Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss CCMI/127 Glasindustrie Brüssel, den 10. April 2015 Informationsvermerk (507. Plenartagung) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Eine Industriepolitik für die europäische Glasbranche (Initiativstellungnahme) STELLUNGNAHME: EESC-2014-04990-00-00-AS 1. Verfahren Rechtsgrundlage: Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung Beschluss des Plenums: 8. Juli 2014 Zuständig: Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) Vorsitzender der CCMI: Carlos Trias Pintó (ES-Gr. III) Regelung der Arbeiten der CCMI: 15. Juli 2014 Studiengruppe: Glasindustrie Vorsitzender: Viliam Páleník (SK-Gr. III) Berichterstatter: Ko-Berichterstatter: Josef Zbořil (CZ-Gr. I) Enrico Gibellieri (IT-Kat. 2) Mitglieder: die Damen und Herren Biermann (DE-Gr. II) Calvet Chambón (ES-Kat. 1) Komorowski (PL-Gr. I) Krzaklewski (PL-Gr. II) Leirião (PT-Kat. 3) Mačiulis (LT-Gr. III) (für Attard, Art. 62 Abs. 3 GO) Nárovcová (CZ-Kat. 2) Niestroy (DE-Kat. 3) Van Laere (BE-Kat. 1) STELLUNGNAHME von der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel am 24. März 2015 einstimmig ohne Gegenstimmen und Enthaltungen ANGENOMMEN CCMI/127 - EESC-2014-05007-00-00-NISP-TRA (EN) 1/3 Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË Tel. +32 25469011 — Fax +32 25134893 — Internet: http://www.eesc.europa.eu DE Sachverständiger Herr Giacalone (für den Ko-Berichterstatter) 2. Hintergrund Die Glasindustrie leidet derzeit in zweifacher Hinsicht unter der Wirtschaftskrise, da ihr Geschäft im starken Maße auch von der Konjunktur in anderen Branchen wie der Bauwirtschaft und der Automobilindustrie abhängt. Zwischen 2007 und 2013 war bei Flachglas, das 26% der gesamten Branche in Europa ausmacht, ein Produktionsrückgang von 20% im Zuge der Krise von 2008 zu verzeichnen. Im Jahr 2013 hatten zwölf der ehemals 62 Betriebsstätten in Europa die Produktion eingestellt. Mehrere davon wurden stillgelegt oder sind von der vollständigen Abwicklung bedroht. Unterdessen war bei Hohlglas, das für 65% der Branche steht, als Folge der Wirtschaftskrise und der Tendenz zur Betriebsverlagerung ein Rückgang von mehr als 6% zu verzeichnen. Der gleiche Trend war 2009 im Glasfasersektor zu beobachten, der zwar mittlerweile wieder einen Aufschwung nimmt, jedoch trotzdem von Schwankungen betroffen ist. Im weltweiten Wettbewerb mit Billiglohnländern schließlich litten insbesondere die Bereiche Geschirr und Solarpaneele. Zwischen 2000 und 2010 ging die Beschäftigung in der Glasindustrie um 32% zurück, wobei es vor allem in Deutschland, Polen, Frankreich, Tschechien, Italien, Belgien und Österreich zu Arbeitsplatzverlusten kam. Seit 2010 ist die Lage eigentlich noch rasanter schlechter geworden. Nötig ist eine wirksame Industriepolitik mit einem Wirtschaftsplan zur Wiederankurbelung der Industrie auf europäischer Ebene. Ziel dabei ist es, den Anteil der Industrie am europäischen BIP so schnell wie möglich auf 20% anzuheben (derzeit liegt er bei 16%). Für die Zukunft der Glasindustrie sind aber auch mehr Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation erforderlich, um auf das Ziel einer kohlenstoffarmen und von nachhaltiger Entwicklung geprägten Gesellschaft hinzuwirken. Offenbar gibt es einige vielversprechende Entwicklungen bei der Energieeffizienz von Glas, seinen Eigenschaften bezüglich Klima, Akustik und Licht, bei intelligentem Glas mit völlig neuen Merkmalen, bei der Gewichtsverringerung und der Beständigkeit der Werkstoffe, bei selbstreinigendem Glas, bleifreien Werkstoffen für Glaswaren usw. Der soziale Dialog auf europäischer, nationaler und Unternehmensebene sollte den Wandel in der Branche unterstützen und die Debatte über Fragen wie die europäische Energiepolitik beeinflussen, Weiterbildungsmaßnahmen begleiten, Umstrukturierungen antizipieren, Beschäftigungsübergänge vorbereiten, zur Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (Übereinkommen über die Verwendung von kristallinem Siliziumdioxid) und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen. Dazu muss man sich auch die Tatsache eingestehen, dass dies für die Arbeitnehmer eine harte Branche mit Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen und den entsprechenden Auswirkungen auf ihre Gesundheit ist. 3. Wesentlicher Inhalt der Stellungnahme des Ausschusses Um Arbeitsplätze zu erhalten und ein gutes Investitionsklima für die Glasindustrie in Europa zu schaffen, die weiterhin Vorreiterin für Innovationen sein soll, müssen die großen Herausforderungen für die Branche unbedingt im Wege einer europäischen Industriepolitik für die Glasindustrie angegangen werden. CCMI/127 - EESC-2014-05007-00-00-NISP-TRA (EN) 2/3 Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller sollte gestärkt werden: durch die Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen wie für außereuropäische Konkurrenten in Bezug auf die kumulativen Kosten, die durch die Umsetzung der EU-Umweltvorschriften entstehen; durch eine bessere Rechtsetzung und ein vorhersehbares Regelungsumfeld; indem die hohen Energiepreise in der anstehenden Energieunion angegangen werden; durch ein rascheres Handeln mit wirksamen handelspolitischen Maßnahmen, wenn der lautere Wettbewerb gefährdet ist. In diesem Zusammenhang muss den Auswirkungen für die KMU besondere Aufmerksamkeit geschenkt und ggf. angemessene Unterstützung bereitgestellt werden. Die Bewertung zu den Auswirkungen der kumulativen Kosten auf die Branche sollte als Grundlage für die Umsetzung der Agenda "Bessere Rechtsetzung" der Europäischen Kommission dienen. Bei der Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU (EU-EHS) für die Zeit nach 2020 müssen stichhaltige Fakten zugrunde gelegt werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Spielraum der Branche zur weiteren Senkung ihrer Treibhausgasemissionen begrenzt ist. Wenngleich in der Sparte Glasverpackungen ein erfolgreiches Kreislaufwirtschaftsmodell praktiziert wird, müssen insbesondere in der Bauglassparte Anreize zur Wiederverwertung geschaffen werden, damit sich lokale Sammelsysteme entwickeln können. Die EU muss mit allen Mitteln die Nachfrage beleben, damit Glaserzeugnisse ihr Potenzial ausspielen und zum Übergang zu einer kohlenstoffarmen und energieeffizienten Kreislaufwirtschaft beitragen können. Eine einschlägige Politik ist nötig, um die Bildungs- und Ausbildungssysteme besser auf die Erfordernisse des Arbeitsmarkts abzustimmen. Die Abstimmung und Harmonisierung der europäischen Maßnahmen ist von wesentlicher Bedeutung (Energie, Klima, Forschung, Handel, Umwelt, Wettbewerb, Beschäftigung usw.). Die Einbeziehung der Sozialpartner im Allgemeinen und die Einrichtung eines sektoralen sozialen Dialogs im Besonderen könnten Anstöße für eine Industriepolitik für die Glasindustrie liefern. _____________ CCMI/127 - EESC-2014-05007-00-00-NISP-TRA (EN) 3/3