Australien erhitzt sich am Kohlendioxid Die gehässige Debatte über die neue CO2-Steuer wird mit viel Geld angefeuert Um die neue CO2-Steuer zu verhindern, investieren die Gegner - unter ihnen auch die mächtige Bergbauindustrie zweistellige Millionenbeträge. Die Regierung pariert die Kampagne mit einem tiefen Griff in die Staatskasse. gmü, Sydney · 20 Millionen Franken kostet es, um in Australien einen Premierminister zu Fall zu bringen. Diesen zynischen Schluss haben australische Medien nach den turbulenten Ereignissen vor einem Jahr gezogen. So viel hatte die Bergbauindustrie 2010 innert weniger Wochen in eine Kampagne gegen eine Steuererhöhung für Bergbauunternehmen gesteckt, die der damalige Premierminister Rudd durchsetzen wollte. Dessen Popularitätswerte sanken damals rapide von 59 Prozent auf 41 Prozent. Bald darauf wurde er von seinen Parteifreunden gestürzt. Milliardendividende Julia Gillard übernahm das Zepter - und beendete als eine ihrer ersten Amtshandlungen den KampagnenKrieg mit der Bergbauindustrie. In direkten Verhandlungen mit den drei Grössten im Rohstoffgeschäft - BHP Billiton, Rio Tinto und Xstrata - schnürte sie ein für die Bergbauindustrie wesentlich attraktiveres Steuerpaket. Der unabhängige, politisch aber links zu verortende Think-Tank «The Australia Institute» schätzte daraufhin die «Dividende» der 20-Millionen-Kampagne für die Bergbauindustrie auf 150 Milliarden Franken. Die Episode zeigt, dass die Bergbauindustrie in Australien wenn auch nicht der allein ausschlaggebende, so doch ein bedeutender Machtfaktor ist. Und sie spielt ihre Macht in diesen Wochen und Monaten erneut aus. Im Zentrum steht diesmal die von Gillard im Februar angekündigte CO2-Steuer, die nächstes Jahr eingeführt und nach drei Jahren von einem Emissionshandelssystem abgelöst werden soll. Die Wirtschaftsallianz will laut Schätzungen rund 10 Millionen Franken in die Kampagne investieren, «um öffentlichen Widerstand aufzubauen, damit das Gesetz im Parlament durchfällt oder zumindest substanziell abgeändert wird», wie der «Sydney Morning Herald» aus dem internen Papier der Allianz zitierte. Parallel dazu läuft derzeit eine landesweite Imagekampagne der Bergbauindustrie, deren Kosten ebenfalls mehrere Millionen Franken betragen dürften. Auffällig häufig tourten in der letzten Zeit zudem bekannte «Klimaskeptiker» wie etwa der tschechische Präsident Vaclav Klaus quer durch den Kontinent, um die Australier vom Unsinn der CO2-Steuer zu überzeugen. Klaus' Vortragsreihe wurde vom politisch rechts anzusiedelnden Think-Tank «The Institute of Public Affairs» organisiert, der laut australischen Medien Bergbau- und Erdölfirmen nahesteht. Offen auf dem Tisch liegen die Verbindungen der Bergbauindustrie mit der liberal-nationalen Opposition unter Tony Abbott. Laut Angaben der australischen Wahlkommission sind die vier grössten Spender der Liberalen Partei in diesem Wirtschaftszweig tätig. Zusammen liessen sie ihr im Finanzjahr 2009/10 1,7 Millionen Franken zukommen, das entspricht 28 Prozent aller Spenden an die Liberalen. Gillards Laborregierung schaut dem Treiben nicht untätig zu. Vielmehr hat sie Steuergelder von rund 10 Millionen Franken eingesetzt, um die Kampagne der Gegner zu parieren. Die Gegner der Steuer hoffen, dass sich die Geschichte wie vor einem Jahr wiederholt. Eine Bedingung dafür ist bereits erfüllt: Gillards Popularitätswerte sind seit geraumer Zeit im Keller. Und sie liegen mit einer Zustimmungsrate von gerade noch 32 Prozent sogar noch um einiges tiefer als jene Rudds vor einem Jahr im Juni, als Gillard ihn vom Thron stürzte. Ob sie sich bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2013 an der Macht halten kann, ist darum alles andere als sicher. Rudds Versprecher Pikanterweise gilt der heutige Aussenminister Rudd derzeit als Topfavorit für Gillards Amt. Am Dienstag hat er Spekulationen über seine mögliche Rückkehr als Premierminister mit einem Versprecher gleich selber angeheizt. Befragt zur Zukunft von Gillard und zu seinen eigenen Ambitionen, sagte er in einem Radiointerview: «Ich bin sehr glücklich, Premierminister . . . Aussenminister von Australien zu sein.» Rudd, der soeben von der Uno-Generalversammlung in New York zurückgekehrt war, erklärte das Malheur freilich nicht mit Freud, sondern mit dem Jetlag. NZZ vom 28. 09. 11