Resolution der ALMS (Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer Studiengänge in Deutschland) zur Einkommenssituation und sozialen Absicherung von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrkräften sowie zur musikalischen Bildung in Deutschland vom 14.9.2015 In den letzten 10 Jahren zeigt sich eine besorgniserregende Entwicklung der Einkommenssituation und sozialen Absicherung von Musikschullehrkräften und freiberuflichen Musiklehrkräften. Vor allem Musiklehrende in Teilzeit- und privaten Beschäftigungsverhältnissen geraten zunehmend in prekäre Einkommenssituationen. Die Folge ist ein Verlust der Attraktivität musikpädagogischer Berufe, die für eine weitgefächerte und fundierte Musizierpraxis in unserer Gesellschaft sorgen. Dies gefährdet das Fundament der traditionsreichen und vielfältigen Musikkultur, für die Deutschland internationale Anerkennung genießt. Die Sorge über den sinkenden Stellenwert des praktischen Musizierens in der Gesellschaft sowie um die musikalische Bildung insgesamt veranlasst die ALMS zu der vorliegenden Resolution. 1. Prekäre Einkommensverhältnisse besonders bei Honorarlehrkräften und Diskrepanz zwischen Qualifikation und Einkommen Dem hohen Ausbildungs- und Qualifikationsniveau der Absolventinnen und Absolventen künstlerisch-pädagogischer Studiengänge stehen nicht genügend angemessene Beschäftigungsund Einkommenschancen im Berufsfeld gegenüber. Hervorragend ausgebildete Instrumentalund Gesangslehrkräfte sowie Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik verdienen vielfach zu wenig im Vergleich zu ihrem Können, ihrer Leistung und ihrer Verantwortung. Insbesondere im Bereich der Beschäftigung auf Honorarbasis ist eine weitere Verschärfung der prekären Einkommensverhältnisse zu konstatieren. Das durchschnittliche Monatseinkommen nicht weniger Lehrkräfte liegt nach ihrem hochwertigen Studium kaum oberhalb der Armutsgrenze (eine einschlägige Studie ermittelt ein durchschnittliches Monatsbrutto von 1033 € bei selbständigen Lehrkräften1). Angesichts dieser Situation fordert die ALMS die Kommunen, Trägervereine und privaten Inhaber von Musikschulen dazu auf, für eine Sicherung und Ausweitung kontinuierlicher Beschäftigungsverhältnisse in unbefristeten musikpädagogischen Anstellungsverhältnissen zu sorgen und diesem Anliegen eine Priorität im Haushalt einzuräumen. Hierbei ist auch die Angemessenheit der Vergütungshöhe in diesen Beschäftigungsverhältnissen sicherzustellen. 2. Attraktivitätsverlust von Studium und Beruf und drohender Niveauverlust In mehreren Bundesländern wünschen sich die zuständigen Ministerien eine Erhöhung des Anteils von Studierenden in musikpädagogischen Studiengängen. Die mangelnde gesellschaftliche und politische Wertschätzung des Berufs der Musikschullehrkraft und der freiberuflichen Musiklehrkraft senkt jedoch die Attraktivität der entsprechenden Studiengänge und führt zu einer rückläufigen Bewerberzahl für die künstlerisch-pädagogische Ausbildung. Hierdurch droht eine Entprofessionalisierung des Unterrichtens von Instrumenten und Gesang sowie des Bereichs der Elementaren Musikpädagogik, die unweigerlich einen Rückgang des Niveaus musikpädagogischer Arbeit und musikalischer Bildung mit sich bringt. Bossen, Anja; redaktionelle Mitarbeit: Jürgen Simon: Einkommenssituation und Arbeitsbedingungen von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrern. Ergebnisse der Umfrage der Fachgruppe Musik der ver.di von März 2012 bis Mai 2012. ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2012, http://musik.verdi.de/musikschulen/umfrage/++co++67318e86-be00-11e2-bd22-525400438ccf, Zugriff: 18. Januar 2015 1 Angesichts dieser alarmierenden Situation, die das Berufsbild einer vielseitig gebildeten Künstler-Pädagogen-Persönlichkeit aushöhlt, fordert die ALMS Landesparlamente und Landeskabinette dazu auf, eine Ländergesetzgebung auf den Weg zu bringen und umzusetzen, die in Form von Förderregelungen Landeszuschüsse an bestimmte Mindestvergütungshöhen bzw. an einen definierten Anteil von Anstellungsverhältnissen binden. Nur so kann eine hohe musikalische Bildungsqualität für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen gewährleistet werden. 3. Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot von Instrumental-/Vokalunterricht aufgrund begrenzter Musikschul-Etats Der Bedarf an fundiertem Musikunterricht mit Instrument und Stimme sowie im Bereich der Elementaren Musikpädagogik mit verschiedenen Altersgruppen ist ungebrochen groß.2 Wartelisten und steigende Nachfragen an öffentlichen Musikschulen erfordern bedarfsgerechte Personalkapazitäten. Die Begrenzung des Etats der jeweiligen Musikschule hat zur Folge, dass Wartelisten nicht abgebaut und Nachfragen nur unzureichend bedient werden können. Die ALMS fordert die Landesparlamente und Landeskabinette dazu auf, eine stärkere Verantwortungspartnerschaft zwischen Ländern und Kommunen einzugehen und eine höhere Mitfinanzierung durch die Länder in die Wege zu leiten und umzusetzen. Öffentliche Musikschulen übernehmen auch Aufgaben der Berufsvorbereitung, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen. 4. Mangelnde Qualitätssicherung bei Kooperationen mit öffentlichen Bildungsinstitutionen Die Qualität von musikalischen Bildungsangeboten in Kooperationen mit öffentlichen Bildungsinstitutionen – insbesondere mit Kindertageseinrichtungen und allgemein bildenden Schulen – unterliegt derzeit keiner staatlichen Kontrolle. Sie kann aber nicht allein ins Ermessen der Leitungen öffentlicher Bildungseinrichtungen gestellt werden. Nur ausgebildete Musikpädagoginnen und Musikpädagogen können eine Qualität sicherstellen, die dem staatlichen Bildungsauftrag entspricht. Die ALMS fordert die Träger öffentlicher Bildungseinrichtungen dazu auf, für die musikpädagogische Arbeit an öffentlichen Bildungseinrichtungen nur Personal mit musikpädagogischen Studium zuzulassen, dieses Personal als Teil des jeweiligen Kollegiums mit vergleichbarem Status zu beschäftigen sowie für Angebote, die Bestandteil schulischen Pflichtunterrichts sind, Lernziele festzulegen und entsprechende Kontrollen vorzusehen. 5. Fehlendes Gesamtkonzept musikalischer Bildung In der musikalischen Bildungslandschaft agieren derzeit Akteure aus verschiedenen Bereichen (Orchestermusikerinnen und -musiker, freie Musikerinnen und Musiker, Schulmusikerinnen und -musiker, Instrumental- und Vokalpädagoginnen und -pädagogen u. a.) mit je verschiedenen Voraussetzungen, Methoden und Zielen nebeneinander, ohne dass eine integrierende Gesamtkonzeption verfolgt würde. Eher scheinen Beliebigkeit und Zufälligkeit zu regieren. Angesichts dieser Situation fordert die ALMS Bildungspolitikerinnen und -politiker aller Ebenen dazu auf, sich gemeinsam mit Expertinnen und Experten darüber zu verständigen, wie eine öffentlich geförderte musikalische Bildung gestaltet werden soll und welche Ziele mit welchen Maßnahmen erreicht werden sollen. Dabei ist festzulegen, welche Akteure Verband deutscher Musikschulen, der Bundesgeschäftsführer (Hrsg.): VdM-Jahresbericht 2013. Themenschwerpunkte und statistische Daten. Bonn: VdM 2014, S. 210; Deutsches Musikinformationszentrum: Schülerzahl und Altersverteilung an Musikschulen im VdM, http://www.miz.org/intern/uploads/statistik5.pdf, Zugriff: 10.9. 2015 2 welchen staatlichen Bildungsauftrag haben sollen. Darüber hinaus bedarf es einer wirksamen Qualitätssicherung und Bestimmungen zum Schutz des Namens „Musikschule“. Dresden, den 14.9.2015 Prof. Dr. Wolfgang Lessing Sprecher der ALMS