Der Umgang mit dem preussischen Erbe in Brandenburg

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Der Umgang mit dem preussischen Erbe in Brandenburg
An Preussen scheiden sich noch heute die Geister. Entweder liebt man Preussen oder man hasst
Preussen. Einen Mittelweg, der es ermöglicht, Höhen und Tiefen in gleicher Weise zu
berücksichtigen, scheint es für viele Betrachter noch nicht zu geben. Das ist schade. Denn der
historische Reichtum unserer Region verdient es, mit offenen Augen wahrgenommen zu werden.
Brandenburg-Preussen hat uns eine alte Kulturlandschaft vermacht, die zu Recht Eingang in das
UNESCO-Welterbe gefunden hat. Diese Hinterlassenschaft zieht jährlich millionenfach Besucher aus
aller Welt an.
Mit diesen wundervollen Schlössern und Gärten identifizieren wir uns. Sie gehören zu uns und wir
werden sie schützen und bewahren. In diesem Zusammenhang ist es mir auch wichtig, auf das große
wirtschaftliche Potential des preussischen Erbes hinzuweisen. Es gilt, die daraus resultierenden
Chancen zu nutzen. Doch Preussen steht natürlich auch für eine Idee: Obrigkeitsstaat, ein
übermäßiger Hang zum Militärischen und schließlich viele blutige und brutale Kriege haben dieses
Staatswesen bei unseren Nachbarn in West und Ost in Verruf gebracht. Davor dürfen wir in unserem
neuen Europa der Partnerschaft nicht die Augen verschließen. Beachten müssen wird jedoch ebenso,
dass Friedrich Wilhelm I und Friedrich II mit Toleranz, Zuwanderung, allgemeiner Schulpflicht und
Rechtssicherheit Geschichte schrieben.
Wer über Preussen und seine Könige spricht, muss auch die preussischen Tugenden, wie
Genügsamkeit, Pflichterfüllung, Selbstdisziplin, Ehrlichkeit in seine Überlegungen einbeziehen.
Sebastian Haffner hat sie wie folgt beschrieben: „Die Pflicht gegen den Staat kam zuerst. Mit diesem
Religionsersatz ließ sich leben, und sogar ordentlich und anständig leben, solange der Staat, dem
man diente, ordentlich und anständig blieb. Die Grenzen und Gefahren der preussischen
Pflichtreligion haben sich erst unter Hitler gezeigt“. Ein System, das Völkermord und
Kriegsverbrechen befiehlt, macht Gehorsam selbst zum Verbrechen. Diese Lektion haben wir gelernt.
Auch die Erfahrung der SED-Dikatur, die zuweilen als „rotes Preussen“ bezeichnet wurde, hat uns
eingeimpft: der Staat ist für das Wohl der Menschen da, nicht die Menschen für den Staat. Mir
scheint, dass die heutige Gesellschaft verstärkt bereit ist, den Wert des Pflichtbewusstseins neu zu
entdecken. Denn für Menschenwürde, Freiheit, Toleranz und Solidarität müssen wir uns aus tiefster
Überzeugung in die Pflicht nehmen lassen. Demokratie kann nur gelingen, wenn sich der einzelne
nicht nur seiner Rechte, sondern vor allem auch seiner Pflichten dem Mitmenschen gegenüber
bewusst ist und sie auch annimmt. Diese Einstellung wird heute nicht mehr vom Staat kommandiert.
Wir müssen sie vielmehr als verantwortungsbewusste Bürger selbst zu üben verstehen.
Das preussische Erbe in Brandenburg ist mehr als Sanssouci in Potsdam. Ich wünsche mir, dass die
Tagesbesucher Lust auf neue Einsichten bekommen, dass sich ihre verständliche Neugierde mit
Wissbegierde paart und sie das Land und seine Bewohner näher kennen lernen. Dazu müssen sie ins
Land hinaus, mit dem Auto, der Bahn, dem Boot oder bei einer Fahrradtour. Denn es bauten ja nicht
nur die Hohenzollern. Durch die königlichen Bauten ließen sich die höfische Gesellschaft und der
märkische Landadel inspirieren. An Seen, versteckt in Wäldern, am Ende langer lauschiger Alleen,
inmitten oder etwas abseits eines Dorfes findet der Besucher unzählige Beispiele. Viele warten noch
darauf, aus dem Dornröschenschlaf geweckt zu werden. Einige sind zu neuem Leben erwacht, sei es
als Hotel, Tagungsstätte oder als Galerie und sind bereits jetzt beliebte Ausflugsziele. Diesen Prozess
zu unterstützen, zu fördern und voranzutreiben muss unsere Aufgabe sein. Das kulturelle Erbe
Preussens und die Schönheit seiner unverwechselbaren Landschaft sind ein Pfund, mit dem wir
Brandenburgerinnen und Brandenburger wuchern können.
Preussen ist Teil unseres geschichtlichen und kulturellen Erbes, dem wir uns stellen und das wir
annehmen müssen. Es wird noch Generationen auf dem Weg in die Zukunft begleiten. Roman Herzog
hat nach der Wahl zum Bundespräsidenten in seiner Dankesrede vor der Bundesversammlung
gesagt, dass er Deutschland so repräsentieren will, wie es wirklich ist: friedliebend, freiheitsliebend,
leistungsstark, um Gerechtigkeit zumindest bemüht, zur Solidarität bereit, tolerant und – was ihm
fast als das Wichtigste erschien – unverkrampft. Wenn wir es schaffen, so mit dem preussischen Erbe
umzugehen, sind wir auf dem richtigen Weg.
Matthias Platzeck
http://www.preussen.de/de/heute/forum_preussen/ministerpraesident_matthias_platzeck_ueber_
den_umgang_mit_dem_preussischen_erbe.html
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