Com Unity Spirit- Interreligiöse Konferenz Graz 2013 Ergebnisprotokoll des Workshops 2.1 a. Informationen zum Workshop - Titel: Die Verantwortung der Religionen im öffentlichen Raum: Wie sehr sollen und wollen sich Religionen politisch einbringen? Moderator: Godswill Eyawo. Chairperson: Hessler Walter / Nseir Michel. Dolmetscherin: Alexandra Schnitzer. Protokollführer: Michael Steinkellner Angemeldete TeilnehmerInnen: Gasper Bruno, Hanrath Jan, Reiter-Haas Christine, Hessler Walter, Bsteh Petrus, Haring Friedrich, Nseir Michel, Gray Breda, Eisenbeutel Monika, Dhargye Geshe Tenzin, Truger Agnes, Ruth Yazdani, Grabovac Daniela, Stroh Heinz, John Elnathan, Rohani Pujan, Crabtree Harriet, Thero Buddha Nanda, Bhikku Palash Nanda, Halilgolu Naghian, Truger Agnes, Galter Hannes, Steininger Hemma, Prenner Karl, Kuljuh Emir. - Tatsächlichen TeilnehmerInnen : Ruth Yazdani, Grabovac Daniela, Crabtree Harriet, Thero Buddha Nanda, Bhikku Palash Nanda, Halilgolu Naghian, Steininger Hemma. Zusätzliche TeilnehmerInnen: Komsic Ivo, Schmuck Sylvia, Cresswell Jamie. - Inhaltliche Ergebnisse des Workshops IMPULS: Wo und inwiefern sollen wir als religiöse Individuen oder Kollektive den öffentlichen Raum prägen? Sobald wir das tun, agieren wir in gewisser Weise politisch. Die Europäische Menschenrechtskonvention definiert Freiheiten, aber auch Pflichten und Verantwortung! Es gilt, die abstrakten Begriffe Ethik und Moral mit Leben zu füllen. Für den Begriff Politik, welcher sich von Polis, also dem Gemeinwesen ableiten lässt, gibt es eine Fülle an Definitionen. In unserem Zusammenhang ist hier vor allem der konsensorientierter Standpunkt von Bedeutung, welcher Politik als Gesamtheit aller der Gesellschaft zu Gute kommenden Entscheidungen, mit dem Frieden als Gegenstand und Ziel der Politik definiert. Religio bedeute Gewissenhaftes Bedenken, die Religion sollte sich demnach nicht als Machtinstrument, sondern als eine gestaltende und versöhnende Größe in den pluralistischen Bevölkerungen sehen, und versuchen, Antworten auf die Fragen nach dem Ziel des Lebens, dem Menschen an sich, der Herkunft des Guten und des Leides zu geben. Die Goldene Regel, andere so zu behandeln wie man selbst behandelt werden möchte, erleichtert das Zusammenleben der Menschen untereinander und ist in jeder Religion zu finden. Angesichts der Forderung, Religion als reine Privatsache zu verstehen, sind die Religionsgemeinschaften in der Pflicht unter Beweis zu stellen, dass es nicht um die Wahrung von Privilegien, sondern um die Vermittlung von Werten, den Dienst an der Gesellschaft geht. - Sind Religion und Politik überhaupt trennbar? - - - - - Bosnien-Herzegowina hatte für lange Zeit eine Gesellschaft, in der verschiedene Religionen und christliche Konfessionen friedlich zusammenlebten, was sich unter anderem in dem Umstand zeigt, dass über 30% der Ehen zwischen verschiedenen Religionen geschlossen wurden. Bei der Bekämpfung des kommunistischen Systems, welches die Religionsausübung zwar nicht verbat, aber sanktionierte, unterstützen die Religionsgemeinschaften nationalistische Parteien, welche in der Folge das kommunistische System stürzten, aber auch das friedliche Zusammenleben der Völker und religiösen Gruppierungen im Staat beendeten. Die damaligen militärischen Aktionen wurden und werden von vielen hohen Geistlichen unterstützt und gutgeheißen. Aus diesem Grund ist der Bürgermeister Sarajevos wie viele seiner Landsleute für eine strikte Trennung von Religion und Politik. In England wird viel über die Trennung von Staat und Kirche diskutiert, grundsätzlich unterscheidet man dabei zwei Modelle. Im ersten Modell soll die Religion völlig aus dem öffentlichen Diskurs verbannt werden, was für religiöse Menschen nicht möglich ist. Im zweiten Modell geht es darum, keine religiöse Gruppe zu bevorzugen, und ein Klima der Kooperation und des fruchtbaren Diskurses zu schaffen. Dieses Modell hätte großes Potential. Der Konflikt in Nigeria hat die Religion nur scheinbar zum zentralen Thema, eigentlich geht es um Macht, die Verteilung und den Besitz von Ressourcen, sowie der Erfüllung von Grundbedürfnissen. Die Not der Menschen wird ausgenutzt, um diese religiös zu fanatisieren und dadurch ihr Gewaltpotential zu steigern. In Deutschland gibt es eine formalen Trennung von Kirche und Staat, aber Kirchensteuer. In den USA haben die Kirchen trotz einer formalen Trennung vom Staat einen ungeheuren Einfluss! Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der bloßen Ausübung einer Religion auf der einen, und gelebtem Glauben auf der anderen Seite. Erstere geht nicht über die Teilnahme an religiösen Traditionen und Festen sowie dem Wissen über die eigene Religion nicht hinaus, Zweiterer bedeutet, sich den moralischen Vorgaben der eigenen Religion hinzugeben, und auch im Alltag im Sinne des persönlichen Glaubens zu handeln. Eine strikte Trennung von Religion und Politik funktioniert nicht: Zum einen ist es für viele Menschen schlichtweg unmöglich, religiöse Glaubensvorstellungen und Prinzipien ihrer Person wie ein Kleidungsstück zu Hause zu lassen. Als religiös geprägte Individuen, die sich im Austausch mit der Gesellschaft befinden, wirken sie in gewisser Weise auch politisch. Zweitens hat jede religiöse Gruppierung auch einen politischen Charakter. Die Theokratie funktioniert nicht, wie viele Beispiele aus der älteren und jüngeren Geschichte belegen. Es ist sehr wichtig, zwischen einer gesellschaftspolitischen Aufgabe, und einer machtpolitischen Position zu unterscheiden! Erstere ist für die Religionen in der Öffentlichkeit sehr groß. Es geht dabei um die Vermittlung von ethischen Grundsätzen, die den Menschen dabei helfen sollen, gesellschaftspolitische Vorgänge leichter beurteilen zu können, und eine moralische Orientierung zu erhalten. Dabei sind nicht nur die Leitenden Figuren gefragt, sondern alle Mitglieder der Religiösen Gemeinde. Bei Zweiterer besteht die Gefahr, den Fokus zu sehr auf den Ausbau der Macht zu legen, was eine Reihe von Handlungen zur Folge haben kann, die sich nicht mehr mit den ethischen Grundsätzen der Religion decken. Eine Politik der Gerechtigkeit droht hierbei einer Politik des Machtausbaus der eigenen Gruppe zu weichen. Zugleich droht die Gefahr, von der Politik instrumentalisiert zu werden oder aber politische Konflikte religiös zu instrumentalisieren. Wird die Religion in einer mächtigen Position nicht missbraucht, kann sie viele wertvolle Impulse liefern. - Wahrheiten brauchen keine Macht, um gehört zu werden, sehr wohl aber brauchen sie Öffentlichkeit. Dabei sind sowohl die Institutionen als auch die Einzelpersonen gefragt. b. Handlungsvorschläge des Workshops an Städte/Religionsgemeinschaften - - - In Österreich sehen die Teilnehmer des Workshops die Aufgabe der Religionen, für mehr Humanismus und Zusammenhalt einzutreten. Neben der Pflege der spirituellen Entwicklung muss der Vermittlung von Werten größeres Gewicht eingeräumt werden. Religionsgemeinschaften sollten versuchen, Problemlösungen für die Menschen anzubieten, die aus dem Kontext der religiösen Lehren und Traditionen schöpfen. Dabei sollte es egal sein, ob der Mensch, der die Hilfe empfängt, religiös ist oder nicht, oder ob er den Selben Glauben hat. Das Wichtigste ist, dass an den Problemen im Sinne einer Verbesserung des gesellschaftlichen Miteinanders gearbeitet wird. Inwiefern schaffen wir es, überkonfessionell oder sogar interreligiös als große Gruppe der Religionen zu gewissen Themen öffentlich Stellung zu nehmen? Je größer die Gruppe, umso mehr Gewicht hat ihr Wort... c. Hinweise auf bestehende Good Practices - Plattform Kirchen und Religionsgemeinschaften, gegründet zur Verbesserten Zusammenarbeit zwischen den einzelnen staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Weiterführende Informationen: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120525_OTS0066/plattform-der-kirchen-undreligionsgesellschaften-gegruendet - Bettelverbot in Graz: Kirchen bezogen, gemeinsam mit anderen Zivilgesellschaftlichen Organisationen eine klare Gegenposition. Weiterführende Informationen: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110212_OTS0039/graz-protestaktion-gegenbettelverbot-setzt-deutliches-zeichen - Das Österreichische Kultusamt wollte das Anerkennungsgesetz dahingehend ändern, dass kleinere Religionsgemeinschaften nicht mehr öffentlich anerkannt werden. Die größeren Religionsgemeinschaften Österreichs, die diese Gesetzesänderung eigentlich gar nicht betraf, wurden aktiv und konnten sie verhindern. In Graz wurde 2006 der Interreligiöse Beirat gegründet als Reaktion auf einem politischen Skandal, bei welchem Muslime verunglimpft wurden, gegründet. Weitere Informationen: http://www.graz.at/cms/beitrag/10160680/3723336 - d. In welchen Fragen bestand gegebenenfalls Dissens? - Sollen Religion und Politik voneinander getrennt sein? Das große Missbrauchspotential stand hier dem großen Bedarf einer ethischen Instanz gegenüber.