STELLUNGNAHMEN DER SPORTKOMMISSION ZU FRAGEN DES SPORTS Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 1. VORWORT .................................................................................................................. 2 2. GRUNDSATZPAPIER DER GEW-SPORTKOMMISSION (1984/87) ................ 4 2.1 Gesellschaftliche Bedeutung des Sports .............................................................. 4 2.2 Ziele und Aufgabenbereiche der GEW-Sportkommission ................................ 5 2.3 Schulsport ............................................................................................................... 5 2.4 Aus- und -fortbildung für Sportlehrerinnen und –lehrer.................................. 8 2.5 Sportwissenschaft ................................................................................................. 8 2.6 Sport im Arbeits- und Freizeitbereich ................................................................. 9 3. SCHULSPORT ........................................................................................................... 11 3.1 Schulsport 2000 (1991) ........................................................................................ 11 3.2 Sport in der Primarstufe (1992) ........................................................................ 18 3.3 Sport in der Sekundarstufe II (1979) ................................................................ 21 3.4 Sportunterricht an berufsbildenden Schulen (1993) .................................... 24 3.5 Flexibilisierung von Stundentafeln für den Sportunterricht (1993) .............. 26 3.6 Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von SportlehrerInnen (1981) ................... 30 3.6 Kooperationsmaßnahmen Schule – Verein (1994) ........................................... 33 4. SPORT UND GESELLSCHAFT ............................................................................. 36 4.1. Sport und Umwelt (1986) .................................................................................. 36 4.2 Sport und Gewalt (1994) ..................................................................................... 41 4.3 Sport und Gesundheit (1994) .............................................................................. 46 1 1. VORWORT zur Neuauflage 2013 Die GEW-SPORTKOMMISSION ist die einzige sportbezogene Kommission einer Einzelgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die Aufgabe der GEW-SPORTKOMMISSION besteht formal in der Beratung und Zuarbeit des/für den Hauptvorstand in sportbezogenen Fragen. Die GEW-SPORTKOMMISSION ist eingerichtet worden, um den Mitgliedern des ehemaligen Ausschusses für Leibeserziehung in der Arbeitsgemeinschaft der Lehrerverbände (AGDL) 1969 bei Überführung dieses Verbandes in die gewerkschaftliche Organisation der GEW eine sowohl ihren Berufsinteressen als auch eine der Bedeutung des Sports als gesellschaftlichem Faktor angemessene Arbeitsmöglichkeit zu bieten. So wurde die GEW-SPORTKOMMISSION satzungsmäßig verankert und als unmittelbare Einrichtung beim Hauptvorstand der GEW eingerichtet. Eine gewisse Sonderstellung dieser Kommission, liegt auch darin begründet, daß die GEW-SPORTKOMMISSION und nicht die GEW Mitglied in anderen Sportorganisationen war/ist. Die GEW-SPORTKOMMISSION berät auf ihrer turnusmäßigen Jahrestagung mit den Mitgliedern der Sportkommissionen der Landesverbände ihre Arbeit und beschließt Stellungnahmen. Eine Auswahl dieser Stellungnahmen und Beschlüsse zu unterschiedlichsten Problemen des Sports aus den vergangenen 10 Jahren wird hiermit vorgelegt, wie sie sich aus gewerkschaftlicher Sicht in der jeweils aktuellen Situation dargestellt haben. Damit dokumentieren wir einen Teil unserer Arbeit und die Entwicklung von Positionen insbesondere zum Schulsport. Diese Dokumentation beweist auch nachdrücklich die Notwendigkeit gewerkschaftlichen Engagements für die körper- und bewegungsbezogenen Interessen von Schülerinnen und Schülern ebenso, wie für die Verbesserung der besonderen Arbeitsbedingungen für SportlehrerInnen. Die Lektüre macht deutlich, dass die zu Beginn der 80-er Jahre aufgestellten Forderungen auch heute- und damit nicht weit vor dem Ende dieses Jahrtausends- nichts an Aktualität und Dringlichkeit verloren haben. 2 Aus Gründen der historischen Authentizität wurden die Stellungnahmen nicht aktualisiert oder verändert. Daher kann es zu Beginn einzelner Stellungnahmen auch zu inhaltlichen Wiederholungen kommen. In den älteren Stellungnahmen werden auch nicht immer geschlechtsneutrale Bezeichnungen oder beide Geschlechtsbezeichnungen genannt. Wir bitten, uns dieses nachzusehen. Wir glauben aber mit einem Neudruck dieser Broschüre anlässlich des Gewerkschaftstages 2013 auch eine Bestandsaufnahme vorlegen zu können, die gewerkschaftliche und sportpolitische Positionen für einen traditionell eher als unpolitisch geltenden Bereich markiert, Orientierungshilfen für Diskussionen liefert und zu weiterem Nachdenken und Agieren animieren möge. Norbert Baumann 3 2. GRUNDSATZPAPIER DER GEW-SPORTKOMMISSION (1984/87) Die GEW sieht als Einzelgewerkschaft im DGB neben der materiellen und rechtlichen Interessenvertretung die Wahrnehmung kultureller und bildungspolitischer Interessen ihrer Mitglieder als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an. Die Sportkommission der GEW versteht sich demzufolge als Interessenvertretung der gewerkschaftlich organisierten Sportlehrer/innen und -wissenschaftler/innen. Durch ihre Arbeit will sie ihren Beitrag dazu leisten allen Arbeitnehmern die Möglichkeit zu sportlichen Aktivitäten zu erschließen, die zu körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden der Menschen beitragen, wie dies auch im DGB-Grundsatzprogramm verankert ist (Absatz 30.9). 2.1 Gesellschaftliche Bedeutung des Sports Der Sport in der BRD stellt einen wichtigen gesellschaftlichen Faktor dar und umfasst einen beachtlichen Teilbereich der Freizeit. Aus gewerkschaftlicher Sicht bildet er deshalb keinen gesellschaftlichen Freiraum, da Ausmaß und Inhalt der Freizeit in starkem Maße von den Bedingungen der Arbeitswelt abhängig sind. Aufgrund der Bedeutung des Sports für die Arbeitnehmer wird er zum Handlungsfeld gewerkschaftlicher Aktivitäten. Die besonderen Möglichkeiten des Sports liegen in der Verbindung von Bewegung, Denken, Fühlen und gemeinsamen Handeln und den darin liegenden Chancen zur Entwicklung der Persönlichkeit, der Ausbildung von sozialen Kontakten und der Erhaltung der Gesundheit. Sport in der Freizeit sollte deswegen nicht nur der körperlichen Regeneration dienen. Auch Sport hat sich von unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen geprägt entwickelt. Diese gilt es durch bewusstes Sporttreiben und kritische Auseinandersetzung mit dem Sport aufzudecken, an gewerkschaftlichen Zielsetzungen zu messen und Sport in diesem Sinne gemeinsam zu verändern. Diese Erfahrungen können dazu beitragen, 4 dass die Menschen auch ihre politischen, rechtlichen und sozialen Interessen erkennen und durchsetzen. Infolge der zunehmenden Technisierung haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen und deren Verhältnis zur Natur verändert. Aus den damit zusammenhängenden veränderten Bedingungen und Möglichkeiten des Sports entstehen zunehmend neue Formen sportlicher Betätigung. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung des Staates für Natur und Umwelt und für die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen zum Sporttreiben. Sport hat sich selbst zur Aufgabe gesetzt, zur Verständigung der Menschen unterschiedlicher Rassen und politischer Überzeugungen beizutragen. Sport darf nicht als politisches Instrument, das den Frieden gefährdet, missbraucht werden, sondern soll dem Frieden dienen. 2.2 Ziele und Aufgabenbereiche der GEW-Sportkommission Die GEW-Sportkommission sieht aufgrund des Organisationsbereiches der GEW die folgenden Bereiche als ihre eigentlichen Aufgabenfelder - Schulsport - Aus- und Fortbildung für Sportlehrerinnen und -lehrer - Sportwissenschaft und Hochschulsport Da diese Bereiche untrennbar mit dem sportlichen Geschehen außerhalb des Bildungssektors verbunden sind, benennt sie auch Vorstellungen für den Sport im Arbeits- und Freizeitbereich. 