Gruppe Arbeitnehmer Brüssel, den 24. Juni 2015 ARBEITNEHMER WOLLEN GUTE EUROPÄISCHE GESETZE Am 19. Mai 2015 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge für eine ,,Bessere Rechtsetzung“ veröffentlicht, um zu einer besseren, einfacheren und wirksameren Rechtsetzung in der EU zu gelangen. Die drei EU-Organe – Rat, Parlament und Kommission – werden eine Liste von Vorschlägen vorstellen, die zur ,,Überprüfung, Vereinfachung und Verbesserung“ vorgesehen sind. Hauptsächliches Ziel ist die Stimulierung der Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts und die Unterstützung der KMU. Eine Überprüfung des Programms wird jedes Jahr erfolgen. In den kommenden Wochen wird der EWSA eine Stellungnahme zu dem gesamten Paket verabschieden, nachdem er mehrfach darauf hingewiesen hat, dass seine in den EUVerträgen verankerte Rolle als beratende Einrichtung der Union zu respektieren ist. Bislang bewertet der EWSA in seinen Berichten und Stellungnahmen die soziale und wirtschaftliche Lage und unterbreitet Vorschläge für Gesetzgebungsinitiativen. Der EWSA könnte, wie von der Kommission gefordert, die entsprechenden Tätigkeiten im Rahmen seiner Aufgaben im institutionellen Gefüge der Union noch ausweiten. In ihrer Sitzung vom 24. Juni 2015 hat die Arbeitnehmergruppe des EWSA einen Dialog mit den Vertretern der wichtigsten politischen Parteien des Europäischen Parlaments geführt. Zwar teilt die Gruppe, wie sie bereits mehrfach betont hat, das Ziel einer guten Gesetzgebung, meldet aber nach einer Analyse der von der Kommission vorgelegten Texte erhebliche Vorbehalte an. Gemäß Artikel 151 des Vertrags ,,verfolgen die Union und die Mitgliedstaaten folgende Ziele: die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Wege des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen sozialen Schutz …“ Die Kommission schlägt vor, für alle Initiativen, die bedeutende Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt haben könnten, eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Die Arbeitnehmergruppe des EWSA ist der Auffassung, dass keine Folgenabschätzung völlig neutral oder rein technischer Natur sein kann. Im Gegenteil: die Gefahr einer politischen Manipulation ist sehr groß. Beispielsweise verhindern die Folgenabschätzungen der Kommission die Fortführung weder der Austeritätspolitik noch einer wirtschaftlichen Steuerung und struktureller Reformen, die die Ursachen eines grundlegenden sozialen Rückschritts sind. Außerdem sind die öffentlichen Konsultationen im Internet niemals ein echtes demokratisches Instrument gewesen und keineswegs repräsentativ für die Zivilgesellschaft oder die auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene ansässigen sozialen Organisationen. Die Folgenabschätzungen, die Internet-Plattformen und die ,,unabhängigen“ Expertengruppen verbessern vielleicht das technokratische Verfahren, können aber die legislative Funktion des demokratisch gewählten Europäischen Parlaments oder der Konsultativorgane der Union, d.h. des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen, keinesfalls ersetzen. Zudem stellt der Vorschlag, die Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern, insbesondere zur tatsächlichen Vertretung der Beteiligten, einer Folgenabschätzung zu unterziehen, einen groben Verstoß gegen den Vertrag dar. Schon immer haben sich die Vertreter der europäischen Gewerkschaften für ein stärkeres und solidarischeres Europa eingesetzt und in diesem Zusammenhang eine Begrenzung der bürokratischen Regeln zur Verwirklichung dieses Ziels gefordert. Aber gerade in diesen unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten schwierigen Jahren brauchen die Bürger/Bürgerinnen und die Arbeiter/Arbeiterrinnen Europas dringender denn je gemeinsame Regeln zur Sicherung der Rechte, des Schutzes und des Wohlergehens der Menschen, die den wirtschaftlichen und finanziellen Interessen nicht geopfert werden dürfen. Demgegenüber besteht die Gefahr, dass dem freien Markt durch ein geschwächtes und ein ,,vereinfachtes“ EU-Recht eine Form von Selbstregulierung zugestanden wird, die die Lage für die Mehrheit der Bürger erschwert, indem sie die Diskriminierungen und soziale Ungleichheit zusätzlich verschärft. Die Vertreter der Gewerkschaften, die Mitglieder der Arbeitnehmergruppe sind, werden daher besonders wachsam sein, wenn sie die Texte über eine ,,Bessere Rechtsetzung“ in den nächsten Wochen in Zusammenarbeit mit den beiden anderen Gruppen des EWSA, mit allen demokratischen Parteien des Europäischen Parlaments, mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund und mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft analysieren werden. Es ist paradox, dass die Kommission angeblich die Gesetzestexte vereinfachen und verbessern und die Bürokratie und die Kosten bekämpfen will, gleichzeitig aber Verfahren vorschlägt, mit denen sehr wahrscheinlich das genaue Gegenteil erreicht wird.