Chinas Einfluss in Lateinamerika

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Premier Li als Fitzcarraldo: Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika
Chinas Premier Li Keqiang hat gerade seine Tour durch Lateinamerika beendet und $50 Milliarden
Infrastrukturinvestitionen in Aussicht gestellt. Die Hoffnung auf ein breiteres und stärkeres Engagement Chinas
auf dem südamerikanischen Kontinent ist groß. Nach einem guten ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts geht
es der Region nicht gut. Aber während Chinas Rolle in Lateinamerika unzweifelhaft wächst, wird sie
wahrscheinlich relativ begrenzt bleiben im Vergleich zu Asien und Afrika.
Lateinamerika ist bereits nach China stark orientiert: Die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft , ein wichtiger
Motor des globalen Wachstums , hat ein Überangebot von Soja, Rohöl , Eisenerz und Kupfer ausgelöst, mit
niedrigeren Preisen und Erlösen für südamerikanische Ausfuhren. Das Wachstum des Kontinents wurde
zunehmend Chinazentriert in den 2000er Jahren1. Aber jenseits der einfachen Mechanik der
Wachstumsbindungen könnten die Auswirkungen der laufenden Neuausrichtung Chinas weg von
Ausrüstungsinvestition so schwer wiegen wie die Wirkung von Chinas Wachstumsabschwächung. Denn das
Wachstum der Volkswirtschaften in Lateinamerika bleibt abhängig von Rohstoffexporten. Chinas Hinwendung
zur Verbrauchsorientierung schwächt Lateinamerika.
Natürlich ist diese Anfälligkeit der Region den Ratingagenturen nicht entgangen. Der Verlangsamung in China
sind besonders ausgesetzt " Chile ( Aa3) , Venezuela ( Caa3) , Peru (A3) , Uruguay ( Baa2 ) und Brasilien (
Baa2)"2 . Im Jahr 2013 betrugen Chiles Exporte nach China 7,4 % des BIP, hauptsächlich Kupfer. Zwischen
Anfang 2012 und 2015 halbierte sich der Kupferpreis in der Folge verlangsamter Investitionen Chinas. Der mit
dem Fall der Austauschraten verbundene Einkommensverlust hat Chile arg getroffen. Vorher betrug der
Einkommensgewinn Chiles durch 40 Jahre lang steigende Rohstoffnotierungen knapp zwei Prozent jährlich.
Fallende Rohstoffpreise haben die Staatsfinanzen Lateinamerikas in den letzten Jahren sehr gestresst. Brasilien
zum Beispiel, dessen Wirtschaft dieses Jahr um ein Prozent geschrumpft ist, war gezwungen, die Subventionen
für seine große nationale Entwicklungsbank BNDES runterzufahren, die bis dahin eine traditionelle
Finanzierungsquelle für Infrastrukturinvestitionen war.
Die Staatskassen leer, lockt Lateinamerika chinesische Investoren. Deren tiefe Geldbeutel sollen dabei helfen,
die atlantische Seite des Kontinents mit der pazifischen Küste durch neue Transportwege zu verbinden.
(Unwillkürlich denkt man hier an Herzogs Fitzcarraldo mit Klaus Kinski, der sein Schiff noch über die Berge
ziehen musste. Allerdings für den Bau einer Oper im Urwald, nicht für Transportwege zu dessen Überwindung).
Eine Zugverbindung von Brasiliens Osten an die Küste Perus sind Voraussetzung für intensiveren
Handelsaustausch zwischen Lateinamerika und China. 2014 belief sich das entsprechende Handelsvolumen auf
nur $240 Milliarden; Deutschland alleine setzte mit China im selben Jahr schon $140 Milliarden um. Der durch
Nicaragua geplante interozeanische Kanal wird geschätzte $50 Milliarden chinesischer Investitionen nach
Zentralamerika bringen.
Aus chinesischer Sicht ist auch Lateinamerika eine willkommene Quelle zur Verwendung überschüssiger
Ersparnisse und Kapazitäten der Bau- und Eisenbahnindustrie. Daher bemüht sich China auch um Schürfrechte
für Rohstoffe, neben dem traditionellen Motiv der Versorgungssicherheit für die chinesische Volkswirtschaft.
Eine nunmehr selbstbewusste diplomatische Aktivität auf internationalem Parkett flankiert diese Bemühungen.