2.3 Schulsport Der Sportunterricht an allen Schulformen und in allen Schulstufen hat wegen seiner einzigartigen Verbindung von Bewegung, Denken und Fühlen und gemeinsamen Handeln eine hohe Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Er beinhaltet mehr als nur die Vermittlung von sportbezogenen Fertigkeiten für bestimmte Sportarten. Mit verschiedenen Inhalten und Methoden kann im Sportunterricht auch die historische und gesellschaftliche Bedingtheit des Sports 5 erfahren und dadurch ein Beitrag zur Erkenntnis und Bewältigung gesellschaftlicher Realität geleistet werden. Die Nutzung dieser spezifischen persönlichkeitsbildenden und der gesundheitsfördernden Möglichkeiten machen den Sportunterricht zu einem integralen und gleichberechtigten Bestandteil der gesamten schulischen Bildung und Erziehung mit dem Ziel der umfassenden Entwicklung der Persönlichkeit als gesellschaftlich handelndes Subjekt. Diese allgemeine Bedeutung wird durch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen in den letzten Jahren noch erheblich verstärkt: Die Urbanisierung weiter Flächen der Bundesrepublik verbunden mit enger Bebauung; die Priorität für den Individualverkehr verbunden mit ungebremstem Straßenbau und ausbau und den Gefährdungen durch den Straßenverkehr in Wohngebieten nehmen den Kindern und Jugendlichen in bedrohendem Maße natürliche Bewegungsräume. Diese natürlichen Lebensräume und die Auseinandersetzung damit aber sind für ihre allseitige Entwicklung unentbehrlich. Zum vermeintlichen Ausgleich werden Kinder auf abgegrenzte, normierte, in Zahl und Ausstattung unzureichende Spielplätze verwiesen. Die Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen wird in zunehmendem Maße durch Angebote der Freizeit- und Elektronikindustrie synthetisiert. Individualisierter Musikkonsum, Videospiele, Fernsehen und Beschäftigung mit Computern ersetzen vielfach die unmittelbare Auseinandersetzung mit Natur, Umwelt und Gesellschaft. Die quantitative Ausweitung der Schulverweildauer bedingt eine weitgehend sitzende und bewegungsarme Tätigkeit der Schülerinnen und Schüler. An den Schulen gehören solche Unterrichtsformen wie projekt- und/oder handlungsorientierter Unterricht, die Lernen mit "Kopf, Herz und Hand" ermöglichen, immer noch zur Ausnahme. Nach wie vor herrscht der traditionelle Unterricht, mit dem Schwerpunkt auf Vermittlung abstrakten Wissens vor. Ebenso fehlen sportbezogene Pausen- und Nachmittagsangebote. Die Zunahme der "Neuen Armut" durch die Massenarbeitslosigkeit mit den damit verbundenen familiären Problemen, die oftmals fehlende oder nicht zu realisierende berufliche Perspektive, erhöht die Zahl derer, die vorschnell als "auffällig" und/oder "lern- und verhaltensgestört" kategorisiert werden. 6 In dieser Situation kommt einem Sportunterricht, der eine qualifizierte sportliche Ausbildung als integraler Bestandteil einer umfassenden Freizeiterziehung vermitteln soll, eine besondere Bedeutung zu. Diese kann der Sportunterricht z. Z. in keiner Weise erfüllen, da - nach wie vor ca. 30 % des vorgesehenen Sportunterrichts ausfällt; - nach wie vor ca. 40 % des Unterrichts fachfremd erteilt wird; - nach wie vor die Ausstattung mit Sportstätten und -geräten unzureichend ist; - durch Einstellungsstopp und Stellenabbau notwendige inhaltliche Innovationen im Sportunterricht fehlen. Um zu gewährleisten, dass die persönlichkeitsbildenden Möglichkeiten des Sports ausgeschöpft werden können, Schülerinnen und Schülern eine qualifizierte sportliche Ausbildung für eine sinnvolle sportbezogene Freizeitgestaltung erhalten, zu einer gesunden Lebensführung angehalten werden und sich mit dem Sportgeschehen in der BRD kritisch auseinandersetzen können, sind folgende Forderungen zu erfüllen: - mindestens 3 WS Sportunterricht in allen Schulstufen allgemeinbildender Schulformen (mindestens 2 WS an berufsbildenden Schulen) - zusätzliche qualifiziert angeleitete außerunterrichtliche Bewegungszeiten wie "Aktive Pause", "Außerunterrichtliche Neigungskurse (AUN)", etc. mit dem längerfristigen Ziel der täglichen Stunde für Bewegung, Sport und Spiel; - Schaffung von Sportstätten für den Schulsport entsprechend den Forderungen des 3. Memorandums zum "Goldenen Plan"; - Aufnahme didaktischer Neuorientierungen (Abbau des rein fertigkeitsbezogenen Lei stungsprinzips zugunsten eher variierender und sozial gestalteter Bewegungsformen; - Aufnahme von Elementen der sportbezogenen Bewegungskultur; "offener" und projektorientierter Unterricht) in die Richtlinien und Lehrpläne; - Einrichtung eines schulnahen qualifizierten und quantitativ erweiterten Fortbildungsangebotes, um neue didaktische Ansätze auch praktisch wirksam werden zu lassen; - Einrichtung eines quantitativ ausreichenden und qualifizierten Angebotes an sportbezogenen Fördermaßnahmen zur Behebung von Schwächen, die aus der 7 Konstitution oder Sozialisation resultieren; - gesellschaftlich bedeutende Probleme des Sport wie "Sport und Umwelt", "Sport und Frieden", "Gewalt im Sport", "Frauen im Sport" u.a. sind fächerübergreifend oder in geeigneten Unterrichtsfächern zu bearbeiten. - Verbesserung der erschwerten Arbeitsbedingungen der Sportlehrerinnen und Sportlehrer, u.a. durch eine allgemeine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. 2.4 Aus- und -fortbildung für Sportlehrerinnen und –lehrer Die Ausbildung von Sportlehrerinnen und -lehrern hat an wissenschaftlichen Hochschulen stattzufinden und ist in das schulstufenbezogene Lehrerstudium voll zu integrieren. Das Studium ist inhaltlich und formal gleichberechtigt zu den anderen Unterrichtsfächern zu organisieren und Muss in einem mindestens 8-semestrigen Studium zu gleichen Qualifikationen und besoldungsrechtlichen Einstufungen führen. Das Studium muss sich an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen und der zukünftigen Berufspraxis orientieren und eine enge Verbindung von Theorie und Praxis gewährleisten. Das bedeutet, dass gesellschafts-, erziehungs- und fachwissenschaftliche Fragestellungen in einem projektorientierten Studium zu integrieren sind. Die geeignete Form dazu stellt die einphasige Lehrerausbildung dar. Die Einrichtung eines qualifizierten Fortbildungsangebotes und regelmäßige Teilnahmemöglichkeiten sind sicherzustellen. Es soll den jeweils neuesten Stand von Forschung und Lehre vermitteln und eine theoretisch fundierte Schulsportpraxis mit neuen Impulsen versehen. Die Landessportkommissionen sammeln und verbreiten entsprechende Modelle und praktische Beispiele und bieten ggf. Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen gewerkschaftlicher Weiterbildung an. 2.5 Sportwissenschaft Für Lehre und Forschung im Bereich der Sportwissenschaft sind eigene Fachbereiche an den wissenschaftlichen Hochschulen einzurichten. Sie müssen mit den erforderlichen Sach- und Personalausstattungen versehen werden. 8 Als Interessenvertretung der arbeitenden Menschen ist der DGB und damit auch die GEW verpflichtet, dafür einzutreten, dass sich die gesamte Lehre und Forschung an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen und Interessen der arbeitenden Menschen orientieren. Dazu gehören Probleme des organisierten und nichtorganisierten Breitensports, Betriebssports, Sport in der Resozialisierung und Rehabilitation sowie Fragestellungen über die sportliche Betätigung besonderer Gesellschaftsgruppen wie z.B. Behinderte, alte Menschen, ausländische Mitbürger usw. Ein Nachholbedarf sportwissenschaftlicher Forschung besteht insbesondere in spezifischen Fragen der sportlichen Betätigung der arbeitenden Menschen. Sportwissenschaftliche Forschung sollte sich auch auf Ziele, Inhalte und Organisationsformen des Sportunterrichts in allen Schulformen und -stufen sowie auf Probleme der Arbeitsbedingungen der Sportlehrerinnen und -lehrer usw. beziehen. Zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Hochschulangehörigen ist der Betriebssport an den Hochschulen auszubauen. Der Sport an den Hochschulen soll auch für die Allgemeinheit geöffnet werden. Der Hochschulsport ist in Form einer zentralen Einrichtung zu organisieren und mit entsprechenden personellen und materiellen Kapazitäten auszustatten. 2.6 Sport im Arbeits- und Freizeitbereich - Vereinssport Die Sportvereine sind nach wie vor die entscheidenden Träger des Sports in der BRD. Wollen sie die anspruchsvolle Aufgabe 'Sport für alle' verwirklichen, müssen sie sich gerade an die Teile der Bevölkerung wenden, die bislang noch unterrepräsentiert sind, insbesondere Angehörige unterer sozialer Schichten und Frauen. Entscheidende Grundlage erfolgreicher Vereinsarbeit aber ist und bleibt eine öffentliche Sportförderung. Die Sportkommission spricht sich daher gegen jede Kürzung der Mittelzuweisungen für den Sport aus und setzt sich für eine gesetzliche Absicherung der öffentlichen Sportförderung - insbesondere im kommunalen Bereich unter Beibehaltung der Selbstverwaltung der Vereine ein. Weiterhin fordert sie zügige Erfüllung und Fortschreibung der Normen nach dem "Goldenen Plan". 