Es gilt das gesprochene Wort Rede der Staatsministerin für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen in der Bayerischen Staatskanzlei Dr. Beate Merk, MdL, anlässlich des Tags der Deutschen Einheit am 2. Oktober 2015 im Georg C. Marshall Center in Garmisch-Partenkirchen - Anrede Mancher lächelte 1987 über Ronald Reagan. „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“ – der Satz ist legendär. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung erinnern wir Deutsche uns in Respekt und Dankbarkeit. Reagan zeigte den Menschen in Ost und West: Die USA stehen auf der Seite von Freiheit und Selbstbestimmung. Zwei Jahre später fiel die Mauer. Nach Jahrzehnten der Trennung waren Familien, Freunde, Regionen wieder vereint. Die Bürger der DDR haben den Eisernen Vorhang eingedrückt. Ihr Freiheitsdrang und Menschen wie Ronald Reagan haben ihnen den Mut dazu gegeben. Ich freue mich, in Garmisch-Partenkirchen gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden den Tag der Deutschen Einheit zu feiern! -2Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Sigrid Meierhofer, sehr geehrter Herr General Johann Berger, ich danke Ihnen herzlich für diese gemeinsame Feier im Marshall Center. Sie zeigen eindrucksvoll: Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist fest verwurzelt und bei uns in Bayern eine Selbstverständlichkeit. - Anrede - Seit 70 Jahren haben wir mit den Vereinigten Staaten einen starken Partner. Dafür sind wir dankbar. Die Amerikaner waren nach der Befreiung Deutschlands vom Naziregime großmütige Sieger. Aus Besatzern wurden bald Verbündete. Ihr Namenspatron Georg C. Marshall stand als USAußenminister für diesen Großmut. Hätten die USA nach Kriegsende nur nach ihren kurzfristigen nationalen Interessen gehandelt, gäbe es heute kein einiges Europa und kein vereintes Deutschland in Frieden und Freiheit. -3Unvergessen die Berliner Luftbrücke, für die Amerikaner wenige Jahre nach dem Krieg ihr Leben gelassen haben. Unvergessen der Marshallplan als Initialzündung für unser Wirtschaftswunder. Unvergessen die Solidarität von John F. Kennedy nach dem Mauerbau. Sein Satz „Ich bin ein Berliner“, gab den verzweifelten Menschen die Hoffnung zurück. Kein Deutscher wird die Gesten der Freundschaft je vergessen. Die Menschen in Bayern mussten mit dem Eisernen Vorhang leben. Mit über 800 Kilometer hatten wir die längste Grenze zum damaligen Ostblock. Die amerikanischen GIs in Bayern waren für uns beruhigend. Mit ihnen an unserer Seite haben wir uns sicher gefühlt. 16 Millionen Amerikaner waren über die Jahrzehnte in Deutschland stationiert. Aus Verbündeten wurden mit der Zeit echte Freunde. -4Wir werden den Vereinigten Staaten von Amerika und jedem einzelnen ihrer Soldaten diese Treue und Freundschaft nicht vergessen. Amerika hat uns die demokratischen Spielregeln wieder gelehrt und uns in die westlichabendländische Wertegemeinschaft zurückgeführt. Mutige Männer wie Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß beschritten den Weg der Westbindung. Sie wussten: Nur an der Seite Amerikas kann die Einheit aller Deutschen in Freiheit gelingen. Die Geschichte hat ihnen Recht gegeben. Heute leben wir seit 25 Jahren im vereinten Deutschland. Viele haben mitgebaut an der Deutschen Einheit: Hunderttausende DDR-Bürger sind im Herbst 1989 auf die Straße gegangen – in Leipzig, in Dresden, überall in der DDR. Sie kämpften: Für Offenheit, für Demokratie, für Freiheit. Die Menschen im Osten haben mit bewundernswertem Mut den SED-Unrechtsstaat beseitigt. Allen Frauen und Männern der friedlichen Revolution zollen wir größte Dankbarkeit und höchsten Respekt! Sie sind Helden der Freiheit! Wir alle haben den Ruf „Wir sind das Volk!“ noch im Ohr. -5- Schnell riefen die Menschen: „Wir sind ein Volk!“ Die Staatsmänner Michail Gorbatschow und George Bush haben diesen Ruf gehört. Sie haben für uns das Tor der Freiheit geöffnet. Sie sind in unsere Geschichtsbücher eingegangen. Ihre neue Politik hat das Ende des Ost-West-Konflikts ermöglicht. Der persönliche Einsatz der Regierung von George Bush senior war eine ganz entscheidende Voraussetzung für die Einheit Deutschlands – und zwar im Einvernehmen mit unseren Nachbarn, als Mitglied der NATO, in voller staatlicher Souveränität. Unsere amerikanischen Freunde standen bei den Verhandlungen mit den Siegermächten fest an der Seite von Helmut Kohl. Als deutscher Patriot setzte er all seine Kraft für die Einheit ein. Er hat die Wiedervereinigung in Freundschaft mit unseren Nachbarn gestaltet. 