Chinas übergreifende Vision der »neuen Seidenstraßen« über Land und See zielt auf Integration durch
Infrastrukturnetzwerke, besonders der Schwellen- und Entwicklungsländer. Nach Asien und Afrika ist nun
Lateinamerika an der Reihe. Chinas geopolitische Näherung an Lateinamerika hat viele Facetten:
Reisediplomatie (Xi Jinping 2014; Li Keqiang 2015); Gipfeltreffen (Ministertreffen CELAC-China Anfang 2015 in
Peking; BRICS-Gipfel in Brasilien 2014); Kooperationsabkommen China-Lateinamerika 2015-19; und jeweils
6000 Lehrstellen und Wissenschaftsstipendien. Schließlich war China in der jüngsten Vergangenheit für einige
1
Christopher Garroway & Burcu Hacibedel & Helmut Reisen & Edouard Turkisch, 2012. "The Renminbi and
Poor‐country Growth," The World Economy, vol. 35(3), S. 273-294, 03.
2
Moody´s Investor Service, 2015. “Latin America: Vulnerability to China Growth Slowdown Vary by Sector”,
Special Comment, 4 Februar.
Länder – Venezuela, Ecuador, Argentinien – ein Gläubiger der letzten Zuflucht, nachdem diese sich nicht mehr
auf dem Markt finanzieren konnten.
Freilich wird Chinas Rolle in Lateinamerika im Vergleich zu Asien und Afrika vermutlich begrenzt bleiben. Was
sind die Barrieren?
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China sorgt sich zunehmend um Zahlungsausfälle, besonders bei rohstoffgesicherten Krediten. Im
vergangenen Jahr betrugen Chinas Kredite nach Lateinamerika $22 Milliarden, was die gesamten
Ausleihungen der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank übertraf. Ein besonderer
Wackelkandidat ist für die Chinesen Venezuela, das inzwischen mit $56 Milliarden in der Kreide steht.
Argentinien, das sowohl mit einer strengen Dollarknappheit als auch verzwackten Rechtsdisputen mit
US-Gläubigern konfrontiert ist, hat sich wiederholt seine Devisenkoffer von China auffüllen lassen. So
erklärt sich die jüngste Hinwendung Chinas von den sozialistischen Partnern zu den
marktfreundlicheren Ländern auf dem Kontinent.
Lateinamerika ist traditionell Teil der US-Sphäre, auch das wird die Verbindungen zwischen China und
Südamerika kappen. So sehen es die chinesische Beobachter3: Sie sehen Lateinamerika als Teil der
westlichen Zivilisation, als Nachbar der USA mit hohem natürliche Handel, als Teil des militärischen
Sicherheitsschildes der USA. Letztere sehen Lateinamerika als ihren Vorhof und nehmen traditionell
Einfluß auf die Außen- und Innenpolitik dieser Länder. Der amerikanische Einfluß wird multilateral
durch die Organization of American States (OAS) und die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank
ausgeübt, ergänzt durch bilaterale Entwicklungshilfe und Kooperation, Militärhilfe und notfalls
Militäreinsatz. Daher schätzen die Chinesen die Toleranz der Amerikaner hinsichtlich einer Militär- und
Sicherheitsallianz als äußerst begrenzt ein. Die frischen amerikanischen Avancen gegenüber Kuba
sollten wohl auch vor diesem chinesischen Hintergrund interpretiert werden.
Schließlich sind Lateinamerika und Afrika weniger zentral in Chinas Seidenstraßenstrategie als der
eurasische Kontinent. Im Vergleich zu Lateinamerika ist Afrika für die Kooperation mit China besser
aufgestellt: geringere geographische Distanz, weniger US-Präsenz, größere kulturelle Unterschiede.
Zwischen Afrika und China wurden in einem halben Jahrhundert recht enge politische und vermehr
wirtschaftliche Verbindungen geknüpft, während sich die Wirtschaftskooperation zwischen
Lateinamerika und China erst in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat.
Xue Li and Xu Yanzhuo, 2015. „Why China Shouldn´t Get Too Invested in Latin America”, The Diplomat, 31
March.
So gesehen wird Chinas lateinscher Einfluss zweifellos stärker, wird aber im Vergleich zu anderen
Weltregionen recht begrenzt bleiben.
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