9 Die Sportkommission spricht sich aus für mehr Transparenz und Demokratie in Vereinen und Verbänden und für die Zurückdrängung des Einflusses von Staat und Wirtschaft. Sie befürwortet Vereine, die auch für Nichtmitglieder offen sind, sich am Wohnumfeld orientieren und möglichst viele nicht-wettkampforientierte Sportgruppen anbieten. - Betriebssport und Sport für Auszubildende. In den Betrieben sind geeignete Sportmöglichkeiten für den Betriebssport und den Sport für Auszubildende zur Verfügung zu stellen. Die dafür notwendigen inhaltlichen Konzepte müssen unter gewerkschaftlicher Mitbestimmung erarbeitet werden. Der Betriebssport und Sport für Auszubildende soll unter der Kontrolle des Betriebs- und Personalrats stehen, in Kooperation mit Sportvereinen durchgeführt und von den Unternehmen finanziert werden. Das Prinzip der freiwilligen Teilnahme Muss eingehalten werden. Der Betriebssport und der Sport für Auszubildende sollen sämtliche Möglichkeiten des Sports vermitteln und nicht versuchen, einseitige Arbeitsbelastungen genauso einseitig auszugleichen. Bewegungspausen für besonders belastete Arbeitnehmer sollten täglich ermöglicht werden. Die Sportkommission setzt sich dafür ein, dass qualifizierte Sportveranstaltungen (im Sinne von 1.2) im Rahmen des gesetzlich garantierten Bildungsurlaubes angeboten und anerkannt werden. - Sport außerhalb von Vereinen und Betrieben Durch die starke Orientierung der Vereine am Wettkampfsport haben sich in den letzten Jahren viele nicht-organisierte Freizeitsportgruppen gebildet. Diese Gruppen sind bei der Bereitstellung von Sportstätten gleichberechtigt zu behandeln und mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Sportliche Aktivitäten besonderer Gesellschaftsgruppen wie Behinderte, alte Menschen, ausländische Mitbürger, Kleinkinder und soziale Randgruppen sind zu unterstützen. Aktionen im Bereich des Freizeitsports (z.B. Trimm-Trab, Aerobic) sind zu überprüfen im Hinblick auf ihren Nutzen für die Arbeitnehmer bzw. auf Verquickungen mit ökonomischen Interessen (Sportartikelindustrie etc.). Aufgrund unzureichender 10 öffentlicher Sportförderung hat die Zahl kommerziellen Sportanbieter in den letzten Jahren erheblich zugenommen. 3. SCHULSPORT 3.1 Schulsport 2000 (1991) Die tiefgreifenden Umwälzungen, die gegenwärtig alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfassen, lassen den Bildungs- und Ausbildungssektor nicht unberührt. So können die globalen Probleme (insbesondere die Gefährdung der natürlichen Umwelt, Produktion und Anhäufung friedensgefährdender Massenvernichtungswaffen, die sich weiter vergrößernde Kluft zwischen den sog. unterentwickelten und den hochindustrialisierten Ländern, alle Formen der Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse, der Überzeugungen u.a.m.) nur einer Lösung zugeführt werden, wenn die Menschheit insgesamt zum handelnden Subjekt im eigenen Überlebensinteresse wird. Damit ist quasi die Hauptaufgabe künftiger Bildung und Erziehung vorgegeben: nämlich die Sensibilisierung von SchülerInnen für diese Probleme und Entwicklung individueller und kollektiver Handlungsfähigkeit für deren Bewältigung. Parallel dazu schlagen sich die geschilderten Probleme und Veränderungen mittelbar über veränderte Lebens- und Erziehungsmuster der Erwachsenen und unmittelbar über veränderte Lebensweisen von Kindern und Jugendlichen auch auf Schule und Unterricht nieder. V.a. durch diese Einflüsse hat sich mittlerweile eine neuer Typ von SchülerInnen herausgebildet. Wenngleich hier von einem neuen Typ gesprochen wird, entzieht er sich 11 einer Generalisierung. Einerseits existieren sowohl regionale Unterschiede, wie z.B. zwischen eher städtischen und ländlichen Regionen. Andererseits weist er viele verschiedene, teilweise gegensätzliche Kennzeichnungen auf, die sich in ihrer Gesamtheit jedoch grundsätzlich von vorangehenden SchülerInnengenerationen unterscheiden. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in einer starken Individualisierung und zunehmend auseinanderdriftenden Lebenswelten heutiger SchülerInnen. Dies bezieht sich sowohl auf ihre soziale Situation(z.B. "Neue Armut"), als auch auf die höchst unterschiedliche Entwicklung individueller Fähigkeiten, Neigungen und Interessen. Die hier genannten Bedingungen treffen Schüler und Schülerinnen deswegen in unterschiedlicher Ausprägung und Konsequenz, weil Schülerinnen zusätzlich noch Benachteiligungen unterschiedlicher Formen und Intensität ausgesetzt sind. Daraus ergeben sich nochmals geschlechtsspezifische Ausformungen des individuellen Verhaltens. Die "neuen" Verhaltensweisen dieser Generation von SchülerInnen werden von vielen KollegInnen zunächst einmal als störend und negativ empfunden, da sie viele gewohnte Unterrichtsformen und -methoden radikal in Frage stellen, bzw. zerstören. Dieser neuer Verhaltenstyp heutiger SchülerInnen weist u.a. folgende, für diesen Zusammenhang interessante Kennzeichen auf: - Werte und Verhalten von SchülerInnen orientieren sich heute eher am individuellen Wohlbefinden und Interesse, an Möglichkeiten, aktuelle und spontane Bedürfnisse zu realisieren und so eine diffus verstandene Selbstentfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen (Kreativität, Genuss, Abenteuer, Autonomie, u.ä.). Dadurch erfahren die den SchülerInnen vorgegebenen Pflichtwerte (Disziplin, Gehorsam, Selbstbeherrschung u.ä.) eine grundsätzliche Relativierung und Infragestellung. Gleichzeitig entwickeln SchülerInnen in bestimmten Fragen ein hohes Maß an ethischen Wertvorstellungen (z.B. in Fragen der Ökologie und der Friedenssicherung) und einen rigiden Maßstab für deren Einhaltung insbesondere gegenüber Erwachsenen. - Zunehmend sind sehr stark differierende Formen der Lern- und Konzentrationsfähigkeit zu beobachten. Diese zeigen oft ein Erscheinungsbild von nur 12 kurzzeitig konzentrationsfähigen und interessierbaren SchülerInnen, deren Lernfähigkeit und -bereitschaft in starkem Maße von ihnen als kurzweilig empfundenen und sie persönlich interessierenden und betreffenden Inhalte und Methoden abhängig sind. - Der Konsum elektronischer Medien ersetzt für viele SchülerInnen die real-sinnliche Auseinandersetzung mit der Umwelt. - Beobachtbar ist allgemein eine Zunahme gewalttätigen Abbaus von Aggressionen bzw. der Akzeptanz von Gewalt als Möglichkeit der Konfliktbewältigung. Bezogen auf den Sport sind folgende Entwicklungen zu beobachten: - Die gesundheitliche Verfassung von SchülerInnen erweist sich als zunehmend problematisch. Dies bezieht sich sowohl auf eine steigende Zahl sowohl von Haltungsschwächen und -schäden, als auch psychomotorischer Störungen und umweltbedingter Allergien. - Die Bewegungssozialisation weist viele Defizite aufgrund mangelnder Bewegungsreize und -möglichkeiten auf. Mit der beobachtbaren Tendenz zur Abnahme sensomotorischer Grundfertigkeiten durch eine restringierte Alltagsmotorik wie Klettern, Springen, Fangen etc. geht einher ein tendenzieller Verlust aller Elemente der sportlichen Kondition. - nicht mehr die absolute und messbare sportliche Leistung steht allein im Vordergrund, sondern auch die individuell erfahrbare Befriedigung sportbezogener und/oder bewegungsbezogener Bedürfnisse. Diese kann sich beispielsweise in einer mangelnden Bereitschaft äußern, die vorgeblich für ein Spiel notwendigen Fertigkeiten zu erlernen und statt dessen mit den vorhandenen Möglichkeiten ein Spiel auf niedrigstem technischen Niveau als befriedigend zu erfahren. Diese Entwicklungen bilden die maßgeblichen Rahmenbedingungen für eine zukunftsorientierte Bestimmung von Zielen, Inhalten und Methoden des Sportunterrichts. Sportunterricht legitimiert sich in einem für diese Bedingungen zu 13 erarbeitenden Konzept innerhalb der Zielsetzung einer allseitig und ganzheitlich entwickelten Persönlichkeit - wesentlich als ein integraler Bestandteil einer sportbezogenen Freizeiterziehung. Diese kann und sollte die besonderen Möglichkeiten sportlichen Handelns für eine Qualifizierung zu einer aktiven, kreativen, ökologisch und sozial verantwortungsbewussten Gestaltung der Freizeit mit