Technisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten im schulischen Kontext Eine didaktische Aufarbeitung und Zusammenstellung von Unterrichtsmaterialien DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Naturwissenschaften (Mag. rer. nat) im Diplomstudium LEHRAMT FÜR MATHEMATIK UND BILDNERISCHE ERZIEHUNG Eingereicht von: Evelyn Neulinger Angefertigt am: Institut für Didaktik der Mathematik Beurteilung: Univ.-Prof. DI Mag. Dr. Markus Hohenwarter Linz, Oktober 2012 1 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. .............................................................. Ort, Datum ......................................................... Neulinger Evelyn 2 Vorwort Bereits während meiner eigenen Schullaufbahn hat mich ein ganz bestimmtes mathematisches Thema, die Wahrscheinlichkeitsrechnung, besonders fasziniert und interessiert. In Weiterer Folge wurde ich natürlich auch während meines Studiums immer wieder mit stochastischen Phänomenen konfrontiert, denen meine besondere Aufmerksamkeit galt. Insbesondere Beispiele, deren Lösung meist sehr paradox erscheinen, die man also ohne stochastisches Vorwissen völlig falsch einschätzen würde, haben mich immer fasziniert. Daraus resultierte folglich der Beschluss, im Zuge meiner Diplomarbeit wahrscheinlichkeitstheoretische Beispiele und Paradoxa zu behandeln. Da ich außerdem einen sinnvollen Beitrag zu meiner zukünftigen beruflichen Tätigkeit als Lehrerin leisten wollte, habe ich mich weitgehend auf den Bezug zur Schulmathematik beschränkt. Infolgedessen beschreibe ich zu drei ausgewählten stochastischen Aufgaben Ideen und Anregungen für die Bearbeitung im Unterricht. Dabei war es mir ein besonderes Anliegen, einen Fokus auf den Einbezug von Computerprogrammen zu legen, nicht zuletzt da dem Technologieeinsatz im Mathematikunterricht eine immer größere Bedeutung zukommt. 3 Danksagung In erster Linie möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betreuer DI Mag. Dr. Markus Hohenwarter für die Unterstützung und die gute Zusammenarbeit während der Entstehung dieser Diplomarbeit bedanken. Er hat sich sehr genau und gewissenhaft mit meiner Arbeit auseinandergesetzt und hat auch seinerseits viel Zeit investiert, wofür ich sehr dankbar bin, ebenso wie für die wertvollen Ratschläge und Anregungen. Im Laufe meines Studiums an der JKU Linz und der UFG Linz haben mich auch viele weitere Menschen begleitet und unterstütz, denen ebenfalls mein aufrichtiger Dank gebührt. So danke ich meiner Familie, meinen Eltern Wolfgang und Gerda Stieger, insbesondere aber auch meinen Großeltern Anton und Berta Burgstaller, die mich in dieser Zeit nicht nur mental, sondern auch finanziell unterstützt haben. Des Weiteren bedanke ich mich bei meinen Freunden und StudienkollegInnen die mir immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Meinen Dank möchte ich auch meinem damaligen Arbeitgeber, der Firma Hofer KG und insbesondere meiner direkten Vorgesetzten Frau Elisabeth Gaigg, für die Rücksichtnahme auf mein Studium und das Entgegenkommen beim Erstellen der Dienstpläne aussprechen. Ebenfalls stets sehr bemüht mir einen möglichst reibungslosen Studienablauf zu ermöglichen, war die Leiterin der Abteilung für Bildnerische Erziehung an der Kunstuniversität, Frau O.Univ.-Prof. Mag. Dr. M.A. Angelika Plank, wofür ich mich an der Stelle auch bedanken möchte. Nicht zuletzt bedanke ich mich bei Prof. Mag. Karl Schmidmayr für das Korrekturlesen dieser Diplomarbeit, sowie bei Herrn Prof. Mag. Franz Schoberleitner und Herrn Mag. Dr. Peter Kritzer für die Rückmeldung zu einzelnen Kapiteln. DANKE! 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................................. 8 2. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff ............................................................ 10 2.1 Einblick in die historische Entwicklung ........................................................ 10 2.1.1 Zusammenfassung und Resümee .............................................. 14 2.2 Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Unterricht ........................ 16 2.3 Auflistung von Anwendungsbereichen ........................................................ 17 3. Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten – Mathematischer Hintergrund . 19 3.1 Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung ......................................... 19 3.2 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung .................................................. 22 3.3 Direkte Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten .............................................. 22 3.3.1 Klassische Wahrscheinlichkeitsermittlung – Laplace Wahrscheinlichkeit ..................................................................... 23 3.3.2 Statistische Wahrscheinlichkeitsermittlung – Relative Häufigkeit 23 3.3.3 Subjektive Wahrscheinlichkeitsermittlung ................................... 25 3.4 Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten ............................................................. 25 3.4.1 Additionssatz .............................................................................. 26 3.4.2 Bedingte Wahrscheinlichkeit ...................................................... 27 3.4.3 Multiplikationssatz ...................................................................... 27 3.4.4 Unabhängigkeit von Ereignissen ................................................ 28 3.4.5 Die totale Wahrscheinlichkeit und der Satz von Bayes ............... 29 3.4.6 Baumdiagramme und Pfadregeln ............................................... 31 3.4.7 Hilfsmittel aus der Kombinatorik ................................................. 33 3.5 Weiterführung und Ausblick: Zufallsvariable und Verteilungen .................... 38 4. Stochastik in der Schule ....................................................................... 41 4.1 Lehrplanbezug ............................................................................................ 41 4.1.1 Bezug auf das Allgemeine Bildungsziel (AHS) ........................... 42 4.1.2 Allgemeines Bildungsziel einer BHS am Beispiel HTL ................ 43 5 4.1.3 Bezug auf Kompetenzen ............................................................ 44 4.1.4 Bezug auf den Lehrstoff ............................................................. 46 4.2 Grundkompetenzen der neuen schriftlichen AHS-Reifeprüfung .................. 47 4.3 Wozu Stochastikunterricht? ........................................................................ 48 4.4 Stochastisches Denken und Vorstellungen vom Wahrscheinlichkeitsbegriff50 4.5 Einführung im schulischen Kontext ............................................................. 53 4.5.1 Konzeptionen zur Einführung ..................................................... 54 4.5.2 Geometrische Wahrscheinlichkeit – Ein Beispiel für den Unterricht ................................................................................................... 55 4.5.3 Arbeitsblätter zur Approximation von π....................................... 59 4.6 Computer-Einsatz im Stochastikunterricht .................................................. 59 4.6.1 Stochastische Simulation ........................................................... 60 5. Einige interessante Beispiele und Paradoxa – Eine Aufarbeitung für den Unterricht in der Sekundarstufe II ....................................................... 63 5.1 Das Geburtstagsparadoxon ........................................................................ 63 5.1.1 Beschreibung des Problems....................................................... 63 5.1.2 Berechnung der Wahrscheinlichkeit ........................................... 64 5.1.3 Anregungen für den Unterricht – Simulationen, Näherungen und grafische Darstellung.................................................................. 66 5.1.4 Anleitung für Simulationen mit einem Tabellenkalkulationsprogramm ................................................... 70 5.1.5 Die Berechnungsvorschrift ......................................................... 73 5.1.6 Anleitungen und Arbeitsblätter ................................................... 78 5.2 Das Monty-Hall-Problem ............................................................................. 80 5.2.1 Das Problem .............................................................................. 80 5.2.2 Einführung und Anwendungen in der Schule .............................. 81 5.2.3 Simulationen ohne Technologieeinsatz ...................................... 83 5.2.4 Möglichkeiten zur Simulation mit Computerunterstützung .......... 85 5.2.5 Zur Berechnung der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit ............... 90 5.2.6 Arbeitsblätter .............................................................................. 92 5.3 Das Frauenversteher-Spiel ......................................................................... 94 6 5.3.1 Kurze Erklärung zur Spieltheorie ................................................ 94 5.3.2 Beschreibung des Spiels ............................................................ 95 5.3.3 Berechnung der Gewinnwahrscheinlichkeit ................................ 96 5.3.4 Anwendungen in der Schule ....................................................... 99 5.3.5 Simulation mit GeoGebra ......................................................... 100 5.3.6 Weiterführung und Ausblick ...................................................... 103 5.3.7 Arbeitsblätter und Spielvorlage ................................................. 105 6. Zusammenfassung und Ausblick ....................................................... 107 7. Anhang ................................................................................................. 109 8. Verzeichnisse ....................................................................................... 129 8.1 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. 129 8.2 Abbildungsverzeichnis .............................................................................. 131 8.3 Literaturverzeichnis................................................................................... 133 7 1. Einleitung „Blinder Zufall genügt nicht zur Erklärung der Entstehung des Lebens“ (Theofried Heinrich Haardick zit. nach Kütting, 1994, S.16) „Zufall“ – ein Begriff der uns im Laufe unseres Lebens in den unterschiedlichsten Situationen immer wieder unterkommt. Gerade im Unterrichtsfach Mathematik müssen Lehrer und Lehrerinnen die Chancen erkennen und nutzen, die sich durch die ständige Weiterentwicklung technischer Hilfsmittel (im speziellen der Computerprogramme) ergeben. So bieten sich diverse Programme hervorragend für stochastische Simulationen an. Ich habe im Zuge dieser Arbeit versucht Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, die eben genau darauf abzielen, mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen und einer dynamischen Geometriesoftware, Beispiele für SchülerInnen möglichst interessant und lebendig zu gestallten. Im Prinzip gliedert sich diese Arbeit in zwei Teile, den theoretischen Hintergrund zum Thema und die Ausarbeitung von Unterrichtsmaterialien zu drei ausgewählten Beispielen, dem Geburtstagsparadoxon (Abschnitt 5.1), dem Monty-Hall-Problem (Abschnitt 5.2) und dem Frauenversteher-Spiel (Abschnitt 5.3). Der theoretische Teil umfasst eine Abhandlung zur historischen Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs (Kapitel 2) und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Außerdem bin ich auch auf die Frage eingegangen, in wie weit der Einbezug des geschichtlichen Hintergrundes im Unterricht zum besseren Begriffsverständnis bei SchülerInnen beitragen kann. Nach dieser einleitenden Bezugsherstellung beschreibe ich in Kapitel 3 den notwendigen mathematischen Hintergrund zum Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten, insbesondere für die in Kapitel 5 (Beispiele und Paradoxa) behandelten Aufgaben. Kapitel 4 und 5 beziehen sich auf den schulischen Kontext. In einer allgemeinen Abhandlung (Kapitel 4: Stochastik in der Schule) stelle ich Bezüge zu AHS- und BHS-Lehrplänen her, aber auch Kompetenzen die im Zuge der neuen AHS-Reifeprüfung erworben werden sollen, habe ich angeführt. Danach widme ich mich verschiedenen Fragestellungen, beispielsweise warum Stochastik in der Schule unterrichtet werden sollte, welche Vorstellungen SchülerInnen von Wahrscheinlichkeit haben (wenn sie zuvor noch keinen Stochastikunterricht hatten) und welche möglichen Konzeptionen es gibt, den Begriff im Unterricht einzuführen. Abschließend zu diesem 8 allgemeinen Teil habe ich mich auf die Bedeutung von Computer-Einsatz im Stochastikunterricht, und speziell auf die Möglichkeit stochastische Simulationen durchzuführen, bezogen. Bei den drei behandelten Beispielen in Kapitel 5 handelt es sich um konkrete Probleme aus dem Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wobei das Letzte, das Frauenversteher-Spiel, auch der Spieltheorie zugeordnet werden kann. Nach der einführenden Beschreibung der Situation, folgen jeweils Ideen und Arbeitsanweisungen für den Unterricht und schließlich im Anhang, die von mir erstellten Arbeitsblätter. Die abschließende Zusammenfassung inklusive einem weiteren Ausblick (Kapitel 6) bildet den letzten Teil dieser Diplomarbeit. 9 2. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff „Wahrscheinlichkeit ist der Grad der Möglichkeit des Eintretens bzw. der Voraussagbarkeit eines Ereignisses.“ (Duden, 2011) Die Frage nach einer konkreten Definition des Wahrscheinlichkeitsbegriffs beschäftigte Mathematiker bereits vor einigen Jahrhunderten. Um die Problematik der Begriffsbildung besser verstehen zu können, kann es hilfreich sein, einen Blick in die historische Entwicklung der Theorie zu werfen. In diesem Kapitel erläutere ich demzufolge den geschichtlichen Hintergrund. Dabei werde ich auch auf die Frage eingehen, ob und inwieweit es sinnvoll sein kann, historische Informationen in den Mathematikunterricht, speziell in dem Stochastikunterricht, einzubinden. 2.1 Einblick in die historische Entwicklung „Ein kluger Kaufmann verkauft und kauft nicht immer und überall irgendwelche Waren, sondern er verkauft sie dann und da, wenn und wo sie teuer sind, und wenn und wo sie billig sind, dann und da kauft er sie und findet die guten heraus, und dies ist mit viel Fleiß verbunden. Bei den Würfelspielern aber, da gibt es weder Ort noch Zeit und auch keine Sache, die bald billig, bald teuer sein könnte.“ PSEUDO-OVIDIUS, um 1250 (Klopsch zit. nach Schneider, 1988, s.5) Die Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeitstheorie wird vielfach um das Jahr 1654 datiert, jenes Jahr, in dem Blaise Pascal (1623 – 1662) und Pierre de Fermat (1601 – 1665) über Teilungsprobleme und diverse Probleme bei Würfelspielen in einem Briefwechsel diskutierten. Aber auch Girolamo Cardano (1501 – 1576) und Chevalier de Méré (1607 – 1684) seien in diesem Zusammenhang erwähnt, da vor allem de Méré eine gewisse Grundlage für die Dialoge zwischen Pascal und Fermat lieferte. Heutzutage ist bekannt, dass es Würfelspiele bereits sehr viel früher gegeben hat, wie auch das zuvor genannte Zitat aus dem 13. Jahrhundert zeigt. 10 Bereits aus dem Altertum (ca. 3000 v. Chr.) lassen sich Vorläufer von derartigen Spielereien mit Astragalen1 nachweisen. Man kann also vermuten, dass in diesem Zusammenhang auch das Reflektieren über Wahrscheinlichkeiten bereits sehr früh eingesetzt haben muss (vgl. Kütting, 1999, S.20f). Das Fundament für die weitere Entwicklung der Theorie wurde aber schließlich mit den Anfängen der Glücksspielrechnung im 17. Jahrhundert geschaffen. Als DAS erste Buch zur Wahrscheinlichkeitsrechnung gilt Cardanos Liber de ludo aleae. Ebenfalls zu den ersten Schriften über das Glücksspiel zählt Christiaan Huygens‘ (1629 – 1695) Traktat über Glücksspiele De ratiociniis in ludo aleae. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Sammlung typischer wahrscheinlichkeitstheoretischer Probleme mit deren Lösungen, aber auch neue Probleme dieser Zeit wurden darin niedergeschrieben. Anzumerken ist, dass der Begriff Wahrscheinlichkeit noch nicht verwendet wurde. Huygens schreibt in seinen Texten vom Wert der Hoffnung bzw. vom Erwartungswert (vgl. Kütting, 1999, S.24). Ein ebenso bedeutendes Werk wurde von Jakob Bernoulli (1654 – 1705) verfasst. Inspiriert von Huygens schrieb Bernoulli das Buch Ars conjectandi (Kunst des Vermutens). In dieser Schrift ist zum ersten Mal die Rede von probabilitas – einer messbaren Wahrscheinlichkeit, womit ein weiterer Grundstein für die uns heute bekannte Theorie gelegt wurde (vgl. Schneider, 1988, S.4). Das Kapitel 1 der 1713 erschienenen Ars conjectandi beinhaltet einige einführende Bemerkungen über die Wahrscheinlichkeit, unter anderem die folgende: “…Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich ein Grad der Sicherheit und unterscheidet sich von ihr wie der Teil vom Ganzen. Sei z.B. angenommen, die gesamte und absolute Sicherheit, die ich mit dem Buchstaben π oder mit der Einheit 1 bezeichne, bestehe aus fünf Wahrscheinlichkeiten oder Teilen, von denen drei für die gegenwärtige oder zukünftige Existenz irgendeines Ereignisses stehen, die restlichen dagegen, so soll dieses Ereignis 3⁄5 π oder 3⁄5 der Sicherheit besitzen. Deswegen wird das ‚wahrscheinlicher‘ als etwas anderes genannt, was einen größeren Anteil an Sicherheit beansprucht, wenn auch umgangssprachlich nur das wirklich als wahrscheinlich bezeichnet wird, 1 Knochenteil aus der Hinterfußwurzel von einem Schaf oder einer Ziege, wurde als Würfel verwendet 11 dessen Wahrscheinlichkeit die Hälfte der Sicherheit beträchtlich übertrifft.“ (Bernoulli zit. nach Schneider, 1988, S.63) Bernoulli beschreibt hierbei eine Möglichkeit zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, jedoch handelt es sich nicht um eine Begriffsdefinition. Ein weiterer nennenswerter Briefwechsel ist jener zwischen Bernoulli und Leibnitz in den Jahren 1703 bis 1705. Aus diesem geht unter anderem Bernoullis Hauptsatz hervor, der uns heutzutage als Gesetz der großen Zahlen bekannt ist (vgl. Schneider, 1988, S.49 & S.124). Auch Abraham de Moivre (1667 – 1754) lieferte wichtige Beiträge zur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Neben seinem bedeutenden Grenzwertsatz und der Entwicklung der Normalverteilung hatte er bereits vor Pierre Simon Laplace (1749 – 1827) in seiner Doctrine of chances ein Maß für die Wahrscheinlichkeit festgelegt: „The Probability of an Event is greater or less, according the number of Chances by which it may happen, compared with the whole number of Chances by which it may either happen or fail.“ [sic] (Vgl. de Moivre zit. nach Schneider, 1988, S.105) Daraus erhalten wir also folgenden Quotienten als Maß für die Wahrscheinlichkeit: Anzahl der für das Ereignis A günstigen Fälle Anzahl der möglichen Fälle , welcher auch von Laplace festgelegt wurde. Allerdings betonte Laplace dabei die Voraussetzung der „Gleichmöglichkeit“ aller Fälle. Das angeführte Maß ist uns heute bekannt als klassische Wahrscheinlichkeit oder Laplace-Wahrscheinlichkeit. „Die Wahrscheinlichkeit π(π΄) eines Ereignisses A ist gleich dem Quotienten aus der Anzahl π(π΄) der für das Ereignis π΄ günstigen Fälle und der Anzahl m aller möglichen Fälle, wobei vorausgesetzt wird, dass die verschiedenen Fälle alle gleichmöglich sind.“ (Laplace zit. nach Kütting, 1994, S.37) Dieser Quotient ist aber auch keine konkrete Definition des Begriffs selbst, sondern beschreibt ebenfalls eine Berechnungsmöglichkeit. 12 Ein kritisches Argument gegen das Laplace’sche Modell richtete sich lange Zeit vor allem auf die Voraussetzung der „Gleichmöglichkeit“. Gleichmöglich bedeutet in diesem Zusammenhang auch gleichwahrscheinlich, womit diese „Definition“ von Wahrscheinlichkeit den Begriff selbst enthält (Mathematiker brachten Mitte des 20. Jahrhunderts wiederum Einwände gegen diesen Kritikpunkt). Ebenfalls auf den Aspekt des „Gleichmöglichen“ bezieht sich der Einwand, dass in der Praxis die Voraussetzung der Gleichmöglichkeit nur selten gegeben ist (vgl. Kütting, 1994, S.37). Des Weiteren können auch Probleme beim Auffinden und Abzählen der Elementarereignisse2 auftreten, handelt es sich beispielsweise um Zufallsvorgänge3 mit sehr vielen Einflussfaktoren, oder auch mit unendlich vielen Elementarereignissen (vgl. Bourier, 1999, S.13). Ein Nachteil an der Laplace‘schen Theorie liegt also scheinbar in der eingeschränkten Anwendbarkeit. So versuchte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen anderen Zugang zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten zu schaffen. 1919 formulierte Richard von Mises (1883 - 1953) Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung (vgl. Schneider, 1988, S.378ff). Dabei definiert er die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses πΈ als Grenzwert der Folge der relativen Häufigkeiten4 βπ (πΈ) für π gegen unendlich. B. L. van der Waerden zeigte 1951 auf, dass diese Limesdefinition im Wiederspruch zu anderen Sätzen der Wahrscheinlichkeitstheorie seht, so konnte sich Mises „Definition“ nicht durchsetzen (vgl. Kütting, 1999, S.28). Vor allem aber sei Andrei Nikolajewitsch Kolmogoroff (1903 - 1987) erwähnt, der sich um 1933 ebenfalls mit den Grundbegriffen der Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigte und schlussendlich die, von David Hilbert bereits 1900 geforderte, axiomatische Begründung der Wahrscheinlichkeitstheorie schuf (vgl. Bong, 2004). Bei diesem axiomatischen Aufbau wird die Wahrscheinlichkeit als Mengenfunktion definiert, dem sogenannten Wahrscheinlichkeitsmaß. Diese Funktion ist auf einer Ereignisalgebra definiert und ordnet den Mengen dieser Ereignisalgebra reelle Zahlen im Intervall [0; 1] zu (siehe 3.2 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung). 2 Siehe 3.1 Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung Siehe 3.1 Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung 4 Siehe 3.3.2 Statistische Wahrscheinlichkeitsermittlung – Relative Häufigkeit 3 13 2.1.1 Zusammenfassung und Resümee „Der Begriff der Wahrscheinlichkeit ist zentral für die Beschreibung von Phänomenen, die dem Zufall unterliegen. Mathematisch werden Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse von Zufallsexperimenten definiert. Eine formale Definition der Wahrscheinlichkeit ist schwierig (und umstritten).“ (mathe-online.at, 2011) Im Prinzip kann man drei verschiedene Definitonsansätze erfassen. Zum Einen gibt es die der Definition Klassischen bzw. Laplace’schen Wahrscheinlichkeit. Diese Berechnungsvorschrift ist jedoch nicht immer anwendbar, da man von Voraussetzungen ausgeht, die nicht auf jede Situation übertragbar sind (z.B. Gleichwahrscheinlichkeit der Elementarereignisse). Zum Anderen existiert der Ansatz von relativen Häufigkeiten als Näherungswerte für Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen. Das Problem hierbei liegt häufig genau darin, dass exakte Wahrscheinlichkeiten so nicht berechnet werden können, allerdings können (mit einer sehr großen Anzahl an Versuchsdurchgängen) meist gute Näherungswerte erzielt werden. Die dritte Möglichkeit ist jene, den Wahrscheinlichkeitsbegriff mit Hilfe von Axiomen über den Funktionsbegriff zu definieren (siehe 3.2 Axiome Wahrscheinlichkeitsrechnung). Die folgende Tabelle soll einen Überblick über die Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung geben. Dabei habe ich zu den jeweiligen Epochen und Entwicklungsschritten Mathematiker angeführt, die maßgeblich an der Entstehung der Theorie beteiligt waren. 14 der Mathematiker Zeitliche Wichtige Entwicklungsschritte die u.a. in diesem Einordnung in der Geschichte der Zusammenhang wichtige Wahrscheinlichkeitstheorie Werke, Erkenntnisse und Theorien entwickelten ca. 16. – 17. Jhd. Glücksspielrechnung; Girolamo Cardano Erste Auseinandersetzung mit Chevalier de Méré praktischen Problemen; Blaise Pascal Erste Erkenntnisse der Pierre de Fermat Stochastik; Christiaan Huygens Gesetz der großen Zahlen… Jakob Bernoulli … Klassische (Laplace’sche) ca. 18. – 19. Jhd. Wahrscheinlichkeitstheorie; Wahrscheinlichkeitsverteilungen; Grenzwertsätze;… Abraham de Moivre Pierre Simon Laplace Thomas Bayes Carl Friedrich Gauß Siméon-Denis Poisson … Wahrscheinlichkeit als Grenzwert ca. 19. – 20. Jhd. der Folge von relativen Häufigkeiten; Richard von Mises Andrej A. Markoff Pafnuti L. Tschebyscheff Grenzwertsätze… … 1.Hälfte des 20. Jhd. Axiomatischer Aufbau Andrei N. Kolmogoroff … 15 2.2 Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Unterricht Aspekte der geschichtlichen Entwicklung der Mathematik können auch im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden, nicht nur um ein angemesseneres Bild der Mathematik zu vermitteln, sondern auch um die Aufmerksamkeit, das Interesse und die Motivation der SchülerInnen zu fördern. Kronfellner resümiert Erwartungen diverser AutorenInnen in Verbindung mit dem Einbau von historischen Elementen in den Mathematikunterricht (vgl. Kronfellner, 2002, S.23f): ο Besseres Verständnis mathematischer Inhalte ο Antworten auf Sinnfragen von SchülerInnen ο Vermittlung eines adäquaten Bildes von Mathematik als eine sich ständig weiterentwickelnde Wissenschaft ο Auflockerung im Unterricht ο Motivationssteigerung ο Abbau psychischer Barrieren gegen die Mathematik ο Aufklärung von „mathematischen Mythen“ ο Vermittlung eines Traditionsbewusstseins Es gibt auch AutorenInnen, die dem Einbeziehen von geschichtlichen Inhalten in den Mathematikunterricht kritisch gegenüberstehen. Freudenthal beispielsweise bezweifelt, dass geschichtliche Kenntnisse das tatsächliche Verständnis von mathematischen Inhalten fördern und meint, dass Lehrpersonen sich davor in Acht nehmen sollten, nicht das eigene Interesse an der historischen Entwicklung den SchülerInnen aufdrängen zu wollen (vgl. Kronfellner zit. nach Freudenthal, 2002, S. 24). Meiner Meinung nach bietet sich jedoch gerade im Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung der Einbezug der geschichtlichen Entwicklung an. Die SchülerInnen könnten mit historischen Hintergrundinformationen besser verstehen, warum es von Bedeutung ist, ausgerechnet Würfelspiele und andere Glücksspiele im Unterricht zu behandeln. Es sollte ihnen bewusst sein, dass gerade durch diese „Spielereien“ die Motivation zur weiteren Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie entstand, die heute in so unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten zum Einsatz kommt. Im nächsten Abschnitt habe ich einige Anwendungsbereiche der Stochastik angeführt. 