Thema11

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Österreich in der Zwischenkriegszeit
Erste Republik und Austrofaschismus (1918–1938)
Deutschösterreich (1918–1919)
Die Provisorische Nationalversammlung beschloss 1918 für den vorerst „Deutschösterreich“
genannten Staat die Form der demokratischen Republik. Zugleich wurde in Artikel 2 des
Gesetzes festgehalten, dass das Land Teil der deutschen Republik sei.
Erster Staatskanzler wurde Karl Renner. Beansprucht, aber für den neuen Staat nicht gewonnen,
wurden Teile der neu bzw. wieder entstandenen Staaten Tschechoslowakei
und Polen (Schlesien) sowie das von Italien angeeignetes Südtirol.
Weite Teile der Bevölkerung und die meisten Vertreter der politischen Parteien waren der
Auffassung, dieser „Rest-“ bzw. „Rumpfstaat“ sei allein nicht lebensfähig.
Der Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich (Weimarer Republik) wurde von den
alliierten Siegermächten 1919 im Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye ausgeschlossen. In
Österreich und Deutschland wurde der Artikel als Anschlussverbot bezeichnet. Gemäß dem
Vertrag wurde auch der Staatsname „Republik Österreich“ festgelegt. Als Bundeskanzler Ignaz
Seipel mit dem Völkerbund später die sogenannte „Genfer Sanierung“ zur Stützung des
inflationsgeschüttelten Staatshaushaltes vereinbarte, wurde das Unabhängigkeitsgebot
bekräftigt. 1931 wurden Pläne Österreichs für eine Zollunion Deutschland-Österreich unter
Hinweis auf die Bestimmungen des Staatsvertrages von Saint-Germain von den Siegermächten
unterbunden.
In Salzburg gab es Bestrebungen, sich unabhängig von anderen Teilen Österreichs Deutschland
anzuschließen, dies wurde aber von Deutschland abgelehnt. In Tirol befürwortete ein kleiner
Teil der Bürger einen Anschluss an Italien, um die Einheit Tirols zu wahren. Eine andere
politische Linie strebte den Anschluss an Deutschland an. In Vorarlberg traten in einer
Volksabstimmung 80 % der Abstimmenden dafür ein, in Anschlussverhandlungen mit der
Schweiz einzutreten. In der Schweiz gab es ebenfalls eine diesbezügliche Initiative, sie nahmen
aber aus verschiedenen Gründen von dieser Idee Abstand.
Republik Österreich (1919–1934)
Die 1920 beschlossene Verfassung ist inhaltlich vor allem von Hans Kelsen, einem
Staatsrechtsexperte, geprägt. Er musste darin aufgrund der politischen Wünsche
(Sozialdemokraten: Zentralismus; Konservative: Föderalismus)1 bundesstaatliche Grundsätze
mit einer starken Position von Nationalrat und Bundesregierung verbinden. Die Funktion des
Bundespräsidenten war vorerst schwach ausgeprägt. Auf Wunsch der Sozialdemokraten war
das Parlament das zentrale Organ der Republik.
1
Zenrtalismus = Das Streben, alle Kompetenzen im Staat bei einer zentralen obersten Instanz zu konzentrieren
Föderalismus = Ist ein Organisationsprinzip bei dem die einzelnen Glieder über eine gewisse Eigenständigkeit
und Staatlichkeit verfügen, aber zu einer übergreifenden Gesamtheit zusammengeschlossen sind.
Konflikte zwischen den Prinzipien Landeseinheit und Selbstbestimmungsrecht gab es ab 1918
in Kärnten, weil die slowenische Bevölkerung Südkärntens teilweise zum Anschluss an den
neuen südslawischen Staat neigte und das Königreich SHS Südkärnten 1919 militärisch besetzte.
Der Kärntner Abwehrkampf gegen die südslawischen Truppen war zwar militärisch
aussichtslos, mobilisierte aber die internationale Öffentlichkeit und führte auf Wunsch der
Siegermächte zur Volksabstimmung in Südkärnten am 10. Oktober 1920. Bei dieser sprachen
sich die Bürger des Abstimmungsgebietes südlich der Drau eindeutig für die Zugehörigkeit zur
Republik Österreich aus.
Der Vertrag von Saint-Germain (September 1919) mit Österreich und Ungarn (die ungarische
Delegation unterschrieb den Vertrag unter Widerspruch am 4. Juni 1920) sahen vor, das seit
Jahrhunderten deutschsprachig besiedelte Westungarn an Österreich anzuschließen. Trotz des
Versuchs ungarischer Rebellen, dies zu verhindern, wurde "Deutsch-Westungarn" 1921 mit dem
Namen Burgenland das neunte Bundesland der neuen Republik.
Niederösterreich war 1918 mit über drei Millionen Einwohnern das bei weitem
bevölkerungsstärkste und außerdem das flächengrößte Bundesland Österreichs. Die politischen
Absichten der stark vertretenen Konservativen und der vor allem in Wien sehr starken
Sozialdemokraten waren schwer zu harmonisieren, außerdem bedrückte das
niederösterreichische Übergewicht die anderen Bundesländer. Daher wurde Wien in der am
10. November 1920 in Kraft getretenen Bundesverfassung als eigenes Bundesland definiert.
Die Wirtschaft des neuen Staates lag aufgrund der Kriegsfolgen (Reparationen, Gebietsverluste,
neue Zollgrenzen) still. Die damit zusammenhängende Hyperinflation für 10.000 Kronen hätte
man 1914 noch einen Häuserblock kaufen können, im Dezember 1922 nur noch einen Laib
Brot – konnte erst durch eine Währungsreform am 1924 gestoppt werden. Die
alte Kronenwährung wurde in den ersten Monaten 1925 durch den neuen Schilling ersetzt.