Bewegung, Sport und Spiel nutzen. - Zudem soll Sportunterricht sich verstehen als Element einer umfassenden Gesundheitserziehung und - die Erziehung zu Frieden und gewaltfreier Konfliktlösung in und mit den spezifischen Bedingungen des Sports beinhalten. Die Breitensportbewegung in der BRD hat in den letzten Jahren im Erwachsenenbereich qualitativ wie quantitativ Fortschritte erzielt. Sollen diese auch nur in verminderter Form für die nachwachsende Generation von Kindern und Jugendlichen wirksam werden, sind einschneidende Veränderungen im Schulsport notwendig. Diese müssen sich -sollen sie den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen- an folgenden inhaltlichen Orientierungen ausrichten: - Sportunterricht hat inhaltlich gestaltend an der Lebens- und Bewegungswelt der Kinder und Jugendlichen anzusetzen, will er diese ansprechen und motivieren. Dies kann aber nicht nur ein Nachtrag auf sich ändernde Bedingungen/ (künstlich geweckte) Bedürfnisse sein. Es hat aber zur Konsequenz, dass neben den traditionellen Sportarten die sicher auch zukünftig weiter den Schwerpunkt sportbezogener Ausbildung ausmachen werden- eine möglichst Palette unterschiedlicher Elemente der mittlerweile sehr breit gefächerten Sport-, Spiel und Bewegungskultur Inhalte des Sportunterrichts werden. Über die bekannten und praktizierten Inhalte hinaus, werden folgende Funktionen für den Sportunterricht zukünftig zunehmend Raum gewinnen müssen. - Sportunterricht als Element der Kompensation. Das bedeutet die stärkere Einbeziehung von Inhalten ( Fitnesstraining; Kraft- und Ausdauerschulung; aber auch bewusste 14 Formen der Entspannung durch und mit Bewegung), die den genannten Problemen Rechnung tragen und den SchülerInnen Problemlösungsstrategien entwickeln helfen können. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Sportunterricht allein die aus Bewegungsmangel, falscher Ernährung, Reizüberflutung u.a.m. entstandenen Probleme lösen kann. - Sportunterricht als Element der Therapie bedeutet die bewusste und qualifizierte Übernahme von Elementen aus diesem Bereich (Massage; bewusste Körpererfahrung mit Hilfe aller Sinne) auch bei der Vermittlung traditioneller Sportarten. Diese können die oft einseitige und sinnlich restringierte Form des herkömmlichen Sportunterrichts überwinden, wichtige Lernhilfen bieten und zur positiven Akzeptanz des eigenen Körperbildes beitragen. Dies kann und soll aber nicht den Austausch von Sportarten gegen Inhalte der Motopädie, Psychomotorik o.ä. bedeuten. - Sportunterricht als Element interkultureller Erziehung hat die gesellschaftliche Realität auch im Sport zu thematisieren. Das bedeutet sowohl die Beschäftigung mit Elementen der fernöstlichen Bewegungskulturen als auch die aktive Beschäftigung mit und Einbeziehung der den Lebensraum Schule umgebenden Einflüsse ausländischer Kulturen in Bewegung, Sport und Spiel. - Feminisierung des Sportunterricht bedeutet zunächst, dass Aktivitäten zur Beseitigung von Benachteiligungen für Mädchen und Frauen im Sport entwickelt werden. Dieses ist zwar die nächste und vorrangige Aufgabe, Feminisierung bedeutet aber auch die Akzeptanz, Würdigung und Übernahme frauen-spezifischer Werte, Formen und Inhalte für den allgemeinen Sportunterricht. Für diesen Entwicklungsprozess sind den Mädchen und Frauen Möglichkeiten und Räume zu geben. Sollen solche inhaltlichen Orientierungen wirksam werden, müssen sie konzeptionell auch mit veränderten und neu akzentuierten Methoden verbunden werden, die den o.g. Veränderungen Rechnung tragen. 15 Das Hauptaugenmerk Muss dabei auf eine pädagogisch ausgerichtete Individualisierung des Lernens gelegt werden. Dies nicht, um einer gesellschaftlicher Entwicklung pädagogisch nachzutraben, sondern um den weiter auseinanderdriftenden Bedürfnissen, Interessen, Fähigkeiten und Neigungen besser entsprechen und Lern- und Erziehungsprozesse einsichtiger, nachhaltiger und damit auch effektiver gestalten zu können. Methoden des individualisierten Lernens können bedeuten: - Ablösung der traditionellen sportartbezogenen deduktiv-analytischen Methodik mit der lehrgangsmäßigen Vermittlung isolierter Fertigkeiten durch eher ganzheitliche Vermittlungsformen für die jeweilige Sportart oder sportartenübergreifend. Diese sollten die individuelle Bewegungserfahrung und alle Sinne nutzen, sowie vielfältige Möglichkeiten von Selbstkontrollen bieten. - Verschiedenste Formen differenzierten Unterrichts, der SchülerInnen auch einen verstärkten Einfluss auf Unterrichtsinhalte und eine größere Wahlmöglichkeiten sichert. - Formen des 'offenen' Unterrichts, der SchülerInnen zu selbständigem, selbstverantwortlichem und -organisiertem Handeln befähigen soll; - Formen von fächerübergreifendem Unterricht, in dem die teilweise bereits fließenden Fächergrenzen z.B. zwischen Sport und Darstellendem Spiel, Rhythmik, Musik, Bildn. Gestalten u.a.m. überwunden werden; - Formen des Projekt, bzw. projektorientierten Unterrichts, in denen fachübergreifend, für die Lösung gemeinsam erarbeiteter Fragestellungen mit einem konkreten Produkt als Ergebnis gearbeitet werden soll. Solche Perspektiven sind natürlich mit einer Bewertung von Leistungen mit der herkömmlichen Notenskala von 1-6 schwerlich zu vereinbaren. Der Leistungsbegriff für Lernzuwächse im Sportunterricht Muss so neu definiert werden, dass der je individuelle Leistungszuwachs in seiner Komplexität erfasst wird. Eine Bewertung kann in einem wie hier skizzierten Sportunterricht am ehesten adäquat in Form von Beratungsgesprächen oder in schriftlichen Berichten (Berichtszeugnis) vorgenommen werden. Dies darf natürlich nicht isoliert für den Sportunterricht gelten. 16 Solche Perspektiven sind nicht ohne flankierende Maßnahmen im Bereich der Sportstätten, der Sportgeräte und der weiteren Qualifizierung der Unterrichtenden zu erzielen sind. Ebenso unwirksam bleiben die hier entwickelten Vorstellungen, wenn es nicht gelingt, die Sport-, Spiel, und Bewegungszeiten für Kinder und Jugendlichen in den Schulen drastisch zu erhöhen. Wenn die hier dargelegten Entwicklungslinien auch nur teilweise umgesetzt werden sollen, wird es nicht bei einer Veränderung/Verbesserung der sportbezogener schulischen Situation bleiben können. Dies alles wird nur in einem sich grundlegend gewandelten Gesamtsystem Schule möglich sein. Noch ist der politische Druck nicht erreicht, solche Vorstellungen zu realisieren. Die GEW-Sportkommission wird weiterhin ihren Beitrag dazu leisten. 17 3.2 Sport in der Primarstufe (1992) Im letzten Jahrzehnt haben sich tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen vollzogen, die zu grundlegenden Neuorientierungen in vielen Lebensbereichen geführt haben. Veränderte Sozialisationsbedingungen, Werte- und Normenwandel und neue Anforderungen der Arbeitswelt haben bewirkt, dass die Schule heute weitergehende Aufgaben bei einer sich wandelnden SchülerInnengeneration übernehmen muss. Trotz einer relativ starken Unflexibilität des Bildungssystem und Einschränkungen aufgrund von Kürzungsmaßnahmen im Bildungsbereich gibt es verschiedene Aktivitäten (Lehrplanrevisionen, neue Fortbildungskonzepte, Integrationskonzepte, offener Unterricht usw.), die innere Schulreform vorantreiben. Gerade im Grundschulbereich haben aufgrund o.g. Veränderungen viele KollegInnen die Notwendigkeit reformpädagogischer Veränderungen (z.B. Offener Unterricht) erkannt und konkrete Ansätze entwickelt, in denen Kindern Selbsttätigkeit und individualisiertes Lernen mit Kopf, Herz und Hand ermöglicht wird. Der Sportunterricht hinkt aber oft hinter den vielfältigen Entwicklungen im außerschulischen Sport und den reformpädagogischen anderer Unterrichtsfächer Bemühungen hinterher. Umso wichtiger sind Anstrengungen für einen qualifizierten Unterricht für den Bereich Bewegung, Sport und Spiel. Somit ist in besonderem Maße der Innovationsprozess bezogen auf den Sportunterricht gefordert, der in der gegenwärtigen Form den veränderten Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder oft nicht mehr gerecht wird. Eine zunehmend bewegungsfeindliche Umwelt insbesondere in städtischen Ballungsgebieten führt zu Einschränkungen von Lebens- und Bewegungsräume für Kinder. Die Bewegungssozialisation vieler Kinder weist zunehmende Defizite im Bereich der Alltagsmotorik und allgemeiner körperlichen Fähigkeiten auf. Mangelnde Bewegungsmöglichkeiten sind auch mitverantwortlich für die Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten besonders im psychomotorischen Bereich, Lern- und Disziplinschwierigkeiten, zunehmende Aggressivität und dem insgesamt verschlechterten Gesundheitszustand heutiger Schulkinder. 