16 2.3 Auflistung von Anwendungsbereichen Der Bereich der Stochastik ist ein sehr anwendungsorientiertes Teilgebiet der Mathematik. Elemente der Wahrscheinlichkeitsrechnung, sowie der beschreibenden und beurteilenden Statistik sind aus vielen Fachgebieten kaum wegzudenken und bilden wichtige Grundlagen für viele Berufe. In diesem Abschnitt werde ich einige Bereiche anführen, in denen die Wahrscheinlichkeitsrechnung in bestimmter Weise eine Rolle spielt. Dabei handelt es sich nicht um eine vollständige Auflistung aller Gebiete die sich den Regeln der Stochastik bedienen, sondern lediglich um einen Auszug. So soll eine Vorstellung über die Vielseitigkeit der Anwendungsgebiete vermittelt werden. Da es nicht Ziel und Zweck dieser Arbeit ist, genaueres über diese Anwendungsbereiche auszuarbeiten, sind zu den einzelnen Themengebieten keine weiteren Erläuterungen angegeben. Wahrscheinlichkeitstheoretische Anwendungen findet man u.a. in folgenden Wissenschaftsgebieten, bzw. Disziplinen: ο in Biologie und Naturgeschichte (z.B. Evolutionsbiologie, Physiologie, Genetik und Erblichkeitslehre, zufallsgesteuerte Blockversuche in der biologischen Forschung) ο in der Physik (z.B. Kinetische Gastheorie, Radioaktivität, Licht und Materie, Quantenmechanik) ο bei Wetterprognosen ο beim Sport ο im Bereich der Verhaltensforschung ο im Versicherungswesen (z.B. stochastische Grundlagen der Rentenversicherung) ο in der Medizin (z.B. Medizinische Diagnosen, Medizinische Therapie, Testung und Erprobung von Medizinischen Präparaten) ο bei Testverfahren in der Psychologie ο bei Qualitätskontrollen (z.B. zur Überprüfung der Höhe des Ausschussanteils) ο im Gerichtswesen ο bei Glücksspielen, Lotterien und Sportwetten sowie bei einfachen Würfelspielen 17 ο bei der Kriegsführung ο bei Intelligenztests ο bei Meinungsumfragen ο … Nähere Informationen zu den jeweiligen Themen können in der Fachliteratur nachgelesen werden. Schon alleine aufgrund der Menge der zahlreichen Anwendungsgebiete der Wahrscheinlichkeitsrechnung erlangt der Stochastikunterricht eine Berechtigung. Dennoch möchte ich noch näher auf die Frage eingehen, warum es sinnvoll ist Stochastik in der Schule zu unterrichten (siehe 4.3 Wozu Stochastikunterricht?). 18 3. Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten Wahrscheinlichkeitsräumen in endlichen In diesem Teil der Diplomarbeit beschreibe ich die theoretischen Grundlagen. Die angeführten Definitionen und Sätze beschränken sich weitgehend auf das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten in endlichen Wahrscheinlichkeitsräumen, womit die Basis für die in Abschnitt 5 ausgearbeiteten Unterrichtsmaterialien gegeben ist. Natürlich werden in der Schule auch stetige Wahrscheinlichkeitsräume behandelt, in dieser Arbeit werde ich aber nicht näher auf den stetigen Fall eingehen. Im ersten Teil werden die wichtigsten Zufallsexperimente benötigt werden. Grundbegriffe definiert, die für Danach werden Methoden zur direkten Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten beschrieben und weitere Rechenregeln erläutert. Abschließend wird ein Einblick in die weiterführende Theorie von Zufallsvariablen und Verteilungen gegeben. Die angeführten Definitionen und Sätze des gesamten dritten Kapitels sind den nachstehenden Quellen entnommen: ο Bourier, G. (1999). Wahrscheinlichkeitsrechnung und schließende Statistik. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH. ο Dürr, W. & Mayer, H. (2004). Wahrscheinlichkeitsrechnung und Schließende Statistik. Studienbücher der Wirtschaft. 5. Auflage. München: Carl Hanser Verlag München Wien. ο Henze, N. (1999). Stochastik für Einsteiger. 2. Auflage. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg. ο Krengel, U. (2003). Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Wiesbaden: Vieweg. ο Kütting, H. (1999). Elementare Stochastik. Mathematik Primarstufe. Prof. Dr. Friedhelm Padberg (Hrsg.). Berlin: Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg. 3.1 Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung 19 Folgende grundlegende Begriffe werden für die Beschreibung von Zufallsexperimenten benötigt und daher in diesem Abschnitt definiert: ο Zufallsexperiment ο Elementarereignis ο Ereignisraum und Ereignis Definition: Ein Experiment heißt Zufallsexperiment, wenn dessen Ausgang vom Zufall abhängig ist. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein (vgl. Dürr & Mayer, 2004, S.20): ο Das Experiment wird nach einer genauen Vorschrift durchgeführt. ο Es kann unter den gleichen Bedingungen beliebig oft wiederholt werden. ο Die möglichen Ergebnisse können alle angegeben oder abgeschätzt werden. ο Das Ergebnis, das sich beim Zufallsexperiment einstellen wird, kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Definition: Sei ο eine Menge (ο ≠ ∅ und endlich). Jede Teilmenge A von ο wird Ereignis genannt (π΄ ο ο ). Die einelementigen Teilmengen von ο, also die Teilmengen, die genau ein Ergebnis enthalten, bezeichnet man als Elementarereignisse ππ . Ein Ereignis A setzt sich also aus einem oder mehreren Elementarereignissen zusammen. ο nennt man Ereignismenge (auch Ereignisraum) (vgl. Kütting, 1999, S.33). Beispiel: Zufallsexperiment: „Ein Würfel wird einmal geworfen.“ Die Elementarereignisse (die möglichen Versuchsausgänge) sind die Augenzahlen 1, 2, 3, 4, 5 oder 6. Die Ereignismenge ο = {1,2,3,4,5,6}. Ein Ereignis A wäre beispielsweise: „Werfen einer geraden Augenzahl“ also π΄ = {2,4,6}. Ereignisräume können diskret oder stetig sein. Diskrete Ereignisräume umfassen endlich viele oder abzählbar unendlich viele Elementarereignisse, was bedeutet, dass sich die Menge der Elementarereignisse auf die Menge der natürlichen Zahlen 20 abbilden lässt. Im stetigen Fall umfasst die Menge der Elementarereignisse überabzählbar unendlich viele Elemente. Beispiele für einen stetigen Wahrscheinlichkeitsraum: „Eine Zahl zwischen 0 und 1“ oder „der Benzinverbrauch eines PKW’s auf 100 km“. Beispiel für ein Ereignis mit überabzählbar vielen Elementarereignissen (vgl. Bourier, 1999, S. 8): „Benzinverbrauch liegt unter 3 Liter pro 100km“. Ein Ereignis π΄ tritt ein, wenn beim Zufallsexperiment ein Ausgang ο· ο π΄ realisiert wird. Mit dieser Bestimmung ist es möglich eine mengentheoretische Notation einzuführen. Seien A, B Ereignisse, dann besagt ο· ο (π΄ ∩ π΅), dass ο· in A und in B liegt. π΄ ∩ π΅ beschreibt also das Ereignis, dass sich A und B ereignen. π΄ ∪ π΅ beschreibt das Ereignis, dass sich A oder B ereignen. Definition: Als Komplementärereignis oder Gegenereignis π΄π (manchmal auch π΄′ oder π΄Μ geschrieben) von A in ο wird das Ereignis bezeichnet, dass A nicht eintritt (vgl. Krengel, 2003, S.3), also π΄π = ο\π΄. Das Maß für die Erwartung, mit der ein Ereignis π΄ eintritt, wird als Wahrscheinlichkeit π(π΄) bezeichnet. Die Menge aller möglichen Ereignisse, also die Menge aller Teilmengen von ο, ist die Potenzmenge π«(ο). π«(ο) ist (für ο endlich) eine π − π΄ππππππ (geschrieben: π)5. Definition: Die leere Menge ∅ heißt unmögliches Ereignis. Für das unmögliche Ereignis gilt: π(π΄) = 0. Die (uneigentliche) Teilmenge ο von ο, also die Ereignismenge selbst, heißt sicheres Ereignis. Für das sichere Ereignis gilt: π(π΄) = 1. Zwei Ereignisse π΄ und π΅ heißen disjunkt, wenn π΄ ∩ π΅ = ∅ gilt. (Vgl. Kütting, 1999, S.33ff) Unter der π − π΄ππππππ π versteht man die Menge aller Ereignisse. Es gilt: π ο π«(ο). Für ο abzählbar, wir normalerweise π = π«(ο) gewählt (vgl. Takacs, 2008, S.6). 5 21 3.2 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung (für ο endlich) Nachdem einige grundlegende Begriffe geklärt wurden, beschreibe ich in den anschließenden Abschnitten einige Eigenschaften und wie den Ereignissen Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Zu beachten ist, dass es sich hierbei um endliche Ereignismengen handelt. Definition: Eine Abbildung π von π«(ο) (bzw. von π) in [0,1] heißt Wahrscheinlichkeitsverteilung oder Wahrscheinlichkeitsmaß π: π → [0,1], falls die folgenden Bedingungen erfüllt sind („Axiomensystem von Kolmogoroff“): ο π(π΄) ≥ 0 für π΄ ο ο, (Nichtnegativität) ο π(ο) = 1, (Normiertheit) ο π(π΄ ∪ π΅) = π(π΄) + π(π΅) falls π΄ ∩ π΅ = { }. (Additivität) Tripel (ο, π«(ο), π), Ein oder auch kurz (ο, π), heißt endlicher Wahrscheinlichkeitsraum, wobei ο ≠ 0 eine endliche Menge und π eine auf den Teilmengen von ο definierte, reellwertige Funktion ist (vgl. Henze, 1999, S.39f). Einige Eigenschaften von Wahrscheinlichkeiten: Für π΄, π΅, π΄π ∈ π«(ο) gilt (vgl. Krengel, 2003, S.4) ο π(π΄π ) = 1 − π(π΄), ο π΄ο π΅ βΉ π(π΄) ≤ π(π΅), ο π(π΄\π΅) = π(π΄) − π(π΄ ∩ π΅) πππ‘ (π΄\π΅) = (π΄ ∩ π΅π ). 3.3 Direkte Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen können auf unterschiedliche Weise berechnet werden. Im Unterschied zu einer direkten Ermittlung, bei der ein Zufallsexperiment real oder gedanklich realisiert wird, wird bei einer indirekten Ermittlung auf bereits bekannte Wahrscheinlichkeiten von anderen Ereignissen zurückgegriffen, mit deren Hilfe die Wahrscheinlichkeit des gewünschten Ereignisses bestimmt werden kann (ohne dass das zu Grunde liegende Zufallsexperiment explizit durchgeführt wird). In diesem Teil der Arbeit erläutere ich drei Möglichkeiten zur direkten Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten (vgl. Bourier, 1999, S. 11ff), die statistische, die klassische und 22 die subjektive Wahrscheinlichkeitsermittlung. Im Abschnitt 3.4 Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten werden Wege zur indirekten Wahrscheinlichkeitsermittlung beschrieben (vgl. Bourier, 1999, S. 36ff). 3.3.1 Klassische Wahrscheinlichkeitsermittlung – Laplace Wahrscheinlichkeit Die klassische Voraussetzungen Wahrscheinlichkeitsermittlung durchführbar: Der ist Zufallsvorgang nur unter muss bestimmten endlich viele Elementarereignisse besitzen und diese müssen alle gleich wahrscheinlich sein. Zur Berechnung muss das Zufallsexperiment nicht explizit ausgeführt werden, es reichen meist gedankliche Überlegungen. Definition: Nimmt man an, dass alle Elementarereignisse eines Zufallsversuchs gleich wahrscheinlich sind, so spricht man von einem Laplace-Versuch. Es gilt: Liegt ein Laplace-Versuch mit π Versuchsausgängen vor, so sind die Wahrscheinlichkeiten π der einzelnen Elementarereignisse gleich groß und es gilt für jeden einzelnen Ausgang: 1 π=π Für die Berechnung der (Laplace-)Wahrscheinlichkeit π(π΄) eines Ereignisses π΄ bei einem Laplace-Versuch gilt: π(π΄) = π΄ππ§πβπ πππ πüπ π΄ πüππ π‘ππππ πΈππππππ‘ππππππππππ π π |π΄| = π΄ππ§πβπ πππ πöππππβππ πΈππππππ‘ππππππππππ π π |ο | Ein Nachteil dieser Berechnungsmethode liegt offensichtlich in der eingeschränkten Anwendbarkeit, denn in der Praxis ist die Voraussetzung der Gleichwahrscheinlichkeit der Elementarereignisse nur selten gegeben. Weitere Probleme können beim Auffinden und Abzählen der Versuchsausgänge auftreten, da sich dies in vielen Fällen als sehr schwierig und kompliziert erweist. Ebenfalls nicht angewendet werden kann die Laplace-Methode, falls es unendlich viele Versuchsausgänge gibt. In diesem Fall kann die Wahrscheinlichkeit eventuell geometrisch ermittelt werden (siehe 4.5.2 Geometrische Wahrscheinlichkeit). 3.3.2 Statistische Wahrscheinlichkeitsermittlung – Relative Häufigkeit 23 Wahrscheinlichkeiten können auch auf statistischem Wege ermittelt, bzw. abgeschätzt werden, wobei hierzu das zugehörige Zufallsexperiment tatsächlich durchgeführt werden muss. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse nicht bekannt sind. Würfelt man beispielsweise mit einem unsymmetrischen Würfel mit sechs unterschiedlich großen Seitenflächen (nummeriert von 1 bis 6), so können die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten für die Elementarereignisse 1, 2, 3, 4, 5 und 6 im 1 Vorhinein nicht mit π = 6 angenommen werden. Auch das Werfen eines Reißnagels ist in diesem Zusammenhang ein häufig zitiertes Beispiel. Die Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse „Nagel landet auf dem Kopf“ oder „Nagel landet mit der Spitze nach unten“ können nur auf statistischem Wege ermittelt werden. Dabei wird das Zufallsexperiment unter den gleichen Bedingungen π-mal ausgeführt und beobachtet, wie häufig das gewünschte Ereignis eintritt. Definition: Tritt ein bestimmtes Ereignis π΄ genau π von π mal auf, so nennt man ππ (π΄) die absolute Häufigkeit des Ereignisses A und βπ (π΄) = ππ (π΄) π die relative Häufigkeit des Ereignisses π΄. Es gilt: Die relative Häufigkeit βπ (π΄) eines Ereignisses π΄ nähert sich mit zunehmender Anzahl π an (voneinander unabhängigen) Wiederholungen eines Zufallsexperiments, der Wahrscheinlichkeit P von π΄: π(π΄) ≈ π΄ππ§πβπ πππ ππ’πππππ π£πππäπππ πππ‘ π΄π’π ππππ π΄ π΄ππ§πβπ πππ π·π’ππβπüβππ’ππππ πππ πππ πππ‘ Das „Gesetz der großen Zahlen“ von Bernoulli (um 1690) besagt schließlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der absolute Unterschied zwischen der relativen Häufigkeit βπ (π΄) eines Ereignisses A und der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit π(π΄) von A größer als eine beliebig kleine Zahl π, mit wachsender Anzahl n der Durchführungen des Zufallsexperiments gegen 0 geht: lim (|βπ (π΄) − π(π΄)| > π) = 0. π→ο₯ Problematisch werden kann die Tatsache, dass in der Praxis Zufallsexperimente aus Zeit- oder Kostengründen nicht immer unter den gleichen Bedingungen beliebig oft 24 wiederholt werden können und somit das Ergebnis der Berechnungen von der exakten Wahrscheinlichkeit weit abweichen kann. Außerdem kann es passieren, dass sich die Versuchsergebnisse für eine kurze Zeit (wenn n nicht übermäßig groß ist) um einen bestimmten Wert stabilisieren, welchen man folglich fälschlicherweise als Näherungswert für die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses annehmen könnte. Dennoch ist die statistische Ermittlung relativer Häufigkeiten in vielen Fällen die einzige Möglichkeit zur Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten und gerade auch durch die schnell fortschreitende technische Entwicklung von Computerprogrammen und Simulationsmöglichkeiten von besonderer Bedeutung. 3.3.3 Subjektive Wahrscheinlichkeitsermittlung Bei dieser Methode der Wahrscheinlichkeitsermittlung ist es Aufgabe einer bestimmten Person, unter Berücksichtigung ihrer/seiner Erfahrungen und ihres/seines Wissens, Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten eines bestimmten Ereignisses subjektiv, aber rational einzuschätzen. Dieser Wert stimmt in der Regel meist nicht sehr gut mit der exakten Wahrscheinlichkeit überein, jedoch stellt dieses subjektive Vorgehen in der Praxis oft die einzige Möglichkeit zur Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten dar. Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, dass es nächsten Juli an mehr als 10 Tagen regnet, können wir schätzungsweise angeben, wobei man sich auf Erfahrungen (Anzahl der Regentage im Juli) vergangener Jahre bezieht (vgl. Henze, 1999, S.46). 3.4 Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten Das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten ist eine indirekte Art der Wahrscheinlichkeitsermittlung. Ausgehend von bereits bekannten Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse, kann man mit Hilfe bestimmter Regeln weitere Wahrscheinlichkeiten berechnen. Beispiele hierfür sind der Additions- und der Multiplikationssatz. Außerdem erkläre ich wie bedingte Wahrscheinlichkeiten (das sind Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse, unter der Voraussetzung, dass ein anderes Ereignis bereits eingetreten ist) ermittelt werden können. Anschließend werde ich kurz 25 auf die Visualisierung von wahrscheinlichkeitstheoretischen Problemen mittels Baumdiagrammen eingehen, wobei ich die zwei Pfadregeln beschreibe. Wahrscheinlichkeiten lassen sich manchmal (leichter) mit kombinatorischen Hilfsmitteln bestimmen. Der letzte Teil in diesem Abschnitt behandelt daher einige (Ab)Zählformeln, die es ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen die Anzahl der „günstigen Fälle“ zu bestimmen. 3.4.1 Additionssatz Seien π΄1 , … , π΄π Elementarereignisse eines Zufallsversuchs, dann gilt: π(π΄1 ∪ π΄2 ∪ … ∪ π΄π ) = π(π΄1 ) + π(π΄2 ) + β― + π(π΄π ). Für disjunkte Ereignisse kann der Additionssatz analog formuliert werden: π π π (β π΄π ) = ∑ π(π΄π ) π=1 πππππ π΄1 , … π΄π πππππ€πππ π πππ ππ’πππ‘. π=1 Daraus lässt sich unmittelbar ableiten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A gleich der Summe der Wahrscheinlichkeiten aller Elementarereignisse π von A ist: π(π΄) = ∑π∈π΄ π({π}). Handelt es sich um beliebige (sich überschneidende) Ereignisse π΄π so kann die Wahrscheinlichkeit der Vereinigung dieser Ereignisse mit der Summe der Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse nach oben abgeschätzt werden. Diese ist in jedem Fall größer (oder maximal gleich), da die Wahrscheinlichkeiten der Schnittmengen der jeweiligen Ereignisse mehrfach in die Summe einfließen: π π π (β π΄π ) ≤ ∑ π(π΄π ) π=1 πüπ πππππππππ π΄1 , … π΄π ο π. π=1 Will man beispielsweise die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass das Ereignis „A oder B“ eintritt (wobei A und B nicht disjunkt sind), so muss man zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit π(π΄ ∪ π΅) von der Summe der einzelnen Teilwahrscheinlichkeiten von A und B, die Wahrscheinlichkeit von π΄ ∩ π΅ subtrahieren, da diese ansonsten doppelt gezählt wird: π(π΄ ∪ π΅) = π(π΄) + π(π΅) − π(π΄ ∩ π΅). 26 Wie man die Wahrscheinlichkeit von π΄ ∩ π΅ berechnen kann, wird in den nachfolgenden Absätzen erläutert. 3.4.2 Bedingte Wahrscheinlichkeit Definition: Seien (ο, π) ein Wahrscheinlichkeitsraum, ο endlich und π΄, π΅ ο ο mit π(π΅) > 0. Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis π΄ unter der Bedingung, dass das Ereignis π΅ bereits eingetreten ist, heißt bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter (der Bedingung) B, geschrieben π(π΄|π΅). π(π΄|π΅) βΆ= π(π΄ ∩ π΅) . π(π΅) Unter der Laplace-Annahme kann man folgende Überlegung anstellen: Sei π(π΄) = |π΄| , |ο| π(π΅) = |π΅| |ο| und π(π΄ ∩ π΅) = |π΄∩π΅| . |ο| Zu bestimmen ist die bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter B. Wenn das Ereignis B bereits eingetreten ist, reduziert sich der Ereignisraum von ο auf B. Die Anzahl der möglichen Fälle beschränkt sich also auf |B|, wobei die günstigen Fälle jene sind, wo innerhalb von B auch A eintritt, also die Anzahl der Elemente der Schnittmeng |π΄ ∩ π΅|. ο A π∩π B Abbildung 1: Darstellung zur Bedingten Wahrscheinlichkeit Somit gilt (mit π(π΅) β |ο| = |π΅| π’ππ π(π΄ ∩ π΅) β |ο| = |π΄ ∩ π΅|): π(π΄|π΅) = 3.4.3 |π΄ ∩ π΅| |ο| β π(π΄ ∩ π΅) π(π΄ ∩ π΅) = = . |π΅| |ο| β π(π΅) π(π΅) Multiplikationssatz Durch einfaches Umformen aus der bedingten Wahrscheinlichkeit lässt sich der allgemeine Multiplikationssatz ableiten: 27 Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Ereignisse A und B, mit π(π΄) > 0 und π(π΅) > 0, gemeinsam eintreten beträgt demnach: π(π΄ ∩ π΅) = π(π΄) β π(π΅|π΄) ππ§π€. π(π΄ ∩ π΅) = π(π΅) β π(π΄|π΅). Fügt man nun ein weiteres Ereignis C hinzu, so erhält man: π(π΄ ∩ π΅ ∩ πΆ) = π((π΄ ∩ π΅) ∩ πΆ) = π(π΄ ∩ π΅) β π(πΆ|π΄ ∩ π΅) = π(π΄) β π(π΅|π΄) β π(πΆ|π΄ ∩ π΅). Allgemein gilt dementsprechend für π Ereignisse π΄1 , … , π΄π mit π(π΄π ) > 0 für ∀π ∈ {1, … , π}: π(π΄1 ∩ π΄2 ∩ … ∩ π΄π ) = π(π΄1 ) β π(π΄2 |π΄1 ) β π( π΄3 |π΄1 ∩ π΄2 ) β … β π(π΄π |π΄1 ∩ π΄2 ∩ … ∩ π΄π−1 ), in Kurzschreibweise: π π−1 π π (β π΄π ) = π(π΄1 ) β ∏ π(π΄π | β π΄π ) π=1 3.4.4 π=2 (π΄ππππππππππ ππ’ππ‘πππππππ‘ππππ π ππ‘π§). π=1 Unabhängigkeit von Ereignissen In der Praxis ist es nun häufig interessant zu wissen, ob durch den Eintritt eines Ereignisses A die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis B eintritt, in irgendeiner Weise beeinflusst wird oder nicht. Man möchte feststellen, ob die Ereignisse A und B voneinander unabhängig sind. Dies ist genau dann der Fall, wenn π(π΄|π΅) = π(π΄) gilt. In diesem Fall nennt man die Ereignisse π΄ und π΅ (stochastisch) unabhängig. Analog gilt für π Ereignisse: Definition: Es sei (ο, π) ein Wahrscheinlichkeitsraum und π΄1 , … , π΄π Ereignisse mit π ≥ 2. π΄1 , … , π΄π heißen (stochastisch) unabhängig, wenn gilt: π (β π΄π ) = ∏ π(π΄π ) π∈π π∈π für jede relevante (d.h. mindestens zwei-elementige) Teilmenge πο {1,2, … , π}. Sind beispielsweise drei Ereignisse A, B und C gegeben (also π = 3) so kann man die stochastische Unabhängigkeit der Ereignisse feststellen, indem man die Gültigkeit folgender vier Gleichungen überprüft: π(π΄ ∩ π΅) = π(π΄) β π(π΅) 28 π(π΄ ∩ πΆ) = π(π΄) β π(πΆ) π(π΅ ∩ πΆ) = π(π΅) β π(πΆ) π(π΄ ∩ π΅ ∩ πΆ) = π(π΄) β π(π΅) β π(πΆ) 3.4.5 Die totale Wahrscheinlichkeit und der Satz von Bayes Man betrachte folgende Situation (Abbildung 2): π΄1 π΄2 π΄3 B π΄4 π΄π … … π΄π Abbildung 2: Vollständiges Ereignissystem in ο mit dem Ereignis B In Abbildung 2 wird ein vollständiges Ereignissystem in ο dargestellt. Darunter versteht man eine abzählbare Partition (π΄π )π≥1 von ο mit π΄π π π«(ο) für alle π, d.h. es gilt: π΄1 ∪ π΄2 ∪ … ∪ π΄π = ο und π΄π ∩ π΄π = ∅ πüπ ππππ π ≠ π. Überschneidet sich ein Ereignis B mit einigen Ereignissen π΄π , so kann man B als Vereinigung, bzw. Zusammensetzung der Schnittmengen von B mit diesen Ereignissen π΄π auffassen: π΅ = (π΄1 ∩ π΅) ∪ (π΄2 ∩ π΅) ∪ … ∪ (π΄π ∩ π΅). Somit ergibt sich mit der Addition der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Durchschnitte π΄π ∩ π΅ die totale Wahrscheinlichkeit von B (man beachte, dass die Ereignisse π΄π ∩ π΅ paarweise disjunkt sind, wodurch der Additionssatz für disjunkte Ereignisse verwendet werden darf): π π(π΅) = ∑ π(π΄π ∩ π΅). π=1 Die Wahrscheinlichkeiten für die jeweiligen Durchschnitte π΄π ∩ π΅ können mit dem allgemeinen Multiplikationssatz ermittelt werden (siehe 3.4.3 Multiplikationssatz): Satz: Es gilt: 29 π π(π΅) = ∑ π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) (πππ‘π§ πππ π‘ππ‘ππππ ππβππ πβππππππβππππ‘) π=1 Beweis: Es gilt π΄1 ∪ π΄2 ∪ … ∪ π΄π = ο und π΅ = (π΄1 ∩ π΅) ∪ (π΄2 ∩ π΅) ∪ … ∪ (π΄π ∩ π΅). Da die Ereignisse π΄π ∩ π΅ für π = 1, 2, … π paarweise disjunkt sind, also (π΄π ∩ π΅) ∩ (π΄π ∩ π΅) = ∅ πüπ ππππ π ≠ π gilt, folgt mit dem Additionssatz π(π΅) = π(π΄1 ∩ π΅) + π(π΄2 ∩ π΅) + β― + π(π΄π ∩ π΅) und mit dem allgemeinen Multiplikationssatz π(π΄π ∩ π΅) = π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) πüπ ππππ π = 1 … π. Daraus ergibt sich: π(π΅) = π(π΄1 ) β π(π΅|π΄1 ) + π(π΄2 ) β π(π΅|π΄2 ) + β― + π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) also π π(π΅) = ∑ π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) . π=1 Ein Anwendungsbeispiel: Drei Maschinen π1 , π2 , π3 erzeugen Glühbirnen. Jede Maschine produziert einen bestimmten Anteil der insgesamt produzierten Ware und davon wiederum einen bestimmten Prozentsatz der gesamten Ausschussware A. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, wenn man zufällig eine defekte Glühbirne auswählt, dass diese (beispielsweise) von Maschine π3 kommt? Die Wahrscheinlichkeit π(π3 ), dass das ausgewählte Produkt von Maschine π3 erzeugt wurde, ist bekannt. Ebenso kennt man die Wahrscheinlichkeit π(π΄), also die Wahrscheinlichkeit dass das Produkt Ausschussware ist (errechnet sich mit der totalen Wahrscheinlichkeit), wobei π(π΄) > 0 ist. Gesucht ist nun die Wahrscheinlichkeit π(π3 |π΄), die Wahrscheinlichkeit, dass die Glühbirne von Maschine 3 kommt, wenn man weiß, dass sie defekt ist: π(π3 |π΄) = π(π3 ∩ π΄) π(π3 ) β π(π΄|π3 ) = π(π΄) π(π΄) π€ππππ π(π3 ) ≠ 0, π(π΄) ≠ 0 π’ππ π(π3 ) ππ§π€. π(π΄|π3 ) πππππππ. π1 π2 30A π3 Abbildung 3: Ausschuss A bei der Produktion von Glühbirnen auf drei Maschinen π΄π , π΄π , π΄π Allgemein lässt sich der Satz von Bayes herleiten: Satz: Seien (ο, π) ein Wahrscheinlichkeitsraum und π΄1 , … , π΄π disjunkte Ereignisse mit den Eigenschaften π(π΄π ) > 0 (π = 1, … , π) und βππ=1 π΄π = ο . Dann gilt für jedes Ereignis π΅ mit π(π΅) > 0: π(π΄π |π΅) = π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) π ∑π=1 π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) für jedes π = 1, … , π (πππ‘π§ π£ππ π΅ππ¦ππ ) Beweis: Analog zum vorherigen Anwendungsbeispiel kann man den Satz von Bayes beweisen. Man wendet zuerst die Berechnungsvorschrift für bedingte Wahrscheinlichkeiten an: π(π΄π |π΅) = π(π΄π ∩ π΅) π(π΅) anschließend die Multiplikationsregel: π(π΄π ∩ π΅) π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) = πüπ π(π΄π ) ≠ 0, π(π΅) ≠ 0. π(π΅) π(π΅) Schlussendlich folgt mit π(π΅) = ∑ππ=1 π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) π(π΄π |π΅) = 3.4.6 π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) . π ∑π=1 π(π΄π ) β π(π΅|π΄π ) Baumdiagramme und Pfadregeln Beim Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten können sogenannte Baumdiagramme zur visuellen Unterstützung herangezogen werden. In solchen Diagrammen entspricht jeder Weg (jeder „Ast“) einem möglichen Versuchsausgang, der sich aus mehreren Teilversuchen zusammensetzt (Bsp. dreimaliges Werfen eines Würfels). Entlang der Äste werden die Wahrscheinlichkeit einzelnen eines „Astes“ Teilwahrscheinlichkeiten ergibt Teilwahrscheinlichkeiten. 31 sich aus der angeschrieben. Multiplikation Die dieser Kommen mehrere „Äste“ für ein gewünschtes Ereignis in Frage, so kann man die Wahrscheinlichkeit aus der Summe der Wahrscheinlichkeiten dieser „Äste“ berechnen. Man kann zwei Pfadregeln formulieren: 1. Pfadregel: Multiplikationsregel Die Wahrscheinlichkeit eines Versuchsausgans setzt sich aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Teilversuche zusammen, als dem Produkt der Teilwahrscheinlichkeiten entlang eines Weges (=“Astes“). 2. Pfadregel: Additionsregel Tritt ein bestimmtes Ereignis bei mehreren Versuchsausgängen (=“Ästen“) ein, so berechnet sich die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis aus der Summe der Wahrscheinlichkeiten der zugehörigen Wege im Baumdiagramm. Abbildung 4: Beispiel für ein Baumdiagramm (Quelle: siehe Abbildungsverzeichnis) Beispiel: Abbildung 4 zeigt ein Baumdiagramm, welches das dreimalige Würfeln mit einem symmetrischen Spielwürfel darstellt. Dabei interessiert ob die Zahl „6“ gewürfelt wird oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass drei Mal hintereinander eine „6“ gewürfelt wird entspricht dem rot-markierten Ast im Diagramm (linker Ast): π(3 πππ "6") = 1 1 1 1 β β = 3 = 0,00462 … 6 6 6 6 32 Interessiert das Ereignis A „Es kommt genau einmal 6“, so muss man die Wahrscheinlichkeiten aller „Äste“ addieren, bei denen dieses gewünschte Ereignis A eintritt: π(πππππ’ 1 πππ "6") = 1 5 5 5 1 5 5 5 1 25 25 25 75 β β + β β + β β = + + = ≈ 0,347. 6 6 6 6 6 6 6 6 6 216 216 216 216 Beispiel: Beim Satz von Bayes kann ein Baumdiagramm ebenfalls sehr hilfreich sein. Die totale Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses B lässt sich mit Hilfe eines Baumdiagrammes unter Berücksichtigung der „Pfadregeln“ einfach bestimmen. In Abbildung 5 errechnet sich π(π΅) demnach mit π(π΅) = π(π΄) β π(π΅|π΄) + π(π΄Μ ) β π(π΅|π΄Μ ). π(π΄) π(π΄Μ ) π(π΅|π΄) π΅ π(π΅Μ |π΄) π΅Μ π(π΅|π΄Μ ) π΅ π(π΅Μ |π΄Μ ) π΅Μ π΄ π΄Μ Abbildung 5: Baumdiagramm zur bedingten Wahrscheinlichkeit 3.4.7 Hilfsmittel aus der Kombinatorik „Die Kombinatorik ist ein Teilgebiet der Mathematik, welches sich mit den Anordnungsmöglichkeiten von Dingen (Elementen) befasst.