Umsetzungsstrategien zur Förderung von Sicherheitskultur und

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Besuch Serbische Delegation
in der Ärztekammer Berlin
„Sauberes Wissen“
16. März 2010
Dr. med. Günther Jonitz
Präsident der Ärztekammer Berlin
Mitglied des Vorstands der Bundesärztekammer
Vorsitzender des Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.
Medicinal Edict of
the Great Elector
of 12th June 1685
Frederick William I
Great Elector of Brandenburg
and Duke of Prussia
„In the towns as well as in the open country
serious and calamitous grievances have arisen
in the production and prescription of drugs and
cures of the sick whereby not only the art of
healing revealed to man by the Almighty God
has become descredited and despised as well as
a laughing stock among the common people, but
also many of our subjects have oftentimes
suffered bodily harm or else even lost their lives.
In order to remedy the current deficiencies and
inconveniences and for the purpose of an
assiduous inspection and careful observation of
the medical profession and all pertaining groups
of people, viz. the drugists, barbers, surgeons,
midwives, occultists, stone cutters, barbersurgeons and the like we will form a Collegium
Medicum which same institute shall consist of
the most venerable doctors and which shall
receive from us coercive rights to perform its
most important task.“
1601 führte Kapitän James Lancaster erstmalig eine
erfolgreicher Maßnahme zur Verhinderung von
Skorbut durch Zitronensaft ein. Er berichtete schriftlich
darüber.
Wann übernahm die Britische Marine diese Maßnahme?
1.
2.
3.
4.
1602
1689
1757
1796
(195 years later)
http://nationalqualitycenter.org/download_resource.cfm?fileID=18498
Wie lange brauchte das
Nationale Institut für Gesundheit (USA), um die
Empfehlungen zur Ulcusbehandlung zu
übernehmen,die Dr. Marshall 1984 in LANCET
publizierte?
1.
2.
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4.
2 Jahre
5 Jahre
10 Jahre
20 Jahre
http://nationalqualitycenter.org/download_resource.cfm?fileID=18498
Wie lange brauchte das
Nationale Institut für Gesundheit (USA), um die
Empfehlungen zur Ulcusbehandlung zu
übernehmen, die Dr. Marshall 1984 in LANCET
publizierte?
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2 Jahre
5 Jahre
10 Jahre
20 Jahre
Historie der modernen Ulcustherapie
Timetable:
1979: Dr. Robin Warren,
pathologist at Royal
Perth Hospital, Australia
found bacteria in stomach of patients
1981:
Dr. Barry Marshall starts residency
1982:
Marshall cultivates bacteria: Helicobacter
pylori, 100% in Duodenal Ulcer and 77% in
Gastric Ulcer
1984:
first publication in Lancet; presents treatment
of ulcer with common antibioticum
1994:
National Institute of Health recommends
treatment of ulcer as suggested by Dr.
Marshall
Die Erkenntnis von heute
ist der Irrtum von morgen:
„ Blinddarmoperation am Besten in Linksseitenlage“
Chir. Operationslehre nach Bier-Braun-Kümmel 1955
„ Gallenblasenoperation durch Rippenbogenrandschnitt“
Goldstandard bis 1991
„ Magengeschwüre werden durch Säure ausgelöst und durch Stress
verursacht“
Goldstandard bis ca.1989
Barry Marshall MD, H.p. Selbstversuch
Nobelpreis 2005
Vorsicht Irrtum! (Bias)
Der
Der
Der
Der
Der
Der
Der
...
Trugschluss, dass ein Zusammenhang immer kausal sei.
Surrogat-Ergebnis-Trugschluss.
Trugschluss der erdrückenden Beweislast.
„Das-sagen-doch-alle“ Trugschluss.
Trugschluss von der irrelevanten Signifikanz.
Trugschluss von der Erfahrung.
Autoritäts-Trugschluss.
aus: Torheiten und Trugschlüsse in der Medizin, Skrabanek,
McCormick, Verlag Kirchheim 1992
Einflussnahme Dritter auf die medizinische Forschung
- Test von Medikamenten an Patienten, die jünger sind, als die
Zielgruppe. Durch geringere Komorbidität geringere
Nebenwirkungen, scheinbar höherer Nutzen
- Vergleich des Präparates mit einem Konkurrenzpräparat in zu
niedriger Dosierung
- Wahl von „Surrogatendpunkten“
- Auswertung von Rohdaten nur durch Finanzier der Studie, nicht
durch den Autor
- Verzögerung der Publikation
- Verschweigen von negativen Studienergebnissen
Th. Bodenheimer NEJM 2000; 342:1539- 1544
„Die Hälfte dessen, was Sie im Studium
gelernt haben, wird sich im Laufe von 5 Jahren
entweder als grottenfalsch oder komplett
überholt herausstellen.
Das Problem ist, dass Sie nicht wissen, welche
Hälfte.
Es geht also nicht darum, Faktenwissen
anzuhäufen, sondern sein Tun in Frage zu
Stellen und zu wissen, wie man lernt!“
David Sackett, geb. 1934, Stammvater der evidenzbasierten Medizin
aus: Thoughts for new medical students at a new medical school, Richard Smith, BMJ 2003; 327: 1430-3
Evidenzbasierte Medizin
ist der
gewissenhafte, ausdrückliche und angemessene Gebrauch
der gegenwärtig besten vorhandenen Daten
aus der Gesundheitsforschung,
um bei Behandlung und Versorgung
von konkreten Patienten Entscheidungen zu treffen.