Der folgende zaghafte wirtschaftliche Aufschwung in Österreich endete mit
der Weltwirtschaftskrise von 1929. 1931 drohte die Kreditanstalt, damals die größte Bank
Mitteleuropas, zusammenzubrechen, und die Regierung sah sich genötigt einzugreifen. Dies
bedrohte dafür aber die Stabilität der Währung. 1932 erhielt Österreich daher neuerlich
eine Völkerbundanleihe (300 Millionen Schilling).
Das Erstarken der Konservativen veranlasste die Sozialdemokraten, 1929 einer
Verfassungsnovelle zuzustimmen, die wieder ein herausgehobenes Staatsoberhaupt schuf. Der
Bundespräsident wurde nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt.
Austrofaschismus und Bundesstaat Österreich (1934–1938)
Infolge einer Hausdurchsuchung nach Waffen im Hotel Schiff, einem Parteiheim
der Sozialdemokraten in Linz, kam es 1934 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen
Sozialdemokraten und Bundesheer. Diese weiteten sich zu einem Bürgerkrieg aus, den die
Regierung als „Februaraufstand“ bezeichnete. Die Vorgänge waren von der
sozialdemokratischen Parteileitung in Wien nicht geplant worden, die Spitzenfunktionäre
wurden vom Aufstand der Basis überrascht. Dementsprechend fanden Kämpfe auch nur sehr
punktuell und keineswegs im ganzen Land statt. Man kann diese Kämpfe als Verzweiflungstaten
bezeichnen, da sehr bald klar war, dass es nicht zu einem Volksaufstand kommen und daher die
Diktatur siegen würde.
Insbesondere in Wien wurde zwei bis drei Tage lang heftig gekämpft. Polizei, Bundesheer und
die sie unterstützenden Heimwehrabteilungen konnten den verzweifelt kämpfenden
Republikanischen Schutzbund relativ leicht niederkämpfen. Die Sozialdemokratische Partei
wurde verboten, ihr Vermögen eingezogen. In die Geschichte ist der Bürgerkrieg als erster
bewaffneter Kampf gegen den Faschismus eingegangen. Deshalb lagen die Sympathien etwa in
Großbritannien eindeutig auf Seiten der Verlierer.
Nachdem die Mandate der Sozialdemokraten für erloschen erklärt worden waren, wurde der
Nationalrat 1934 noch einmal einberufen. Von den Abgeordneten der Vaterländischen Front
wurde dabei beschlossen, die Regierung mit allen Befugnissen auszustatten, die zuvor
Nationalrat und Bundesrat oblagen. Wien wurde zur bundesunmittelbaren Stadt erklärt, die
Republik erhielt den Namen Bundesstaat Österreich. Eine wichtige Rolle bei der Konstruktion
des Ständestaates hatte der Einfluss Mussolinis gespielt.
Für die meisten Historiker ist die Erste Republik in Österreich mit den Ereignissen von 1933/34
zu Ende. Zu dieser Einschätzung trug nicht nur der verfassungswidrige Übergang von der
Demokratie zur Diktatur bei, sondern auch die Tatsache, dass das Diktaturregime den Begriff
„Republik“ strikt vermied.
Am 25. Juli 1934 kam es zu einem nationalsozialistischen Putschversuch, dem
sogenannten Juliputsch. 154 als Soldaten und Polizisten verkleidete österreichische SS-Männer
stürmten das Bundeskanzleramt, wo Engelbert Dollfuß angeschossen wurde und Stunden später
an den Folgen der Schussverletzungen starb, weil ärztliche Hilfe nicht zugelassen wurde. Eine
zweite Gruppe der Putschisten besetzte die Rundfunkstudios der RAVAG und verbreitete die
Falschnachricht, Dollfuß habe die Regierungsgeschäfte Anton Rintelen übergeben. Dies war das
vereinbarte Zeichen für einen nationalsozialistischen Aufstand in ganz Österreich.
Hilfe bekam Kurt Schuschnigg, Bundeskanzler, von Mussolinis Italien. Italienische Truppen
marschierten in Südtirol und an der Kärntner Grenze auf, worauf Adolf Hitler, jeden Einfluss auf
die Vorgänge in Österreich energisch bestritt. Das Reich war damals militärisch noch nicht in der
Lage, einen Konflikt mit Italien zu riskieren.
Kurt Schuschniggs Basis im Volk war schmal: Sozialdemokraten und Nationalsozialisten wirkten
im Untergrund gegen sein Regime. Im späten 20. Jahrhundert wurde seine Politik als
„Konkurrenzfaschismus“ bezeichnet, da er danach strebte, die Nationalsozialisten zu
„überhitlern“ und Österreich als den „besseren deutschen Staat“ erscheinen zu lassen.
1936 wurde die „Achse“ Rom–Berlin geschmiedet. Kurt Schuschnigg war dadurch gezwungen,
sich mit Hitler zu arrangieren. Er schloss im Juli 1936 das „Juliabkommen“ mit dem Deutschen
Reich, in dessen Folge 17.000 österreichische Nationalsozialisten begnadigt wurden. Zahlreiche
zuvor verbotene nationalsozialistische Zeitungen wurden legalisiert. Die alten großdeutschen
Ideen gewannen zusehends an Gewicht. Viele Menschen erhofften sich durch den 1918 von ganz
Deutschösterreich angestrebten Anschluss eine wirtschaftlich bessere Zukunft, da Österreich
weiterhin unter hoher Arbeitslosigkeit und einer Wirtschaftskrise litt.
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