“ (Duden, 1982, S.405) Bei der Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten können kombinatorische Zählformeln häufig eine Hilfe darstellen, zum Beispiel beim Abzählen von günstigen und/oder möglichen Versuchsausgängen eines Zufallsexperiments. Ich möchte in diesem Abschnitt erklären, was man unter Permutationen und Kombinationen versteht, nicht zuletzt da diese Begriffe auch im schulischen Kontext 33 relevant sind, und wie man die Anzahlen von solchen Permutationen, bzw. Kombinationen ermitteln kann. Zuvor erläutere ich anhand eines Beispiels das Fundamentalprinzip des Zählens. Beispiel: Auf einer Menükarte Vorspeisen {π1 , π2 , π3 }, in 4 einem Restaurant werden Hauptspeisen {π»1 , π»2 , π»3 , π»4 } und 3 verschiedene 2 Nachspeisen {π1 , π2 } angeboten. Wie viele unterschiedliche Menükombinationen gibt es? Zunächst kann der Gast aus drei Vorspeisen wählen. Jeder dieser drei Speisen folgen jeweils vier mögliche Hauptspeisen. Somit ergeben sich 3 β 4 = 12 Menüabläufe: (π1 , π»1 ), (π2 , π»1 ), (π3 , π»1 ), (π2 , π»1 ), … (Abbildung 6). Jedem dieser 12 Möglichkeiten folgen nun weiter 2 Wahlmöglichkeiten für das Dessert, daher gibt es insgesamt 3 β 4 β 2 = 12 β 2 = 24 mögliche Menüfolgen. π»1 π»2 π3 π2 π1 π»3 π»4 π»1 π»3 π»2 π»4 π»1 π»2 π»3 π»4 Abbildung 6: Baumdiagramm zur Menüfolge: Vorspeise und Hauptspeise Daraus lässt sich das Fundamentalprinzip des Zählens ableiten: Sind π −gliedrige Sequenzen aus π Zeichen π1 , π2 , … , ππ zu bilden und für die Stellen π1 gibt es π1 Möglichkeiten, π2 gibt es π2 Möglichkeiten, … ππ gibt es ππ Möglichkeiten, dann gibt es insgesamt π1 β π2 β … β ππ verschiedene Sequenzen. (Mittels vollständiger Induktion kann dieser Satz bewiesen werden.) In der Kombinatorik wird zwischen Permutationen (geordnete Stichprobe) und Kombinationen (ungeordnete Stichprobe), jeweils mit Wiederholung (mit Zurücklegen) oder ohne Wiederholung (ohne Zurücklegen), unterschieden. 34 Bei Permutationen werden aus einer π −elementigen Menge k-Tupel gebildet, wobei die Reihenfolge der Elemente eine Rolle spielt. Handelt es sich beispielsweise um die Menge π = {1, 2, 3, 4} und es sollen Tupel mit drei Elementen gebildet werden (ohne dass ein Element mehrfach auftritt), so entstehen aus den Elementen {1}, {2} und {3} die Tupel: (1,2,3), (1,3,2), (2,1,3), (2,3,1), (3,2,1) und (3,1,2). Bei den Kombinationen wird die Anordnung, also die Reihenfolge der Elemente, beim Bilden der Tupel nicht berücksichtigt. Sei also π = {1, 2,3,4}. Möchte man Kombinationen mit 3 Elementen bilden (wiederum ohne dass ein Element doppelt vorkommt), so ist im Bezug auf die Elemente {1}, {2} und {3} nur eine Kombination relevant: {1,2,3}. Die weiteren Kombinationen mit 3 Elementen sind {1,2,4}, {1,3,4} und {2,3,4} Wie die Anzahl möglicher Permutationen und Kombinationen ermittelt werden kann, erkläre ich nachfolgend (vgl. Henze, 1999, S.55ff). Definition (vgl. Henze, 1999, S.55f): Ist π = {π1 , π2 , … , ππ } eine beliebige π −elementige Menge, so heißt ein πTupel (π1 , π2 , … , ππ ) mit k Komponenten aus π eine π-Permutation aus π mit Wiederholung, was bedeutet, dass Elemente aus π im π-Tupel (π1 , π2 , … , ππ ) mehrfach auftreten dürfen. Ist (π1 , π2 , … , ππ ) eine π-Permutation aus π mit lauter verschiedenen Komponenten, so nennt man (π1 , π2 , … , ππ ) eine π-Permutation aus π ohne Wiederholung, welche auch kurz Permutationen von π heißen. Sei π = {1, … , π}. πππππ (ππ) β {(π1 , π2 , … , ππ ): ππ ∈ {1, … , π} πüπ π = 1, … , π} bezeichnet die Menge aller π-Permutationen mit Wiederholung und πππππ (ππ) β {(π1 , π2 , … , ππ ) ∈ πππππ (ππ): ππ ≠ ππ πüπ 1 ≤ π ≠ π ≤ π} die Menge aller π-Permutationen ohne Wiederholung. Definition (vgl. Henze, 1999, S.56): Jede π-Permutation (π1 , π2 , … , ππ ) der Zahlen {1, 2, … , π} mit der „Anordnungseigenschaft“ π1 ≤ π2 ≤ β― ≤ ππ heißt eine π-Kombination aus {1, … , π} mit Wiederholung. π-Kombinationen sind also spezielle π- Permutationen. Wir schreiben kurz: πΎππππ (ππ) β { (π1 , π2 , … , ππ ): 1 ≤ π1 ≤ π2 ≤ β― ≤ ππ ≤ π} 35 Gilt π1 < π2 < β― < ππ so heißt (π1 , π2 , … , ππ ) eine π-Kombination aus {1, … , π} ohne Wiederholung. Wir schreiben kurz: πΎππππ (ππ) β { (π1 , π2 , … , ππ ): 1 < π1 < π2 < β― < ππ ≤ π} Satz (vgl. Henze, 1999, S.57) Es gilt: 1. |πππππ (ππ)| = ππ π! 2. |πππππ (ππ)| = (π−π)! 3. |πΎππππ (ππ)| = (π+π−1 ) π 4. |πΎππππ (ππ)| = (ππ) mit π ≤ π wobei die auftretenden Binomialkoeffizienten im Allgemeinen durch π π! ( ) βΆ= π π! (π − π)! definiert sind. Dabei ist π! β 1 β 2 β … β π für ποβ sowie 0! β 1. Beweis: 1. Zu zeigen: |πππππ (ππ)| = ππ Für jede der π −Stellen gibt es π Besetzungsmöglichkeiten, da an jeder Stelle jedes der n-Elemente stehen kann. Also ist die Anzahl der Permutationen von π Elementen aus π (mit Wiederholung) gegeben durch: |πππππ (ππ)| = β π β π β π β … β π = ππ π πΉπππ‘ππππ (vgl. Kütting, 1999, S. 81). π! 2. Zu zeigen: |πππππ (ππ)| = (π−π)! Es gibt π mögliche Elemente um die 1. Stelle zu besetzen, für die 2. Stelle π − 1, für die 3. Stelle π − 2, …, für die π-te Stelle gibt es schließlich π − (π − 1) mögliche Anordnungen. Nach dem allgemeinen Zählprinzip gibt es also insgesamt π β (π − 1) β (π − 2) β … β (π − (π − 1)) Möglichkeiten. Durch die Erweiterung mit (π − π)! erhält man folglich: π β (π − 1) β (π − 2) β … β (π − (π − 1)) β (vgl. Kütting, 1999, S. 76f). 3. Zu zeigen: |πΎππππ (ππ)| = (π+π−1 ) π 36 (π − π) β … β 2 β 1 π! = (π − π)! (π − π)! Bevor ich mit dem Beweis zu diesem Satz beginne, werde ich ein Urnen-Beispiel anführen, welches zum Verständnis beitragen soll. Beispiel (vgl. Kütting, 1999, S. 85ff): Gegeben sind 5 Urnen (π = 5). Auf diese Urnen sollen 3 Kugeln (π = 3) aufgeteilt werden, wobei sich in einer Urne auch mehrere Kugeln befinden können. Die Spalten in der folgenden Tabelle (Abbildung 7) beschreiben die jeweiligen Urnen. Die 1-er in den Kästchen symbolisieren die drei Kugeln. Als Beispiel sind drei verschiedene Möglichkeiten angegeben (jeweils in einer Zeile), wie die 3 Kugeln angeordnet werden können. 1 1 1 1 1 11 11 Abbildung 7: Urnenbeispiel Um die Sequenzen ohne Tabelle anschreiben zu können, führt man anstatt der 4 Trennstriche zwischen den Spalten (die Rahmenlinien außen werden nicht berücksichtigt) „Nullen“ ein. Die Tabelle wird demnach in folgende Sequenzen aus den Ziffern 0 und 1 übersetzt (für eine Urne in der sich keine Kugel befindet wird keine Ziffer gesetzt, d.h. die erste 0 in der 1. Zeile steht für die Trennlinie zwischen erster und zweiter Urne): 0101001 1000110 1011000 Man bekommt also für π = 5 7-ziffrige Sequenzen. Beispielsweise würde 0001110 heißen, dass sich alle drei Kugeln in der vierten Urne befinden. Um die Anzahl aller Möglichkeiten zu ermitteln, die es gibt, um 3 Kugeln auf 5 Urnen aufzuteilen, muss man also feststellen, wie viele Möglichkeiten es gibt, die 4 Nullen auf die 7 Stellen zu verteilen. Dies kann man mit Hilfe des 4. Satzes „Kombination berechnen: 7! 7 Es gibt ( ) = 4!β3! = 35 verschiedene Arten. 4 37 ohne Wiederholung“ Zum Beweis: Gegeben ist eine Menge mit π Elementen. Hinzugefügt werden zwischen diesen π Elementen (π − 1) Nullen. Werden nun Stichproben vom Umfang π (π Zeichen) entnommen, so entstehen Sequenzen mit π + π − 1 Stellen. Berechnet wird die Anzahl der Möglichkeiten, (π − 1) Zeichen (die 0er) auf die π + π − 1 Stellen aufzuteilen: ( (π + π − 1)! π+π−1 π+π−1 )= =( ). (π − 1)! β π! π−1 π 4. Zu zeigen: |πΎππππ (ππ)| = (ππ) mit π ≤ π Sei Z die gesuchte Anzahl an Kombinationen ohne Wiederholung, wobei eine mögliche Kombination (ein Element von πΎππππ (ππ)) π − Stellen besitzt, also Z β |πΎππππ (ππ)| = (ππ). Bei Permutationen ohne Wiederholung kann jedes der Elemente von πππππ (ππ) zusätzlich auf π! Arten angeordnet werden. π! Es gilt also: |πππππ (ππ)| = π! β π, woraus folgt π = |πΎππππ (ππ)| = (π−π)!βπ! =: (ππ). 3.5 Zufallsvariable und Verteilungen Dieser Abschnitt soll lediglich einen kleinen Einblick in die sehr umfangreiche, weiterführende Theorie geben. Dabei beschränke ich mich auf die Einführung der Begriffe Zufallsvariable, Verteilung und Verteilungsfunktion, wobei diese nur für den diskreten Fall genauer erläutert werden. Die Erweiterung der Theorie auf stetige Zufallsvariablen wird in dieser Arbeit nicht behandelt, ist aber in den zu Beginn des 3. Kapitels genannten Quellen nachzulesen. Häufig interessiert bei einem Zufallsexperiment nicht explizit ein Ausgang π, sondern eine bestimmte Größe π(π), die von π abhängt (bzw. in weiterer Folge die Wahrscheinlichkeiten für die jeweiligen Werte π(π)). Ein sehr typisches Beispiel hierfür ist die Augensumme bei zwei Würfen mit einem (fairen) Würfel. Die Ergebnisse ππ bei zwei Würfen seien gegeben durch ο βΆ= {(π, π) βΆ π, π ∈ {1,2,3,4,5,6}}, wobei π den ersten Wurf und π den zweiten Wurf darstellt. Die Augensumme der beiden Würfe wird durch π(π) = π + π mit π = (π , π) bestimmt. Der Wertebereich ist gegeben durch die Menge {2, 3, … , 12}, wobei es nicht 38 von Bedeutung ist, ob die Augensumme „8“ von den Ausgängen (4,4), (3,5), (5,3), (6,2) oder (2,6) impliziert wurde. Folglich entsteht eine Abbildung, die den einzelnen Elementen von ο reelle Zahlen zuordnet. Diese Abbildung nennt man Zufallsvariable oder Zufallsgröße. Man unterscheidet zwischen diskreten und stetigen Zufallsvariablen. Definition: Sei (ο, π) ein Wahrscheinlichkeitsraum mit abzählbarer Ergebnismenge ο. Dann heißt jede Funktion (Abbildung) π: ο → β mit π → π(π) eine Zufallsvariable oder Zufallsgröße auf ο. Definition: Besitzt eine Zufallsvariable π eine abzählbare Wertemenge π(ο ), so spricht man von einer diskreten Zufallsvariable. Eine Zufallsvariable mit einer überabzählbaren Wertemenge heißt stetig. Werden nun den einzelnen Werten von π Wahrscheinlichkeiten zugeordnet, so spricht man von der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsvariable (nachstehende Definition). Beispielsweise bei der „Augensumme von zwei Würfeln“, möchte man wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die jeweiligen Augensummen {2, 3, … , 12} gewürfelt werden. Definition: Sei (ο, π) ein Wahrscheinlichkeitsraum mit endlicher Ergebnismenge ο und π: ο → β eine diskrete Zufallsvariable auf ο , dann heißt das durch πüπ π ∈ β ππ ({π}) = π({π ∈ ο βΆ π(π) = π}) festgelegte Wahrscheinlichkeitsmaß ππ₯ die Wahrscheinlichkeitsverteilung oder kurz Verteilung der Zufallsvariablen π. Definition: Die Funktion πΉ: β → [0,1] mit πΉ(π₯) β ∑ π(π = π₯π ) π₯π ≤π₯ heißt Verteilungsfunktion der (diskreten) Zufallsvariable π mit den Eigenschaften, dass πΉ(π₯) monoton steigend ist und 0 ≤ πΉ(π₯) ≤ 1 πüπ π₯ ∈ β. gilt. 39 Beispiel: Lotto „6 aus 49“ (Lotto Deutschland) Zufallsvariable π = „Anzahl der Richtigen“ In der nachstehenden Tabelle sind in der zweiten Spalte die möglichen Realisationen π₯π (Elemente der Wertemenge) der Zufallsvariablen angeführt. Die dritte Spalte gibt die Verteilung von π an und in der vierten Spalte ist die Verteilungsfunktion angegeben, wozu die bekannten Wahrscheinlichkeiten der Verteilung (Spalte 3) sukzessive addiert werden. Zum Beispiel ist π(π ≤ 2) = π(π = π₯1 ) + π(π = π₯2 ) + π(π = π₯3 ) = 0,43596 + 0,41302 + 0,13238 = 0,98131 ≈ 98%. π(π ≤ π₯π ) π π₯π π(π = π₯π )6 1 0 0,43596 0,43596 2 1 0,41302 0,84898 3 2 0,13238 0,98136 4 3 0,01765 0,99901 5 4 0,00097 0,99998 6 5 0,00002 1,00000 − π 7 6 0,00000 + π 1,00000 Graphisch betrachtet handelt es sich bei der Verteilungsfunktion hierbei um eine Treppenfunktion (mit Sprungstellen). In weiterer Folge kann man nun bestimmte Parameter wie den Erwartungswert oder die Varianz berechnen. Ich werde deren Bedeutung kurz erläutern, jedoch ohne genauere Definitionen oder damit verbundene Sätze anzugeben. Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen kann als Durchschnittswert der möglichen Ausgänge der Zufallsvariablen π interpretiert werden, wobei diese mit ihren jeweiligen Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden. Man kann sagen, dass der Erwartungswert dem Mittelwert der Verteilung entspricht. Die Varianz gibt Auskunft über die Stärke der Streuung rund um den Erwartungswert. Bisher wurden lediglich diskrete Zufallsvariablen behandelt. Natürlich wird die Theorie auch auf stetige Zufallsvariablen übertragen und weitergeführt, was u.a. in den zu Beginn des 3. Kapitels zitierten Quellen nachgelesen werden kann. 6 Werte entnommen aus: Bourier, 1999, S.91 40 4. Stochastik in der Schule Die Stochastik ist ein fester Bestandteil des Mathematikunterrichts in der AHS, aber auch in den berufsbildenden höheren Schulen. Dieses Kapitel soll u.a. einen Bezug zu den Lehrplänen von AHS und BHS herstellen, aber auch zu erwerbende Kompetenzen im Bezug auf die neue standardisierte Reifeprüfung der AHS beleuchten. Abgesehen davon, dass das Unterrichten von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik durch den Lehrplan vorgeschrieben ist, habe ich anschließend an den Lehrplanbezug weiter Gründe für die Behandlung von Stochastik im Unterricht laut Kütting resümiert (vgl. Kütting, 1994, S.21ff). Um einen zielführenden Unterricht zu gestalten, ist es meiner Meinung nach für Lehrpersonen wichtig, über bereits bestehende Vorstellungen von Wahrscheinlichkeit bei SchülerInnen Bescheid zu wissen, bevor das Thema unterrichtet wird. Daher habe ich mich im Absatz 4.4 mit Stochastischem Denken und Schülervorstellungen auseinandergesetzt, bevor ich Möglichkeiten zur Einführung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs im schulischen Kontext beschreibe (siehe Absatz 4.5). Dabei habe ich abgesehen vom Laplace-Ansatz, dem Konzept von relativen Häufigkeiten, der Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen und einer Überleitung zum Axiomensystem, auch die Auffassung der geometrischen Wahrscheinlichkeit mit einbezogen. Ein hierzu passendes Beispiel für den Unterricht ist die Approximation von π über das Verhältnis von Flächen, welches im Absatz 4.5.2 beschrieben wird. Arbeitsblätter zu diesem Beispiel befinden sich im Anhang (siehe 7.). Abschließend gehe ich noch einmal auf die Vorteile von Computer-Einsatz im Stochastikunterricht und im speziellen auf die besondere Bedeutung von stochastischer Simulation ein. 4.1 Lehrplanbezug Die aktuell gültigen Lehrpläne für den AHS-Bereich wurden 2004 veröffentlicht, haben mit dem Schuljahr 2004/05 eingesetzt und ab 2007/08 die bis dato gültigen Lehrpläne vollends ersetzt. Grundsätzlich gliedern sich die Inhalte des Stochastikunterrichts in die Bereiche Beschreibende Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Beurteilende Statistik. Die Lehrpläne der berufsbildenden höheren Schulen sind auf die jeweiligen Schultypen ausgerichtet und dementsprechend differenziert. Im Folgenden beziehe ich mich auf den Lehrplan der höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt, welcher 41 in der aktuellen Version 2011 verordnet wurde. Der erste Unterpunkt dieses Abschnitts ist eine kurze Abhandlung über das allgemeine Bildungsziel. Dem folgt ein weiterer Absatz, in dem ich die zu erwerbenden Kompetenzen, auch im Bezug auf den Stochastikunterricht, und die schulspezifische Lehrstoffverteilung kurz zusammenfasse. 4.1.1 Bezug auf das Allgemeine Bildungsziel (AHS) Elemente der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik sind in unserem Alltag sehr präsent, denkt man beispielsweise an Statistiken. Diese werden in allen Bereichen der Medien eingesetzt, umso wichtiger erscheint es, SchülerInnen die Fähigkeit zu vermitteln diese kritisch zu hinterfragen, sie richtig einzuschätzen und richtig zu interpretierten. Dies deckt sich u.a. mit folgenden Inhalten des allgemeinen Bildungsziels (AHS): „ Urteils- und Kritikfähigkeit sowie Entscheidungs- und Handlungskompetenzen sind zu fördern, sie sind für die Stabilität pluralistischer und demokratischer Gesellschaften entscheidend.“ (bmukk, 2004b, S.4) „Das Verständnis wirtschaftliche, für gesellschaftliche rechtliche, soziale, (insbesondere politische, ökologische, kulturelle) Zusammenhänge ist eine wichtige Voraussetzung für ein befriedigendes Leben und für eine konstruktive Mitarbeit an gesellschaftlichen Aufgaben.“ (bmukk, 2004b, S.3) Solche Zusammenhänge (siehe Zitat oben) können mit Hilfsmitteln aus der Statistik veranschaulicht werden, womit bereits eine der Kompetenzen angesprochen wurde, die die SchülerInnen im Zuge des Mathematikunterrichts erwerben sollen, nämlich darstellendes - interpretierendes Arbeiten. Weitere Kompetenzen werden im Abschnitt 4.1.3 – Bezug auf Kompetenzen erläutert. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung bietet eine Grundlage für viele Arbeitsbereiche. So findet sie Anwendung in der Biologie, im Versicherungswesen, in der Medizin, der Physik und Psychologie, in der Soziologie, oder beispielsweise bei Qualitätskontrollen von diversen Produkten. Aber auch für 42 Experimente, Modellierungen oder Simulationen verschiedenster Arten kann die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine Basis darstellen. „Verständnis für Phänomene, Fragen und Problemstellungen aus den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft und Technik bilden die Grundlage für die Orientierung in der modernen, von Technologien geprägten Gesellschaft.“ (bmukk, 2004b, S.4) „Die Erstellung eigenständiger Arbeiten mit Mitteln der Informationstechnologie ist anzuregen. Dazu zählen:[…], Erstellung von Kalkulationsmodellen, Durchführung und Auswertung von Befragungen und Experimenten, […], Modellierung und Simulation,[…].“ (bmukk, 2004b, S.7) Speziell auf den Mathematikunterricht bezogen, lautet die allgemeine Bildungsaufgabe, formuliert vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, wie folgt: „Der Mathematikunterricht soll beitragen, dass Schülerinnen und Schülern ihrer Verantwortung für lebensbegleitendes Lernen besser nachkommen können. Dies geschieht vor allem durch die Erziehung zu analytischfolgerichtigem Denken und durch die Vermittlung von mathematischen Kompetenzen, die für viele Lebensbereiche grundlegende Bedeutung haben.“ (bmukk, 2004a, S.1) 4.1.2 Allgemeines Bildungsziel einer BHS am Beispiel HTL In einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) sollen SchülerInnen hinreichend für die Berufspraxis ausgebildet werden. Da es bei den berufsbildenden Schulen viele verschiedene Schultypen (HAK, HTL,…), mit internen Schulschwerpunkten (HTL für Grafik und Design, HTL für Bautechnik, HTL für Tourismusmanagement,…) gibt und eine vollständige Abhandlung aller Schulformen den Rahmen dieser Arbeit übersteigen würde, habe ich mich in diesem Abschnitt auf die Beschreibung eines bestimmten Schultyps beschränkt. Höhere technische und gewerbliche Lehranstalten – HTL (vgl. bmukk, 2011, S.1f) Im Bezug auf das Unterrichtsfach Angewandte Mathematik sollen die Lernenden die für ihre zukünftige berufliche Tätigkeit, aber auch für weiterführende Studien notwendigen mathematischen Begriffe, Denkweisen und Methoden kennen und 43 anwenden können. Dabei wird ein großes Augenmerk auf die Vermittlung der Fähigkeit, bestimmte Sachverhalte in Technik und Wirtschaft durch mathematische Modelle beschreiben und analysieren zu können, gelegt. Aus diesen sollen die SchülerInnen Lösungen gewinnen und diese folglich korrekt interpretieren können. Auch das Wissen über zielführende Verfahren zur Problemlösung bei mathematischen Modellen soll vermittelt werden, wobei moderne Hilfsmittel eingesetzt werden sollen. Dem Einsatz von neuen Technologien und Medien wird dabei eine große Rolle zugeschieben. Des Weiteren sind in diesem Teil des Lehrplans viele Ziele angeführt, die im Mathematikunterrichterreicht und vor allem auch im Stochastikunterricht erreicht werden können. Repräsentativ hierfür habe ich im Folgenden zwei Ziele angeführt: Die SchülerInnen sollen… „…ein breites Spektrum von kognitiven und praktischen Fähigkeiten erlangen, um sich Informationen zu verschaffen und neues Wissen selbstständig anzueignen, um Phänomene und Prozesse zu analysieren, mit praxisüblichen Problemlösungen Verfahren zu und erreichen und kreativen Eigenleistungen Entscheidungsfindungen herbeizuführen (Methodenkompetenz).“ (bmukk, 2011, S. 1) „ …sich durch Nutzung der technisch-wissenschaftlichen Informationsquellen neues Wissen aneignen, das Wissen verschiedener Disziplinen vernetzen, auf konstruktivem oder experimentellem Wege oder durch Einsatz von Simulationstechniken kreative Problemlösungen - auch in nicht vorhersehbaren Situationen - finden und diese argumentieren und kommunizieren können“ (bmukk, 2011, S.2) 4.1.3 Bezug auf Kompetenzen Neben der Sachkompetenz, soll den SchülerInnen, laut allgemeinem Bildungsziel, auch Selbst- und Sozialkompetenz vermittelt werden. Den Lernenden dabei zu helfen sich diese Kompetenzen anzueignen, ist Aufgabe jedes Lehrers und jeder Lehrerin und sollte in den Unterrichtsfächern gleichermaßen fokussiert werden. Anzustrebende Kompetenzen die die SchülerInnen im Bezug auf mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten erlangen sollen, sind die folgenden (vgl. bmukk, 2004a, S.1): ο Darstellend – interpretierendes Arbeiten 44 ο Formal – operatives Arbeiten ο Kritisch – argumentatives Arbeiten ο Experimentell – heuristisches Arbeiten Die Stochastik kann zum Erwerb dieser Beispielsweise: Darstellen, interpretieren und Statistiken; – experimentell heuristisches Fähigkeiten durchaus beitragen. kritisch argumentieren im Bezug auf Arbeiten mit Simulationen und Zufallsexperimenten; etc.… Die fachspezifischen mathematischen Kompetenzen, die in einer HTL im Bereich der Stochastik erworben werden sollen, werden in den folgenden Punkten resümiert (bmukk, 2011, S. 22): „Die Schülerinnen und Schüler… ο können Beispiele für Zufallsexperimente und Ereignisse angeben, die Wahrscheinlichkeit für Ereignisse mit Hilfe der klassischen Definition für Wahrscheinlichkeiten nach Laplace bestimmen und die Additions- und Multiplikationsregel auf einander ausschließende bzw. unabhängige Ereignisse anwenden; ο können Zufallsexperimente vom Typ „Auswählen mit Zurücklegen“ mit Hilfe der Binomialverteilung modellieren; ο kennen die Normalverteilung als Grundmodell der Beschreibung der Variation von metrischen Variablen, können Werte der Verteilungsfunktion bestimmen und zu vorgegebenen Verteilungsfunktionswerten die entsprechenden Quantile bestimmen; ο können aus Stichprobenwerten Häufigkeitsverteilungen tabellarisch und grafisch darstellen; ο können Lage- und Streuungsmaße bestimmen und interpretieren und ihre Auswahl argumentieren; ο kennen die Methode der kleinsten Quadrate und können aus vorgegebenen Punkten einen passende Ausgleichsfunktion mittels Technologieeinsatz ermitteln; ο können mittels Technologieeinsatz die Abhängigkeit einer metrischen Zielvariablen von einer metrischen Einflussvariablen durch eine Regressionsgerade oder einen passende Ausgleichsfunktion darstellen und interpretieren.“ 45 4.1.4 Bezug auf den Lehrstoff Im AHS – Bereich: Die Grundzüge der Beschreibenden Statistik sind im Bereich der AHS-Unterstufe zu vermitteln. So soll den Schülerinnen und Schülern beispielsweise in der 1. Klasse der Umgang mit Tabellen und grafischen Darstellungen zur Erfassung von Datenmengen beigebracht werden. In weiterer Folge sollen sie im Stande sein, diese Darstellungen auch kritisch zu hinterfragen und so Manipulationsmöglichkeiten erkennen. Außerdem werden bestimmte statistische Kennzahlen wie absolute Häufigkeit, relative Häufigkeit, Häufigkeitsverteilung, Mittelwert, Median, Quartil, etc. eingeführt (vgl. bmukk, 2000, S.5ff). Der Begriff der Wahrscheinlichkeit wird zum ersten Mal in der 6. Klasse der AHS-Oberstufe thematisiert. Hierbei ist zwischen Wahrscheinlichkeit als relativer Anteil, als relative Häufigkeit und als subjektives Vertrauen zu unterscheiden. Außerdem wird auch das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten, die Multiplikations- und Additionsregel und das Rechnen mit bedingten Wahrscheinlichkeiten (Satz von Bayes) in dieser Schulstufe eingeführt (vgl. bmukk, 2004a, S.5). Der Inhalt dieser Diplomarbeit bezieht sich also weitgehend auf den Lehrstoff der 6.Klasse der AHS-Oberstufe. Zufallsvariablen, Wahrscheinlichkeitsverteilungen, mit besonderem Augenmerk auf die Binomialverteilung, Erwartungswert und Varianz sind (im diskreten Fall) Teil des Unterrichts in der 7. Klasse. Stetige Zufallsvariablen und stetige Verteilungen, im Besonderen die Normalverteilung, sind im Lehrstoff der 8. Klasse vorgeschrieben, sowie auch die Beurteilende Statistik (Testen von Hypothesen, Schätzen von Anteilen und Konfidenzintervalle) (vgl. bmukk, 2004a, S. 5f). Lehrstoffverteilung in der BHS am Beispiel HTL: Die Einführung von Inhalten aus dem Kompetenzbereich „Stochastik“ beginnt in einer HTL im zweiten Jahrgang mit der Behandlung von eindimensionalen Datenbeschreibungen: Häufigkeitsversteilungen, Lage- und Streuungsmaße. Erst im vierten und fünften Jahrgang wird die Wahrscheinlichkeitsrechnung stärker fokussiert. Zufallsexperimente, Laplace-Wahrscheinlichkeit, Additions- und Multiplikationssatz (für einander ausschließende Wahrscheinlichkeiten sowie bzw. unabhängige Ereignisse), Wahrscheinlichkeitsverteilungen bedingte (Binomial- und Normalverteilung) sind vom Lehrplan vorgeschrieben. Auch die Methode der kleinsten Quadrate und Ausgleichsfunktionen sollen behandelt werden und im Bereich der beurteilenden Statistik, lineare Regression und Korrelation (vgl. bmukk, 2011, S.22f). 46 4.2 Grundkompetenzen der neuen schriftlichen AHS-Reifeprüfung Im folgenden Teil dieser Arbeit werde ich auf den Inhaltsbereich Wahrscheinlichkeit und Statistik, der im Zuge des Projektes der neuen standardisierten schriftlichen Reifeprüfung in Mathematik in Wien ausgearbeitet wurde (Stand: 2012), näher eingehen (vgl. BIFIE, 2012). Grundsätzlich soll sich die zukünftige Klausur in Mathematik in zwei Teile gliedern. Im ersten Teil werden einzelne Grundkompetenzen abgeprüft, wobei der zweite Teil von den SchülerInnen ein Vernetzen dieser Grundkompetenzen in komplexeren Beispielen verlangt. Die Grundkompetenzen sind wie folgt formuliert: Bei der Beschreibenden Statistik wird vor allem auf die richtige Interpretation stochastischer Begriffe Wert gelegt. Die SchülerInnen sollen deren Aussagekraft einschätzen, beurteilen können und fähig sein, einfache statistischen Tabellen und Grafiken zu erstellen. Bei den Begriffen, Konzepten und Interpretationen der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann man sich auf Grundlegendes beschränken. Diese Basisbereiche werden in der anschließenden Auflistung genau definiert. Die Projektleiter sind der Meinung, dass ein wichtiger und zentraler Aspekt in der Wahrscheinlichkeitslehre jener ist, „… die Wahrscheinlichkeit als eine abhängige Modellierung und Quantifizierung des Zufalls sowie als unverzichtbares Bindeglied zwischen den beiden Statistiken zu verstehen.