EbM beinhaltet die Integration individueller klinischer Expertise
mit der bestmöglichen externen Evidenz
aus klinischer Forschung und der Präferenz des Patienten.
David Sackett, BMJ 1996; 312: 71-2
Wie funktioniert EbM?
-
Fragestellung formulieren
Recherche durchführen
Kritische Beurteilung der Literatur
Anwendbarkeit auf den speziellen Fall
Selbstbewertung bezüglich eigener Ergebnisse
Kritische Beurteilung
- Endpunkte klinisch bedeutsam?
Nutzen vs Wirksamkeit/Surrogatparameter
- Glaubwürdigkeit (Randomisierung, Nachbeobachtung)
- Ergebnisse (wie groß war die Wirkung?)
- Relevanz für die klinische Praxis
(Wirkung, Nebenwirkung, Kosten,
- Patientenpräferenz
Vergleichbarkeit)
„Levels of Evidence“
Ia
Ib
IIa
IIb
III
IV
V
Metaanalyse aus randomisierten kontrollierten Studien
einzelne, randomisierte kontrollierte Studie
nicht randomisierte Studie
quasi-experimentelle Studie
nicht experimentelle, deskriptive Studie
Expertenmeinung, Konsensuskonferenz
Kasuistik
Cave:
Gute Methodik ist KEIN Ersatz für die richtige
Fragestellung.
Nach der West-of-Scotland-Studie beträgt das 5-Jahres-Risiko
für Tod aus kardiovaskulärer Ursache unter Placebo 2,3%, unter
Pravastatin 1,6%.
Es kann auch gelten:
1.
Pravastatin reduziert das Risiko für alle kardiovaskulär verursachten
Todesfälle gegenüber einer Placebo-behandelten Kontrollgruppe um 30%
(das 95% Konfidenzintervall reicht nach Angaben der Autoren von 3 bis
53%).
2.
Werden 1000 Männer mit Hypercholesterinämie (Alter 45 bis 64 Jahre)
über 5 Jahre mit Pravastatin behandelt, werden statt 23 (unter Placebo)
16 einen kardiovaskulär verursachten Tod sterben.
3.
Unter Pravastatin überleben 984, unter Placebo sind es 977.
4.
Um einen solchen Todesfall zu verhindern, müssen 143 Personen
behandelt werden.
5.
Nach Skolbekken (1998) erfordert dies die Einnahme von rund 350.000
Pravastatin-Tabletten.
Wenn Sie jetzt anfangen, nachdenklich zu werden, sind Sie richtig...
„Mammographiescreening
senkt die Mortalität bei Brustkrebs
um 25%!“
Möchten Sie morgen Abend 6 Millionen €
bekommen? – steuerfrei!?
Möchten Sie die Wahrscheinlichkeit
dafür um 50% erhöhen!?
Dann füllen Sie bitte statt vier
sechs Kästchen auf dem Lottoschein aus.
Viel Glück!
„Mammographiescreening
senkt die Mortalität an Brustkrebs um 25%“
Von 1000 Frauen ohne Screening sterben in zehn
Jahren 4 an Brustkrebs.
Von 1000 Frauen mit Screening sterben in zehn
Jahren 3 an Brustkrebs. = 25% relative Risikoreduktion RRR
= 0,1% absolute Risikoreduktion (=1/1000)
Number Needed to Treat NNT = 1000
Von 1000 Frauen bekommen in zehn Jahren ca. 300
einen falsch-positiven Befund!
Number Needed to Harm NNH = ca. 3
„primum nil nocere“!
Relevanz und Verständlichkeit:
Number needed to treat (NNT)
Number needed to harm (NNH)
„Das Einmaleins der Skepsis“
Gerd Gigerenzer
!!!!!
Die Lösung:
Evidenzbasierte Medizin fragt explizit und
systematisch:
-
was will mein Patient – eigentlich?
was muss ich dazu wissen?
stimmt das, was ich zu wissen glaube?
ist das Wissen auf den einzelnen Patienten
anwendbar?
- habe ich die therapeutischen Ziele erreicht?
www.ebm-netzwerk.de
www.cochrane.org
11 - 14 October 2009 in Singapur
(freier Zugang durch Mitgliedschaft im ebm-netzwerk)
www.ebandolier.com
„the world‘s best clinical epidemiological homepage,
because its the only humorous one…“
www.jameslindlibrary.org
Literatur von 1550 vor Christus bis zur
Gegenwart
Randomisierte Studie bei Skorbut 1753
www.ebm-netzwerk.de
www.cochrane.de
www.aezq.de
www.leitlinien.de
www.patienten-information.de
www.ebandolier.com
www.evibase.de
www.evimed.ch
www.g-i-n.net
www.ebmfrankfurt.de
www.akdae.de
www.iqwig.de
www.isdbweb.org
http://www.nlm.nih.gov/
http://www.library.nhs.uk
„Knowledge
is the enemy of the disease“
„The application of what we know will have a bigger impact on health
and disease than any single drug or technology likely to be introduced
in the next decade“.
Sir John Muir Gray CBE
www.nelh.nhs.uk
www.soundshealthy.org
„Im 19. Jh war „sauberes Wasser“ die Gesundheitsressource Nr. Eins
Im 21. Jh wird es „sauberes Wissen“ sein“
Sir John Muir Gray
Gerd Gigerenzer, Sir John Muir Gray, Berlin 2005
Herzlichen Dank! [email protected]
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