18 Aber nicht nur die körperliche Entwicklung nimmt durch die Einschränkungen von Bewegungsmöglichkeiten Schaden. Für eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung sind Bewegung, Sport und Spiel unabdingbare und unaustauschbare Komponenten. Die Stärkung dieses Bereiches ist um so wichtiger, je mehr Medienkonsum und Bewegungsarmut eine gleichgewichtige Entwicklung aller Fähigkeiten bedrohen. Daher ist gerade in dem für die Entwicklung von Einstellungen /Grundlagen etc. besonders wichtigen Grundschulalter ein qualifizierter Unterricht sicherzustellen und müssen weitere Verschlechterungen, wie z.B. > Erhöhung von Klassenfrequenzen > Streichung von Stunden etc. verhindert werden. Eine weitere Verschlechterung der Situation in Qualität und Quantität des Spiel-, Sport und Bewegungsangebotes für Kinder können angesichts der ohnehin problematischen Bewegungsmöglichkeiten für Kinder und deren negativen Folgen für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung nicht mehr hingenommen werden. Wir fordern daher > keine Erhöhungen der Klassenfrequenzen im Grundschulbereich- vielmehr sind für zusätzliche Anforderungen an die pädagogischen Anforderungen an Schulen aufgrund veränderter Lebens- und Verhaltensweisen von Kindern Senkungen der Klassenfrequenzen nötig > 3 Stunden Unterricht für BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL pro Woche plus zusätzlich eine tägliche betreute Bewegungszeiten von mindestens 20 Minuten, die nicht in Pausen liegen. > Entwicklung von Unterrichtsformen, die auch Bewegungen für Kinder während der Unterrichtszeit ermöglichen. > Bewegungsfreundliche und -anregende Gestaltung der Schulgebäude und -gelände > Orthopädisch unbedenkliches Schulmobiliar (Modellversuche mit "Alternative Sitzmöbel" wie Sitzbälle o.ä.). > Qualifizierung von LehrerInnen für den Unterricht im Bereich BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL. > Ausstattung der Sportstätten mit motivierenden, freizeitrelevanten Geräten. 19 > Einrichtung von Stellen für die Diagnose und Therapie bei Auffälligkeiten im psychomotorischen Bereich. > Überarbeitung der Lehrpläne. > Wegen der erhöhten Bedeutung pädagogisch-betreuender Aufgaben im Grundschulbereich sprechen wir uns dafür aus, dass KlassenlehrerInnen mindestens in den ersten beiden Schuljahren neben der Betreuung der Bewegungszeiten auch den "Erstunterricht" in BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL erteilen, auch wenn sie dafür nicht ausgebildet worden sind. Voraussetzung dafür muss aber die Erlangung einer Zusatzqualifikation sein, die auf folgenden unterschiedlichen Wegen erlangt werden kann: > Zentrale Fortbildungsmaßnahmen > Schulinterne Fortbildung > LehrerInnenkooperation > Teammodelle > In die Ausbildung von GrundschullehrerInnen ist ein obligatorischer Block von mindestens 6 SWS für den Erstunterricht in BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL für alle aufzunehmen. > Es sind dringend Modelle/Versuche anzuregen und zu unterstützen, offene Unterrichtsformen für den Bereich BEWEGUNG, SPORT UND SPIEL zu entwickeln und entsprechende Materialien (Karteien etc.) zu verbreiten. 20 3.3 Sport in der Sekundarstufe II (1979) I. Ziel der Anfang der 70er Jahre geschaffenen "reformierten Oberstufe" sollte die Auflösung der traditionellen gymnasialen Oberstufe sein. Die reformierte Oberstufe sollte entsprechend der Vorstellungen der Kultusministerkonferenz von 1972 folgende Vorteile bringen: - starker Neigungs- und leistungsdifferenzierter Unterricht zur Hebung des allgemeinen Bildungs- und Qualifikationsniveaus und damit zur Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches. - Gleichzeitig kritische Vorbereitung auf gesellschaftliche Realität im wissenschaftlich-technischen Zeitalter. - Die reformierte Oberstufe soll Grundlagen für nachfolgende Bildungsgänge legen und - Kooperation zwischen allgemeiner und berufsbezogener Bildung ermöglichen. II. Übertragen auf den Schulsport heißt das nach Auffassung der GEWSportkommission: - Erwerb der Fähigkeit, möglichst verschiedenartige Sportarten individuell und in Gruppen zu betreiben und darüber hinaus initiieren. - Einsicht in die gesellschaftliche Notwendigkeit des Sporttreibens und Erfahrung der individuell persönlichkeitsbildenden Möglichkeiten des Sports. - Erkenntnisse der gesellschaftlichen Bedingtheit des Sports, um zu kritischem und aktivem Handeln in diesem Bereich zu befähigen. III. Diesen Ansprüchen konnte der Sportunterricht auf der Sekundarstufe II bisher immer weniger gerecht werden insbesondere durch: - die Verschärfung des Leistungsdruckes durch den Numerus-Clausus; - Reglementierung durch die Aufsichtsbehörden; - durch Vorgabe immer umfangreicherer und differenzierterer Leistungsanforderungen im motorischen Bereich; 21 - Überbetonung des motorischen Bereichs aufgrund des Einflusses der Fachverbände (Normenbuch); - nach wie vor unzureichende Ausstattung der Schulen mit Sportstätten und qualifizierten Sportlehrern, insbesondere im berufsbildenden Bereich; - fehlende Kooperation zwischen Hochschulen und Schulen. IV. Um die oben genannten Ziele zu verwirklichen, bedarf es anderer Voraussetzungen und Bedingungen für den Sportunterricht in der Sekundarstufe II, als sie momentan gegeben sind. Dazu erhebt die GEW-Sportkommission folgende Forderung: 1. Es muss ein breites Angebot von Sportarten zur Verfügung stehen, das über den traditionellen Schulsportkanon hinausweist, wie z. B. Badminton, Tischtennis usw. Für die Durchführung von Kursen dieser Sportarten sollte keine gesonderte Genehmigung erforderlich sein, mit Ausnahme von risikoreichen Sportarten wie Skilaufen, Trampolin usw. Der Unterricht sollte grundsätzlich koedukativ durchgeführt werden. 2. Die Ausbildung in Sporttheorie darf nicht verbindungslos neben der sportpraktischen Ausbildung stehen. Vielmehr muss grundsätzlich die enge Verbindung von Theorie und Praxis gewährleistet sein. Im Sportunterricht der Sekundarstufe II sollte jedem Schüler Einblick in gesundheitliche und soziale Aspekte des Sports gegeben werden. 3. Einsicht in die Notwendigkeit sportlicher Tätigkeit und die Erkenntnis der gesellschaftlichen Bedingtheit des Sports erfordern eine Analyse des Sports in unserer Gesellschaft. Daher müssen die Anteile der gesellschaftswissenschaftlichen Inhalte der Sporttheorie neben den bislang überbetonten naturwissenschaftlich orientierten Inhalten in etwa gleichgewichtig sein. 4. Die Leistungskurse müssen im Sinne einer umfassenden Orientierung möglichst viele Aspekte beinhalten, die den Schülern die Erkenntnisse der komplexen 22 Problematik des Sports ermöglichen und somit auch berufsvorbereitend für verschiedene Berufsfelder im Bereich des Sports wirken können. Dazu müsste die Zahl der Wochenstunden für den Leistungskurs in allen Bundesländern 6 betragen, wobei das Verhältnis von Praxis und Theorie 1:1 sein sollte. In allen Bundesländern sollte das Fach Sport als 4. Prüfungsfach für das Abitur wählbar sein. 5. Die Ausbildung der zukünftigen Sportlehrer an den Sportinstituten muss die speziellen Anforderungen des Sportunterrichts in der Sekundarstufe II stärker als bislang berücksichtigen und das Ausbildungsprogramm muss entsprechend erweitert werden. Den nicht speziell für diesen Unterricht ausgebildeten Lehrkräften muss Gelegenheit zur Weiterbildung gegeben werden. 6. Die Normenbücher für das Fach Sport und die darin festgelegten Leistungsanforderungen sind zugunsten einer Prüfungsordnung zurückzuziehen, die die Gesamtheit der Lehrinhalte auf der Sekundarstufe II angemessen berücksichtigt. 7. Die seit Jahren angekündigte Überprüfung der Rahmenrichtlinien und Lehrpläne hat bislang entweder noch nicht stattgefunden oder ist nicht publiziert worden. Um die dringend revisionsbedürftigen Inhalte und Ziele zu überarbeiten, sollten Lehrplanausschüsse unter Beteiligung qualifizierter und demokratisch legitimierter Lehrer und unter Einschluss von Gewerkschaftsvertretern einberufen werden. 23 3.4 Sportunterricht an berufsbildenden Schulen (1993) Die Erteilung des Sportunterrichts an berufsbildenden Schulen wird seit Jahren vom DGB und von der GEW sowie von weiteren Institutionen gefordert. Der GEW-Hauptvorstand fordert die Kultusminister der Länder auf, den Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen durch Verankerung in den Stundentafeln die Möglichkeit einzuräumen, Sportunterricht zu erhalten. Er fordert deshalb erneut: 1. Sport muss für alle berufsbildenden Schulen in Vollzeit- und Teilzeitformen als Pflichtfach in der Stundentafel verankert und auch erteilt werden. 