“ (Vgl. BIFIE, 2012, S.16) Grundkompetenzen für den Bereich Wahrscheinlichkeitsrechnung: (vgl. BIFIE, 2012, S.17) Grundbegriffe ο Angeben von Ereignisraum (Grundraum) und Ereignis in bestimmten Situationen (verbal und auch formal) (WS 2.1) ο Anwenden von relativer Häufigkeit als Schätzwert von Wahrscheinlichkeiten (WS 2.2) ο Berechnungen mit Laplace-Wahrscheinlichkeit durchführen und interpretieren können, sowie anwenden und interpretieren von Additionsregel und Multiplikationsregel (WS 2.3) ο Binomialkoeffizient berechnen und interpretieren können (WS 2.4) Im Bezug auf Wahrscheinlichkeitsverteilung(en) ο Begriffe Zufallsvariable, (Wahrscheinlichkeits-)Verteilung, Erwartungswert und Standardabweichung deuten und einsetzen können (WS 3.1) 47 ο Kennen der Binomialverteilung, als ein Modell einer diskreten Verteilung und damit arbeiten können, auch in anwendungsorientierten Bereichen, Erwartungswert und Varianz/Standardabweichung ermitteln können, sowie Wahrscheinlichkeitsverteilung binomialverteilter Zufallsgrößen angeben können (WS 3.2) ο Erkennen und beschreiben von Situationen, in denen mit einer Binomialverteilung modelliert werden kann (WS 3.3) ο Normalapproximation der Binomialverteilung interpretieren und anwenden können (WS 3.4) 4.3 Wozu Stochastikunterricht? Teile der Stochastik sind im Lehrplan von AHS und BHS fix verankert, womit die Frage, warum man Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik unterrichten soll, irrelevant und hinfällig erscheint. Ich möchte aber dennoch in diesem Abschnitt Begründungen anführen, warum es sinnvoll ist, dieses mathematische Teilgebiet im Unterricht zu behandeln (vgl. Kütting, 1994, S.21ff). Ein Hauptgrund warum Stochastik in der Schule unterrichtet wird, ist sicherlich jener, dass gerade der Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik ein sehr stark anwendungsorientierter ist. Es gibt zahlreiche Wissenschaftsgebiete in denen stochastisches Wissen benötigt und angewandt wird (siehe 2.3 Auflistung von Anwendungsbereichen). Kütting (1994) beschreibt sechs Punkte warum Stochastik ein sinnvoller und notwendiger Teil des Mathematikunterrichts ist. Dies soll nicht eine vollständige Auflistung aller möglichen Gründe sein, sondern lediglich die Weite des Begründungsfeldes aufzeigen. Punkt 1: Vermittlung anwendbaren Wissens Aufgabe der Schule ist es, eine gewisse Grundbildung zu vermitteln, die ein mathematisches Erfassen der Wirklichkeit ermöglicht. Da auch zufallsbedingte Ereignisse in unserem Alltag vorkommen, ist es in diesem Sinne auch Aufgabe der Schule Grundkenntnisse zum Verständnis solcher zufälliger Prozesse zu vermitteln. Es geht also darum anwendbares Wissen zu vermitteln und in weiterer Folge um die Fähigkeit dieses Wissen auf reale Situationen anzuwenden. Aussagen über Zufallserscheinungen im Alltag können mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung objektiviert und vergleichbar gemacht werden. 48 Punkt 2: Prozess der Mathematisierung (Modellbildung) Immer wieder kommt es in unserem täglichen Leben vor, dass ein komplizierter Sachverhalt durch ein einfacheres Schema ersetzt werden kann. Man arbeitet also sozusagen mit Modellen. Gerade in der Stochastik spielt die Mathematisierung, bzw. Modellbildung von realen stochastischen Problemen eine große Rolle. Ziel des Stochastikunterrichts sollte es also sein, den SchülerInnen die Fähigkeit zu vermitteln für reale Problemstellungen mathematische Modelle zu entwickeln (z.B. Urnenmodelle), mit deren Hilfe Lösungen zu erarbeiten und die so erhaltenen Erkenntnisse im Hinblick auf die reale Situation richtig zu interpretieren. Somit betont Kütting vor allem auch den experimentellen Aspekt der Stochastik. Reales stochastisches Modellbildung Problem Stochastisches Modell stochastische Theorie Lösung des realen Interpretation stochastischen Problems Lösung des stochastischen Problems Abbildung 8: Stochastische Modellbildung, vgl. Kütting, 1999, S.9 Punkt 3: Abrundung des Gesamtsystems Da die Theorie der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik an sich eine sehr umfangreiche ist, ist es in gewisser Weise notwendig diese Theorie ins Gesamtsystem mathematischer Erkenntnisse einzugliedern. Somit soll eine Abrundung der im Mathematikunterricht erworbenen Kenntnisse und Denkfähigkeiten erzielt werden. Nach Kolmogoroff, dem 1933 die axiomatische Begründung der Theorie gelang (siehe 3.2 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung), sollte jeder gebildete Mensch wissen wie man mit der Erforschung „zufälliger“ Massenerscheinungen fertig wird. Punkt 4: Intrinsische Motivation Das Interesse der SchülerInnen ist bei bestimmten Aufgabenstellungen aus dem Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kombinatorik stärker als bei anderen Themengebieten der Mathematik. Diese intrinsische Motivation, die die Lernenden so entwickeln, bewirkt ein stärkeres „positives Problemlöseverhalten“. 49 Punkt 5: Beziehung zu traditionellen Gebieten der Mathematik Abgesehen von der Notwendigkeit der Eingliederung der Stochastik ins mathematische Gesamtkonzept (Punkt 3) ist Kütting der Meinung, dass die Stochastik auch eine Möglichkeit zur Vertiefung einiger traditioneller Bereiche der Mathematik bietet. Als Beispiel nennt er Rechengebiete wie Bruch- und Prozentrechnung, die im Bezug auf relative Häufigkeiten und die klassische Wahrscheinlichkeit (siehe 3.3 Direkte Ermittlung von Wahrscheinlichkeiten) vertieft werden können. Er weist aber auch auf wichtigere Beziehungen zur Algebra und Analysis hin, welche jedoch auf einer höheren Ebene als der Schulmathematik abgehandelt werden und somit im Zusammenhang dieser Arbeit nicht von Bedeutung sind. Punkt 6: Die Entstehungsgeschichte der Stochastik Interessanterweise nennt Kütting als einen Grund, warum Stochastik in der Schule unterrichtet werden sollte, die „faszinierende“ Entstehungsgeschichte diese Teilgebietes (siehe 2.1 Einblick in die historische Entwicklung). So ist er der Meinung, dass gerade durch den Einblick in die geschichtliche Entwicklung am besten Bedeutung und Zusammenhang der Dinge begründet werden können. Die Grundlagendiskussion zum Begriff der Wahrscheinlichkeit und zahlreiche interessante historische Beispiele und Paradoxa (siehe 5. Beispiele und Paradoxa) machen das Lehren und Lernen dieser Theorie interessant und lebendig. 4.4 Stochastisches Denken und Vorstellungen vom Wahrscheinlichkeitsbegriff In unserem Alltag und Berufsleben werden wir täglich mit Situationen konfrontiert, in denen wir Entscheidungen treffen müssen, ohne dass man sich sicher sein kann ob diese „richtig“ sind, bzw. ohne ein bestimmtes Maß an Sicherheit. Bei solchen Handlungen, die in Unsicherheit getroffen wurden, ist „stochastisches Denken“ gefragt. Man versucht eine Situation zu beurteilen und angemessen zu reagieren. Aufgrund von Erkenntnissen aus Erfahrungen werden schließlich Entscheidungen getroffen, beibehalten oder revidiert (vgl. Tietze et al., 2002, S.135ff). Borovcnik (1991, S.45f) unterscheidet drei verschiedene Denkansätze, wie im Mathematikunterricht an Probleme herangegangen werden kann. Zum einen das Logische Denken. Dabei geht es um klare Richtlinien und klare Beziehungen zwischen 50 Begriffen, wobei der Autor im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung das Axiomensystem von Kolmorgorff nennt. Neben dem logischen Denken gibt es das Kausale Denken, eine Art zu denken, die sich auf das Zusammenspielen von Ursache und Wirkung bezieht und sich sehr an physikalischen Gegebenheiten orientiert. Bei Versuchen wird ganz genau ausgetestet, welche Annahmen getroffen werden müssen um ganz bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Im Unterschied zu diesem Denkansatz, geht man beim Stochastischen Denken nicht auf die Voraussage eines bestimmten Ergebnisses los, sonder man beschränkt sich auf die Bestimmung der Gewichtung der jeweiligen Möglichkeiten. Als Beispiel wird der „Münzwurf“ beschrieben. Bei einer kausalen Denkweise würde man die physikalischen Gegebenheiten, wie Masse, Fallgeschwindigkeit, etc. ganz genau untersuchen. Der stochastische Denkansatz begnügt sich damit, die möglichen Ausgänge abzuschätzen, also eine Gewichtung für die Möglichkeiten zu bestimmen. Die einzige physikalische Annahme die auch hierbei getroffen wird ist die Voraussetzung der symmetrischen Beschaffenheit der Münze. Borovcnik ist auch der Meinung, dass das stochastische Denken im Unterricht weitgehend vernachlässigt wird, dass mehr Wert auf die Mathematik selbst gelegt wird, als auf die Person und seine Art zu Denken. Schwierigkeiten die nun bei der Entwicklung stochastischen Denkens entstehen können, könnten darauf zurückzuführen sein, dass wir in unserer Entwicklung von Kind auf sehr stark vom logisch-kausalen Denken geprägt sind (vgl. Tietze et al. 2002, S. 138ff). Zusammenhänge von Ursache und Wirkung werden bereits sehr früh erlernt und immer wieder reflektiert, beispielsweise die Wirkung von bestimmten physikalischen Kräften (Gegenstand wird losgelassen – er fällt zu Boden). Aus diesen kausalen Zusammenhängen versucht man schließlich logische Schlüsse zu ziehen, wodurch es zu einem überwiegend kausal-logisch geprägten Denkmuster kommt. Die Erfahrung von stochastischen Fragestellungen im Alltag kann, anders als bei der zuvor erwähnten Denkweise, durch fehlende Reflexion und Aufarbeitung, zu falschen Schlussfolgerungen führen. So kommt es bei der Auseinandersetzung mit solchen stochastischen Situationen bei Kindern häufig zu einer falschen „primären Intuition“7. Beispielsweise neigen Kinder dazu, die Wahrscheinlichkeit für eine 6 beim Würfeln mit einem „normalen“ Würfel geringer einzuschätzen, da diese bei Würfelspielen meistens wichtiger ist. In solchen Situationen wird die Symmetrie nicht erkannt. Problematisch ist schließlich auch, dass wenn sich einmal fehlerhafte Denkmuster in diesem Kontext „primäre Intuitionen sind die Vorstellungen, die sich ohne systematische Behandlung eines Begriffs oder Konzepts entwickeln“ Tietze et al., 2002, S.139 7 51 gebildet haben, diese sich nur sehr schwer korrigieren lassen (vgl. Tietze et al., 2002, S.141). Es gibt zahlreiche Studien und Untersuchungen, die sich mit stochastischen Denkmustern und der Vorstellungen von Wahrscheinlichkeit beschäftigen. Um den Stochastikunterricht wirksamer zu gestalten kann es nun von Nutzen sein zu wissen, wie SchülerInnen Aussagen und Informationen über Wahrscheinlichkeiten interpretieren und verstehen, speziell wenn sie zuvor noch keinen Unterricht in Wahrscheinlichkeitsrechnung hatten. Fehlauffassungen können so konkret angesprochen und behandelt werden. Eine Studie mit 200 SchülerInnen zwischen 13 und 19 Jahren von Richard W. Madsen (vgl. dt. Übersetzung von Borovcnik, 1996) zeigt, dass sich eine häufige Fehleinschätzung von Wahrscheinlichkeiten auf „Repräsentativität“ bezieht. Demnach neigen SchülerInnen dazu, Ergebnisse die repräsentativer erscheinen als wahrscheinlicher zu betrachten. Im Versuch von Madsen hatte dieser einen Fragebogen bestehend aus 13 Fragen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung mit SchülerInnen ohne Vorkenntnisse durchgeführt. Die ersten drei Fragen bezogen sich auf das 6-malige Werfen einer Münze (mit den Ausgängen Zahl Z, oder Wappen W), wobei die Lernenden bei vorgegebenen Versuchsausgängen einschätzen sollten, welche davon wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich waren. Dabei haben fast die Hälfte der Probanden angegeben, dass sie Folgen, in denen W und Z gleichermaßen auftreten (z.B. die Folgen WZW ZWZ und WWZ ZWW) für wahrscheinlicher halten, als jene die rein aus sechs Wappen WWW WWW besteht. Da beide Ausgänge gleich wahrscheinlich sind erwartet man, dass bei einer großen Reihe an Versuchsdurchgängen ungefähr die gleiche Anzahl an Wappen und Zahlen geworfen wird. „Repräsentativer“ für diese 50/50 Vermutung wäre also eher der Wurf WZW ZWZ als WWW WWW. Eine weitere interessante Erkenntnis aus dieser Untersuchung ist die Folgende: Den SchülerInnen wurde zu Beginn (bevor sie den Fragebogen erhielten) erklärt, dass sie bei jeder Frage die Möglichkeit haben mit „Ich weiß nicht“ zu antworten und diese gegebenenfalls auch nutzen sollen. Dem Versuchsleiter war es besonders wichtig, dass die Probanden jene Antwortmöglichkeit wählten, von der sie selber auch überzeugt sind und so eine Verfälschung des Ergebnisses der Studie durch das wahllose raten von Antwortmöglichkeiten vermindert wird. Dennoch wurde „Ich weiß nicht“ sehr selten von den SchülerInnen gewählt, was so auslegt werden kann, dass sie durchaus davon überzeugt waren, dass ihre Sichtweise von Wahrscheinlichkeit 52 richtig wäre, auch wenn dies oft nicht der Fall war. Nur wenn die Lehrperson weiß, welche intuitiven Ansichten die SchülerInnen von Wahrscheinlichkeit im Laufe der Zeit bereits entwickelt haben, kann man versuchen ihnen im Unterricht die Wiedersprüche, die somit zu den allgemein gültigen Definitionen und Begriffen entstehen, aufzuzeigen und korrekte Vorstellungen zu erzeugen. 4.5 Einführung im schulischen Kontext „Ziel des Stochastikunterrichts ist es unter anderem, ein Gefühl für Zufallsvorgänge zu entwickeln, wobei ein Tabellenkalkulationsprogramm sehr von Nutzen sein kann.“ Strick (2003) Entscheidend für die Entwicklung eines Grundverständnisses vom Wahrscheinlichkeitsbegriff ist die Art und Weise wie dieser im Unterricht eingeführt wird. Wenn der Unterricht von Beginn an ausschließlich auf den klassischen Wahrscheinlichkeitsbegriff aufgebaut wird, man diesen auf die Glücksspielwelt reduziert, kann es passieren, dass den SchülerInnen das Denken in Wahrscheinlichkeiten im Bezug auf die erlebte Umwelt schwer fallen wird (vgl. Eichler & Vogel, 2009, S.173). Eine Möglichkeit zum Einstieg ins Thema in der 6. Schulstufe, wäre beispielsweise über ein berühmtes Beispiel oder Paradoxon der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die in Kapitel 5 beschriebenen Beispiele, das Geburtstagsparadoxon und vor allem das Monty-Hall-Problem, eignen sich hierzu meiner Meinung nach sehr gut. Die Lernenden werden mit einem Sachverhalt konfrontiert, den sie sich im ersten Moment nicht erklären können, der ihnen paradox und unlogisch erscheint. Diese Tatsache steigert in der Regel die Motivation der SchülerInnen dem Problem, bestenfalls selbstständig, auf den Grund gehen zu wollen. Im Laufe der Erarbeitung eines solchen Beispiels, kann die Lehrperson dementsprechend einen Fokus auf die Unterscheidung zwischen der (näherungsweisen) Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses über relative Häufigkeiten und der klassischen Laplace-Wahrscheinlichkeit legen. Ebenso möglich wäre ein Einstieg über den interessanten historischen Hintergrund der Theorie – über die Glücksspielrechnung. Diverse Würfelprobleme, bzw. Spielprobleme aus dem 17. Jahrhundert (Chevalier de Méré) können ebenfalls das Interesse der SchülerInnen wecken, wenn diese entsprechend interessant aufbereitet wurden. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Simulation diverser Sachverhalte können gerade im Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine besondere Herausforderung für 53 SchülerInnen darstellen. Ich denke, dass es sehr wichtig, ist die SchülerInnen zu diesem Thema experimentell arbeiten zu lassen, sie dazu zu animieren selbstständig und kreativ mögliche Lösungswege zu finden. Sie sollen im Laufe des Lernprozesses ihre Ideen und Vermutungen immer wieder mit Kollegen und Kolleginnen diskutieren, reflektieren und gegebenenfalls verwerfen oder überarbeiten. Die Lehrkraft soll gegebenenfalls die SchülerInnen in die richtige Richtung lenken und Hilfestellung leisten wo diese gefordert wird. Klemisch (1993) hat eine solche Einführung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs mit dem Drei-Türen-Problem in einem StochastikLeistungskurs der Oberstufe gewählt und seine Erfahrungen in diesen Unterrichtssequenzen dokumentiert. Sein Fazit: „ Drei mal 45 Minuten zum 3-Türen-Problem haben meine SchülerInnen vorwiegend über ihre eigene Initiative an eine Reihe von Fragestellungen der Stochastik herangeführt, ihr Problembewusstsein und ihre Motivation zum Erwerb von Hintergrundwissen gefördert und ihre Kritikfähigkeit gegenüber Ergebnissen elektronischer Datenverarbeitung verstärkt.“ (Klemisch, 1993, S.13) 4.5.1 Konzeptionen zur Einführung Zwei Konzeptionen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, die klassische LaplaceWahrscheinlichkeit und Wahrscheinlichkeit über relative Häufigkeiten, werden in jedem Fall im Stochastikunterricht in der Oberstufe thematisiert. Aber auch der Zugang zu Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen sollte in der Regel mit den SchülerInnen besprochen werden. Bei einem Einstieg ins Thema über ein bestimmtes Beispiel, dass die Erarbeitung der Laplace’schen Berechnungsvorschrift ermöglicht, wie dem Monty-Hall-Problem, oder auch Würfelprobleme des Méré (vgl…), sollte den SchülerInnen deutlich werden, dass diese Berechnungen nur unter einer bestimmten Voraussetzung gemacht werden können. Die einzelnen Versuchsausgänge sind immer gleichwahrscheinlich (beispielsweise bedingt durch die Symmetrieeigenschaft beim Würfel). Folglich kann man die Lernenden mit der Frage konfrontieren, wann die Laplace’sche Theorie schlussendlich versagt, bzw. was man machen kann, wenn keine symmetrischen Objekte zu Grunde liegen. In diesem Kontext kann man die Überleitung zu Wahrscheinlichkeitsberechnungen (näherungsweise) mit Hilfe relativer Häufigkeiten schaffen. Die SchülerInnen könnten anstatt Versuchen mit symmetrischen Würfeln, Versuche mit Streichholzschachteln durchführen, oder anstatt Münzen zu werfen, das 54 Werfen von Reißnägeln untersuchen (mit welcher Wahrscheinlichkeit landet der Nagel auf dem Kopf, bzw. mit der Spitze am Boden). Anzumerken ist hierbei, dass diese empirische Methode Wahrscheinlichkeiten zu approximieren, sowohl mit symmetrischen als auch mit unsymmetrischen Zufallsgeräten funktioniert und hierzu Computersimulationen eine besondere Bedeutung zukommt (siehe 4.6 ComputerEinsatz im Stochastikunterricht). Wichtig für die Lernenden ist es auch zu verstehen, dass die relative Häufigkeit einer Versuchsreihe nur als ein Schätzwert der gesuchten Wahrscheinlichkeit angesehen werden kann. In diesem Zusammenhang sollte auch das Gesetz der Großen Zahlen im Unterricht behandelt werden, ist dies doch eine der bedeutendsten Erkenntnisse der Wahrscheinlichkeitstheorie (vgl. Kütting, 1994, S. 29ff). Resultierend aus den beiden genannten Konzeptionen, kann eine für SchülerInnen durchaus plausible Herleitung des allgemeinen Axiomensystems von Kolmogoroff (siehe 3.2 Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung) eingeführt werden (vgl. Kütting, 1994, S.64ff). Das erste Axiom besagt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses zwischen Null und Eins liegen muss, also 0 ≤ π(π΄) ≤ 1 gilt. Dies folg unmittelbar aus πΊüππ π‘πππ der Laplace’schen Berechnungsvorschrift (π(π΄) = πöππππβπ), da ja die Anzahl der „günstigen Fälle“ immer zwischen Null (somit ist π(π΄) = 0 ο unmögliches Ereignis) und der maximalen Anzahl der möglichen Fälle liegen muss. In dem Fall kann π(π΄) maximal den Wert 1 annehmen. Das zweite Axiom kann ebenfalls aus der Laplace’schen Theorie abgeleitet werden, denn wenn ein Ereignis A mit Sicherheit eintritt, dann gilt π΄ = ο und somit ist die Anzahl der günstigen Fälle gleich der Anzahl der Möglichen, also ist π(π΄) = 1. Das letzte Axiom für zwei Ereignisse A und B (wobei diese unvereinbar8 sind) besagt, dass die Wahrscheinlichkeit von „A vereinigt B“ gleich der Summe der einzelnen Wahrscheinlichkeiten π(π΄) und π(π΅) ist. Aus dem Laplace’schen Ansatz folgt π(π΄ ∪ π΅) = πΊüππ π‘πππ(π΄∪π΅) . πöππππβπ Da die beiden Ereignisse A und B nicht gleichzeitig eintreten können, ist die Anzahl der günstigen Fälle des Ereignisses A oder B (= π(π΄ ∪ π΅)) eben gleich der Summe der günstigen Fälle für A (= π(π΄)) und der günstigen Fälle für B (= π(π΅)). Mit „πöππππβπ πΉäπππ“ = π folgt also insgesamt: π(π΄ ∪ π΅) = 4.5.2 8 π(π΄∪π΅) π = π(π΄) π + π(π΅) π = π(π΄) + π(π΅) für π΄ ∩ π΅ ≠ ∅. Geometrische Wahrscheinlichkeit – Ein Beispiel für den Unterricht A und B können nicht gleichzeitig eintreten 55 Eine weitere interessante Betrachtung von Wahrscheinlichkeit liefert die geometrische Wahrscheinlichkeit. Anstatt des Quotienten von bestimmten Anzahlen wird hierbei der Quotient von Flächen oder Volumina gebildet. Der wesentliche Unterscheid zum klassischen Ansatz liegt darin, dass bei der geometrischen Wahrscheinlichkeit ein unendlicher, bzw. stetiger Ereignisraum zu Grunde liegt, im Gegensatz zum diskreten Fall bei der Laplaceschen Theorie. Abgesehen davon, kann man mit der geometrischen Berechnungsmethode zeigen, dass auch irrationale Zahlen für Wahrscheinlichkeiten auftreten können, wohingegen der klassische Zugang und auch der statistische über relative Häufigkeiten, stets rationale Zahlen liefern. Approximation von π – Eine Simulation mit GeoGebra Ein wohl auch für den Unterricht geeignetes Beispiel zur geometrischen Wahrscheinlichkeit ist die näherungsweise Berechnung der Kreiszahl π über das Verhältnis von Flächen: Gegeben ist ein Einheitsquadrat, ein eingeschriebener Viertelkreis mit Radius 1 und eine auf dem Quadrat zufällig verteilte Punktmenge. Gesucht ist nun die Wahrscheinlichkeit π(π΄), dass ein einzelner zufällig positionierter Punkt im inneren des Kreises landet (siehe Abbildung 9): π(π΄) = πΉπäπβπ πππ πππππ‘πππππππ ππ πΉπäπβπ πππ ππ’πππππ‘ππ . Abbildung 9: Geometrische Wahrscheinlichkeit – Approximation von π, erstellt mit GeoGebra Da die Fläche des Viertelkreise mit π΄ = π²π 4 56 = π 4 gegeben ist ergibt sich πΉπäπβπ πππ πππππ‘πππππππ ππ πΉπäπβπ πππ ππ’πππππ‘ππ β 4 = π. Über die Bestimmung der „Treffer“ im Viertelkreis kann man somit über den Quotienten dieser „Treffer“ und der Punkte insgesamt, die Kreiszahl π approximieren. π≈ πππππππ ππ πΎππππ ππ’πππ‘π πππ πππ‘ β4 Für SchülerInnen geeignete Möglichkeiten zur Simulation des Beispiels bieten u.a. die Programme Excel oder GeoGebra. Die folgende Beschreibung einer Simulation wurde mit GeoGebra durchgeführt. Zuerst wird ein Einheitsquadrat mit einem eingeschriebenen Viertelkreis erzeugt, welchen man beispielsweise mit dem Befehl: πΉπ’πππ‘πππ[π πππ‘(1 − π₯²),0,1] erhält. In diesem Fall könnte die Betonung der Viertelkreisfläche durch farbige Hinterlegung mit einem Integral erzeugt werden, jedoch verfügen SchülerInnen in der 6. Schulstufe noch über kein Hintergrundwissen zur Integralrechnung. Schneller und einfacher kann man den Viertelkreis mittels der Werkzeuge „Kreissektor (oder Kreisbogen) mit Mittelpunkt zwischen zwei Punkten“ erzeugen, wodurch man automatisch auch die Fläche farbig gestalten kann. Die Punkte (0,0), (1,0) und (0,1) können zuvor eingegeben werden. Der nächste Schritt ist das Erzeugen einer zufällig verteilten Punktmenge auf dem Quadrat. Man benötigt dazu Punkte, deren x- und y-Koordinaten zwischen 0 und 1 liegen. Zu diesem Zweck, werden in der Tabellenansicht zwei Spalten (A und B) mit je 100 Zufallszahlen ∈ [0,1] erstellt, z.B. mit dem Befehl =Zufallszahl[0,100]/100 (man bekommt eine Zahl zwischen 0 und 1 mit zwei Nachkommastellen). Der Befehl „Zufallszahl“ liefert ganzzahlige Zufallszahlen, daher würde die Eingabe =Zufallszahl[0,1] nicht zielführend sein. Markiert man die beiden Spalten, so kann man mit Klicken der rechten Maustaste eine „Liste von Punkten“ erzeugen. Berechnet man in einer weiteren Spalte (C) die jeweiligen Radien π = √π₯² + 𦲠der Punkte (mit = π πππ‘(π΄1² + π΅1²) im Feld C1), so kann man feststellen, ob die Punkte im, oder außerhalb des Kreisbogens liegen. Mit dem Befehl =Wenn[C1<=1,1,0] wird „1“ ausgegeben wenn der Punkt im Kreis liegt und „0“ sonst (Spalte D). Zählt man die Anzahl der Einser in dieser Spalte (=Summe[D1:D100]), so kann man den Quotienten πππππππ ππ πΎππππ ππ’πππ‘π πππ πππ‘ berechnen. Aus dem Simulationsbeispiel von Abbildung 10 ergibt sich 79 eine Näherung für die Kreiszahl mit π ≈ 100 β 4 = 3,16. 57 Abbildung 10: Tabelle zur Approximation von π, erstellt mit GeoGebra Zusammenfassend kann man eine mögliche Vorgehensweise bei der Einführung der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Unterricht beschreiben: ο Einführung durch ein Beispiel, welches das Interesse der SchülerInnen wecken und die Motivation steigen soll ο Herleitung der klassischen Wahrscheinlichkeit aus dem Einführungsbeispiel (unter Berücksichtigung der Gleichwahrscheinlichkeit der einzelnen Fälle) ο Möglichkeit zur Berechnung bei Versuchen mit nicht symmetrischen Zufallsgeräten erarbeiten – näherungsweises Berechnen durch relative Häufigkeiten – Gesetz der großen Zahlen ο Überlegungen zur geometrischen Wahrscheinlichkeit: eine Ausweitung auf kontinuierliche (stetige) Modelle – auch irrationale Zahlen für Wahrscheinlichkeiten möglich (siehe Arbeitsblätter: Geometrische Wahrscheinlichkeit – Approximation von π) ο Zusammenfassung eines allgemeinen Axiomensystems (Herleitung der drei Axiome von Kolmogoroff aus der Klassischen Wahrscheinlichkeit) 58 4.5.3 Arbeitsblätter zur Approximation von π Im Anhang (siehe 7 Anhang) befinden sich zwei Arbeitsblätter zur Approximation von π über den geometrischen Zugang zur Wahrscheinlichkeit. Das erste Arbeitsblatt ist als informative Einführung für SchülerInnen gedacht, wohingegen das zweite eine Anleitung zur Simulation mit GeoGebra beschreibt. 4.6 Computer-Einsatz im Stochastikunterricht Da den neuen Medien9 eine immer größere Bedeutung zugemessen wird, sind Computerprogramme aus dem Unterricht nicht mehr wegzudenken. Der Einsatz von Technologien wird auch vom Lehrplan vorgeschrieben und bedingt nicht zuletzt eine Notwendigkeit zur Neuorientierung von Mathematikunterricht. Mit der Verwendung eines Computer-Algebra-Systems (CAS), einer Dynamischen Geometriesoftware (DGS) oder einer Tabellenkalkulationssoftware (TKS) eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten und Methoden für den Unterricht. Einige Thesen über Chancen und Risiken von Computereinsatz im Mathematikunterricht hat Leuders (2010) zusammengefasst. Folglich habe ich diese überblicksmäßig angeführt. Die einzelnen Thesen sind meiner Meinung nach selbsterklärend und verständlich formuliert, sodass ich hier von einer genaueren Erläuterung absehe. Der Computer… …öffnet den Weg zu globaler Information und Kommunikation …ermöglicht auch Laien professionelle mediale Gestaltung und Präsentation …ersetzt und ergänzt herkömmliche audiovisuelle und textbasierte Medien …kann interaktiver Lernpartner sein …entlastet vom Kalkül10 und schafft neue Freiräume …ist ein dynamisches Werkzeug für das Gewinnen mathematischer Erkenntnisse …ist ein Werkzeug für das Lösen mathematischer Probleme …ist ein universelles Modellierungswerkzeug Der Computereinsatz… …erfordert eine neue Balance zwischen altem und neuem Strategiewissen 9 Gemeint sind hier elektronische Werkzeuge wie (grafische) Taschenrechner, aber vor allem Computer und Internet 10 Kalkül (Duden): 1. Berechnung, Überlegung; 2. System von Regeln zur schematischen Konstruktion von Figuren (Math.) 59 …erfordert auch einen kritischen Blick hinter die Kulissen …das sorgfältige Abwägen zwischen Aufwand und Nutzen …darf kritische Reflexion nicht verdrängen Abgesehen von einem CAS, das wie auch in anderen Bereichen der Mathematik schnellere und einfachere Berechnungen ermöglicht, kann man vor allem zwei weitere nützliche Komponenten des Computereinsatzes für das Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten aufzeigen. Zum einen ist dies die grafische Darstellung zur visuellen Unterstützung. So können Histogramme zur Darstellung empirischer Häufigkeiten verwendet werden oder Baumdiagramme bei der Visualisierung von bedingten Wahrscheinlichkeiten hilfreich sein. Neben dem Aspekt der Visualisierung ist ein weiterer wesentlicher Vorteil, den der Einsatz von Computer mit sich bringt, die Möglichkeit stochastische Simulationen durchzuführen. 