Christa Schweng, Vorsitzende der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle des EWSA Eröffnungsansprache zu der Konferenz Das Europa der Talente: Neue Impulse für den Erwerb von Kompetenzen durch die Mobilität der Auszubildenden am 2. Juni 2015 im EWSA Sehr geehrte Damen und Herren, auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen zu unserer von Parlament und EWSA gemeinsam veranstalteten Konferenz. Wir stehen in Europa vor der paradoxen Situation: einerseits sind rund 5,1 Mio junge Menschen unter 25 arbeitslos, andererseits gibt es trotz der Krise 2 Millionen Jobs, die nicht besetzt werden können – oft weil die richtigen Qualifikationen fehlen. Meine beiden Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass duales Lehrlingswesen für die Arbeitgeber, für die Lehrlinge selbst aber auch für die Gesellschaft insgesamt Vorteile bringen können. Die europäischen Mitgliedstaaten, die einen starken Fokus auf die Kombination Lernen am Arbeitsplatz mit Lernen in der Schule haben, haben in der Regel eine geringere Jugendarbeitslosigkeit und die Absolventen finden leichter Zugang in den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ist auch bekannt, dass Studenten und Studentinnen, die ein Auslandssemester absolviert und damit auch interkulturelle Kompetenz erworben haben, ebenfalls am Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. Damit liegt die Idee nahe, auch duale Ausbildungssysteme mit Mobilität zu verknüpfen, um sowohl die Lehre insgesamt attraktiver zu machen, als auch die Arbeitsmarktchancen von jungen Menschen zu erhöhen. Ein Auslandsaufenthalt ermöglicht dem Lehrling eine neue Arbeitserfahrung, den Erwerb neuer Techniken und neuer Sprachkenntnisse. Folgende Herausforderungen sind mit diesem Ansatz jedoch verknüpft: 1.) Unter dualer Ausbildung wird in jedem Mitgliedstaat unterschiedliches verstanden. Folgende Charakteristika lassen sich jedoch festmachen: 1 Die Ausbildung wechselt zwischen Arbeitsplatz und Schule – wobei hier große Unterschiede bestehen: so werden zB in Österreich rund 80% der Zeit im Unternehmen und 20% in der Schule verbracht, während das Verhältnis Unternehmen/Schule zB in Spanien genau umgekehrt ist. Der Lehrlingsvertrag wird in manchen Ländern zwischen Lehrling und Unternehmen in anderen zwischen Lehrling und Schule geschlossen. Die duale Ausbildung ist integraler Bestandteil des Systems der beruflichen Bildung Am Ende der dualen Ausbildung steht eine formelle Qualifikation. 2.) Die duale Ausbildung muss attraktiv sowohl für Arbeitgeber als auch die Lehrlinge selbst sein. Dies ist dann gewährleistet, wenn die Qualität der Ausbildung sichergestellt wird, dh die Berufsbilder laufend modernisiert und an neue Technologien angepasst werden. Am besten durch die Einbeziehung von zwischengeschalteten Organisationen, wie zB Handelskammern und Sozialpartnern garantiert werden. Nur von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Systeme sind auch wirklich Erfolg versprechend. Am Ende der Ausbildung muss ein Zertifikat stehen, dass die Kenntnisse des Lehrlings bescheinigt. In Europa werden rund 800.000 Jugendliche von Handelskammern bei der dualen Ausbildung begleitet, und rund 600.00 bekommen ihr Zeugnis von der Kammer ausgestellt. Die Rolle der Kammern variiert je nach nationalem System: in manchen Ländern sind sie die Miteigentümer am gesamten Berufsbildungswesen, in anderen sind sie zuständig für das Matching zwischen Jugendlichen und Unternehmen und in einigen sind sie für die Überwachung der Prüfungen und das Verwalten der Lehrlingsverträge zuständig. Die Mobilität hat im Handwerk Tradition: bis heute sieht man insbesondere Zimmerleute auf der sogenannten Walz (in D): diese haben ihre Lehrzeit beendet und begeben sich für mehrere Jahre auf Wanderschaft in andere Länder um dort neue Techniken zu lernen. Diese Form der Mobilität existiert zB auch in Frankreich mit der Tour de France du Compagnonnage. Die Mobilität von Lehrlingen ist in der Regel auf einen wesentlich kürzeren Zeitraum begrenzt: dies hat unter anderem mit dem Alter der Jugendlichen zu tun, die noch minderjährig sind, mit mangelnden Sprachkenntnissen, aber auch mit der noch recht schwierigen Anerkennung der erworbenen Qualifikationen. (ECVET-Punkte – European credit system for vocational education and training) In der heutigen Konferenz werden wir uns der Frage widmen, wie das Lehrlingswesen in den einzelnen Mitgliedstaaten aussieht, und wir werden die Erfahrungen von Jugendlichen hören, die internationale Erfahrungen gemacht haben. Im zweiten Panel werden wir uns der Frage widmen, welche Instrumente existieren um die Mobilität zu fördern und welche Hindernisse es gibt, die beseitigt werden müssen. Im dritten Panel werden wir die Vorstellungen der Politik hören, wie die Mobilität von Lehrlingen gesteigert werden kann. 2 Ich wünsche uns allen eine spannende Konferenz und darf das Wort nun an Quentin Dickinson geben, der das erste Panel moderieren wird. ________________ 3