2. Die gleiche Behandlung bei der Sportunterrichtsversorgung aller SchülerInnen im Sek.-II-Bereich muss gewährleistet werden. Keine Benachteiligung von BerufsschülerInnen ( Die berufsbildende Schule wird von 2/3 SchülerInnen der entsprechenden Jahrgangsstufe besucht)! 3. An berufsbildenden Schulen in Teilzeitunterricht sind hierfür entsprechende Zeitanteile in der Stundentafel von mindestens zwei Wochenstunden auszuweisen. Bei Blockunterricht sind hierfür entsprechende Zeitanteile in der Stundentafel vorzusehen. In Vollzeitschulen sind mindestens 4 Wochenstunden Sport zu erteilen. 4. Die Inhalte des Sportunterrichts haben die gesamte Breite von Zielvorstellungen für sportliches Handeln abzudecken. 5. Insbesondere den Teilzeitschülerinnen und -schülern ist zusätzlich ein außerunterrichtliches Sportangebot zu machen (freiwillige AGs), um ihnen auch in der unterrichtsfreien Zeit Gelegenheit zu sportlicher Betätigung zu geben. 6. Es sind umgehend geeignete Sportstätten an beruflichen Schulen zu errichten und berufsspezifisch auszustatten. 7. Es sind ausreichend Sportlehrkräfte für berufliche Schulen auszubilden und einzustellen. Die Sportlehrerinnen und -lehrer für das Lehramt an Berufsbildenden 24 Schulen müssen für die spezifischen Bedürfnisse des Berufsschulsport ausgebildet werden. Weiterbildungsmaßnahmen über die LehrerInnenfortbildung allein reichen nicht aus, um die notwendigen Qualifikationen zu vermitteln. In der LehrerInnenfortbildung sind die speziellen Bedürfnisse und Probleme des Sports an berufsbildenden Schulen zu berücksichtigen. 8. In allen Bundesländern muss der Bildungsurlaub gesetzlich so geregelt werden, damit für BerufsschülerInnen und junge ArbeitnehmerInnen auch zusätzliche Möglichkeiten sportlicher Bildung und Weiterbildung bestehen. 25 3.5 Flexibilisierung von Stundentafeln für den Sportunterricht (1993) Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, neue berufliche Qualifikationsanforderungen und tiefgreifende Veränderungen der Lebensweise heutiger Kinder und Jugendlicher stellen oft gänzlich neue Ansprüche und Anforderungen an die Institution Schule. Diese ist z.Z. nicht oder nur unzureichend in der Lage, diesen neuen Anforderungen zu genügen. Die bestehenden personellen, strukturellen und materiellen Rahmenbedingungen führen immer noch weitgehend dazu, dass mit teilweise überholten Inhalten und Methoden in unangemessenen Räumen oft an den Bedürfnissen und Interessen von SchülerInnen vorbei unterrichtet wird. Diese allgemeinen Aussagen lassen sich für den Schulsport folgenderweise konkretisieren: - im Durchschnitt werden von den noch im gemeinsam von der KMK und dem DSB verabschiedeten "2. Aktionsprogramm für den Schulsport" angepeilten 3 Wochenstunden Sportunterricht pro Woche 2,2 Stunden real erteilt. - Schulartenabhängig schwankt die Quote fachfremd erteilten Unterrichts zwischen 20 und 70 %. - Das Durchschnittsalter von SportlehrerInnen hat sich aufgrund der NichtEinstellungspolitik der Länder in den letzten Jahren ständig erhöht und steht jetzt bei ca. 46 Jahren. Das gestiegene Durchschnittsalter für SportlehrerInnen muss nicht unbedingt, kann aber ein Negativkriterium sein. Es fehlt die normale Durchmischung auch mit jungen KollegInnen, die mit neueren sportdidaktischen Ansätzen und Inhalten oftmals mit mehr Elan und Engagement an ihre Aufgabe herangehen. - Zu beobachten ist eine Rückzugstendenz insbesondere von Sportlehrerinnen aus dem Sportunterricht wegen zunehmender Disziplinprobleme und der mangelnden Bereitschaft der SchülerInnen, zu lernen, zu üben und nicht nur den momentanen Bewegungsbedürfnissen auf dem jeweiligen Fertigkeits- und Fähigkeitsniveau nachzugehen. Hier droht der Verlust eines wichtigen weiblichen Erfahrungs- und Identifikationspotentials insbesondere für Schülerinnen. 26 - Sportunterricht orientiert sich noch zu oft an vorgegebenen sportartbezogenen Fertigkeiten und einseitig am Leistungs- und Konkurrenzprinzip. Eine moderne Schule, die sowohl den Bedürfnissen von Lehrenden und Lernenden, als auch den prognostizierbaren gesellschaftlichen Anforderungen an Bildung und Erziehung entsprechen soll, muss sich inhaltlich, methodisch und strukturell verändern. Schule muss mehr leben, mehr zum Erleben beitragen. Damit ist nicht nur der Sportunterricht von der Forderung nach mehr Bewegung angesprochen, sondern jedes andere Fach auch. fächerübergreifende Die Lockerung Unterrichtsangebote, des z.B. 45-Minuten-Takts, im vermehrte Team-Teaching, "Offener" Unterricht, mehr Angebote mit handlungs- und projektorientiertem Ansatz mit stärkerer Orientierung auf Selbsttätigkeit und Selbständigkeit stellen u.a. Veränderungen in Aussicht. Der Weg muss zum ganzheitlichen Lernen (Lernen mit Kopf, Herz und Hand) führen, damit Schule in einer immer mehr individualisierten Gesellschaft soziale Aktivitäten fördert. Damit ist Schule nicht nur Lernort, sondern Teil des gesellschaftlichen Lebens für alle Betroffenen (SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern). Dazu sind in einer Zeit, in der die Bewegungsumwelt der Kinder und Jugendlichen immer anregungsärmer und bewegungsfeindlicher geworden ist, für eine umfassend entwickelte Persönlichkeitsentwicklung gerade weitgefächerte Bewegungsangebote notwendig. Neben dem normalen Sportunterricht gewinnen weitere Bewegungsmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung. Diese können sein: * Der Schulweg. Schule sollte sich auch insofern als ein lebendiger Bestandteil eines Ortes/ Stadtteils begreifen, als sie sich mit allen Beteiligten dafür einsetzt, dass die SchülerInnen ihren Schulweg auch relativ gefahrlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können. 27 * Schulhöfe und Pausenhallen sind bewegungsanimierend zu gestalten. Normierte Sportspielfelder allein setzen selten Bewegungsreize. Abwechslungsreich gestaltete Schulhöfe mit Grünflächen, Kletter-, Balancier- und Schaukelmöglichkeiten; Ausleihmöglichkeiten für Sport- und Spielmaterial; (auch durch SchülerInnen) organisierte Spiel- und Sportaktivitäten können für eine bewegungsfreundliche Atmosphäre außerhalb der Unterrichtszeit sorgen und die Forderung nach der täglichen Bewegungszeit in die Tat umsetzen. * Längere Unterrichtsphasen in sitzender Haltung sollten durch Phasen von Lockerungs- und Entspannungsübungen unterbrochen werden. Mittlerweile gibt es genügend solcher Programme, die ohne großen Aufwand einen nicht zu unterschätzenden Effekt haben. * Bewegungserziehung darf nicht nur als Sache des Sportunterrichts angesehen werden. Rhythmusschulung in Musik, Formen des Bewegungstheaters im Darstellenden Spiel, handlungsorientierte Ansätze sind Beispiele. wie auch andere Fächer einen Beitrag zur Aktivierung und Bewegung beitragen können. * Naturbezogene und ökologisch orientierte Sport- und Spielangebote bei Klassenreisen können SchülerInnen in diesem Ensemble sonst nur noch selten mögliche Erlebnisse vermitteln. Mit solchen zusätzlichen Angeboten zum Sportunterricht kann Bewegung zu einer Schule zum "Sich Wohl fühlen" beitragen. Eine solche Schule ist allerdings mit starren Stundentafeln nicht machbar. Die zur Verfügung stehende Schulzeit muss in der Tat flexibler gestaltet und mehr in die Verfügungsgewalt der direkt Handelnden (SchülerInnen und LehrerInnen) gegeben werden, sollen neue/veränderte Unterrichtsformen und -methoden nicht nur in Modellprojekten realisiert werden können. Dabei muss jede einzelne Schule sicherstellen, dass für alle SchülerInnen eine qualifizierte Grundversorgung von Pflichtstunden im Sportunterricht gewährleistet bleibt. 28 Eine Reduzierung von Sportstunden aus Kosten- und/oder Kapazitätsgründen können und werden jedoch wir nicht hinnehmen. In der oben dargestellten Perspektive einer reformierten Schule stellt sich für uns die Frage nach Erhalt von Sportstunden aus fixierten Stundentafeln neu. Dann kann und muss über die Relation von Sportunterricht und Zeiten angeleiteter/freier Bewegungszeiten neu nachgedacht und entschieden werden. Bei allen Planungen aber muss deutlich werden, dass Bewegung nie störend ist, sondern der jeweiligen Entwicklung förderlich . In diesem Sinne muss es heißen: Mehr Bewegung in die Schule ! 