4.6.1 Stochastische Simulation „Unter Simulation versteht man in der Stochastik Verfahren, mit Hilfe von geeigneten Zufallsgeneratoren eine stochastische Situation ‚nachzuspielen‘, um so ein Modell für diese Situation zu erhalten, das dann zur weiteren Analyse und zur Prognose eingesetzt werden kann.“ (Tietze et al., 2002, S. 129f) Das Wort Simulation kommt aus dem Lateinischen (simulare: ähnlich machen, nachbilden, nachahmen) und wird im Fremdwörterbuch (Duden) wie folgt erklärt: 1.Verstellung, 2.Vortäuschung (von Krankheiten), 3. Nachahmung (im Bezug auf technische Vorgänge). Gerade im Bereich der Technik und der Naturwissenschaften sind Simulationen weit verbreitet und äußerst hilfreich, da man so künstlich bestimmte Situationen erzeugen kann, ohne diese real durchzuführen und dadurch mögliche Ergebnisse und Auswirkungen in der Realität abschätzen kann. Manche Simulationen, gerade auch im schulischen Bereich, lassen sich besonders gut mit Tabellenkalkulationsprogrammen, wie beispielsweise Excel oder OpenOffice.calc, realisieren. Mayer (2008) geht so weit zu behaupten, dass „der Computer für den Stochastikunterricht noch wichtiger ist, als Geometrie- oder CAS-Programme für andere Bereiche des Unterrichts.“ Eichler & Vogel (2009) unterscheiden zwei didaktische Bedeutungsebenen von Simulationen. Zum einen „mit Blick auf die Sache eine inhaltliche Ebene“ und zum anderen „mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler eine personale Ebene“ (Eichler & Vogel, 2009, S. 172f). Auf inhaltlicher Ebene kann 60 mit Hilfe von Simulationen die Gültigkeit eines theoretischen Modelles überprüft werden. Umgekehrt kann aber auch durch die aus Simulationen gewonnenen Erkenntnisse eine Idee für ein noch nicht vorhandenes theoretisches Modell entwickelt werden. Die Vorteile von Simulationen auf personaler Ebene begründen die beiden Autoren vor allem darin, dass die SchülerInnen ein besseres intuitives Verständnis für zufällige Vorgänge aufbauen können, Begriffe wie Zufall und Wahrscheinlichkeit werden „greifbarer“ und die mentale Modellbildung kann angeregt werden. Außerdem wird gerade durch computergestützte Simulationen deutlich, dass auch beim Zufall Gesetzmäßigkeiten regieren. Des Weiteren eignen sich Simulationen auch als Projektarbeit, wodurch die SchülerInnen positive Lernerfahrungen aus der Eigentätigkeit erzielen können und Simulationen, besonders wenn Probleme behandelt werden deren Ergebnisse ungewiss oder überraschend sind, können die Motivation der SchülerInnen fördern (Vgl. Tietze et al., 2002, S.130). Unterschiedliche Perspektiven von Simulationen im Unterricht, beschreiben auch Biehler und Maxara (2007). Da die Stochastik im schulischen Kontext nicht nur eine Lehre der Laplace’schen Theorie in endlichen Wahrscheinlichkeitsräumen sein soll, kommt der „Repräsentation von Zufallsexperimenten durch Simulation“ eine wichtige Rolle zu. Eine weitere Bedeutungsebene ist „Simulation als Werkzeug im Wechselspiel mit analytischen Methoden“. So können mit Simulationen nicht nur Ergebnisse geliefert werden, sondern bereits bekannte Ergebnisse gegebenenfalls auch überprüft werden. Als dritte Komponente wird „Simulation als Methode“ genannt, die in der Praxis zur Anwendung kommt, wenn analytische Lösungen nicht (oder noch nicht) möglich, oder für den Unterricht zu aufwendig sind und die gerade durch die Entwicklung der Computertechnologie zu einer wichtigen Forschungsmethode geworden ist (vgl. Biehler & Maxara, 2007, S45ff). Hervorgehoben werden sollte auch die Bedeutung von Simulationen für die Entwicklung der Fähigkeit zur Modellbildung. Wesentlich dabei ist auch, dass die SchülerInnen die Versuche weitgehend selbstständig durchführen sollten. Tietze et al. (2002) beschreibt folgende Phasen, die bei der Simulation von Problemen auftreten: - Vorüberlegungen und Vermutungen - Aufstellen eines vorläufigen Modells - Auswahl eines geeigneten Zufallsgenerators - Durchführung der Simulation - Auswertung der Ergebnisse, Schätzungen von Parametern - Interpretation der Schätzwerte im Bezug auf die Lösung des Problems 61 Abschließendes Zitat: „Das wesentliche stochastikdidaktische Potenzial der Simulationen ist darin zu sehen, dass damit das Verständnis des Wahrscheinlichkeitsbegriffs vertieft und schließlich das Tor zur schließenden Statistik aufgestoßen werden kann“. (Eichler & Vogel, 2009, S.173) 62 5. Einige interessante Beispiele und Paradoxa – Eine Aufarbeitung für den Unterricht in der Sekundarstufe II „Als Paradoxon [gr.-lat.] bezeichnet man eine scheinbar zugleich wahre und falsche Aussage.“ (Duden) Werden im Unterricht Beispiele bearbeitet, deren Ergebnisse für die SchülerInnen sehr überraschend, oder prinzipiell paradox erscheinen, wie beim sogenannten Geburtstagsproblem, so sind dies genau jene Beispiele die den Stochastikunterricht lebendig und spannend machen. Interesse und Motivation können enorm gesteigert werden, wenn man den SchülerInnen die Möglichkeit gibt, mit Versuchen und Simulationen selbstständig Lösungsansätze von Problemen zu erarbeiten. Im folgenden Teil dieser Diplomarbeit habe ich aus diesem Grund ausgewählte Paradoxa für den schulischen Gebrauch ausgearbeitet und Ideen für ein experimentelles Erarbeiten der Lösungen zusammengefasst. Nach einer einleitenden kurzen Beschreibung der jeweiligen Probleme und deren Lösungen, habe ich mich im Anschluss mit verschiedenen Möglichkeiten zur Bearbeitung der Beispiele im Unterricht auseinandergesetzt. Dabei habe ich vor allem versucht Chancen und Vorteile, die der Einsatz von Computertechnologie mit sich bringt, zu nutzen. 5.1 Das Geburtstagsparadoxon Das sogenannte Geburtstagsproblem, bzw. Geburtstagsparadoxon, geht auf Richard von Mieses zurück (vgl. Büchter & Henn, 2007 S. 242ff), der dieses Problem 1939 veröffentlichte. Bei genauerer Betrachtung kann man feststellen, dass es sich nicht um ein Paradoxon im eigentlichen Sinn handelt, da die Aufgabe nicht auf eine widersprüchliche Situation führt. Man neigt aber dazu den Sachverhalt ohne Vorkenntnisse völlig falsch einzuschätzen, wodurch das Ergebnis sehr überraschend und paradox erscheint. 5.1.1 Beschreibung des Problems Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass von π zufällig ausgewählten Personen mindestens zwei am gleichen Tag Geburtstag haben? (Das Jahr wird dabei nicht berücksichtigt.) 63 Ein Versuch, der mit StudentInnen gemacht wurde, die das Problem nicht kannten (vgl. Büchter, 2007, S. 242), zeigt folgende falsche Einschätzung (Abbildung 11): Die Studierenden sollten die Wahrscheinlichkeiten skizzieren, dass bei Gruppengrößen von n = 0 bis n = 400 Personen mindestens 2 gleiche Geburtstage auftreten. Bis zu einer Gruppengröße von 200 Personen wurden die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten sehr gering eingeschätzt (unter 10%). Zwischen 300 und 350 Personen schätzten die Studierenden die Wahrscheinlichkeiten zwischen rund 20% und 100% (schnell steigend) ein. Erst bei einer Gruppengröße von ca. n = 365 vermuteten die Studierenden, dass mit Wahrscheinlichkeit 1, also sicher, mindestens einmal ein Tag doppelt vorkommen muss. Abbildung 11: Einschätzung des Geburtstagsparadoxon von StudentInnen, aus Büchter & Henn, 2007, S. 242 Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit bereits bei einer Gruppengröße von 23 Personen etwas über 50%, bei n = 57 bereits über 99%. Der Grund für die falsche Einschätzung liegt möglicherweise in der inkorrekten Formulierung des gesuchten Ereignisses. Das gesuchte Ereignis πΈ lautet folgendermaßen: πΈ: Mindestens zwei von n Personen haben am selben Tag Geburtstag. Vermutlich gehen viele, die zum ersten Mal mit diesem Problem konfrontiert werden, von einem der folgenden falschen Ereignissen aus, die tatsächlich viel geringere Wahrscheinlichkeiten aufweisen: πΈ1 : Mindestens eine weitere Person hat den gleichen Geburtstag wie ich. πΈ2 : Mindestens zwei Personen haben an einem ganz bestimmten Tag im Jahr Geburtstag. 5.1.2 Berechnung der Wahrscheinlichkeit Betrachten wir also das Ereignis πΈ: Mindestens zwei von n Personen haben am selben Tag Geburtstag. Gesucht wird nun die Wahrscheinlichkeit π(πΈ). “Mindestens“ zwei 64 bedeutet, dass auch drei, vier, oder auch n Personen denselben Geburtstag haben können. Ebenso können auch zweimal zwei oder dreimal zwei Personen am gleichen Tag geboren sein, usw. Diese Wahrscheinlichkeiten alle einzeln zu berechnen ist sehr aufwendig. Einfacher lässt sich π(πΈ) mit Hilfe der Gegenwahrscheinlichkeit π(πΈ) = 1 − π(πΈ‘) bestimmen. Man benötigt also zuerst das Gegenereignis E‘ und die zugehörige Wahrscheinlichkeit π(πΈ‘). Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass es keine Schaltjahre gibt (der 29. Februar wird also nicht berücksichtigt) und dass jedes Geburtsdatum gleich wahrscheinlich ist. Berechnung der Gegenwahrscheinlichkeit Das Gegenereignis πΈ‘ lautet: Alle n Personen haben an unterschiedlichen Tagen Geburtstag. Angenommen eine Person hat an einem beliebigen Tag Geburtstag. Für diesen Tag gibt es 365 Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit beträgt also 365 . 365 Da es für eine weitere Person noch 364 mögliche andere Geburtstage gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide unterschiedliche Geburtsdaten haben demnach also 365β(365−1) 365² 365 364 β 365 365 . Existiert nun eine dritte Person, für die es noch 363 mögliche Tage gibt, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Personen an unterschiedlichen Tagen geboren wurden 365 364 363 β β 365 365 365 = 365β(365−1)β(365−2) . 365³ Auf diese Weise bekommt man die Wahrscheinlichkeit, dass bei n Personen alle an verschiedenen Tagen Geburtstag haben: P(E ′ ) = ∏ni=1(365 − i + 1) 365 β 364 β … β (365 − n + 1) = 365n 365n und somit die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis πΈ: ∏ni=1(365 − i + 1) 365 β 364 β … β (365 − n + 1) P(E) = 1 − = 1− . 365n 365n Die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Anzahl n an Personen kann mit einem CAS berechnet werden, beispielsweise mit wxMaxima. 65 Abbildung 12: Berechnung der Wahrscheinlichkeit bei einer Gruppengröße von 30 Personen P(n = 30) ≈ 70%;, ausgeführt mit wxMaxima 5.1.3 Anregungen für den Unterricht – Simulationen, Näherungen und grafische Darstellung In diesem Abschnitt habe ich Möglichkeiten und Ideen zur Einführung und Bearbeitung des Paradoxons im Unterricht entwickelt und zusammengefasst. Bei der Erarbeitung des Geburtstagsparadoxons in der Schule könnte man dieses in zwei Teile gliedern. ο Vermutungen anhand von Analysen (z.B. in der Schule) und näherungsweise Berechnungen mit Computersimulationen ο Exakte Berechnungen Zum einen eignet sich der experimentelle Teil (Analysen und Simulationen) eventuell als Einstieg ins Kapitel Wahrscheinlichkeitsrechnung in der 10. Schulstufe. Dabei sind grundsätzlich kaum wahrscheinlichkeitstheoretische Vorkenntnisse gefragt und die SchülerInnen können die Wahrscheinlichkeiten näherungsweise durch Simulationen bestimmen. Den SchülerInnen könnten die so erhaltenen Werte überraschend erscheinen, wodurch die Motivation möglicherweise gesteigert werden kann. Die Berechnungsformel würde ich erst nach der Einführung der theoretischen Grundlagen erarbeiten. Der interessante Aspekt, den das Problem beinhaltet, liegt offensichtlich in der falschen ersten Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten. Daher halte ich es für sinnvoll, die SchülerInnen zu Beginn erst schätzen zu lassen. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Die SchülerInnen könnten beispielsweise, wie im zuvor erwähnten Experiment mit StudentInnen beschrieben, probieren, die Wahrscheinlichkeit als funktionale Abhängigkeit von der Gruppengröße π = 1 bis n = 400 zu skizzieren. Zu diesem Zweck habe ich einen kurzen Fragebogen entwickelt (siehe 7 Anhang: Arbeitsblatt 3), welchen ich in 2 Klassen der 9.Schulstufe durchgeführt habe. Die SchülerInnen hatten zu diesem Zeitpunkt keine wahrscheinlichkeitstheoretischen Vorkenntnisse. Zuerst sollten die SchülerInnen angeben, ob in ihrer Klasse doppelte Geburtstage auftreten oder nicht. In einer Klasse war dies der Fall (sogar zweimal zwei SchülerInnen hatten am selben Tag Geburtstag), in der anderen kam kein Tag doppelt 66 vor. In jener Klasse in der doppelte Geburtstage vorkamen wurde die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Gruppengröße von 30 Personen mindestens zwei gleiche Geburtstage vorkommen, von zwei Drittel der SchülerInnen auf 10% geschätzt, wobei folgende Antwortmöglichkeiten zur Auswahl standen: 0,5%, 1%, 8%, 10%, 70% und 90%. Sogar rund ein Drittel hat richtigerweise 70% angenommen, was vermutlich genau darauf zurückzuführen ist, dass es in der Klasse SchülerInnen mit gemeinsamen Geburtstagen gibt. In der anderen Klasse hat fast die Hälfte der SchülerInnen die Wahrscheinlichkeit auf 1% oder 0,5% geschätzt und die restlichen SchülerInnen vermuteten 8 bis 10 Prozent. Nur zwei (von fast 30) SchülerInnen schätzten die Wahrscheinlichkeit auf 70%. Ausgehend von der Anzahl der SchülerInnen in ihrer eigenen Klasse könnte man den SchülerInnen auch einen ganz konkreten Wert für diese Gruppengröße n schätzen lassen. Des weiteren habe ich die SchülerInnen befragt, wie viele Personen ihrer Meinung nach befragt werden müssen, damit fast sicher (also mit ca. 99%) ein Geburtsdatum doppelt vorkommt. Bei dieser Frage hat der Großteil der SchülerInnen vermutet, dass man rund 300 Personen benötigt, tatsächlich reichen bereits ca. 50 Personen aus. Der letzte Teil des Fragebogens bezieht sich auf den zuvor erwähnten Versuch mit StudentInnen, den Büchter & Henn (2007) beschrieben haben. Die SchülerInnen sollten die Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gruppengröße in einem vorgegebenen Koordinatengitter skizzieren. Im Unterschied zu der Einschätzung der StudentInnen (Abbildung 11), hat der Großteil der von mir befragten SchülerInnen, mit steigender Gruppengröße, einen annähernd linearen Anstieg der Wahrscheinlichkeit angenommen, wobei erst bei π = 350 die Wahrscheinlichkeit auf 100% geschätzt wurde (Abbildung 13). 67 Abbildung 13: Einschätzung von SchülerInnen Bevor im Anschluss an einen solchen Fragebogen die Lehrperson die Lösung des Problems preisgibt, könnte noch mit verschiedenen Versuchen getestet werden, ob der von den SchülerInnen angenommene Wert annähernd richtig sein kann. Zum Beispiel indem die SchülerInnen klassenweise die Geburtsdaten aller SchülerInnen der Schule ermitteln, um anschließend die Wahrscheinlichkeit für mehrfach auftretende Geburtstage in einer Klasse mit z.B. 25 Personen abzuschätzen. Ein Beispiel: In einem Oberstufengymnasium mit 16 Klassen (sollten annähernd gleichviele SchülerInnen pro Klasse sein) wird pro Klasse eine Jahreskalendertabelle (Abbildung 14) durchgegeben, in der die jeweiligen Geburtstage angekreuzt werden sollen. 68 Abbildung 14: Jahreskalendertabelle, erstellt mit Excel Hierzu könnten die SchülerInnen gruppenweise in die Klassen gehen damit die Daten schneller ermittelt werden können. Da man möglichst gleichgroße Gruppen braucht, könnte man gegebenenfalls zwei kleinere Klassen zusammenlegen (man lässt dann die SchülerInnen beider Klassen gemeinsam auf einer Liste eintragen). Die Lehrkraft könnte auch bereits fertige Listen der Geburtsdaten der SchülerInnen organisieren, jedoch denke ich, dass es für die SchülerInnen sicher motivierender ist, diese selbst zu erfragen. Treten nun z.B. in 5 von den 16 Klassen Geburtstage mehrfach auf, so bekommt man einen neuen Schätzwert von 5 16 = 0,3125 also rund 30%, der vermutlich deutlich höher liegen wird als der Schätzwert, den die SchülerInnen zu Beginn abgegeben haben. Es kann auch vorkommen, dass in keiner Klasse Geburtstage doppelt vorkommen. Dies sollte gegebenenfalls im Anschluss an das Simulationsexperiment, oder nach der konkreten Berechnung der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit diskutiert werden. Gemeinsam mit den SchülerInnen sollte man anschließend besprechen, dass der so erhaltene Wert nur ein Näherungswert für die tatsächliche Wahrscheinlichkeit ist. Eine relativ geringe Anzahl an Klassen (16 im vorherigen Beispiel), kann ein sehr ungenaues Ergebnis bedingen. Umso genauer sollte dieses werden, je mehr Klassen man untersuchen kann. Da man aber in der Regel keine 100 Klassen zur Verfügung hat, bietet sich in weiterer Folge eine Computersimulation von Geburtsdaten an. 69 5.1.4 Anleitung für Simulationen mit einem Tabellenkalkulationsprogramm Im Anhang dieser Diplomarbeit befindet sich eine für SchülerInnen geeignete Versuchsanleitung für eine Simulation von zufälligen Geburtstagen (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 4). Diese ist für das Programm Excel ausgelegt, es kann aber auch mit einem äquivalenten Freeware-Programm wie OpenOffice.calc oder LibreOffice gearbeitet werden. Bei der Simulation wird jedem Tag des Jahres eine Zahl von 1 bis 365 zugeordnet und so eine Liste mit n Zufallszahlen erzeugt. Folgende Befehle erzeugen eine Zufallszahl zwischen 1 und 365: In Excel =ZUFALLSBEREICH(1;365) In OpenOffice.calc =GANZZAHL(ZUFALLSZAHL()*365+1) Mit der Taste F9 werden automatisch neue Zufallszahlen gebildet, womit man sehr schnell 100 verschiedene „Schulklassen“ simulieren kann. Die SchülerInnen sollen sich dabei notieren, in wie vielen Fällen von beispielsweise 100 Versuchsdurchgängen eine Zahl mehrfach aufgetreten ist. Mit einer bedingten Formatierung wird das Experiment visuell unterstützt. Dabei sollte idealerweise deutlich werden, dass bei 100 Versuchen mit beispielsweise 30 Personen (also bei einer Liste mit 30 Zufallszahlen die 100mal mit F9 aufs Neue gebildet werden) bei rund 70 „Klassen“ Geburtstage mehrfach aufgetreten. Die so erhaltene Näherung für die Wahrscheinlichkeit beträgt demnach erstaunliche 70%, womit die SchülerInnen in der Regel nicht rechnen werden (es kann davon ausgegangen werden, dass die ersten Schätzungen der SchülerInnen zu Beginn bei einer sehr kleinen Prozentzahl liegen, möglicherweise unter 1%). An dieser Stelle würde sich eine Diskussion eignen, worin die primäre Fehleinschätzung des Problems begründet liegen könnte (siehe 5.1.1 Beschreibung des Problems). Eine andere Möglichkeit zur Simulation des Paradoxons mit Excel beschreibt Jörg Meyer im Artikel „Simulationen mit Excel“ (vgl. Meyer, 2008, S.4ff). Hierbei geht es nicht darum, die Wahrscheinlichkeit einer „Doppelzahl“ bei einer bestimmten Gruppengröße abzuschätzen, sondern darum zu untersuchen, an welcher Stelle zum ersten Mal eine doppelte Zahl auftritt. Er erklärt, wie man mit Hilfe von Mehrfachoperationen sehr schnell und einfach eine bestimmt Operation beispielsweise 1000 Mal wiederholen kann. Angewendet auf das Geburtstagsproblem kann das folgendermaßen aussehen: Man erzeugt 100 Zufallszahlen von 1 bis 365 in der Spalte A (mit =ZUFALLSBEREICH(1;365)) und untersucht anschließend, an welcher Stelle das erste Mal eine Zahl doppelt auftritt. Mit =VERGLEICH(A1;A:A;0) erzeugt man in der Spalte B 70 eine Liste, in der jeder Zahl aus der Spalte A die Nummer der Zeile in der die Zahl steht zugewiesen wird. Die Spalte C soll nun aufzeigen, in welcher Zeile eine doppelte Zahl auftritt (mit =WENN(B1=ZEILE();0;1)). Schlussendlich wollen wir jene Zahl explizit angegeben haben, die die Stelle der ersten doppelt-vorkommenden Zahl angibt. In C1 steht also der Befehl =VERGLEICH(1;C:C;0). Abbildung 15 zeigt wie die Tabelle demnach bis zu diesem Zeitpunkt aussieht. In diesem Beispiel ist schon die 12te Zufallszahl eine Zahl, die doppelt vorkommt. Abbildung 15: Tabelle mit Zufallszahlen, erstellt mit Excel Diesen Prozess kann man nun mit einer Mehrfachoperation 1000-mal wiederholen. Hierzu legt man zwei weitere Spalten an (in Abbildung 16: Spalte E und F), wobei in einer Spalte die Nummer der Mehrfachoperation steht, also in unserem Fall die Zahlen von 1 bis 1000 in Spalte E, und in der zweiten Spalte wird der dazugehörige Versuchsausgang erzeugt, also jene Zahl, an der Stelle die erste „Doppelzahl“ aufgetreten ist, beim n-ten Durchlauf. Dies funktioniert, indem man eine korrekte Simulation vorgibt und diesen Vorgang nun 1000-mal „kopiert“. Man erzeuge eine Liste der Zahlen 1 bis 1000 in Spalte E von E2 bis E1001 (E1 muss leer bleiben). Anschließend kopiert man D1 (das Resultat einer konkreten Simulation) nach F1. Nun wird der Bereich von E1 bis F1001 markiert und Daten/Was-wärewenn/Datentabelle aufgerufen. Ein Fenster mit zwei Eingabefeldern öffnet sich. Im Feld Werte aus Zeile wird nichts eingegeben und bei Werte aus Spalte gibt man eine leere 71 Zelle an (z.B. D2). Mit dieser Eingabe bekommt man also in der Spalte F 1000 Simulationen für das Auftreten der ersten Doppelzahl bei 100 Zahlen zwischen 1 und 365. Analysiert man wie häufig die erste Doppelzahl an welcher Stelle vorkommt (z.B. mit =ZÄHLENWENNS(…)), so kann man dies mit einem Diagramm visualisieren (Abbildung 16 und 17). Abbildung 16: Geburtstagsproblem – Mehrfachoperationen, erstellt mit Excel Abbildung 17: Auftreten der ersten „Doppelzahl“ 72 Abbildung 9 zeigt, dass bei 1000 Simulationen von 100 Zufallszahlen zwischen 1 und 365, die erste doppelte Zahl am häufigsten ca. an der 20. Stelle vorkommt. Dies deckt sich natürlich mit der Erkenntnis, dass die konkrete Wahrscheinlichkeit ab einer Gruppengröße von π = 23 über 50% liegt. Unter entsprechender Anleitung der Lehrperson könnten diese Untersuchungen auch mit SchülerInnen durchgeführt werden. Im Anschluss an diese Analysen könnte man nun mit den SchülerInnen die Berechnungsvorschrift erarbeiten, damit auch exakte Werte für die Wahrscheinlichkeit von doppelt auftretenden Zahlen in Abhängigkeit der Gruppengröße berechnet werden können. 5.1.5 Die Berechnungsvorschrift Für die Herleitung einer exakten Berechnungsvorschrift bietet sich unter anderem ein Urnenmodell an, unterstützend visualisiert mit einem Baumdiagramm. Vorausgesetzt sollte werden, dass die SchülerInnen zu diesem Zeitpunkt bereits den erforderlichen theoretischen Hintergrund zum Thema kennen. Ich denke nicht, dass sich das Geburtstagsproblem zum Erarbeiten von neuen Inhalten, wie dem Laplace’schen Modell oder dem Arbeiten mit Gegenwahrscheinlichkeiten, eignet. Auch Begriffe wie Ereignis und Gegenereignis sollten bereits erarbeitet worden sein und mit Baumdiagrammen, der Multiplikations- und Additionsregel sollten die SchülerInnen ebenfalls bereits umgehen können. Das Problem als Urnenmodell Man denke sich die Tage des Jahres als durchnummerierte Kugeln von 1 bis 365 in einer Urne. n Personen ziehen der Reihe nach eine Kugel und legen diese anschließend wieder zurück. Interessant ist nun, wie wahrscheinlich es ist, dass alle π Personen eine unterschiedliche Zahl ziehen, also wie groß die Wahrscheinlichkeit des Gegenereignisses π(πΈ‘) ist. Die erste Person hat 365 von 365 Möglichkeiten. Für die zweite Person sind nur noch 364 Möglichkeiten günstig, für die dritte 363, usw. Als visuelle Unterstützung könnte den SchülerInnen eine Darstellung mit einem Baumdiagramm vorgelegt werden, wobei man der Einfachheit halber zuerst von einer kleinen Gruppengröße ausgehen könnte. Abbildung 18 zeigt ein Diagramm für π = 4. 73 Abbildung 18: Beispiel mit 4 Personen, erstellt mit Geogebra Der interessante Zweig im Baumdiagramm ist jener ganz links (rot-markiert), also jener wo immer wieder eine Zahl gezogen wurde, die zuvor noch nicht vorgekommen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle 4 Personen unterschiedliche Zahlen ziehen, ist demzufolge 365 364 363 362 β β β . 365 365 365 365 Ein solches Zahlenbeispiel, in dem n klein gewählt wurde, kann dazu beitragen, dass die SchülerInnen die Herleitung einer allgemeinen Formel für die Wahrscheinlichkeit bei n Personen besser verstehen. Hilfreich für die Berechnungsvorschrift wäre außerdem die Einführung der Produktschreibweise (Abbildung 19). Das Arbeitsblatt 5: Das Geburtstagsparadoxon – Herleitung einer Berechnungsformel soll die SchülerInnen dabei unterstützen (siehe 7. Anhang). Abbildung 19: Produktoperator, http://de.wikipedia.org/wiki/Produkt_(Mathematik) Berechnung einzelner Werte mit einem CAS Die Wahrscheinlichkeiten für konkrete Werte von n können mit einem CAS wie wxMaxima relativ einfach berechnet werden. Solche Berechnungen können ebenso SchülerInnen durchführen (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 6). Das Produkt muss hierzu 74 mit „product(Berechnungsvorschrift, Laufvariable, Startwert, Endwert)“ eingegeben werden. Abbildung 20: Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass bei 50 Personen mindestens zwei denselben Geburtstag aufweisen (rund 97%), ausgeführt mit wxMaxima Funktionsgraphen plotten mit wxMaxima oder GeoGebra Etwas schwieriger ist es, die zugehörige Funktion, die die Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gruppengröße x angibt, grafisch darzustellen. Ob die grafische Darstellung des Problems im Unterricht behandelt werden sollte oder nicht, bleibt der Einschätzung der Lehrkraft überlassen. Die Schwierigkeit hängt mit der Variablen x zusammen und liegt bei der korrekten Eingabe der Funktionsvorschrift (Abblidung 21). Abbildung 21: Grafische Darstellung der Wahrscheinlichkeit – Fehler bei der Eingabe der Funktion, erstellt mit wxMaxima 75 Bei der Eingabe der Funktion werden für x reelle Zahlen angenommen, jedoch wird das Produkt nur für diskrete x-Werte gebildet. Anhand eines Beispiels wird dieses Problem deutlicher. Beispiel: Das Produkt im Zähler bleibt für π = 2, π = 2.1 oder π = 2.9 immer gleich, nämlich 132 860 (Abbildung 22). Abbildung 22: Produktberechnungen Abbildung 23: Produktberechnungen Im Zähler (365π ) bekommt man für π = 2 den Wert 133 225, jedoch für π = 2.1 bereits ~240 333.9 also einen fast doppelt so großen Wert wie bei π = 2 und für π = 2.9 mehr als das 200 − πππβπ des Wertes bei π = 2. Der Bruch für π = 2.9 ist demnach fast 0 (Abbildung 24), womit der Funktionswert annähernd 1 ist. Abbildung 24: Berechnung vom Quotienten 76 Das erklärt schließlich warum in Abbildung 21 die Funktionswerte zwischen den einzelnen diskreten Zahlen immer größer werden und schließlich gegen π(πΈ) = 1 gehen. Beheben kann man den Fehler indem man für x ebenso diskrete Zahlen im Nenner erzeugt. Anstatt der Variablen x kann floor(x) eingeben werden (365^πππππ(π₯)), was das Abschneiden der Nachkommastellen von x bedingt. Folgende „StufenFunktion“ wird somit erzeugt (Abbildung 25): Abbildung 25: Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gruppengröße n, erstellt mit wxMaxima Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten näherungsweise den Funktionsgraphen zu bestimmen. Eine Darstellung mit GeoGebra könnte für SchülerInnen vielleicht besser geeignet sein. Die gewünschten Wahrscheinlichkeiten, z.B. für π = 5, π = 10, π = 15 usw., kann man in der Tabellenansicht erzeugen. Man erstellt zunächst eine Liste mit den Werten 5, 10, 15, usw. in der Spalte A. Anschließend gibt man folgenden Befehl in B1 ein: 1 − πππππ’ππ‘[ππππ’ππππ[365 − π + 1, π, 1, π΄1]] / 365^π΄1. So erhält man die gewünschten Wahrscheinlichkeitswerte, welche in die AlgebraAnsicht übertragen werden können. Mit einem Polygonzug können die einzelnen Punkte schließlich verbunden werden um die Wahrscheinlichkeit näherungsweise für beliebige n darzustellen. (Die SchülerInnen könnten gegebenenfalls auch mit einem 77 CAS eine Wertetabelle erstellen, diese anschließend ins Geogebra übertragen und so die Funktion mit einem Polygonzug annähern (Abbildung 26 und 27).) Abbildung 26: Berechnung konkreter Wahrscheinlichkeiten Abbildung 27: Wahrscheinlichkeit P(E), näherungsweise dargestellt mit Geogebra 5.1.6 Anleitungen und Arbeitsblätter Abgesehen von einem für SchülerInnen geeigneten Fragebogen, welcher sich zur Einführung des Themas eignet, befinden sich in im Anhang diverse Arbeitsblätter, bzw. Anleitungen (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 3 bis 6). So habe ich eine Anleitung für ein Experiment in Excel mit Arbeitsaufträgen für SchülerInnen ausgearbeitet, sowie ein 78 Arbeitsblatt zur Herleitung einer Berechnungsformel für die Wahrscheinlichkeit P(E) bei n Personen und ein weiteres Arbeitsblatt zur Berechnung einzelner Werte und zur grafischen Darstellung (näherungsweise) mit wxMaxima und Geogebra. Diese Anleitungen sind weitgehend so verfasst, dass die SchülerInnen selbstständig zum Thema arbeiten können, möglicherweise in partnerarbeit oder in kleinen Gruppen. 