Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze Elementargeometrie Skript zur gleichnamigen Vorlesung im WS 2009/20010 Vorlesung 2: Die Strahlensätze www.ph-heidelberg.de/wp/gieding Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze 1. Das Anliegen der Vorlesung Die Strahlensätze bilden die Grundlage der Ähnlichkeitsgeometrie. 2. Der Projektionssatz 2.1. Parallelprojektion Parallelprojektionen werden insbesondere zur Generierung zweidimensionaler Bilder von dreidimensionalen Objekten angewendet. Hierzu zeichnet man eine besondere Ebene π im Raum aus. Ferner wird durch eine Gerade π, die nicht parallel zu π ist, eine Richtung πΜ ausgewählt.1 Das Bild π′eines beliebigen Punktes π bei der Parallelprojektion mit der Richtung πΜ und der Bildebene π ist der Schnittpunkt des Repräsentanten aus πΜ , der durch P geht, mit der Bildebene π. Auch eine Abbildung einer Ebene auf eine Gerade ist per Parallelprojektion möglich: Definition (Parallelprojektion einer Ebene auf eine Gerade) Es sei π eine Gerade in einer Ebene π. Ferner sei π eine gerade aus π die nicht parallel zu π ist. Es sei π ein beliebiger Punkt aus π. Ferner sei ππ eine Gerade, die durch π geht und parallel zu π ist. Das Bild von P bei der Parallelprojektion mit der Bildgeraden und der durch p eindeutig bestimmten Richtung ist der Schnittpunkt von ππ mit der Bildgeraden π. P pP b p P' 2.2. Satz: (Projektionssatz) Es sei π eine Parallelprojektion der Ebene π auf die Gerade π. πΜ sei die Richtung von π. Ferner seien π1 , π2 , π3 , β― , ππ Punkte einer Geraden π, die zu π aber nicht zu πΜ gehört. Wenn für alle π mit 1 ≤ π ≤ π − 2 |ππ ππ+1 | = |ππ+1 ππ+2 | gilt, dann gilt auch für alle π mit 1 ≤ π ≤ π − 2 |π(ππ )π(ππ+1 )| = |π(ππ+1 )π(ππ+2 )|. 1 Unter einer Richtung versteht man eine Äquivalenzklasse nach der Relation „parallel“ auf der Menge der Geraden des Raumes. Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze Beweis des Projektionssatzes Wir gehen aus von der Parallelprojektion π mit der Bildgerade π und der Projektionsrichtung πΜ . Ferner sei π eine nicht zu πΜ gehörige Gerade mit den äquidistanten Punkten π1 , π2 , π3 , β― , ππ der Ebene π. Wir haben zu zeigen, dass auch die Bilder der Punkte π1 , π2 , π3 , β― , ππ bei der Parallelprojektion π äquidistant sind. Fall1: Die Gerade π ist zur Bildgeraden π parallel. P5 P4 P3 p5 b P'5 P'4 P'3 P'2 p4 p3 p2 P2 P1 p1 g p P'1 Für alle i mit 1 ≤ π ≤ π − 1 sind die Vierecke Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ ππ ππ+1 π′π+1 π′π wegen π β₯ π und der Parallelität der Projektionsgeraden Parallelogramme. Nach dem bereits bewiesenen Satz über die Kongruenz gegenüberliegender Seiten von Parallelogrammen gilt jetzt: ∀π, 1 ≤ π ≤ π − 1: Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ ππ ππ+1 ≅ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π′π π′π+1. Wegen der Kongruenz Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π π ππ+1 ≅ ππ+1 ππ+2 ∀π, 1 ≤ π ≤ π − 2 gilt damit auch π′π π′π+1 ≅ π′π+1 π′π+2 ∀π, 1 ≤ π ≤ π − 2. Ergo: Die Bildpunkte sind äquidistant. Fall 2: Die Gerade π ist zur Bildgeraden π nicht parallel. P4 