29 3.6 Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von SportlehrerInnen (1981) In der Folge des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung für Lehrer/innen sind von den Kultusbehörden wieder Pläne vorgelegt worden, die eine fächerspezifische Abstufung der Unterrichtsverpflichtung (mit und ohne Korrektur) vorsehen. Wir gehen demgegenüber von der Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit aller Unterrichtsfächer aus. Dies betrifft nicht nur die inhaltlich didaktische Begründung des Sports als Unterrichtsfach, sondern insbesondere auch den Aspekt der spezifischen Belastung der Sportlehrer. Die Belastung der Lehrer ist nicht allein an den Kriterien "Vor- und Nachbereitung" bzw. "Korrektur", sondern vielmehr an allen Dimensionen des Unterrichts festzumachen. Diese mehrdimensionale Belastung soll für das Fach Sport aufgezeigt werden. Spezifische Belastungen der SportlehrerInnen: a) physisch - erhöhter Lärmpegel durch Bewegung der Schüler an und mit Geräten - ständiger Auf- und Abbau von z.T. schwerem Gerät/Material - Demonstration von Bewegungsfertigkeiten - ständig aufzuwendendes hohes Stimmvolumen - Hilfestellungen b) psychisch - hohe Intensität des Unterrichts durch die spezifische Mischung der Unterrichtsinhalte und -methoden (Organisierung von Lernprozessen und Befriedigung der Schülerbedürfnisse) - schwierige Organisationsformen des Unterrichts - ständig erhöhe Aufmerksamkeit zur Vermeidung der permanenten Unfallgefahr (auch aufgrund doppelter Aufsichtspflicht) - zusätzliche Belastung durch doppelt/dreifach belegte Sportstätten c) zeitlich 30 - häufig lange An- und Abmarschwege zu/von den Sportstätten - häufiges Umkleiden - unterschiedliche Ziele und Inhalte (viele verschiedene Sportarten, "neue" Sportarten, Angebot offener Handlungssituationen erfordern erhöhte Vorbereitungszeit und ständige Fortbildung) - die äußerst heterogene Zusammensetzung der Lerngruppen bezüglich Leistung, Neigung und Interesse erfordert eine aufwendige innere Differenzierung und damit intensivere Vorbereitung. d) außerunterrichtliche Aktivitäten - Planung/Organisation von Schulsportfesten - Planung/Organisation von Schulsportwettkämpfen Alle diese Faktoren, insbesondere die spezifischen physischen und psychischen Belastungen, heben die Korrekturbelastungen in anderen Fächern auf, so dass von einer Minderbelastung nicht gesprochen werden kann. Wir fordern daher die Gleichbehandlung aller Unterrichtsfächer bezüglich der Festlegung der Arbeitszeit der Lehrer/innen. In den letzten Jahren haben die Sportlehrer/innen der BRD unbezahlte Mehrarbeit in riesigem Ausmaß durch Organisation und Durchführung der von den Kultus- und Schulbehörden in Verbindung mit den Spitzenverbänden des organisierten Sports forcierten Wettbewerbe wie "Jugend trainiert für Olympia" u.a. geleistet. - Die GEW-Sportkommission fordert die Einbeziehung dieser Tätigkeiten in schulische Neigungskurse. Diese Kurse sind in das Stundendeputat zu übernehmen. Zur Deckung des zusätzlichen Bedarfs sind neue Planstellen einzurichten. - Die GEW-Sportkommission fordert eine lineare Arbeitszeitverkürzung aller Lehrer/innen unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes aller Unterrichtsfächer. Darüber hinaus soll ein Stundenpool von 5 % bzw. 10 % für besonders belastete Kollegen/innen zur Verfügung gestellt werden. - Nachdrücklich fordern wir die Einstellung aller ausgebildeten Lehrer, um die o.g. Maßnahmen realisieren zu können. 31 Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, diese Forderungen durch verschiedene Aktionen zu unterstützen. 32 3.6 Kooperationsmaßnahmen Schule – Verein (1994) Gegenwärtig werden in allen Bundesländern ganz unterschiedliche Ansätze der Zusammenarbeit von Schule und Verein diskutiert, erprobt und umgesetzt. Die GEWSportkommission begrüßt und unterstützt grundsätzlich alle Bemühungen, die für Kinder und Jugendlichen wichtigsten sportbezogenen Instanzen zu vernetzen. Gleichzeitig erteilen wir allen Versuchen eine deutliche Absage, mit denen eine Verlagerung schulischer Ausbildung für den Bereich Bewegung, Spiel und Sport in solche Kooperationsmaßnahmen beabsichtigt oder möglich wird. Die GEWSportkommission bekräftigt ihre Forderung nach 3 Wochenstunden Sportunterricht für alle Schulformen und -stufen. Zusätzlich zu dieser Grundversorgung sind aus unserer Sicht Kooperationsmaßnahmen unter folgenden Zielstellungen sinnvoll: Es können und müssen beiderseits noch bestehende, oftmals unbegründete Vorbehalte abgebaut werden mit dem Ziel, ein breit gefächertes, den Bedürfnissen und neuen Bedingungen von Kindern und Jugendlichen angemessenes, Angebot an Bewegung, Sport und Spiel zu entwickeln. Dabei besteht die Chance für beide Seiten, überkommene Strukturen aufzubrechen, Inhalte und Ziele neu zu überdenken und in einen gemeinsamen Lernprozess im Interesse von Kindern und Jugendlichen einzusteigen. Im Sinne sportbezogener Sozialarbeit bieten diese Maßnahmen die Chancen, soziale Bindungen in neuen, interessengebundenen Gruppen einzugehen, stabile Interessen in diesem Bereich zu entwickeln , sowie Identifikationsmöglichkeiten mit beiden Instanzen zu schaffen. In solchen bedürfnisorientierten Maßnahmen können insbesondere solche SchülerInnen ein nicht normiertes, nicht zensiertes Bewegungsangebot nutzen, die weder durch Vereinsangebot den traditionellen angesprochen Schulsport werden. noch Dabei durch können ein traditionelles Sportarten und Bewegungsformen angeboten werden, die normalerweise weder zum festen Bestandteil schulischer und/oder vereinsbezogener Angebote gehören. Im Sinne von Öffnung der Schule bieten solche Maßnahmen die Möglichkeit der Vernetzung schulischer und außerschulischer Lernorte und -gelegenheiten. Dabei 33 können und sollten die besonderen Bedingungen der Region/des Stadtteils (soziale, geographische, kulturelle), der Schule (best. sportbez. Traditionen) und der Vereine (dito)berücksichtigt werden. Personelle und materielle Ressourcen können im Sinne intelligenter Lösungen flexibler genutzt werden. So können beispielsweise die knappen Sportstätten optimal genutzt (z.B. Spieltreffs am Samstagvormittag o.ä.), oft ungenutzte Freiflächen in Bewegungsräume umgewandelt werden (z.B. Schulhöfe autonom in die /Verwaltung solcher Gruppen mit der Möglichkeit der Umwandlung geben). Unter solchen Grundversorgung Zielsetzungen mit 3 und der Voraussetzung Wochenstunden der abgesicherten Sportunterricht können Kooperationsmaßnahmen auch mit dem Ziel der Talentsuche und -förderung angeboten werden. Entsprechend dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schule aber erst dann , wenn vorher breitensportliche Angebote eingerichtet wurden. Sie sind in Kooperation nur mit solchen Fachverbänden zu organisieren, die über ein anerkanntes Konzept eines humanen Leistungssports verfügen (Ausschluss von Doping und Kinderhochleistungssport). Darüber hinaus sind besondere Maßnahmen sind für benachteiligte Gruppen und Kinder/Jugendliche mit mangelnden Bewegungserfahrungen anzubieten: Bezüglich der Finanzierung/Organisation solcher Maßnahmen erheben wir folgende Forderungen: Im Sinne echter Kooperation müssen beide Seiten Kapazitäten zur Realisierung der Maßnahmen einbringen. Die von Seiten der Schulen erbrachten Anteile in der Personalversorgung solcher Maßnahmen sind in das Stundendeputat der betreffenden Personen einzubringen. Für die Durchführung solcher Maßnahmen sind entsprechende Kapazitäten (Stellen) zu schaffen. Auf Kreisebene sollten paritätisch besetzte Koordinationsstellen eingerichtet werden, die diese Kooperationen fördern und für die Einhaltung dieser Kriterien 34 sorgen. Die Kommunen müssen in Zusammenarbeit mit Schulträgern und Vereinen Mittel für die personelle und materielle Absicherung zur Verfügung stellen. Entsprechend diesen Forderungen eingerichtete Kooperationsmaßnahmen zwischen schulischem und organisiertem Sport können einen wesentlichen Beitrag zur sozialen, gesundheitlichen und persönlichkeitsbildenden Förderung von Kindern und Jugendlichen leisten, die sich schwierigen und komplizierten Lebensbedingungen und Einflüssen konfrontiert sehen. Die Chancen dieser Perspektive werden aber in ihr Gegenteil verkehrt, sollten politisch Verantwortliche der Gefahr erliegen, solche Maßnahmen als Billiglösungen für die Verlagerung schulischen Sportunterrichts in kostengünstige außerschulische Angebote zu missbrauchen. 