79 5.2 Das Monty-Hall-Problem Dieses sehr berühmte Wahrscheinlichkeitsrechnung, und das viel auch diskutierte unter Paradoxon der “Drei-Türen-Problem” oder „Ziegenproblem“ bekannt ist, geht auf eine US-amerikanische Spielshow aus den frühen 90er Jahren zurück und ist nach dessen Moderator Monty Hall benannt. Bevor ich mich mit der Aufarbeitung von Unterrichtsmaterialien auseinandersetze, werde ich das Problem zuerst kurz erklären. Danach beschreibe ich Möglichkeiten zur Simulation des Beispiels ohne, bzw. mit Technologie-Einsatz und dem folgt die Herleitung der Berechnungsvorschrift. Arbeitsblätter zum Thema befinden sich im Anhang (siehe 7. Anhang: Arbeitsblätter 11 bis 13). 5.2.1 Das Problem Ein Spieler steht vor der Aufgabe, aus drei Türen eine Tür auszuwählen, wobei nur hinter einer Tür ein Preis zu erwarten ist. Im Falle der Game-Show, war dies ein Auto. Hinter den anderen beiden Türen verbirgt sich jeweils eine Ziege, also kein Gewinn für den Spieler. Hat sich der Kandidat für eine der drei Türen entschieden, wird diese nicht sofort geöffnet. Der Moderator weiß hinter welcher Tür sich der Gewinn befindet. Er öffnete eine der beiden übrigen Türen, hinter der eine Ziege steht und fragte anschließend den Kandidaten, ob er lieber zur dritten Tür wechseln möchte (vgl. Atmaca & Krauss, 2001, S.14ff). Abbildung 28: YouTube-video: The Monty Hall Problem, http://www.youtube.com/watch?v=mhlc7peGlGg 80 Beispiel: Abbildung 28 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Der Kandidat hat sich für Tür 3 entschieden, der Moderator hat Tür 2 geöffnet (weil er wusste, dass dahinter eine Ziege steht) und fragt nun den Spieler, ob er nicht doch lieber Tür 1 wählen möchte. Die wesentliche Frage die sich nun stellt ist, ob es sich für den Kandidaten lohnt, die von ihm zuerst gewählte Tür zu wechseln. Man könnte nun die Annahme treffen, dass es egal sein müsste welche der beiden übrigen Türen man wählt. Da hinter einer Tür eine Ziege und hinter der anderen das Auto steht, muss die Wahrscheinlichkeit den Gewinn zu bekommen für beide Türen gleich groß sein, nämlich 50%. Dass diese Vermutung aber falsch ist, erscheint auf den ersten Blick etwas paradox. Tatsächlich kann man mit einer sehr einfachen Überlegung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit das Auto zu gewinnen bei 66% liegt, wenn man die Tür wechselt. 5.2.2 Einführung und Anwendungen in der Schule Dass sich das „Drei-Türen-Problem“ allgemein als experimenteller Einstieg in das Kapitel der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der 6.Schulstufe eignen kann, dokumentiert Klemisch (1993), wobei er in seinen Unterrichtseinheiten besonders Wert auf die Anwendung von Simulationen gelegt hat. Auf www.youtube.com findet man unter http://www.youtube.com/watch?v=mhlc7peGlGg ein sehr anschauliches Video zum Monty-Hall-Problem (Abbildung 28: Video ca. bei Minute 1:20), welches sich meiner Meinung nach sehr gut für den schulischen Gebrauch eignet. In diesem Video wird in leicht verständlicher, englischer Sprache die Situation geschildert, wobei die visuelle Darstellung zum besseren Verständnis des Problems beiträgt. In voller Länge wird jedoch im Anschluss an die Beschreibung der Sachlage, die Lösung des Problems erläutert. Es wäre nun sinnvoll das Video im Unterricht nur soweit abzuspielen, bis es zur Fragestellung kommt, ob es sich für den Spieler nun lohnt zu wechseln, oder nicht. Der restliche Teil des Videos, sprich die Auflösung der Situation, kann gegebenenfalls im Anschluss an die Erarbeitung im Unterricht nachgeholt werden. Natürlich kann man als Einstieg auch ein vorgefertigtes Arbeitsblatt wählen, womit den SchülerInnen das Problem zu Beginn näher gebracht wird (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 7). 81 Ist den SchülerInnen die Situation verständlich, so kann man die Lernenden im Anschluss mit Experimenten und Simulationen auf verschiedene Art und Weise motivieren, weitgehend selbstständig zur Lösung des Problems zu gelangen. Da dieses Beispiel sehr populär ist, haben sich bereits unzählige Mathematiker und Didaktiker damit beschäftigt, mögliche Lösungswege auszuarbeiten. Im Folgenden habe ich einige dieser Ideen und Anregungen für den Unterricht zusammengefasst und mit eigenen Vorschlägen ergänzt. Im Überblick kann man folgende Schritte resümieren, welche die SchülerInnen der Reihe nach durchführen könnten: 1. Vermutungen anstellen, diese versuchen zu begründen und im Plenum der Klasse diskutieren; 2. Überprüfung der Vermutungen mit Experimenten und Simulationen: „Nachspielen“ der Situation, Versuche mit Zufallsgeräten (z.B. mit Würfeln oder Losen) und schließlich umfangreichere Simulationen mit Computerunterstützung um genauere Ergebnisse zu erlangen; Die Erkenntnisse aus den Simulationen werden verarbeitet und gegebenenfalls die zu Beginn getroffene Annahme revidiert; 3. Tatsächliche Berechnungen durchführen; Der erste Schritt: Die SchülerInnen sollen sich ganz spontan und intuitiv eine Meinung bilden und versuchen diese zu begründen. Vorausgesetzt es gibt unterschiedliche Ansichten, kann sich im Anschluss möglicherweise eine interessante Diskussion ergeben. So können sich zwei Gruppen innerhalb der Klasse bilden: Jene die denken, dass sich durch wechseln ihre Gewinnchance erhöhen würde und auf der anderen Seite die Nicht-Wechsler, die davon überzeugt sind, dass es sich nicht lohnt die Tür zu wechseln. Wollring (1992) konnte in einer von ihm abgehaltenen Unterrichtssequenz feststellen, dass es der Gruppe der Wechsler offensichtlich deutlich schwerer fiel ihre Vermutung zu begründen, obgleich sie sich ihrer Sache doch sehr sicher waren. Erfahrungsgemäß tendieren Personen, die das Problem nicht kennen, eher dazu, dass sie nicht wechseln würden, bzw. zu glauben, dass es keinen Unterschied machen würde, ob man die andere (noch geschlossene) Tür wählt, oder bei der zu Beginn gewählten Tür bleibt. Da hinter einer Tür eine Ziege und hinter der anderen der Gewinn wartet, sollte somit die Gewinnwahrscheinlichkeit für beide Türen mit 50% doch gleich hoch sein. Treffen nun alle SchülerInnen diese Entscheidung, so fällt eine Diskussion 82 an der Stelle wahrscheinlich aus, wird aber spätestens unumgänglich sein, wenn in weiterer Folge mit Experimenten die Annahme der „Nichtwechsler“ wiederlegt wird. 5.2.3 Simulationen ohne Technologieeinsatz Der zweite Schritt: Haben die SchülerInnen nun eine Vermutung getroffen, so können sie sich in weiterer Folge selbst überlegen, wie sie das Spiel am besten simulieren könnten, um der Lösung des Problems näher zu kommen. Dabei bietet sich offensichtlich ein Nachspielen der Situation an, was die SchülerInnen mit großer Wahrscheinlichkeit instinktiv als erstes probieren werden (vgl. Klemisch, 1993, S.10). Man kann den SchülerInnen hierbei natürlich auch einige Hinweise, bzw. Anleitungsschritte vorgeben. Zum Beispiel, dass sie in Partnerarbeit die Situation nachspielen sollen, dass dabei einer den Spieler und einer den Spielleiter simuliert und dass sie separat (jeder für sich) ein Protokoll führen sollen. Wollring (1992) dokumentiert in einem Bericht folgende Simulationsversuche von StudentInnen mit geringen Vorkenntnissen zum Thema: Im ersten Durchgang haben sie versucht, die Situation durch Rollenspiele nachzustellen. Dabei gab es paarweise je einen Spieler und einen Spielleiter. Da sich jene StudentInnen, die den Spieler simulierten, bei den einzelnen Durchläufen zunächst ohne System für Wechseln oder Nicht-Wechseln entschieden, gab es schließlich Probleme beim Auswerten der Ergebnisse, woraufhin sie sich eine verbesserte Strategie überlegten. In einer zweiten Simulationsrunde haben die StudentInnen zwei separate Versuchsreihen durchgeführt (mit jeweils mehr Durchgängen), eine Serie in der nie gewechselt wurde und eine weitere Serie mit Wechsel. Protokolliert wurde nun wie häufig in beiden Fällen ein Gewinn eintrat. In einer dritten Simulationsrunde wurde ein weiteres Mal versucht die Modellannahmen zu verbessern. Um das Erraten möglicher Strategien des Spielleiters beim Setzen des Gewinns durch dessen Mimik und Verhalten zu umgehen, haben die Studenten in weiterer Folge ein neutrales Zufallsgerät für das Setzen der Gewinn-Tür und das Wählen einer Tür durch den Spieler verwendet, beispielsweise Lose oder Würfel. Die paarweise durchgeführten Simulationen wurden schließlich in der Gruppe zu einer gesamten Serie zusammengefasst. Vermutet wurde nach dieser Runde, dass die Wahrscheinlichkeit bei Nicht-Wechseln bei rund einem Drittel liegen sollte und die Gewinnchance für Wechseln wurde auf ½ geschätzt (dass für π(π) = 1 gelten muss war den Studenten zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt). 83 Auch bei einer von Klemisch (1992) durchgeführten Unterrichtssequenz mit SchülerInnen der Sekundarstufe II wurde nach den ersten Versuchen die Situation nachzuspielen schnell die Forderung nach unbeeinflussten Zufallsmechanismen laut. Die SchülerInnen haben letztendlich sehr kreative Wege und Methoden gefunden, immerhin auch mit Computerunterstützung, um zur Lösung des Problems zu gelangen. In wie weit man die SchülerInnen eigenständig ohne Hinweise und Anleitungen arbeiten lässt, kann die Lehrkraft selbst entscheiden. Es könnten den SchülerInnen beispielsweise auch vorgefertigte Protokollbögen ausgeteilt werden (Arbeitsblatt: Versuch zum Drei-Türen-Problem). Abbildung 29: Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt: Versuch zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Word Mit Hilfe eines solchen Bogens könnten zum Beispiel 30 Spiele simuliert werden, indem der Spielleiter Kreuze für das „Auto“ setzt und der Spieler, natürlich ohne dass er die Kreuze des Spielleiters sieht, zufällig eine „Tür“ ankreuzt (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 8). Die Kreuze können aber auch mit einem Zufallsgerät ermittelt werden. Nimmt man beispielsweise einen Würfel, so kann man festlegen (aufgrund der Symmetrieeigenschaft und der gegebenen Gleichwahrscheinlichkeit der möglichen Ergebnisse {1,2,3,4,5,6}), dass bei 1 und 2 das erste Kästchen angekreuzt wird, bei 3 und 4 das Zweite und schließlich bei 5 und 6 das Dritte. Man könnte auch das Setzen des Autos und das Wählen einer Tür mit dem Ziehen aus einer Urne simulieren. Die SchülerInnen ziehen abwechselnd (zuerst der Spielleiter, dann der Spieler) Zettel aus einer Urne, die beispielsweise mit L (links), M (Mitte) und R (Rechts), oder mit 1, 2 und 3 beschriftet sind. Im Anschluss wird gemeinsam überlegt, in welchen Fällen (bei Wechsel oder Nichtwechsel) der Spieler gewonnen, bzw. verloren hätte, wobei in den jeweiligen Spalten auf dem Protokollbogen 1 für „Gewinn“ und 0 für „kein Gewinn“ eingetragen wird. Abschließend sollen die Einser, also die Gewinne, bei „wechseln“ und „nichtwechseln“ in jeder Spalte addiert werden. So können die SchülerInnen nun untereinander vergleichen, welche Strategie für den Spieler günstiger erscheint. 84 Abbildung 30: Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt: Versuch zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Word Beispiel: Ein von mir durchgeführter Versuch ergab, dass in 23 von 30 Spielen der Spieler durch Wechseln gewann (rund 76,6%) und nur in 7 Spielen (23,3%) durch Nicht-Wechseln. 5.2.4 Möglichkeiten zur Simulation mit Computerunterstützung Bereits beim einfachen Nachspielen der Situation kann man mit Hilfe eines Computerprogrammes die Aufgabe des Spielleiters durch ein zufallsgeneriertes System ersetzen. So kann man unter anderem mit Excel die Situation konstruieren. Man gibt zunächst in einem beliebigen Feld (zum Beispiel bei A2) den Befehl = πππΉπ΄πΏπΏππ΅πΈπ πΈπΌπΆπ»(1; 3) ein. Danach kann man sich drei Türen konstruieren, die anzeigen, hinter welcher sich der Gewinn befindet. Indem man bei der ersten „Tür“ = ππΈππ(π΄2 = 1; "πΊππ€πππ"; 0), bei der Zweiten = ππΈππ(π΄2 = 2; "πΊππ€πππ"; 0) und bei der dritten „Tür“ = ππΈππ(π΄2 = 3; "πΊππ€πππ"; 0) eingibt, kann man dies visualisieren. Das Feld mit „Gewinn“ kann eventuell mit einer bedingten Formatierung zusätzlich hervor gehoben werden (Abbildung 31). Mit drücken der F9-Taste können so zahlreiche Spieldurchgänge simuliert werden. 85 Abbildung 31: Simulation des Drei-Türen-Problems, erstellt mit Excel Man kann aber auch gleich eine ganze Liste von verschiedenen Spieldurchgängen erzeugen, wobei die zufällige Position des Gewinns angezeigt wird (Abbildung 32). In der Spalte A (beginne bei A2) möchte man 50 Zufallszahlen zwischen 1 und 3 erzeugen (= πππΉπ΄πΏπΏππ΅πΈπ πΈπΌπΆπ»(1; 3)). Anschließend simuliert man in drei weiteren Spalten die drei Türen mit den Befehlen = ππΈππ(π΄2 = 1; 1; 0) in C2 (vorausgesetzt Spalte B bleibt frei), = ππΈππ(π΄2 = 2; 1; 0) in D2 und = ππΈππ(π΄2 = 3; 1; 0) in E2. Es wird nun mit 1 der Gewinn und mit 0 die Niete angezeigt, wobei auch hier zum Hervorheben der Gewinn-Tür wieder eine bedingte Formatierung angewendet werden kann. Die Ausgabe Tür 1, Tür 3, usw. in Abbildung 25 wurde in Spalte F mit dem Befehl = ππΈππ(πΆ2 = 1; "πüπ 1"; ππΈππ(π·2 = 1; "πüπ 2"; "πüπ 3")) erzeugt. Abbildung 32: Simulation mehrerer Durchgänge des Drei-Türen-Problems, erstellt mit Excel In weiterer Folge kann man auf diese Weise nicht nur das Setzten des Autos, sondern auch die Wahl des Spielers „zufällig“ simulieren. Man braucht hierzu nur die bereits erstellte Tabelle kopieren, wobei die erste Tabelle den Gewinn anzeigt und die zweite 86 Tabelle die Wahl des Spielers. Die SchülerInnen können nun ermitteln wie oft der Spieler durch Wechseln, bzw. Nicht-Wechseln gewinnt und so die Gewinnwahrscheinlichkeiten abschätzen. In Abbildung 33 stehen „1“ und „0“ in den Spalten O und P, für Gewinn (=1) und kein Gewinn (=0). Man erhält die Werte „1“ und „0“ durch folgende Überlegung: Wenn der Spieler nicht wechselt, dann gewinnt er genau dann, wenn er die „Gewinntür“ bereits zu Beginn gewählt hat. In der Spalte F (Abbildung 32) stehen die Gewinnertüren und in Spalte M (Abbildung 33) die vom Spieler gewählte Tür. Stimmen also M und F in einer Zeile überein, heißt das, dass der Spieler die „richtige“ Tür gewählt hat und somit gewinnt, wenn er nicht wechselt. Also wird in R2 folgender Befehl eingegeben: = ππΈππ(πΉ2 = π2; 1; 0). In Q2 dagegen muss der Befehl genau umgekehrt lauten, = ππΈππ(πΉ2 = π2; 0; 1), da der Spieler bei Wechsel nicht gewinnt, wenn er von vorne herein die Gewinntür gewählt hatte. In zwei weiteren Spalten (Q und R) kann man die Anzahl der Gewinne bis zur jeweiligen Runde aufsummieren. Zum Schluss werden die jeweiligen Summen der Gewinne bei Wechseln und bei Nicht-Wechseln miteinander verglichen (hier bei 50 Spielrunden) und auch die prozentuellen Werte ermittelt. Diese geben schlussendlich die Näherungswerte für die Gewinnwahrscheinlichkeiten an. … Abbildung 33: Möglichkeit einer Simulation mit Excel 87 Natürlich bietet sich auch eine grafische Darstellung zur Repräsentation der Simulation an. Hierzu hat man verschiedene Möglichkeiten. In Abbildung 34 werden die Summen der Gewinne bei Wechsel und Nicht-Wechsel in Abhängigkeit der gespielten Runden dargestellt (in diesem Fall 50 Runden). Mit der F9-Taste ist es möglich auf sehr schnellem Weg viele weitere Runden zu simulieren. Auch in den zugehörigen Grafiken werden die Werte entsprechend mit geändert. Die von den SchülerInnen zu Beginn angestellte Vermutung kann so wiederlegt, oder bestätigt werden. Abbildung 35 zeigt eine weitere Möglichkeit zur visuellen Darstellung, wobei sich diese gut zur Abschätzung des Verhältnisses der Gewinnwahrscheinlichkeiten eignet. Abbildung 34: Mögliche grafische Darstellung einer Simulation, erstellt mit Excel Abbildung 35: Grafische Darstellungen von Simulationen zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Excel Eine weitere, für SchülerInnen gut geeignete, Möglichkeit zur Simulation des Problems bietet die folgende Spiel-Simulation im 88 Internet (vgl. Spiel-Simulation zum Ziegenproblem, 2012): Hierbei kann man zuerst wählen ob man selber spielen möchte, oder einfach vom Computer zufallsgenerierte Spieldurchläufe ausführen lassen möchte. Wählt man „selber spielen“ so erscheint die „Tür-Auswahl“. Abbildung 36: Eine Spielsimulation im Internet, http://www.userpages.de/ziegenproblem/ Der Spieler kann wählt eine Tür, worauf sich eine der beiden anderen Türen mit einer Ziege (Z) öffnet. Hat man bei Einstellungen „Spielverlauf anzeigen: Ja“ angegeben, wird nach der „Auswertung“ der gespielten Durchgänge der Spielverlauf genau dokumentiert. Ich habe zufällig Tür 2 gewählt, danach wurde Tür 3 (mit einer Ziege) geöffnet. Ich kann mich nun entscheiden ob ich bei meiner Wahl bleibe oder wechsle. Durch wiederholtes Klicken auf Tür 2 habe ich mich entschlossen nicht zu wechseln mit dem Ergebnis, dass ich keinen Gewinn erhalten habe, da sich dieser hinter Tür 1 verbarg. In der „Auswertung“ unter den abgebildeten Türen wird dokumentiert, bei wie vielen Spielen (nicht) gewechselt wurde, wie viele Spiele insgesamt gemacht wurden und wie oft der Spieler bei der jeweiligen Entscheidung gewonnen, bzw. verloren hat. 89 Abbildung 37: Simulation von 40 Durchläufen des Ziegenproblems Ich habe 40 Spieldurchläufe simuliert, wobei ich 20-mal gewechselt habe und 20-mal nicht die Tür wechselte. Folgende Auswertung lieferte diese Simulation (Abbildung 37): Man kann erkennen, dass bei den 20 Spielen, bei denen die Türen gewechselt wurde, in genau der Hälfte der Fälle ein Gewinn eintrat. Daraus ist noch nicht wirklich gut ersichtlich, dass das Wechseln der Tür eigentlich in 2/3 der Spiele gewinnbringend ist. Erkennbar ist jedoch die Tendenz zum Verlieren beim Nicht-Wechseln. Bei 20 Durchläufen trat immerhin 16-mal kein Gewinn auf. Die Vermutung wird in diesem Fall gestärkt, dass es durchaus sinnvoll sein muss die Tür zu wechseln. Zu Beginn des Abschnitts 5.2.2 Einführung und Anwendungen in der Schule habe ich drei Schritte angeführt, welche beim Erarbeiten des Beispiels der Reihe nach von den SchülerInnen durchgeführt werden können. In Schritt 1 sollen sie lediglich eine Vermutung äußern und versuchen diese in irgendeiner Weise zu begründen. Möglichkeiten für Simulationen und Experimente, die die Lernenden nach und nach näher zur Lösung führen sollen (Schritt 2) wurden zuletzt beschrieben. Es fehlen Erläuterungen von Schritt 3, der tatsächlichen Berechnung des Problems. 5.2.5 In Zur Berechnung der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit diesem Absatz soll geklärt werden, wie man die Berechnung der Gewinnwahrscheinlichkeiten bei Wechsel und Nicht-Wechsel durchführt. Eine relativ 90 einfach zu verstehende Überlegung zeigt schnell, dass man beim „Wechseln“ in 2/3 der Fälle gewinnen wird, also mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 66%. Bei der Wahl der Tür des Kandidaten ist die Gewinnwahrscheinlichkeit gleich 1/3. Die Restwahrscheinlichkeit von 2/3 ist auf die beiden verbleibenden Türen aufgeteilt. Wird nun eine dieser beiden Türen vom Moderator geöffnet, so konzentriert sich die restliche Gewinnwahrscheinlichkeit von 2/3 auf die eine, noch verbleibende Tür. Ein anderer Denkansatz beschäftigt sich mit den möglichen Konstellationen die man mit einem Auto (A) und zwei Ziegen (Z) erzeugen kann. Diese sind gegeben durch ZZA, ZAZ und AZZ (Abbildung 38). Angenommen der Spieler wählt die Tür mit dem Gewinn. In diesem Fall verliert er sicher, wenn er die Tür wechselt. O.b.d.A. geben wir den beiden Ziegen die Nummern 1 und 2. Hat sich der Spieler für jene Tür entschieden hinter der Ziege Nummer 1 steht, so wird der Moderator die Tür mit der 2.Ziege öffnen und der Spieler wird bei Wechsel gewinnen. Auch im Falle, dass sich der Spieler ohne sein Wissen für die 2. Ziege entschieden hat, würde der Spieler durch einen Wechsel der Tür gewinnen, da der Moderator ihm die Tür mit der 1. Ziege geöffnet hat. Bei zwei von drei möglichen (gleichwahrscheinlichen) Spielabläufen, würde der Spieler also 2 3 durch wechseln der Tür gewinnen. Die Gewinnwahrscheinlichkeit liegt also bei . Diese Überlegung geht auf die Laplace-Annahme zurück, bei der die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses durch den Quotienten πΊüππ π‘πππ πΉäπππ πöππππβπ πΉäπππ 91 berechnet wird. Abbildung 38: Mögliche Konstellationen beim Ziegenproblem, Atmaca & Krauss, 2001, S. 18 Eine Möglichkeit SchülerInnen zur Lösung des Problems zu führen wird in Arbeitsblatt 10: Das Drei-Türen-Problem – Ein möglicher Weg zur Lösung beschrieben (siehe 7. Anhang). Die SchülerInnen sollen in einer Tabelle alle möglichen Spielabläufe beschreiben, unter der Voraussetzung, dass der Spieler die Tür wechselt. Anschließend sollen sie sich überlegen, in wie vielen Fällen die Entscheidung richtig ist, also zum Gewinn führt, bzw. falsch ist. Die Wahrscheinlichkeit für „Gewinn bei 6 2 Wechsel“ sollte mit Hilfe dieses Arbeitsblattes mit 9, also 3, abgeschätzt werden können. 5.2.6 Arbeitsblätter In dem folgenden Abschnitt habe ich einige Materialien für den Unterricht zusammengestellt. Das Arbeitsblatt 7: Das Drei-Türen-Problem ist als Einstieg zum Thema gedacht. Das Spiel wird erklärt und die SchülerInnen sind angehalten ihre Vermutung erst intuitiv und spontan zu äußern. Anschließend sollen sie versuchen diese (eventuell in einer Gruppendiskussion) zu begründen, bevor die SchülerInnen 92 aktiv an die Erarbeitung mit Versuchen und Simulationen herangehen sollen (Arbeitsblatt 9). Dazu werden sie angeregt, die Situation durch nachspielen zu simulieren, die Ergebnisse zu protokollieren und anschließend auszuwerten. Hierzu kann Arbeitsblatt 8: Protokoll zum Drei-Türen-Problem hilfreich sein. In der vorgefertigten Liste können (gegebenenfalls auch mit Hilfe von neutralen Zufallsgeräten) zufällige Kreuze gemacht werden für die Tür mit dem Gewinn und für die Wahl des Spielers. Danach sollen sich die SchülerInnen eintragen, ob der Spieler bei Wechsel oder bei Nicht-Wechsel gewonnen hat. Mit einem solchen Protokollbogen können 30 Spielrunden simuliert werden (z.B. in Partnerarbeit), wobei anschließend die Ergebnisse der gesamten Klasse zu einem Näherungswert für die Gewinnwahrscheinlichkeiten zusammengefasst werden könnten. Eine Hilfestellung zur Lösung des Problems gibt Arbeitsblatt 10: Das Drei-Türen-Problem – Ein möglicher Lösungsweg. Die SchülerInnen können in einer Tabelle alle möglichen Spielabläufe bei Wechsel eintragen, wobei sie unterscheiden müssen, in welchen Fällen die Entscheidung zu wechseln richtig, bzw. falsch war. Die Gewinnwahrscheinlichkeit bei Wechsel kann so mittels πΊüππ π‘πππ πΉäπππ πöππππβπ πΉäπππ berechnet werden (die Bezeichnung „Laplace- Wahrscheinlichkeit“ muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeführt werden). 93 5.3 Das Frauenversteher-Spiel Nach den beiden vorangegangenen, sehr berühmten Paradoxa der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Das Geburtstagsparadoxon; Das Monty-Hall-Problem), ist das sogenannte „Frauenversteher-Spiel“ ein weniger bekanntes Beispiel, wenngleich nicht weniger interessant. Es handelt sich dabei nicht um ein Paradoxon, vielmehr geht es um ein Problem, das der Spieltheorie zugeordnet werden kann. Bevor eine genauere Beschreibung der Situation folgt, möchte ich kurz erläutern, was man unter Spieltheorie versteht. Da ich nur einen kleinen Einblick geben möchte, werden dabei einige Fachbegriffe erwähnt, auf die nicht näher eingegangen wird. Allerdings sind in diesen Fällen Quellenangaben zum Nachlesen hinzugefügt. 5.3.1 Kurze Erklärung zur Spieltheorie Definition: „Die Spieltheorie ist eine mathematische Methode, die das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen ableitet, in denen der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von den Aktionen anderer abhängt. Der Begriff „Spieltheorie” beruht darauf, dass am Gesellschaftsspielen Anfang wie der mathematischen Schach, Mühle, Spieltheorie Dame etc. den große Aufmerksamkeit gewidmet wurde.