens. Die
sogenannte erste Ankündigung, denn noch zweimal wird Jesus im Mk-Evangelium ähnliche Worte
sprechen.
In dieser heutigen Bibelstelle allerdings trifft Jesus zunächst auf Widerstand – und zwar ausgerechnet
von Petrus. Petrus nämlich möchte Jesus wehren – und wird dafür scharf zurechtgewiesen.
Allerdings: wie gut können wir Petrus verstehen.
„Bitte tu das nicht!“, wie oft haben wir solche oder ähnliche Worte auch schon gesprochen.
Gesprochen aus Sorge, gesprochen aus Angst, oder auch gesprochen, weil die Folgen für uns nur
schwer zu ertragen sind.
Eltern können solche Worte oftmals sagen. „Bitte tu das nicht“, „fahr nicht zu schnell“, „komm nicht
zu spät heim“, „gib dich nicht mit den falschen Menschen ab“.
Auch Partner können das zueinander sagen. „Bitte fahr nicht Auto, wenn du was getrunken hast“,
„Bitte nimm diesen Job nicht an, der uns so weit auseinander führt“, „Bitte triff dich mit dieser Frau,
diesem Mann nicht mehr – es macht mir Angst“.
In all diesen Bitten liegt dabei stets ein Zweifaches: zum einen natürlich die Sorge um den Menschen,
den man liebt. Zum anderen aber – und das ist kein Vorwurf – ein egoistischer Zug. „Ich will dich
nicht verlieren, ich brauche dich!“, sagt man damit.
Nicht anders ist es bei Petrus. Natürlich hat er Angst. Angst um Jesus, aber auch Angst um sich selbst
und die Jünger.
„Wie wird es mit uns weitergehen, wenn du nicht mehr da bist?“, diese Frage steht im Raum.
Jesu Reaktion ist aber eindeutig: Als Satan bezeichnet er sogar Petrus.
„Satan“ ist dabei der Name des Täuschers, des Blenders. JA, Jesus nennt hier Petrus einen Blender.
Und er tut das, weil Petrus Wunsch zwar sich selbst und seine Wünsche im Blick hat, aber nicht die
anderen, um die es auch geht – wenn man so will, auch hat Petrus damit auch uns heute nicht im
Blick.
Keine Frage, für Petrus war es nicht zu überblicken, was Jesu Weg nach Jerusalem und dann nach
Golgatha bedeutete. Er wollte Jesus für sich behalten. Egoistisch – und doch so verständlich.
Und auch wir verstehen vielleicht diesen Weg Jesu nicht immer. Warum musste das geschehen?
Warum dieser Weg?
Eine Antwort darauf finden wir in der Frage nach der Seele – aber auch in dem, was wir vorhin beim
Propheten Amos hörten:
Jesus geht es darum, den falschen Weg, die falschen Wege zu beenden, zu durchkreuzen. Und Jesus
nimmt dabei sein Kreuz auf sich. Bildlich – und später so schrecklich real.
Deswegen musste er Petrus wehren. Und deswegen gab es keine Alternative.
Was aber sind die falschen Wege?
Vom Propheten Amos herkommend, können wir zwei Dinge festhalten: zum einen eine falsche Art
des Gottesdienstes, zum anderen soziale Ungerechtigkeit.
Ein falscher Gottesdienst ist für Amos, wenn die Menschen sich nur um sich selber drehen. Wenn der
Blick nicht über den eigenen Tellerrand hinausgeht. Und wenn man es zulässt, dass Gottesdienste
nicht zur Umkehr aufrufen, sondern nur vertrösten.
Amos fordert auf, die Augen zu öffnen. Gerade für die, denen es nicht gut geht. Denn das Kümmern
um die soll stets ein Teil des Gottesdienstes sein, des Gottesdienstes im Alltag.
Dieser Alltag aber war durchzogen von Ungerechtigkeit. Die Gerichte sprachen nicht Recht, die
Reichen bestimmten alles und die Armen wurden immer ärmer. Wo das geschieht, wo das
zugelassen wird, da ist ein Gottesdienst schal, so der Prophet.
All diese Themen aber nimmt Jesus später wieder auf. Er weiß um die Ungerechtigkeit, er weiß um
mangelndes Gottesvertrauen und das fehlende Handeln aus dem Glauben – mit einem Wort, er weiß
um die Sünde.