P3 P2 g P1 P'4 p P'3 P'2 P'1 b Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze Der Einfachheit halber zeigen wir nur Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π′1 π′2 ≅ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π′1 π′2 . Der beweis lässt sich dann analog auf den allgemeinen Fall übertragen. P4 P2 P3 P'4 P'3 P*2 P'2 g P1 g3 P*1 p g2 P'1 b Es sei π2 die Parallele durch π′2 zu π. π∗1 sei der Schnittpunkt von π2 mit π1 π′1. Es sei π3 die Parallele durch π′3 zu π. π∗ 2 sei der Schnittpunkt von π2 mit π2 π′2. Die Dreiecke Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π′1 π′2 π∗1 und Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ Μ π′2 π′3 π∗ 2 sind jetzt kongruent zueinander. (Der Leser überzeuge sich davon.) 2.3. Anwendung des Projektionssatzes zur Streckenteilung Die Wahl der Bildgeraden war unter Wahrung der Tatsache, dass sie nicht parallel zur Projektionsrichtung sein darf, beliebig. Der Projektionssatz kann damit zur Teilung einer beliebigen Strecke in n kongruente Teilstrecken verwendet werden. Übungsaufgabe: Teilen Sie eine beliebige Strecke in 7 kongruente Teilstrecken. Begründen Sie Ihre Konstruktion. 3. Die Strahlensätze 3.1. Das Teilverhältnis Definition: (inneres Teilverhältnis einer Strecke) Μ Μ Μ Μ eine gerichtete Strecke mit dem inneren Punkt π. Der Quotient π aus der Länge der Es sei π΄π΅ Μ Μ Μ Μ durch die Länge der gerichteten Strecke ππ΅ Μ Μ Μ Μ heißt das innere Teilverhältnis gerichteten Strecke π΄π ππ(π΄π΅, π) des Punktes π bezüglich der Punkte π΄ und π΅. ππ(π΄π΅, π) = π = |π΄π| |ππ΅| Bemerkung: Beachten Sie, dass wir von gerichteten Strecken ausgehen. Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze Satz ππ(π΄π΅, π) β ππ(π΅π΄, π) = 1 Übungsaufgabe: Man beweise obigen Satz. Satz: (Das Teilverhältnis als Invariante bei Parallelprojektionen) Für jede Parallelprojektion π und jede Strecke Μ Μ Μ Μ π΄π΅ , die nicht auf einer zur Projektionsrichtung parallelen Geraden liegt, gilt ππ(π΄π΅, π) = ππ(π΄′ π΅′ , π ′ ). (Anders: Das Teilverhältnis auf Geraden, die nicht zur Projektionsrichtung parallel sind, ist eine Invariante bei Parallelprojektionen. Beweis Wir beweisen nur für den Fall, dass eine Ebene auf eine Gerade projiziert wird. (Der Satz gilt auch im räumlichen Fall.) Es sei π eine Parallelprojektion der Ebene π auf die Gerade π mit der Projektionsrichtung Μ π. Ferner sei Μ Μ Μ Μ π΄π΅ eine Strecke mit dem inneren Punkt π. Die Gerade π΄π΅ möge nicht zur Projektionsrichtung gehören. zu zeigen: ππ(π΄π΅, π) = ππ(π΄′ π΅′ , π ′ ) Fall 1: π΄π΅ β₯ π trivial, da jede Bildstrecke zu ihrem Original kongruent ist. (Der Leser beweise dieses.) Fall 2: π΄π΅ β¦ π Fall 2a: π΄ fällt mit π zusammen: AT = 4,0 cm TB = 3,0 cm AT = 1,33 TB A'T' = 3,7 cm T'B' = 2,8 cm A'T' = 1,33 T'B' T' B' b S A' A T B Teilen jetzt Μ Μ Μ Μ π΄π΅ derart in äquidistante Teilstrecken, dass dabei π Anfangspunkt einer und Endpunkt einer weiteren dieser Teilstrecken ist. Kapitel 2: Ähnlichkeitsabbildungen, Vorlesung 2: Die Strahlensätze AT = 4,0 cm TB = 3,0 cm AT = 1,33 TB A'T' = 3,7 cm T'B' = 2,8 cm A'T' = 1,33 T'B' T' B' S A' A T B b