A.Holberg, 16.11.2015: Das Paris Massaker

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A.Holberg
Massaker in Paris: Warum wir nicht trauern, aber Angst haben sollten
Dass die offizielle Trauer der imperialistischen Politiker anlässlich des – wohl
islamistisch begründeten –Massakers von Paris verlogen ist, ist allzu offensichtlich.
Diese Herr- und Damenschaften haben es regelmäßig unterlassen, öffentlich zu
“trauern“, wenn die Opfer - laut westlichen Schätzungen - über 1 Million irakischer
Zivilisten im Zuge des US-Golfkrieges, afghanische Hochzeitsgesellschaften,
Beiruter oder auch pakistanische und afghanische Schiiten, Gegner ukrainochauvinistischer Kräfte wie im Gewerkschaftshaus in Odessa, russische Zivilisten im
Zusammenhang mit Tschetschenien, etc. etc. etc. waren. Aus den USA hört man
nun bereits die Forderung, die „Hauptstadt“ des IS (“Islamischer Staat“) im syrischen
Raqqa platt zu machen, das heißt, auch die dortige Zivilbevölkerung auszurotten –
eine Forderung, die von ebensolchen Figuren erhoben wird, die sich bislang empört
zeigten, weil und wenn die syrische Luftwaffe Wohnviertel bombardiert hatte, in
denen sich bewaffnete Rebellen verschanzt hatten und von denen aus sie unter
Regierungskontrolle befindliche Stadtviertel und andere Regionen beschossen.
Aber was ist nun mit der Trauer derer, die – wenn sie denn überhaupt über die
Massaker anderswo informiert sind - für diese weder direkt noch indirekt nicht
verantwortlich sind? Wer von ihnen kennt irgendeines der Opfer oder gar der zu
Recht trauernden Hinterbliebenen? Praktisch niemand. Warum also trauern sie in
diesem Fall, während sie über die Milliarden Opfer von direkter und struktureller
Gewalt und privaten und gesellschaftlichen Katastrophen, die die Erde – dieses
“Jammertal“ seit der „Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies“ - gesehen hat,
weitestgehend unberührt geblieben sind und die das mit den Opfern von Paris
gemeinsam haben, dass sie diese auch nicht kennen. In der Tat muss „der“ Mensch
davon weitgehend unberührt bleiben, weil er sonst sein tägliches Leben nicht
meistern könnte, sondern sich aufhängen müsste. Warum also jetzt? Leider ist die
Antwort recht einfach: 1. Gibt es das Trauern als „Event“, dass durch die modernen
Medien, die moderne Propaganda, in Windeseile überall organisiert werden kann, 2.
„trauern“ vermutlich primär Westeuropäer und Amerikaner, die sich dem „Opferland“
Frankreich kulturell verbunden fühlen, während ihnen Iraker, Afghanen oder wie
kürzlich Türken und Kurden in Ankara eher fremd und somit ziemlich egal sind, und
die zudem seit Ende des 2.Weltkrieges unter - weltweit gesehen – ungewöhnlich
friedlichen und privilegierten Bedingungen aufgewachsen sind; und 3. sind wir vom
Massaker in Paris mehr oder weniger stark ergriffen, weil es sich sichtlich nicht
gegen die wirklichen Verursacher und Hauptnutzträger des Elends in der Welt richtet
(die – wohlbemerkt – die ökonomischen, politischen, ideologischen und psychischen
Strukturen und Gesetzmäßigkeiten dieser Welt nicht bewusst geschaffen haben,
sondern die selbst nur deren Ausdruck sind), sondern gegen zufällige
Ansammlungen von „normalen“ Zivilisten im Westen, perspektivisch also jeden von
uns treffen kann. Die Verbrecher von Paris können oder wollen nicht die
Organisatoren der Massaker in Afghanisten, im Irak, in Libyen oder Syrien treffen,
sondern eine Blutgrenze zwischen den Völkern ziehen, zwischen den Muslimen
(soweit es sich dabei um solche handelt, die die gleiche perverse Vorstellung vom
Islam wie sie selbst haben) und den „Ungläubigen“, den „Kreuzfahrer-Nationen“.
Nichts deutet darauf hin, dass sie so dumm sind, zu glauben, sie könnten die
„Ungläubigen“ auf diese Weise ernsthaft – z.B. militärisch – schwächen. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass sie auch eine mehr oder weniger rechtsradikale Reaktion
der Angegriffenen hoffen, die sich gegen „die“ Muslime richtet und diese damit zum
Schulterschluss mit dem „Islamischen Staat“ und/oder anderen takfiristischen (das
sind die, die andere Muslime zu „Ungläubigen“ erklären) und jihadistischen Kräften
zwingen.
Statt in gemeinsamer „Trauer“ und diffuser Angst nun eine Front mit den
Organisatoren des weltweiten Elends zu bilden, ist es notwendig, diesen eine
grundlegende Alternative entgegenzusetzen. Die Jihadisten (in ihrer heutigen Form
der aktuellste Ausdruck der panislamistischen Ideologie, die Ende des 19.Jh. als
Antwort auf den europäischen Kolonialismus gegenüber den islamischen Ländern
entstanden, in den 20er Jahren durch die Gründung der „Muslimbruderschaft“ im
britisch beherrschten Ägypten ihren ersten militanten Höhepunkt fand und nach einer
Phase der Schwächung nach dem 2. Weltkrieg mit den unerfüllten Versprechungen
des mehr oder wenige säkularen nationalistischen Panarabismus nun ihre blutige
Wiederauferstehung feiert) müssen natürlich auch militärisch bekämpft werden, aber
sie werden letztlich nicht besiegt werden können, wenn die politischen und sozialen
Umstände, die in erster Linie von „unseren“ Herrschenden bestimmt werden, bleiben
wie sie sind.
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