Und deswegen setzt er gegen alle Widerstände den Weg nach Golgatha fort.
Wir, die wir heute hier versammelt sind, wissen um das Ende – und den Neuanfang nach Golgatha.
Gerade aber deswegen mögen wir uns warnen lassen:
Feiern auch wir keine Gottesdienste, die uns nur trösten, sondern nehmen wir jeden Gottesdienst
neu als Umkehr, als Umkehr zu Gott. Und lassen wir es nicht zu, dass Unrecht geschieht. Nehmen wir
also unser Kreuz auf uns.
Das Kreuz, das wir dabei zu tragen haben, ist gottlob ein anderes, als Jesus es hatte. Und kein Kreuz
ist dabei dem anderen gleich. Und dennoch können alle Kreuze unter einem Namen
zusammengefasst werden – und zwar unter dem Namen der Verantwortung.
Ja, wir sind gerufen, Verantwortung zu zeigen und zu leben. Verantwortung für die Menschen, die
uns anvertraut sind. Und Verantwortung für das Große und Ganze, wo wir das vermögen.
Verantwortung zeigen aktuell viele Menschen, die ihre Stimme erheben gegen
Ausländerfeindlichkeit. Es beeindruckt mich sehr, dass an so vielen Orten die Worte „Unser Ort ist
bunt“ betont werden. An Orten, an denen andere Gruppierungen genau das Gegenteil wollen.
Hier aber aufzustehen und es nicht zuzulassen, dass andere Menschen ausgegrenzt werden, ist
Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung, die Zeit kostet – und die vielleicht auch auf
Widerstände trifft.
Doch nicht nur in solchen Dimensionen können wir Verantwortung wahrnehmen. Noch wichtiger und
wertvoller ist eigentlich die, die sich um die Menschen um uns herum dreht.
In der eigenen Familie gelingt dies zumeist leicht. Wir spüren die Verantwortung und leben sie. Doch
auch hier gilt es immer wieder neu zu schauen, ob Partner oder Kinder nicht zu kurz kommen durch
das, was mir selbst so wichtig ist.
Bei ehemaligen Partnern oder Kinder, die von einem getrennt sind, geschieht es nicht so
automatisch. Doch auch hier bleibt stets ein kleiner oder großer Anteil bestehen.
Und auch im Freundes oder Bekanntenkreis oder bei Arbeitskollegen.
Überall gilt, dass wir nicht um jeden Preis die Welt gewinnen dürfen, also nur unseren Weg gehen
mögen – sondern Mitverantwortung haben. Im Augen-öffnen, im Mund-auftun und im Einstehen für
andere.
Denn wenn wir das unterlassen, mögen wir vielleicht selber weiterkommen, unsere Seele aber
nimmt Schaden.
„Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganz Welt gewönne, nehme aber Schaden an seiner
Seele?“
Liebe Gemeinde, ich habe früher viel mit dem Wort „Sein Kreuz auf sich nehmen“ gehadert.
Es kam mir vor wie ein schweres Leben und eine Last, die ich eigentlich nicht tragen wollte.
Unter dem Blickwinkel der Verantwortung hat sich mir die Bibelstelle aber ganz neu erschlossen.
Denn: wir müssen nicht leiden und mühsiggehen – wir müssen nicht Jesus Weg nach Golgatha selbst
beschreiten. Wir dürfen leben!
Aber eben Leben in Verantwortung für die Menschen um uns her. Verantwortung, die natürlich auch
immer wieder fehlschlägt.
Deswegen bekennen wir auch in jedem Gottesdienst, dass wir gesündigt haben, in Gedanken,
Worten und dem, was wir tun oder unterlassen.
Nicht aber, um uns klein zu machen, sondern um stets auch neu die Augen zu öffnen.
Dieses Augen-öffnen und Umkehren ist dabei aber ein wichtiger Teil der Gottesdienste. Daran
erinnert vor allem Amos – aber auch Jesus.
Nehmen wir es daher stets neu wahr: kehren wir um, prüfen wir uns stets neu – und tragen wir
Verantwortung.
Sie ist nicht so schwer, wie wir manchmal vielleicht denken, denn Jesus begleitet uns. Denn er hat
uns frei gemacht. Amen.
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