1989 und 1990 waren Jahre der Freude für ganz Europa. Die deutsche Einheit war eine Sternstunde der Geschichte! -6- Anrede - Für uns gilt heute und morgen: Europa und die USA brauchen einander! Demokratie und Frieden werden erst durch Vertrauen und Freundschaft möglich. [Motto des Marshall Center: Democratia per fidem et concordiam: Demokratie durch Vertrauen und Freundschaft.] In den Krisen der Welt spüren wir mehr denn je: Unsere Freundschaft ist der Grundpfeiler deutscher und europäischer Außenund Sicherheitspolitik. Vor 25 Jahren konnten wir bei der Wiedervereinigung auf unsere amerikanischen Freunde zählen. Am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit 1990 hat uns Georg Bush senior „partners in leadership“ angeboten [Rede Bushs am 2. Oktober 1990 an das deutsche Volk]. Das war ein großartiger Vertrauensbeweis. Heute arbeiten wir eng zusammen. Das „George C. Marshall Europäische Zentrum für Sicherheitsstudien“ ist das beste Beispiel: Wir in Bayern sind stolz auf dieses Gemeinschaftsprojekt amerikanischer und deutscher Soldaten. Das Marshall Center ist das einzige US-Zentrum für regionale Sicherheitsstudien außerhalb der USA. -7Das ehrt uns in Bayern als Gastland besonders. Wir wissen: Sie alle arbeiten hier jeden Tag an unserer Freundschaft. Dank und Respekt dafür! - Anrede - Sie bringen am Marshall Center Menschen aus verschiedensten Ländern zusammen. Nordamerika trifft hier Europa und Eurasien. Militärische und zivile Entscheidungsträger können einen offenen Dialog führen. Alle eint das gemeinsame Interesse an einer friedlichen und stabilen Welt. Wie wichtig Ihre Arbeit ist, wird uns in diesen Tagen besonders bewusst. Nur im gemeinsamen Dialog finden wir Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit: Staaten zerfallen. Terrormilizen errichten menschenverachtende Regime. Diktatoren töten ihr eigenes Volk. Weltweit sind 50 bis 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Terror, Krieg und Hunger. Auf meinen Reisen in den Libanon, in die Türkei und nach Serbien habe ich die humanitären Auswirkungen dieser neuen globalen Unordnung hautnah erlebt: Hunderttausende Flüchtlinge -8hoffen auf uns als internationale Wert- und Verantwortungsgemeinschaft. Sie sind dabei, diese Hoffnung zu verlieren, und verlassen ihre Heimat. Wir in Bayern können den enormen Flüchtlingsansturm nicht alleine bewältigen. Viele Ehrenamtler sagen mir: Wir können nicht mehr. Unsere Belastungsgrenze ist überschritten. In den ersten 7 Monaten dieses Jahres sind 96.000 Flüchtlinge bei uns angekommen. Alleine im September waren es 200.000. Bei diesen Zahlen braucht es keine weiteren Argumente. Und man muss klar sagen: Wir wollen und wir müssen den Flüchtlingsstrom so weit wie irgend möglich beschränken. Und was auch klar ist: Wir können die Situation nicht alleine beherrschen. Wir appellieren an die Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft. Der Flüchtlingsansturm ist kein deutsches und auch kein rein europäisches Problem. Für diese Generationenaufgabe brauchen wir die Weltgemeinschaft. Wir sind deshalb den USA sehr dankbar für die Zusage, mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen als bisher. -9Aber es reicht für uns alle nicht, Symptome zu behandeln. Gemeinsam müssen wir viel stärker an die Ursachen denken. Erst wenn wir die Fluchtursachen entschlossen bekämpfen, eröffnen wir den Menschen wieder Perspektiven in ihrer Heimat. Das ist die globale Sozialpolitik im 21. Jahrhundert. Humanität, Gerechtigkeit, Solidarität, das heißt in diesen Wochen: 1. Den Flüchtlingsansturm als internationale Verantwortungsgemeinschaft gemeinsam schultern. 2. Die Menschen in den Flüchtlingslagern und in den Herkunftsländern unterstützen. 3. Den Nahen Osten gemeinsam stabilisieren. Das wird uns alle Kraft und Mühe kosten. Aber so lange die Region nicht stabil ist, wird der Exodus der Menschen aus Syrien weiter andauern. - Anrede - Die Ideen von Freiheit und Demokratie geben den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Welt. Vor 70 Jahren genauso wie heute. Sie am Marshall Center beweisen diese Botschaft täglich. Seit dem Ende des Kalten Krieges bauen Sie - 10 eine stabile Brücke zwischen den ehemaligen Feinden. Sie gestalten Zukunft für moderne Demokratien, freie Gesellschaften, für die Freundschaft zwischen den Völkern. Als Bayerische Europaministerin danke ich Ihnen für Ihr Engagement, Ihren Idealismus und Ihren konkreten Erfolg im Dienst der Menschen! Wir alle tragen große Verantwortung. Zeigen wir gemeinsam unsere Glaubwürdigkeit als internationale Wertegemeinschaft! Wir haben große Aufgaben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gestemmt. Deutschland ist glücklich in Frieden vereint. Unsere Nachbarn im Osten sind Teil der Europäischen Union und der NATO. Lassen Sie uns als Partner und Freunde auch die neuen Herausforderungen unserer Zeit angehen! Lassen Sie uns gemeinsam weiter für ein friedliches Zusammenleben, für Freiheit, Demokratie und ein menschenwürdiges Leben überall auf der Welt arbeiten! - 11 Blühe, deutsches Vaterland! God bless America!