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2012a) Die Spieltheorie ist ein Wissenschaftsgebiet, welches in seinen Anfängen mitunter von Bernoulli, Bertrand, Cournot und Edgeworth behandelt wurde. Der Grundstein jedoch wurde von John von Neumann 1928 gelegt. Seit 1944, dem Jahr der Erscheinung des Buches „Games and Economic Behavior“ von Neumann und Oskar Morgenstern, hat sich diese mathematische Disziplin stetig weiter entwickelt. Anzumerken ist, dass es sich hierbei nicht um die Untersuchung von „Spielen“ im eigentlichen Sinn handelt, die behandelten Situationen werden lediglich als „Spiele“ simuliert. So sind beispielsweise beim „Cournot-Duopol“11 die Spieler Firmen und ihre jeweilige Handlungsoptionen sind ihre Angebotsmengen (vgl. Wikipedia, 2012). Man unterscheidet zwischen der nichtkooperativen Spieltheorie und der kooperativen Spieltheorie, wobei bei letzterer den Spielern keine Strategie oder Anwendung zur Verfügung steht, wodurch Vorteile erzielt 11 Ein bekanntes Problem aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften, bzw. der Spieltheorie; u.a. nachzulesen unter: http://www.mathematik.de/spudema/spudema_beitraege/beitraege/ kuhlenschmidt/cournot.htm (2012-08-07) oder www.wikipedia.com 94 werden können. Wissenschaftliche Anwendung findet die Spieltheorie vor allem im Operations-Research12, in den Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, in der Politikwissenschaft, in der Soziologie, in der Psychologie, in der Informatik und seit den 1980ern auch in der Biologie (vgl. Wikipedia, 2012). Im Prinzip ist es Aufgabe dieser Disziplin, Strategien zu entwickeln, z.B. um bessere Gewinne zu erwirtschaften, möglichst optimale wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen, etc… Zur Beschreibung eines „Spiels“ wird eine Auszahlungsfunktion bestimmt, die jedem Spielausgang einen Auszahlungsvektor zuordnet, wodurch festgelegt wird, wie viel ein Spieler bei einem bestimmten Spielausgang gewinnt. Ein Beispiel für ein Modell der Spieltheorie ist das sogenannte Null-Summen-Spiel, das dadurch charakterisiert ist, dass ein Spieler genauso viel gewinnt wie der jeweilige Gegenspieler verliert. Der dadurch entstehende Interessenskonflikt bedingt, dass eine Kooperation zwischen den Spielern ausgeschlossen wird. Der Nachteil besteht darin, dass die Theorie von NullSummen-Spielen nicht sehr gut auf ökonomische Situationen anwendbar ist, da die Annahme (gleicher Gewinn wie Verlust) viel zu speziell ist (vgl. Berninghaus et al., 2006). Eines der wohl bekanntesten Konzepte der Spieltheorie ist das NashGleichgewicht13, welches ich im Zuge dieser Arbeit nicht näher erläutern werde. 5.3.2 Beschreibung des Spiels Das Spiel Von 1995 bis 1997 lief auf dem amerikanischen Musiksender MTV einen Dating-Show, das „Singled Out Game“. In dieser Sendung kämpften 50 Männer um die Gunst einer Frau. Von Runde zu Runde schieden immer wieder Kandidaten aus, bis schlussendlich nur noch drei Kandidaten übrig blieben. Die Moderatorin stellte nun der Frau verschiedene Fragen, die sie nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten konnte. Bevor sie aber ihre Antwort preisgab, mussten die drei Männer nacheinander ihre Vermutung über die Antwort der Frau äußern. Wer richtig lag, bekam einen Punkt, andernfalls gingen die Kandidaten leer aus. Gewonnen hatte letztendlich derjenige, der als erster 5 Punkte erreichte (vgl. Pöppe, 2005). Vereinfachte Annahme und Fragestellung Bei der Bearbeitung des Problems beschränken wir uns der Einfachheit halber auf zwei Kandidaten, A und B. Es stellt sich die Frage, ob einer der beiden Kandidaten „Die Zielsetzung des OR ist die Entwicklung und der Einsatz von mathematischen Verfahren zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2012b) 13 „Im Nash-Gleichgewicht verhalten sich alle Spieler (Wirtschaftssubjekte) optimal bei gegebenen Aktionen der anderen Spieler.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2012c) 12 95 möglicherweise einen Vorteil gegenüber dem anderen hat, bzw. ob es eine Strategie gibt, die einem der beiden einen entscheidenden Vorteil verschaffen kann und somit dessen Gewinnwahrscheinlichkeit gesteigert wird. Die Antwort ist Ja, aber wer hat nun einen Vorteil und warum? Geht man davon aus, dass A beginnt, so kann man den Ablauf beim Beantworten einer Frage wie folgt beschreiben: A bleibt nichts anderes übrig als zu raten, wobei B drei Möglichkeiten hat. Entweder er kopiert A, was irgendwann zum Gleichstand führt (dann entscheidet das Los), er sagt immer das Gegenteil, oder er wählt seine Antwort ebenfalls zufällig. In allen Fällen ist auch seine Gewinnchance lediglich 50%. Die Strategie B kann tatsächlich durch eine bestimmte strategische Vorgehensweise seine Gewinnwahrscheinlichkeit steigern. Die Strategie, welche ihm den entscheidenden Vorteil gegenüber A verschafft, stützt sich darauf, dass B die Antwort von A kennt. Wenn er ihm nun permanent widerspricht, solange bis er im Laufe des Spieles zufällig einmal einen Vorsprung von einem Punkt erreicht, kann er ab diesem Zeitpunkt die Antworten von A einfach kopieren. Somit erreicht er mit Sicherheit als Erster fünf Punkte und gewinnt. 5.3.3 Berechnung der Gewinnwahrscheinlichkeit Zu berechnen ist die Wahrscheinlichkeit, dass B nach n-Fragen einen Punkt vor A liegt. Abbildung 39 zeigt ein Gitter, in dem jeder Koordinatenpunkt für einen bestimmten Spielstand steht. Z.B. bedeutet der Punkt (2|3), dass A zwei Punkte hat und B drei. Ein Pfeil in x-Richtung bedeutet einen Punkt für A, ein Schritt in y-Richtung ein Punkt für B. Die Pfeile stellen also dar, wer von den beiden Spielern einen Punkt macht, wobei die Wahrscheinlichkeiten für A macht einen Punkt, bzw. B macht einen Punkt, jeweils mit 1 2 gegeben sind. Die roten Punkte sind jene, bei denen Spieler B um einen Punkt voraus ist, womit er schließlich (mit seiner Strategie) mit Sicherheit gewinnen wird. Die Spielstände (A:B) lauten zu diesen Zeitpunkten 0:1, 1:2, 2:3, 3:4 oder 4:5 wobei B schließlich mit 0:5, 1:5, 2:5, 3:5 oder 4:5 gewinnen würde. Die Diagonale (blau gepunktet) bedeutet Gleichstand. Für die Berechnung der Gewinnwahrscheinlichkeit für B muss man nun alle möglichen Wege in diesem Gitterraster in Betracht ziehen, die zu den jeweiligen roten Punkten führen. Beachten muss man dabei, dass man entlang eines solchen Weges (vor dem zu erreichenden roten Punkt) zuvor noch keine anderen roten Punkte durchlaufen darf. 96 Abbildung 39: (Einziger) möglicher Weg zum Punkt (1 | 2) Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 2 erreicht B bereits bei der ersten Frage einen Punkt Vorsprung und gewinnt. Der zweite rote Punkt (bei (1|2)) in Abbildung 39 bedeutet einen Punkt Vorsprung nach der dritten Frage. Dies erreicht B schließlich auf dem „blauen Weg“, das heißt er beantwortet die erste Frage falsch, die zweite und die dritte jedoch richtig. Dies tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 1 1 β β 2 2 2 1 = 8 ein. Zum dritten roten Punkt gelangt B nach 5 Fragen auf zwei verschiedenen Wegen. Mit der Antwortreihenfolge F-F-R-R-R und F-R-F-R-R (wobei F für falsche Antwort und R für richtige Antwort steht) erreicht er so einen Punkt Vorsprung. In Abbildung 40 sind die beiden Wege grün markiert. Die Wahrscheinlichkeit berechnet sich also mit 1 1 1 1 1 β β β β 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 + β β β β = 1 32 + 1 32 =2β 1 . 32 Abbildung 40: Mögliche Wege zu (2,3) 97 Da man zum vierten roten Punkt mit 7 Fragen und auf 5 verschiedenen Wegen kommt, 1 7 kann man die Wahrscheinlichkeit mit 5 β (2) berechnen. Vielleicht etwas schwieriger abzuzählen sind die möglichen Wege, die zum 5. roten Punkt führen. Es sind 14 1 9 Möglichkeiten und jeder Weg hat die Wahrscheinlichkeit (2) bei neun gestellten Fragen. In Summe ergibt sich Folgendes: Kandidat B kann bei der 1., der 3., der 5., der 7., oder der 9. Frage zum ersten Mal einen Punkt voraus sein, wenn man bedenkt, dass maximal 5 Punkte erreicht werden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass B im Laufe des Spiels einen Punkt Vorsprung erreicht, ergibt sich aus der Summe Wahrscheinlichkeiten für die Spielstände 0:1, 1:2, 2:3, 3:4 und 4:5: π΅1 … 1 ππ’πππ‘ ππππ πππ’ππ πππβ πππ 1. πΉππππ − πππ ππ’πππ‘ πüπ π΅ π΅3 … 1 ππ’πππ‘ ππππ πππ’ππ πππβ πππ 3. πΉππππ − π§π€ππ ππ’πππ‘π πüπ π΅ π΅5 … 1 ππ’πππ‘ ππππ πππ’ππ πππβ πππ 5. πΉππππ − ππππ ππ’πππ‘π πüπ π΅ π΅7 … 1 ππ’πππ‘ ππππ πππ’ππ πππβ πππ 7. πΉππππ − π£πππ ππ’πππ‘π πüπ π΅ π΅9 … 1 ππ’πππ‘ ππππ πππ’ππ πππβ πππ 9. πΉππππ − πüππ ππ’πππ‘π πüπ π΅ π(π΅ πππ€ππππ‘) = π(π΅1 ) + π(π΅3 ) + π(π΅5 ) + π(π΅7 ) + π(π΅9 ) 1 1 3 1 5 1 7 1 9 193 = + ( ) + 2 β ( ) + 5 β ( ) + 14 β ( ) = ≈ 0,7539 … 2 2 2 2 2 256 Tatsächlich erreicht Kandidat B mit seiner Strategie eine Gewinnwahrscheinlichkeit von rund 75,4%. Demnach ist 193 π(π΄ πππ€ππππ‘) = 1 − π(π΅ πππ€ππππ‘) = 1 − 256 ≈ 0,246 … also rund 24,6%. Eine kurze Anmerkung zum Spiel mit drei Kandidaten A, B und C: Wäre nun ein weiterer dritter Kandidat C im Spiel, so kann man nachweisen, dass dieser den größten Vorteil hat, da er beide Antworten seiner Kollegen kennt. Dieser ist jedoch nur sehr gering und auch nur unter bestimmten Umständen realisierbar. Prinzipiell kann man zeigen, dass auch jener Kandidat mit der Minderheitsmeinung einen Vorteil hat. Während dieser durch richtiges Beantworten einer Frage einen Punkt Vorsprung gegenüber seinen beiden Konkurrenten erreicht, müssen diese immer noch gegeneinander kämpfen. Für Kandidat B ist es (unabhängig von der Antwort von C) immer von Vorteil A zu wiedersprechen, C wiederum sollte A zustimmen. Um die Gewinnwahrscheinlichkeiten zu ermitteln, müssen die verschiedenen Möglichkeiten 98 von einem Computer ausgezählt werden. Da die Aufgabe somit durchaus komplexer wird, werde ich im Rahmen dieser Arbeit nicht näher darauf eingehen (vgl. Pöppe, 2005). 5.3.4 Anwendungen in der Schule Anbieten würde sich die Behandlung des Beispiels in höheren Schulen mit wirtschaftlichem Schwerpunkt, in Handelsakademien oder auch im WPG Mathematik. Auch eine Fächerübergreifende Auseinandersetzung, beispielsweise eine Projektarbeit in den Fächern Mathematik und Wirtschaftskunde, könnte ich mir in diesem Zusammenhang durchaus gut vorstellen. Immerhin handelt es sich um ein Beispiel der Spieltheorie, welche gerade für die Wirtschaftswissenschaften von Bedeutung ist. Des Weiteren kann man anhand dieses Beispiels zusätzlich erklären was ein sogenannter Random-Walk (Irrfahrt), als Beispiel eines stochastischen Prozesses, ist (siehe 5.3.6 Weiterführung und Ausblick). Prinzipiell ist es sinnvoll, wenn den SchülerInnen bewusst gemacht wird, dass es in vielen Situationen bestimmte Strategien gibt, die zur Gewinnsteigerung beitragen. Gerade auch im Wirtschaftssektor ist dies der Fall und es ist daher wichtig, solche Strategien zu entwickeln und zu erforschen. Naheliegend ist natürlich, dass man die SchülerInnen das Frauenversteher-Spiel zuerst durch Nachspielen selbst simulieren lässt, ganz ohne Strategie. Dies kann auf verschiedene Art und Weise geschehen, beispielsweise als Rollenspiel vor der Klasse. Man wählt drei freiwillige SchülerInnen, die die Rollen der befragten Frau und der zwei Kandidaten übernehmen. Der Moderator kann vom Lehrer oder der Lehrerin gespielt werden. Dieser oder diese kann sich hierzu gegebenenfalls wirklich adäquate Fragen überlegen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass jene Schülerin, die die Frau spielt, zuerst „Ja“ oder „Nein“ versteckt auf die Tafel schreibt, bevor die beiden Kandidaten antworten. Das Spiel kann aber auch von allen SchülerInnen gleichzeitig simuliert werden, jeweils in dreier, oder vierer Gruppen (falls der Moderator auch gespielt wird). Der Arbeitsauftrag lautet, sie sollen das Spiel 5-mal durchspielen und die Spielverläufe dokumentieren (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 11). Wichtig ist der Hinweis, dass bei den beiden Kandidaten, die die Antwort erraten müssen, immer derselbe beginnen muss. Die Antworten der „Frau“ können gegebenenfalls auch mit einem Zufallsgenerator erzeugt werden. In GeoGebra kann man zu diesem Zweck eine Liste mit den Elementen „Ja“ und „Nein“ erstellen (πΏππ π‘π1 = {“π½π“, “ππππ“}) und anschließend in der Tabellenansicht mit = 99 ππ’πäππππππ πΈππππππ‘[ πΏππ π‘π1 ] eine Liste mit zufälligen Antworten erzeugen. Bei diesen Simulationen sollen sich die Lernenden überlegen, ob beide Kandidaten die gleiche Gewinnchance haben, oder ob vielleicht doch ein Kandidat einen Vorteil hat. Im besten Fall kommen die SchülerInnen selbst zur Erkenntnis, dass sobald der 2. Spieler vor dem 1. Spieler liegt, er diesen nur mehr kopieren muss, um sicher zu gewinnen. Dies kann gegebenenfalls in einer anschließenden Gruppendiskussion besprochen werden. Hat man somit gemeinsam mit den SchülerInnen die Strategie erarbeitet, so könnte man erst Vermutungen anstellen, um wie viel sich die Gewinnchance von B durch die besagte Strategie verbessert, bzw. wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist. Diese Annahmen könnten anschließend in weiteren Versuchen überprüft werden. So könnten die SchülerInnen erneut 5-mal das Spiel durchlaufen, diesmal mit Strategie und ihre Ergebnisse hinterher in der Klasse vergleichen. Eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der vermuteten Gewinnwahrscheinlichkeit ist eine Simulation mit Computerunterstützung, z.B. mit GeoGebra oder Excel. Ob man das Erstellen der Spielsituation gemeinsam mit den SchülerInnen erarbeitet, kann die Lehrperson entscheiden. Gegebenenfalls kann auch eine vorgefertigte Datei den SchülerInnen vorgelegt werden, diese führen lediglich Simulationen (mit F9) durch und notieren sich dabei wer gewinnt (A oder B). Daraus können sich die Lernenden bei einer großen Anzahl an Spieldurchläufen (z.B. 100) die Gewinnwahrscheinlichkeiten für A und B über relative Häufigkeiten berechnen. 5.3.5 Simulation mit GeoGebra Man simuliert das Beispiel am besten zweidimensional. Die Punkte im Koordinatensystem geben den jeweiligen Spielsand an, wobei in Richtung der x-Achse die Punkte für A und in Richtung der y-Achse die Punkte für B eingetragen werden. So bedeutet der Punkt (3 | 4), dass A drei Punkte hat und B vier. Man muss also alle Punkte im Quadrat von (0 | 0) bis (5 | 5) erzeugen (insgesamt 6 β 6 also 36 Punkte), was sich einfach über die Tabellenansicht realisieren lässt (Abbildung 36: Spalte A und B). Der Vektor (10) bedeutet, dass A einen Punkt macht, (01) bedeutet, dass B einen Punkt bekommt. In der diagonalen Linie befinden sich genau jene Spielstände, wo Gleichstand herrscht. Der Bereich unter der Diagonale bedeuten, dass A führt, wogegen das dreieckige Feld oberhalb der Diagonale ein Vorsprung für B anzeigt. Man möchte nun einen „Weg“ ausgehend von (0 | 0) simulieren, womit ein zufälliger Spielverlauf beschrieben wird (Abbildung 41). 100 Abbildung 41: Das Frauenversteher-Spiel - Simulation eines zufälligen Spielverlaufs Dazu habe ich zuerst eine Liste mit den Elementen {(0 , 1), (1 , 0)} erstellt (Befehl: πΏππ π‘π1 = {(0,1), (1,0)}). Folglich habe ich in der Tabellenansicht eine Spalte mit zufälligen Elementen aus Liste1 erstellt. Diese gibt an, welcher Kandidat der Reihe nach einen Punkt gemacht hat, in Abbildung 42 ist dies Spalte C. In einer weiteren Spalte (D) werden die Punkte der Reihe nach addiert. In D2 steht somit die Summe von C1 und C2. In D3 soll die Summe von D2 und C3 stehen, usw… Die Spalte D repräsentiert also den Weg des Spielverlaufes. Um die einzelnen Schritte mit Vektoren darzustellen, gibt man in einer weiteren Spalte (E) mit dem Befehl Vektor[ <Anfangspunkt>, <Endpunkt> ] die einzelnen Verbindungsvektoren ein. 101 Abbildung 42: Tabelle für eine Simulation des Frauenversteher-Spiels Maximal wird in 10 Schritten der Punkt (5 | 5) erreicht, jedoch kann das Spiel bereits nach 5 Schritten zu Ende sein, nämlich dann, wenn ein Spieler immer die richtige Antwort gibt. Mit einigen zusätzlichen Eingaben kann man erreichen, dass die Vektoren (vom 6. bis zum 10.) nur dann angezeigt werden, falls die beiden Koordinaten der Punkte die erreicht werden, nicht größer als 5 sind. Dies funktioniert, indem man bei Eigenschaften – Erweitert im Feld Bedingung, um Objekt anzuzeigen angibt, dass der Vektor nur gezeigt werden soll, falls die x-Koordinate und die y-Koordinate des vorherigen Punktes kleiner sind als 5. Interessant im Verlauf eines solchen Weges ist nun, wenn das erste Mal ein Punkt erreicht wird, wo B einen Vorsprung erlangt. Das sind die Spielstände 0:1, 1:2, 2:3, 3:4 oder 4:5. In Abbildung 34 sind diese verstärkt hervorgehoben. Diese Simulation kann eventuell auch von der Lehrperson vorgefertigt werden. Die SchülerInnen können somit (mit F9) z.B. 100 Spieldurchläufe erzeugen und dabei beobachten, ob einer der Punkte (0 | 1), (1 | 2), (2 | 3), (3 | 4) oder (4 | 5) erreicht wurde, was bedingt durch die Strategie, Sieg für B bedeutet. In meinen Versuch von 100 Durchgängen habe ich 28 Siege für A und 72 Siege für B erhalten, was einen Näherungswert der Gewinnwahrscheinlichkeit für B von 72% ergibt. Um mit den Lernenden die Berechnung der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit herzuleiten, müssen sie erst begreifen, in welchen Fällen B gewinnt (genau dann, 102 wenn der Weg des Spielverlaufes einen der Punkte (0 | 1), (1 | 2), (2 | 3), (3 | 4) oder (4 | 5) berührt). Man muss also alle Wege die zu diesen Punkten führen ermitteln, ihre Wahrscheinlichkeit bestimmen und diese anschließend addieren. Hierzu habe ich ein Arbeitsblatt erstellt (siehe 7. Anhang: Arbeitsblatt 13), womit die SchülerInnen die Anzahl der möglichen Wege zu den jeweiligen Punkten leichter ermitteln können. Bleibt nur noch die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Wege und deren Aufsummierung. 5.3.6 Weiterführung und Ausblick Im Anschluss an die Bearbeitung dieses Beispiels könnte man noch weitere Definitionen in diesem Zusammenhang einführen, oder zumindest kurz erwähnen. Zum Beispiel der Begriff „Random-Walk“ als Anwendung eines Stochastischen Prozesses, welcher besonders wegen seinem anwendungstheoretischen Charakter in vielen Wissenschaftsgebieten erwähnenswert ist. Ein stochastischer Prozess ist im Prinzip eine Folge von Zufallsvariablen ππ‘ , wobei jedem Zeitpunkt π‘ eine Zufallsvariable zugeordnet wird (vgl. Schlittgen & Streitberg, 2001). Bei einem Random-Walk handelt es sich um eine sogenannte Irrfahrt, eine Zufallsbewegung mit der wesentlichen Eigenschaft, dass die einzelnen Schritte zwar abhängig von der vorherigen Position sind, jedoch unabhängig von den vorherigen Schritten verlaufen. Das bedeutet, dass zuvor bereits belegte „Plätze“ nochmals belegt werden können und die Wege sich immer wieder kreuzen können. Eine sehr einfache Vorstellung beschreibt einen Random Walk: Man startet bei einem beliebigen Anfangspunkt x0 und geht in eine beliebige Richtung mit einer zufälligen Schrittweite dx. Die Frage, die sich anschließend stellt ist, wie weit man nach π Schritten kommt (vgl. Sutmann, 2012). Sehr häufig angewandt werden Random-Walks in der Physik, z.B. bei der Diffusion von Partikeln in Flüssigkeiten und Festkörpern oder bei der Modellierung von chemischen Reaktionen. Aber auch in anderen Wissenschaftsgebieten, z.B. in der Biologie (DNA-Sequenzen, Genetische Evolution) oder der Finanzmathematik (zur Modellierung von Finanzkursen), etc…, kommen Random Walks zur Anwendung. Unter bestimmten gegebenen Voraussetzungen (z.B. dass der Ausgangspunkt in unserem Fall bei (0 | 0) vorgegeben ist, die Bewegung nur in zwei Richtungen verlaufen kann, nämlich nach oben und nach rechts und die einzelnen Schritte die gleiche Länge haben) handelt es sich bei der Simulation des Frauenversteher-Spiels genau um eine solche Zufallsbewegung. 103 Simulieren lassen sich derartige Irrfahrten allgemein auch mit den Programmen GeoGebra und Excel, was sich durchaus auch für den schulischen Gebrauch in höheren Schulstufen (eventuell im Zuge von Projektarbeiten oder fächerübergreifend) eignet. Abbildung 43 zeigt eine Simulation einer Zufallsbewegung mit GeoGebra. Dabei wurden die möglichen Richtungen mit (0,1), (1,0), (-1,0) und (0,-1) eingegeben und diese anschließend 100-mal zufällig hintereinander ausgeführt (Spalte B). Mit Strecke[ <Punkt>, <Punkt> ] wurden die jeweiligen Positionen miteinander verbunden (Spalte C). Abbildung 43: Random Walk, erstellt mit GeoGebra Eine Simulation in Excel kann wie folgt aussehen (Abbildung 44): In den Spalten A und B werden Zufallszahlen aus {−1, 0, 1} eingegeben. (π΄1 | π΅1) beschreibt also die Richtung der ersten Bewegung. In diesem Beispiel sind neben den vier Bewegungen Oben – Unten – Links – Rechts auch die vier Kombinationen (1,1), (-1,1), (1,-1) und (1,-1), in diagonaler Richtung möglich. In zwei weiteren Spalten kann man die einzelnen Bewegungen aufsummieren und so die Positionen der Zufallsbewegung nach dem π − π‘ππ Schritt angeben. Diese kann man schließlich in eine Grafik übertragen. 104 Abbildung 44: Random Walk, erstellt mit Excel 5.3.7 Arbeitsblätter und Spielvorlage Die zum Frauenversteher-Spiel zusammengestellten Arbeitsblätter, die sich im Anhang befinden, dienen zum einen zur Simulation des Spiels und zum anderen zur Herleitung der Berechnungsvorschrift. Beim Arbeitsblatt 11: Protokoll zum Frauenversteher-Spiel können die SchülerInnen dokumentieren, wie ihre Simulationen (ohne Computereinsatz) verlaufen sind. Dazu sind fünf Tabellen gegeben, in denen die Spielstände eingetragen werden können. Zusätzlich kann auch das zweite Arbeitsblatt: Spielvorlage zum Frauenversteher-Spiel verwendet werden. Man benötigt für dieses Spiel zwei Kegel, die auf den Feldern positioniert werden und je nach Punktestand ein Feld weiter rücken können. Außerdem ist in der Spielanleitung von einer vorgefertigten Liste mit Zufallsantworten („Ja“, „Nein“) die Rede. Diese kann von der Lehrperson erstellt und ausgeteilt werden, oder die SchülerInnen erstellen sich selbst eine solche Liste. Arbeitsblatt 13: Das Frauenversteher-Spiel – Herleitung der Berechnungsvorschrift besteht aus zwei Teilen. Auf der ersten Seite sollen die SchülerInnen ermitteln wie viele Wege es zu den, für Kandidat B „günstigen“, Punkten gibt (die Sieg für B bedeuten). Dazu habe ich das quadratische Raster aller möglichen Spielstände vorgegeben und die SchülerInnen sollen jeweils die möglichen Wege einzeichnen. Das soll das abzählen der Möglichkeiten erleichtern. Auf der zweiten Seite sollen die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Wege ermittelt werden, bevor die endgültige Gewinnwahrscheinlichkeit für B, über die Summe der Wahrscheinlichkeiten aller günstigen Wege addiert wird. 105 Von einer, für SchülerInnen geeigneten, Anleitung zur selbstständigen Erarbeitung einer Simulation des Spiels mit GeoGebra habe ich abgesehen, da ich der Meinung bin, dass dies die Lernenden überfordert. Ich denke, dass es möglicherweise sinnvoller ist, die Bearbeitung mit GeoGebra gemeinsam mit den SchülerInnen auszuarbeiten. 106 6. Zusammenfassung und Ausblick Während dem Schreiben dieser Arbeit und dem Entwickeln der Unterrichtsmaterialien, ist mir deutlich Bewusst geworden, dass die Thematik der Wahrscheinlichkeitsrechnung oft sehr schwierig und kompliziert sein kann. Umso wichtiger erscheint es, sich als Lehrperson gründlich mit diesem Kapitel auseinander zu setzten, bevor man Stochastik unterrichtet. Junge Lehrer und Lehrerinnen, die zum ersten Mal Bereiche der Wahrscheinlichkeitsrechnung für den Unterricht aufarbeiten, sollten über die Problematik die sich bei der Begriffsbildung ergibt, informiert sein und sich sorgfältig mit den verschiedenen Konzeptionen zur Einführung im schulischen Kontext beschäftigen. Meiner Meinung nach bieten bestimmte Paradoxa eine gute Möglichkeit, die Motivation und das Interesse von SchülerInnen zu steigen. Häufig ergeben sich nämlich bei solchen Aufgaben Ergebnisse, mit denen die Lernenden nicht rechnen. Daher habe ich in dieser Diplomarbeit versucht, solche Beispiele für den Unterricht aufzuarbeiten. Die Auswahl der Beispiele habe ich nach folgender Überlegung getroffen: Das erste Beispiel, das Geburtstagsparadoxon, ist ein Beispiel welches einen gewissen Bezug zur Realität aufweist und sich mit SchülerInnen gut aufarbeiten lässt. Das Ziegenproblem habe ich ausgewählt, weil es eines der wohl bekanntesten Probleme der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. Das dritte Beispiel, das Frauenversteherspiel, ist eine Aufgabe die auch der Spieltheorie zuzuordnen werden kann und ist im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung wohl eher nicht so bekannt. Dabei geht es darum, eine Strategie zu entwickeln um eine Gewinnwahrscheinlichkeit zu steigern. Diese Aufgabe lässt sich gut mit wirtschaftstheoretischen Überlegungen und Anwendungen ergänzen. Besonders wichtig ist mir der Einbezug von Computerprogrammen, da die Bedeutung von Technologieeinsatz auch für den Unterricht immer größer wird. Die SchülerInnen können im Unterricht beispielsweise mit einem geeigneten Computerprogramm selbstständig Simulationen zu diversen Aufgaben durchführen und Anschließend die so erhaltenen Ergebnisse mittels Rechnung überprüfen. 107 Die von mir ausgearbeiteten Vorschläge zu den drei Aufgaben, sollen aber auch Anregungen für das Erarbeiten weiterer wahrscheinlichkeitstheoretischer Beispiele geben und Vorteile aufzeigen, die sich durch Computersimulationen ergeben. Für meine zukünftige Berufliche Tätigkeit hat mir die Auseinandersetzung mit diesem Thema viele wertvolle Erkenntnisse gebracht, beispielsweise, dass es für die Unterrichtsplanung wichtig sein kann, über vorherrschende Schülervorstellungen zum Begriff Wahrscheinlichkeit Bescheid zu wissen um so falsch eingelernte Vorstellungen im Stochastikunterricht gezielt korrigieren zu können. 108 7. Anhang Arbeitsblatt 1: Geometrische Wahrscheinlichkeit – Approximation von π Arbeitsblatt 2: Approximation von π – Eine Simulation mit GeoGebra Arbeitsblatt 3: Fragebogen zum Geburtstagsparadoxon Arbeitsblatt 4: Das Geburtstagsparadoxon – Ein Experiment mit Excel Arbeitsblatt 5: Das Geburtstagsparadoxon – Herleitung einer Berechnungsformel Arbeitsblatt 6: Das Geburtstagsparadoxon – wxMaxima und GeoGebra Arbeitsblatt 7: Das Drei-Türen-Problem Arbeitsblatt 8: Versuchsprotokoll zum Drei-Türen-Problem Arbeitsblatt 9: Das Drei-Türen-Problem – Anleitung zu Simulationen mit Excel Lösung zum Arbeitsblatt 9: Das Drei-Türen-Problem – Anleitung zu Simulationen mit Excel Arbeitsblatt 10: Das Drei-Türen-Problem – Ein möglicher Weg zur Lösung Arbeitsblatt 11: Protokoll zum Frauenversteher-Spiel Arbeitsblatt 12: Spielvorlage zum Frauenversteher-Spiel Arbeitsblatt 13: Das Frauenversteher-Spiel – Herleitung der Berechnungsvorschrift 109 Arbeitsblatt 1: Geometrische Wahrscheinlichkeit – Approximation von π Einführende Informationen Mit der geometrischen Wahrscheinlichkeit wird, anders als bei der Klassischen Wahrscheinlichkeit nach Laplace, nicht der Quotient von Anzahlen bestimmt, sondern von Flächen oder Volumina. Beispiel: Es seien zwei Zielscheiben gegeben, ein Kreis (Annahme: Radius = 1) und ein Quadrat mit Seitenlänge 1. Gesucht ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig abgeschossener Pfeil eine bestimmte farbige Fläche der Figuren trifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass das rote Feld 1 1 getroffen wird ist im Falle des Kreises 4 beim Quadrat 3. πππ‘π πΉπäπβπ π 4 πππ‘π πΉπäπβπ π 1 1β Kreis: π(πππ‘) = πΉπäπβπ πππ πππ‘ = Quadrat: π(πππ‘) = πΉπäπβπ πππ πππ‘ = 1 3 1 =4 1 =3 Über das Verhältnis von Kreisfläche zu Quadrat kann man so einen Näherungswert für die Kreiszahl π ermitteln. Gegeben: Gesucht: Ein Einheitsquadrat (Seitenlänge = 1) und ein eingeschriebener Viertelkreis mit Radius 1. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein (im Quadrat) zufällig positionierter Punkt innerhalb des Kreises landet. π(π΄ ππ πΎππππ ) = πΉπäπβπ πππ πππππ‘πππππππ πΉπäπβπ πππ ππ’πππππ‘ππ Drücke aus der Formel π aus: = π= Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Punkt im Inneren des Kreissegments landet, kann nun mittels relativer Häufigkeiten abgeschätzt werden. Man erzeugt hierzu beispielsweise 100 solcher zufälliger Punkte und zählt die Anzahl der „Treffer“ im Kreis. π(π΄ ππ πΎππππ ) ≈ πππππππ ππ πππππ‘πππππππ ππ’πππ‘π πππ πππ‘ 110 Arbeitsblatt 2: Approximation von π – Eine Simulation mit GeoGebra Arbeitsauftrag: Versuche dieses Beispiel mit GeoGebra zu simulieren! Schritt 1: Zeichne ein Einheitsquadrat und einen eingeschriebenen Viertelkreis mit Radius 1. Schritt 2: Erzeuge eine auf dem Quadrat zufällig verteilte Punktmenge mit 100 Punkten. Die Punktmenge kannst du in der Tabellenansicht erzeugen. Ein Punkt (π₯|π¦) besteht aus einer x- und einer y-Koordinate, die jeweils Zufallszahlen aus dem Intervall [0,1] sein sollen. Hinweis: Dazu benötigst du den Befehl =Zufallszahl[von,bis]. Vorsicht: Dieser liefert nur ganzzahlige Zufallszahlen! Überlege wie du trotzdem mit Hilfe dieses Befehls Dezimalzahlen zwischen 0 und 1 erzeugen kannst! In der Spalte A stehen die jeweiligen x-Koordinaten und in der Spalte B die y-Koordinaten. Markiere nun beide Spalten und erzeuge (klick auf die rechte Maustaste) eine „Liste von Punkten“. Schritt 3: Ermittle wie viele Punkte innerhalb des Viertelkreises liegen. Sei ein Punkt A=(π|π) gegeben. Was muss für den Radius r gelten, damit A innerhalb des Kreises liegt? Berechne in Spalte C die Werte von r. In Spalte D soll nun „1“ stehen, falls der Punkt innerhalb des Kreisbogens liegt und „0“ sonst. Hinweis: Verwende den Befehl =Wenn[Bedingung,Dann,Sonst] Die Tabelle sollte nun folgendermaßen aussehen: Schlussendlich kannst du mit =Summe[von:bis] die Anzahl der „1“er, und somit die Anzahl der Punkte innerhalb des Viertelkreises, zählen. 111 Schritt 4: Berechne eine Näherung für π und vergleiche den Wert mit deinen MitschülerInnen. Notiere den Wert den du erhalten hast und vier weitere Werte von KollegInnen. Aus π(π΄ ππ πΎππππ ) ≈ πππππππ ππ πππππ‘ππππππ ππ’πππ‘π πππ πππ‘ folgt π≈ Werte von MitschülerInnen: Mit der Taste F9 kannst du neue Zufallszahlen erzeugen. Erzeuge so 10-mal neue Zahlen und notiere dir dabei immer die Anzahl der „Treffer“ im Viertelkreis. Bilde anschließend den Mittelwert. Was kannst du im Vergleich zu dem ersten erhaltenen Wert bei 100 Zufallszahlen aussagen? Hast du so einen genaueren Näherungswert erhalten? Anzahl der „Treffer“ bei 10 Versuchen: 1: 6: 2: 7: 3: 8: 4: 9: 5: 10: Durchschnittliche Anzahl der Treffer: Wert für π: 112 Arbeitsblatt 3: Fragebogen zum Geburtstagsparadoxon Gibt es in deiner Klasse zwei SchülerInnen, die am selben Tag Geburtstag haben? Nein Ja, zwei haben am gleichen Tag Geburtstag Ja, sogar mehr als zwei SchülerInnen haben am gleichen Tag Geburtstag Wie groß schätzt du ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Klasse mit 30 SchülerInnen zwei SchülerInnen am selben Tag Geburtstag haben? β 90 % β 70 % β 10 % β 8% β 1% β 0,5 % Es gibt 365 verschiedene Tage im Jahr (der 29. Februar wird nicht berücksichtigt). Wie viele Personen glaubst du müssen nach ihrem Geburtstag befragt werden, damit fast sicher (zu rund 99%) ein Geburtsdatum (unabhängig vom Geburtsjahr) doppelt vorkommt? A:………………………………Personen. Versuche die Wahrscheinlichkeit, dass bei n Personen mindestens zwei am gleichen Tag Geburtstag haben, in Abhängigkeit von der Gruppengröße n, als Funktion zu zeichnen. Die x-Achse gibt die Anzahl an Personen an und auf der y-Achse ist die Wahrscheinlichkeit in % gegeben. Beachte, dass die Wahrscheinlichkeit nicht größer als 100% sein kann. 113 Arbeitsblatt 4: Ein Experiment mit Excel Lies dir die folgende Anleitung für ein Experiment zum Geburtstagsproblem durch. Du kannst auch die jeweiligen Arbeitsschritte die erklärt werden gleich ausprobieren. Im Anschluss sollst du in Partnerarbeit die Arbeitsanweisung ausführen. Arbeitsanleitung Wir wollen nun versuchen, eine Liste mit „zufälligen“ Geburtstagen zu erzeugen um zu untersuchen, wie häufig dabei gleiche Tage auftreten. Das funktioniert mit einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel. Man kann jedem Tag des Jahres eine Zahl von 1 bis 365 zuordnen. Dem 1. Jänner wird die Zahl 1 zugeordnet, dem 2. Jänner ordnen wir die Zahl 2 zu, usw. Der 29. Februar wird dabei nicht berücksichtigt. 1. Erstelle mit Excel eine Tabelle (wie Abb.1): Trage dabei die Tage vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember in einer Spalte ein und in einer weiteren Spalte trägst du die Zahlen von 1 bis 365 ein. 2. Erzeuge Zufallszahlen Der Befehl: =ZUFALLSBEREICH gibt eine ganze Zufallszahl aus einem ausgewählten Bereich zurück. Beispiel: =ZUFALLSZAHL(1;10) liefert eine vom Computer zufällig gewählte Zahl zwischen Eins und Zehn, einschließlich den Zahlen 1 und 10. Gib nun den Befehl: =ZUFALLSZAHL(1;365) ein. Du erhältst so eine Zahl zwischen 1 und 365 die jeweils für einen bestimmten Tag im Jahr steht. Beispielsweise steht die Zahl 221 für den 8. August. Wir simulieren nun die Geburtstage von 30 SchülerInnen einer Schulklasse. Erzeuge hierzu eine Liste mit 30 zufälligen Zahlen (Geburtstagen). Erzeuge eine Liste wie in der nebenstehenden Abbildung. Die Zahl 284 steht für den 10.Oktober, 98 für den 7. April, usw.… Aus dieser Tabelle kannst du nun feststellen, ob in unserem Experiment einmal zwei gleiche Geburtstage auftreten oder nicht. Besser und schneller sichtbar werden mehrfach vorkommende Zahlen mit einer Bedingten Formatierung: Mit Hilfe der Bedingten Formatierung kann man Voraussetzungen angeben, unter denen bestimmte Zellen markiert werden. In unserem Fall interessieren uns jene Felder in der Spalte der „Geburtstage“, in denen eine Zahl (somit ein Geburtstag) doppelt vorkommt. 114 Wähle also: Bedingte Formatierung – Regeln zum Hervorheben von Zellen – Doppelte Werte In dem Eingabefeld, welches nun erscheint, kann man wählen, ob man die doppelten oder die einfachen Werte markieren möchte, beziehungsweise wie man diese Felder hervorheben möchte. Hebe die doppelten Werte mit einer beliebigen Farbe hervor. Mit der Taste F9 kannst du immer wieder neue Zufallszahlen erzeugen und somit zahlreiche „Schulklassen“ simulieren. 115 Arbeitsanweisung – Partnerarbeit Versuch zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass in einer Schulklasse mit 15, beziehungsweise in einer Klasse mit 30 SchülerInnen, mindestens zwei am selben Tag Geburtstag haben Simuliert die Geburtstage einer Klasse mit 30 SchülerInnen und einer Klasse mit 15 SchülerInnen. Beachtet dabei auch die Bedingte Formatierung. Mit Hilfe der F9 Taste könnt ihr immer wieder neue Geburtsdaten von Schulklassen erzeugen. Bearbeite folgende Fragen und fülle die Tabelle im Anschluss aus. a) Wie oft kommt es bei 100 Klassen mit 15 SchülerInnen vor, dass mindestens zwei Personen am selben Tag geboren sind? b) Wie oft kommt dies bei 100 verschiedenen Klassen, bei einer Gruppengröße von 30 Personen vor? c) Wie wahrscheinlich sind a) und b) demnach? bei 15 SchülerInnen pro Klasse ……………. von 100 Wahrscheinlichkeit ca.: …………% bei 30 SchülerInnen pro Klasse ……………. von 100 Wahrscheinlichkeit ca.: …………% 116 Arbeitsblatt 5: Das Geburtstagsparadoxon – Herleitung einer Berechnungsformel Da π(πΈ) = 1 − π(πΈ‘) gilt, müssen wir zuerst die Gegenwahrscheinlichkeit des Ereignisses berechnen. E: Mindestens zwei von n Personen haben den gleichen Ereignis: Geburtstag Gegenereignis: Geburtstag E‘: Alle n Personen haben an unterschiedlichen Tagen Berechnung der Gegenwahrscheinlichkeit: Angenommen wir haben eine Urne, in der Kugeln mit den Nummern von 1 bis 365 liegen. Dabei steht jede Zahl für einen bestimmten Tag. 1 steht für den 1.Jänner, 2 für den 2.Jänner, …, und 365 steht für den 31.Dezember. n Personen ziehen nun der Reihe nach eine Kugel (eine Zahl) und legen diese dann wieder zurück. Wir wollen uns nun die Wahrscheinlichkeit überlegen, dass bei n Personen alle Personen eine unterschiedliche Zahl gezogen haben (das entspricht der Gegenwahrscheinlichkeit vom Geburtstagsproblem). Die folgende Grafik zeigt ein Baumdiagramm für π = 4 Personen: Überlege dir die folgenden Berechnungen und versuche anschließend eine allgemeine Rechenvorschrift für n Personen anzuschreiben. Wahrscheinlichkeit von 4 unterschiedlichen Zahlen: 365 364 β 365 365 β 363 362 β 365 365 = 365β(365−1)β(365−2)β(365−3) 3654 Wahrscheinlichkeit von 5 unterschiedlichen Zahlen: 365 364 β 365 365 β 363 362 361 β β 365 365 365 = 365β(365−1)β(365−2)β(365−3)β(365−4) 3655 Wahrscheinlichkeit von 6 unterschiedlichen Zahlen: 365 364 β 365 365 β 363 362 361 360 β β β 365 365 365 365 = 117 365β(365−1)β(365−2)β … β(365−5) 3656 Wie lautet die Rechenvorschrift der Gegenwahrscheinlichkeit bei n Personen? β β β 365 365 365 365 β …β 365 = Kannst du die Rechenvorschrift auch mit dem Produktsymbol ∏ anschreiben? Hinweis: 1 β 2 β 3 β … β π = ∏ππ=1 π Es gilt und somit für π = 4: 365β(365−1)β(365−2)β(365−3) 3654 = ∏3π=0 365−π 3654 Wahrscheinlichkeit, dass bei n Personen jede/r eine Zahl (von 1 bis 365) zieht, die zuvor noch nicht vorgekommen ist: π(πΈ′) = ∏ Die Formel für die Wahrscheinlichkeit π(πΈ) lautet also: π(πΈ) = 118 Arbeitsblatt 6: Das Geburtstagsparadoxon – wxMaxima und GeoGebra Die Wahrscheinlichkeit π(πΈ), dass bei n Personen mindestens zwei am selben Tag Geburtstag haben, kann mit Hilfe der Gegenwahrscheinlichkeit π(πΈ‘) wie folgt berechnet werden: P(E) = 1 − P(E ′ ) = 1 − ∏ni=1(365 − i + 1) 365 β 364 β … β (365 − n + 1) = 1 − 365n 365n Berechne mit wxMaxima folgende Wahrscheinlichkeiten: für n=10 für n=30 für n=50 für n=100 π(πΈ10 ) = ……. π(πΈ30 ) = ……. π(πΈ50 ) = ……. π(πΈ100 ) = …… Hinweis: Das Produkt bekommst du mit: product(Formel, i, Startwert von i, Endwert von i Ab welchem Wert n ist die Wahrscheinlichkeit größer als 50%? A:……………………………………………………….. Wann kann man von einem (fast) sicheren Ereignis sprechen, das heißt ab welchem Wert n ist die Wahrscheinlichkeit größer als 99%? A:………………………………………………………. Vervollständige die Tabelle: π 0 5 10 π(π = π) Wenn du alle Werte berechnet hast, kannst du die einzelnen Punkte ins Geogebra übertragen und anschließend so die Funktion, die die Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Gruppengröße angibt, näherungsweise (mit einem Streckenzug) bestimmen. Mache eine Skizze: 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 119 Arbeitsblatt 7: Das Drei-Türen-Problem Stelle dir folgendes Spiel vor: Ein Spieler steht vor drei Türen. Hinter einer Tür befindet sich ein Gewinn, nämlich ein Auto. Hinter den beiden anderen Türen befinden sich Nieten, dargestellt durch Ziegen. Das Spiel verläuft nun in folgenden Schritten (vgl. Klemisch, 1993, S. 9f): 1. Der Leiter des Spieles wählt zufällig eine Tür aus, hinter der er den Gewinn platziert. Hinter den übrigen beiden Türen stellt er die Ziegen. 2. Der Spieler muss nun eine Tür wählen, wobei die Türen noch geschlossen bleiben. 3. Der Spielleiter öffnet nun eine der beiden übrigen Türen, hinter der sich mit Sicherheit eine Ziege befindet. Es bleiben nun zwei Türen geschlossen, jene die der Spieler ausgewählt hat und eine weitere. 4. Der Spieler kann sich nun entscheiden, ob er bei seiner ausgewählten Tür bleiben möchte oder ob er zur noch geschlossenen Tür wechseln möchte. Abbildung: http://www.youtube.com/watch?v=mhlc7peGlGg Das Problem: Lohnt es sich die Tür zu wechseln oder nicht? Das heißt, ist die Gewinnwahrscheinlichkeit bei „Wechseln“ oder bei „Nichtwechseln“ höher? Was vermutest du spontan? Kreuze an: Wechseln Nichtwechseln Begründung und Diskussion: Diskutiere nun mit einem Kollegen / einer Kollegin über deine Vermutung und versuche diese zu begründen. Deine Meinung kann sich auch im Laufe der Diskussion ändern. Nachspielen und Experimentieren: Überlegt euch nun Möglichkeiten wie ihr die Situation nachstellen könnt, um der Lösung des Problems näher zu kommen. Zum Beispiel könnt ihr in einem Experiment das Spiel nachspielen und euch dabei Notizen machen. Es können aber auch Zeichnungen und Skizzen hilfreich sein… 120 Arbeitsblatt 8: Versuchsprotokoll zum Drei-Türen-Problem Spielleiter setzt Auto Spieler wählt 1 (β β β) (β β β) 2 (β β β) (β β β) 3 (β β β) (β β β) 4 (β β β) (β β β) 5 (β β β) (β β β) 6 (β β β) (β β β) 7 (β β β) (β β β) 8 (β β β) (β β β) 9 (β β β) (β β β) 10 (β β β) (β β β) 11 (β β β) (β β β) 12 (β β β) (β β β) 13 (β β β) (β β β) 14 (β β β) (β β β) 15 (β β β) (β β β) 16 (β β β) (β β β) 17 (β β β) (β β β) 18 (β β β) (β β β) 19 (β β β) (β β β) 20 (β β β) (β β β) 21 (β β β) (β β β) 22 (β β β) (β β β) 23 (β β β) (β β β) 24 (β β β) (β β β) 25 (β β β) (β β β) 26 (β β β) (β β β) 27 (β β β) (β β β) 28 (β β β) (β β β) 29 (β β β) (β β β) 30 (β β β) (β β β) Summe der Gewinne bei 30 Versuchen: 121 Spieler wechselt Spieler wechselt nicht Notiere 1 für Gewinn Notiere 0 für Niete Arbeitsblatt 9: Das Drei-Türen-Problem – Anleitung zu Simulationen mit Excel Versuche mit Hilfe das Programms Excel das Ziegenproblem zu simulieren. Hierzu kannst du dir eine Liste mit beispielsweise 100 Zufallszahlen von 1 bis 3 erstellen (z.B. in Spalte A), die bei 100 verschiedenen Spieldurchgängen jeweils angibt, hinter welcher Tür sich der Gewinn befindet. Eine zweite Liste mit Zufallszahlen zwischen 1 und 3 soll angeben, welche Tür der Spieler wählt (Spalte B). Hinweis: =ZUFALLSBEREICH(Untere_Zahl; Obere_Zahl) Was muss auf ein Zahlenpaar (z.B. in A1 und B1) pro Zeile zutreffen, damit der Spieler ohne zu wechseln gewinnt? Antwort: Versuche in der Spalte C für jede „Spiel-Zeile“ Gewinn (1) oder Kein Gewinn (0) bei NICHT-WECHSEL mit den Zahlen 0 und 1 darzustellen. Notiere dir den Befehl, den du hierzu in C1 eingeben musst! (Hinweis: Verwende =WENN(…)) Befehl: In Spalte D soll nun mit 0 (=kein Gewinn), bzw. 1 (=Gewinn) angezeigt werden, ob der Spieler bei einem Wechsel der Tür gewinnt oder nicht. Wie muss der Befehl bei WECHSEL lauten? (Hinweis: In diesem Fall ist ein Gewinn gegeben, wenn der Spieler zu Beginn nicht die „Gewinntür“ gewählt hat, sondern eine der beiden anderen.) Befehl: Vergleiche die Anzahl der Gewinne bei Nicht-Wechsel (=Summe in Spalte C) und Anzahl der Gewinne bei Wechsel (=Summe Spalte D). Drücke die F9-Taste, damit du neue Zufallszahlen und somit weitere 100 Spieldurchgänge bekommst. Notiere dir dabei 10-mal die Anzahl der Gewinne bei Wechsel und Nicht-Wechsel. Was kannst du daraus schließen? Wie stehen die Gewinnwahrscheinlichkeiten für Wechsel und NichtWechseln zueinander? Gewinne bei Wechsel: Gewinne bei Nicht-Wechsel: Versuche mit einer geeigneten Grafik die Gewinnanteile darzustellen. 122 Lösung zum Arbeitsblatt 9: Das Drei-Türen-Problem – Anleitung zu Simulationen mit Excel Befehle die eingegeben werden müssen: Spalte C: Gewinn bei Nicht-Wechsel Spalte D: Gewinn bei Wechsel =WENN(A2=B2;1;0) =WENN(A2=B2;0;1) Anzahl der Gewinne bei Nicht-Wechsel Anzahl der Gewinne bei Wechsel =SUMME(C2:C101) =SUMME(D2:D101) Beispiele für Grafiken: 123 Arbeitsblatt 10: Das Drei-Türen-Problem – Ein möglicher Weg zur Lösung Trage in der Tabelle alle möglichen Spielabläufe ein, wenn sich der Spieler immer für Wechseln entscheidet. Die erste Möglichkeit ist bereits eingetragen. Fülle die restliche Tabelle analog aus (Auto ist hinter Tür A und Spieler wählt B, Auto ist hinter Tür A und Spieler wählt C…) und überlege ob die jeweiligen Entscheidungen für den Spieler richtig oder falsch sind. Auto ist hinter Tür… Spieler wählt Tür… Moderator öffnet... Kandidat wechselt zu… Entscheidung ist… A A B oder C B oder C Falsch a) Was haben die Fälle gemeinsam, die beim Wechseln der Tür eine falsche Entscheidung, also keinen Gewinn für den Spieler mit sich ziehen? b) Wie viele verschiede Spielabläufe gibt es insgesamt? In wie vielen Fällen davon kann man mit einem Gewinn rechnen? Was sagt dies schließlich über die Gewinnwahrscheinlichkeit beim Wechseln, bzw. beim Nicht-Wechseln der Tür aus? 124 Arbeitsblatt 11: Protokoll zum Frauenversteher-Spiel Spielt das Frauenversteher-Spiel 5-mal und protokolliert dabei den Spielverlauf. Tragt dazu die Spielstände in der folgenden Tabelle ein: 1.Spiel ( 0 : 0 ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : 1.Spiel ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) 2.Spiel ( 0 : 0 ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) 3.Spiel ( 0 : 0 ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : 2.Spiel ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) 4.Spiel ( 0 : 0 ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : 3.Spiel ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) 5.Spiel ( 0 : 0 ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : ( : 4.Spiel ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) ) 5.Spiel Gewinner: Gruppendiskussion: Haben beide Spieler die gleiche Chance zu gewinnen, oder hat vielleicht ein Spieler einen Vorteil? Besprecht eure Vermutungen mit euren KlassenkollegInnen. 125 Arbeitsblatt 12: Spielvorlage zum Frauenversteher-Spiel Ihr benötigt für dieses Spiel drei Spieler und zwei Kegel. Ein Spieler bekommt eine Liste, auf der per Zufallsgenerator die Antworten „Ja“ oder „Nein“ erzeugt wurden. Die beiden anderen Spieler tragen ihren Namen in den Feldern unten ein und stellen anschießend ihre Kegel auf das Feld. Kandidat A beginnt eine Antwort zu raten, danach gibt Kandidat B seinen Tipp ab. Nun gibt die Person mit der Liste die erste Antwort preis. Haben die beiden Spieler eine Antwort richtig erraten, bekommen sie einen Punkt und dürfen ein Feld vorrücken. Wer als erster 5 Punkte erreicht hat, hat gewonnen. Kommen beide Spieler gleichzeitig ins Ziel entscheidet das Los. 5 Punkte 4 Punkte 3 Punkte 2 Punkte 1 Punkt Name Spieler 1: Start 126 Name Spieler 2: Arbeitsblatt 13: Das Frauenversteher-Spiel – Herleitung der Berechnungsvorschrift Bestimme die Anzahl der günstigen Wege! Zeichne alle möglichen Wege, ausgehend von (0,0) zu den roten Punkten ein. Die einzelnen Wegschritte können nur nach oben oder nach rechts verlaufen, nicht diagonal, nach links, oder nach unten. Beachte dabei, dass du im Laufe des Weges, also vor dem zu erreichenden roten Punkt, keine roten Punkte berühren darfst. Zum Punkt (0,1) führt nur ein Weg, daher wird dieser hier nicht berücksichtigt. Wege zu (1,2) : Wege zu (2,3) : Wege zu (3,4) : Wege zu (4,5) : 127 Bestimme die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Wege Die Wahrscheinlichkeit, dass A einen Punkt bekommt liegt bei … Die Wahrscheinlichkeit, dass B einen Punkt bekommt liegt ebenfalls bei % Der erste Punkt der besagt, dass B einen Vorsprung (von einem Punkt) erreicht hat ist (0,1). Das bedeutet, dass B gleich die erste Frage richtig beantwortet hat, somit wird er mit seiner Strategie gewinnen. Dies geschieht mit einer 1 Wahrscheinlichkeit von 2. Der zweite Punkt (1,2) wird auf dem Weg A – B – B erreicht, also nach 3 Fragen, wobei A für „A gewinnt“ und B für „B gewinnt“ steht. Diese Folge, dass zuerst A gewinnt dann 1 1 1 1 3 1 zweimal B, hat die Wahrscheinlichkeit 2 β 2 β 2 = (2) = 8. Nach wie vielen Fragen (Schritten) werden die Punkte (2,3), (3,4) und (4,5) erreicht? Welche Wahrscheinlichkeiten haben die jeweiligen Wege zu diesen Punkten? Anzahl der Fragen (Schritte) zu (2,3): Wahrscheinlichkeit eines solchen Weges: Anzahl der Fragen (Schritte) zu (3,4): Wahrscheinlichkeit eines solchen Weges: Anzahl der Fragen (Schritte) zu (4,5): Wahrscheinlichkeit eines solchen Weges: Berechne die Gewinnwahrscheinlichkeit für B: Die Gewinnwahrscheinlichkeit für Kandidat B setzt sich aus der Summe der Wahrscheinlichkeiten aller möglichen Wege zu den jeweiligen Punkten (0 ,1), (1 , 2), (2 , 3), (3 , 4) und (4 , 5) zusammen. π(π΅ πππ€ππππ‘) = 128 8. Verzeichnisse 8.1 Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung AHS Allgemeinbildende höhere Schule Bd. Band BHS Berufsbildende höhere Schule BIFIE Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens bmukk Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur bzw. beziehungsweise ca. circa CAS Computer-Algebra-System Co. KG Compagnie Kommanditgesellschaft DGS Dynamische-Geometrie-Software DI Diplom-IngeneurIn DNA Deoxyribonucleic acid Dr. DoktorIn dt. deutsche et al. et alii etc. et cetera f und die folgende Seite ff fortfolgende Seite GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung gr. – lat. griechisch – lateinisch HAK Handelsakademie HTL Höhere Technische Lehranstalt htp Hölder Pichler Tempsky (Schulbuchverlag) Jg. Jahrgang M.A. Master of Arts Mag. Magister/Magistra Mag. rer. nat. Magister/Magistra rerum naturalium; Naturwissenschaft MTV Music Television o.B.d.A ohne Beschränkung der Allgemeinheit 129 Magister/Magistra der OR Operations Research öbv Österreichischer Bundesverlag Prof. ProfessorIn S. Seite [sic] (lat.) so, wirklich so t Zeit TKS Tabellen-Kalkulations-Software u.a. unter anderem UFG Linz Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz Uni.-Prof. UniversitätsprofessorIn usw. und so weiter vgl. vergleiche WPG Wahlpflichtgegenstand WS Wahrscheinlichkeit und Statistik WWW World Wide Web z.B. zum Beispiel zit. nach zitiert nach 130 8.2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Darstellung zur Bedingten Wahrscheinlichkeit ...................................... 27 Abbildung 2: Vollständiges Ereignissystem in ο mit dem Ereignis B ........................ 29 Abbildung 3: Ausschuss A bei der Produktion von Glühbirnen auf drei Maschinen π1, π2, π3................................................................................................................. 31 Abbildung 4: Beispiel für ein Baumdiagramm, erstellt von Gabriele Jauck, Gabriele Bleier & Markus Hohenwarter, aus WWW: (http://www.austromath.at/medienvielfalt/materialien/wkeit/lernpfad/041_RechnenBaum diagramme.html) ......................................................................................................... 32 Abbildung 5: Baumdiagramm zur bedingten Wahrscheinlichkeit ............................... 33 Abbildung 6: Baumdiagramm zur Menüfolge: Vorspeise und Hauptspeise ............... 34 Abbildung 7: Urnenbeispiel ....................................................................................... 37 Abbildung 8: Stochastische Modellbildung, vgl. Kütting, 1999, S.9............................ 49 Abbildung 9: Geometrische Wahrscheinlichkeit – Approximation von π, erstellt mit GeoGebra ................................................................................................................... 56 Abbildung 10: Tabelle zur Approximation von π, erstellt mit GeoGebra..................... 58 Abbildung 11: Einschätzung des Geburtstagsparadoxon von StudentInnen, aus Büchter & Henn, 2007, S. 242 .................................................................................... 64 Abbildung 12: Berechnung der Wahrscheinlichkeit bei einer Gruppengröße von 30 Personen Pn = 30 ≈ 70%;, ausgeführt mit wxMaxima ................................................ 66 Abbildung 13: Einschätzung von SchülerInnen ......................................................... 68 Abbildung 14: Jahreskalendertabelle, erstellt mit Excel ............................................. 69 Abbildung 15: Tabelle mit Zufallszahlen, erstellt mit Excel ........................................ 71 Abbildung 16: Geburtstagsproblem – Mehrfachoperationen, erstellt mit Excel .......... 72 Abbildung 17: Auftreten der ersten „Doppelzahl“ ....................................................... 72 Abbildung 18: Beispiel mit 4 Personen, erstellt mit Geogebra ................................... 74 Abbildung 19: Produktoperator, http://de.wikipedia.org/wiki/Produkt_(Mathematik) ... 74 Abbildung 20: Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass bei 50 Personen mindestens zwei denselben Geburtstag aufweisen (rund 97%), ausgeführt mit wxMaxima ........... 75 Abbildung 21: Grafische Darstellung der Wahrscheinlichkeit – Fehler bei der Eingabe der Funktion, erstellt mit wxMaxima ............................................................................ 75 Abbildung 22: Produktberechnungen ........................................................................ 76 Abbildung 23: Produktberechnungen ........................................................................ 76 Abbildung 24: Berechnung vom Quotienten .............................................................. 76 Abbildung 25: Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Gruppengröße n, erstellt mit wxMaxima ............................................................................................................. 77 Abbildung 26: Berechnung konkreter Wahrscheinlichkeiten ...................................... 78 Abbildung 27: Wahrscheinlichkeit P(E), näherungsweise dargestellt mit Geogebra .. 78 Abbildung 28: YouTube-video: The Monty Hall Problem, http://www.youtube.com/watch?v=mhlc7peGlGg ........................................................ 80 Abbildung 29: Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt: Versuch zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Word .......................................................................................................... 84 Abbildung 30: Ausschnitt aus dem Arbeitsblatt: Versuch zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Word .......................................................................................................... 85 Abbildung 31: Simulation des Drei-Türen-Problems, erstellt mit Excel ...................... 86 131 Abbildung 32: Simulation mehrerer Durchgänge des Drei-Türen-Problems, erstellt mit Excel ........................................................................................................................... 86 Abbildung 33: Möglichkeit einer Simulation mit Excel ................................................ 87 Abbildung 34: Mögliche grafische Darstellung einer Simulation, erstellt mit Excel ..... 88 Abbildung 35: Grafische Darstellungen von Simulationen zum Drei-Türen-Problem, erstellt mit Excel.......................................................................................................... 88 Abbildung 36: Eine Spielsimulation im Internet, http://www.userpages.de/ziegenproblem/ ................................................................... 89 Abbildung 37: Simulation von 40 Durchläufen des Ziegenproblems .......................... 90 Abbildung 38: Mögliche Konstellationen beim Ziegenproblem, Atmaca & Krauss, 2001, S. 18 ................................................................................................................. 92 Abbildung 39: (Einziger) möglicher Weg zum Punkt (1 | 2) ....................................... 97 Abbildung 40: Mögliche Wege zu (2,3)...................................................................... 97 Abbildung 41: Das Frauenversteher-Spiel - Simulation eines zufälligen Spielverlaufs ................................................................................................................................. 101 Abbildung 42: Tabelle für eine Simulation des Frauenversteher-Spiels ................... 102 Abbildung 43: Random Walk, erstellt mit GeoGebra ............................................... 104 Abbildung 44: Random Walk, erstellt mit Excel ....................................................... 105 132 8.3 Literaturverzeichnis Atmaca, S. & Krauss, S. 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