35 4. SPORT UND GESELLSCHAFT 4.1. Sport und Umwelt (1986) 1. Die natürliche Umwelt des Menschen wird zunehmend in lebensbedrohendem Maße gefährdet. Chemische Industrieabfälle, Gifte und ungereinigte Abgase aus Großverbrennungsanlagen führen zu sterbenden Wäldern, hochbelasteten Gewässern, Giftrückständen in Pflanzen, Tieren und letztlich in Speisen und Getränken. Die jüngsten AKW-Unfälle haben die Bevölkerung unmittelbar betroffen und sie zu teilweise drastischen Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten gezwungen. Der DGB hat in seinen "Umweltpolitischen Leitsätzen" nachgewiesen, dass es technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll wäre, würden umweltfreundliche Technologien zur Vermeidung dieser Belastungen und Schäden und zur Beseitigung von "Altlasten" eingesetzt. Eine profit- und wachstumsorientierte Industrie hat sich bislang erfolgreich gegen die Umsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen gewehrt. 2. Der Sport ist von diesem Problem in doppelter Weise betroffen: a. Aufgrund der Differenzierung, Spezialisierung und Intensivierung der menschlichen Arbeit bei zunehmend psychischer und gleichzeitig abnehmender physischer Belastung hat sich die Lebensweise der arbeitenden Menschen grundlegend verändert. Diese Veränderungen beinhalten neben einer bewussten Einstellung zur Gesundheit das wachsende Bedürfnis nach sportlicher Betätigung in seinen vielfältigen Formen und unterschiedlichen Zielsetzungen: - Sport als Bewegung in einer bewegungsfeindlichen Umwelt; - Sport als Entspannung und Ausgleich gegen Stress und einseitige Belastung; - Sport als Möglichkeit zu sozialen Kontakten; - Sport als Spiel und Spaß; - Sport als Möglichkeit zur Anerkennung persönlicher Leistungen. Dieses Bedürfnis, insbesondere nach naturverbundener sportlicher Tätigkeit, stößt zunehmend an Grenzen, die durch Umweltbelastungen und -schäden gesetzt werden. Dadurch werden gerade dem Breitensport wichtige Räume genommen: 36 - verschmutzte und verbaute Flüsse und Seen erlauben kein Baden und Wassersport in natürlicher Umgebung; Baden und Schwimmen sind heute fast nur noch in eigens dafür vorgesehenen Anlagen (Badesee, Frei- und Hallenbad etc.) möglich; - Freizeitsportlerinnen und -sportler (Joggen und Fahrradfahren) sind vor allem in den Großstädten auf Wege und Plätze angewiesen, die häufig durch Auto- und andere Abgase belastet sind. - Enge Bebauung und dichter Autoverkehr schränken den Spiel- und Bewegungsraum der Kinder und Jugendlichen immer mehr ein; zum Ausgleich werden sie auf abgegrenzte Spielplätze verwiesen, deren Zahl und Ausstattung außerdem unzureichend ist. b. Andererseits ist der Sport dadurch in die umweltpolitische Diskussion geraten, dass künstlich geschaffene Sportstätten (hier insbesondere Skipisten, Motorrennstrecken, aber auch Sporthallen und -plätze) oft in zumindest umweltbelastender Weise, im Extremfall unwiederbringlich Naturlandschaften zerstören oder Flächen versiegeln. Dadurch, dass der Bedarf nach Sportstätten eher noch steigt, könnte dieser Konflikt noch verstärkt werden. 3. Der DSB hat diese Probleme in seinen "Umweltpolitischen Grundsätzen" dargestellt und für den Sport positive ökologische Ziele gesetzt. Bei der Darstellung möglicher Umweltbelastungen durch den Sport muss allerdings auch im Unterschied zu den "Umweltpolitischen Grundsätzen" des DSB - festgestellt werden, dass der Sport insbesondere durch das Gewinnstreben der Sportartikel, geräte, Freizeit- und insbesondere durch die Touristik-Industrie in ein umweltpolitisches Zwielicht geraten ist. Die verantwortungsbewusste sportliche Leistung selbst kann keine nennenswerten Umweltbelastungen hervorrufen. Sportliche Großveranstaltungen bieten grundsätzlich keine unterschiedlichen Probleme zu anderen Großveranstaltungen. 37 Als konkrete und sicher schwerwiegende Probleme bleiben der Skisport, Motorsport und der Sportstättenbau zu benennen. 4. Von einem grundsätzlichen Konflikt zwischen sportlicher Betätigung und dem Schutz der natürlichen Umwelt kann also nicht gesprochen werden. Vielmehr sind es dem Sport fremde Einflüsse, wie die kurzfristigen Gewinninteressen der Sport- und Freizeitindustrie, die einen scheinbaren Interessenkonflikt zwischen Sporttreiben und Umweltschutz herbeiführen. Dies trifft überall dort zu, wo im Sportstätten- und Freizeitanlagenbau nicht auf Landschaftsschutz Rücksicht genommen wird, z. B. durch moderne Liftstationen mit vielgeschossigen Wohnungssilos, großflächige Planierung von Hängen in den Bergen für breite Skiabfahrten, Fehlplanungen bei der Anlage von Sportanlagen mit einer u. U. zu großen Lärmbelästigung für die Anlieger etc. Demgegenüber ist sportliche Betätigung auf eine ökologisch intakte Umwelt angewiesen, sollen die gesundheitsfördernden und -erhaltenden Potentiale des Sports zum Tragen kommen. Deswegen muss die Sportbewegung selbst auf allen Ebenen und mit vielfältigen Methoden politisch dafür aktiv werden, dass eine Grundvoraussetzung für den Sport nämlich eine ökologisch intakte Umwelt - wiederhergestellt wird. Dies beinhaltet auch eine grundlegende Diskussion über Ursachen, Verursacher, Folgen und Verantwortlichkeiten für die Beseitigung von Umweltschäden. 5. Gleichzeitig muss sich die Sportbewegung unseres Landes mit Tendenzen und Gefahren in und um den Sportbetrieb auseinandersetzen, mit denen der Sport faktisch oder angeblich Anlass zu Kritik aus umweltbewußter Sicht gibt und nach Mitteln und Wegen suchen, die Einflüsse der Sport- und Freizeitindustrie zurückzudrängen. 6. Dazu erhebt die GEW-Sportkommission folgende Forderungen: - Wirksame staatliche Maßnahmen zum Schutz von Wäldern und Flüssen sowie zur Reinhaltung der Luft auf der Basis des Verursacherprinzips, um wieder mehr natürliche Sportanlagen in intakter Umwelt schaffen bzw. nutzen zu können. 38 - Schaffung ausreichender, vielfältiger und umweltverträglicher Möglichkeiten für Bewegung, Sport und Spiel, damit das Bedürfnis nach sportlicher Betätigung mit dem Ziel "Sport für alle" umfassend befriedigt werden kann. - Das Problem des Verhältnisses von Sport und Umwelt ist in die Lehrpläne der Schulen aufzunehmen und insbesondere in sportbezogenen Projekten bewusst zu machen: - Der DSB und die Fachverbände erarbeiten Materialien für innerverbandliche Bildungsarbeit (insbesondere für die Übungsleiterausbildung), die auf die sportliche Betätigung bedrohenden Umweltschäden in ihren Bereich hinweisen, sinnvolle Verhaltensmaßregeln aufzeigen, Ursachen der Umweltschäden benennen und politische Handlungsanleitungen geben. - Überprüfung bestehender Sportstätten auf ihre Umweltverträglichkeit sowie Veränderung umweltbelastender oder -unverträglicher Teile; - Genehmigung für den Bau bzw. die Anlage neuer Liftanlagen, Skiposten und Motorsportanlagen sind zu verweigern; - DSB und Fachverbände (insbesondere DSV-Surfer, Deutscher Skiverband und die Motorsportverbände) erarbeiten Maßnahmepläne, wie umweltbedrohende Freizeitanlagen der Sport- und Freizeitindustrie verhindert bzw. bestehende umgestaltet werden können; - Sport und Freizeitanlagen, die irreversible Umweltschäden zur Folge haben können, müssen im Zuge der Flächennutzungs- und Bauleitpläne verhindert werden; in dieser Planung sind unterschiedliche Funktionsflächen (wohnen, arbeiten, erholen durch trennende Elemente (z. B. Baumbestand) abzugrenzen; - um entgegen der Trennung unserer Lebensbereiche eine möglichst natürliche Bewegungsumwelt zu erhalten, sind in der Nähe von Wohnbereichen und Kinderspielplätzen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung vorzunehmen; - bei den gebotenen Maßnahmen zur allgemeinen Lärmreduzierung ist grundsätzlich zwischen industriell und durch Lebensäußerungen erzeugten Lärm zu unterscheiden. Sportbezogene Geräusche sind auf erträgliche Maße zu reduzieren, dürfen aber kein Anlass zur Schließung von Sportanlagen sein: 39 - Massenveranstaltungen sind unter ökologischen Aspekten zu organisieren. Veranstalter von Massensportveranstaltungen in Naturgebieten sollten das Gespräch mit Naturschutzverbänden suchen und im Zweifelsfall auf die Durchführung einer Veranstaltung verzichten. Für die Durchführung ökologisch zu verantwortbaren Massensportveranstaltungen sind sinnvolle Infrastrukturen wie z. B. eine erhebliche Verbesserung der öffentlichen Personennahverkehrssysteme, eine unabdingbare Voraussetzung. 40 4.2 Sport und Gewalt (1994) Kleinere und größere Gewaltausschreitungen im Umfeld von Sportgroßveranstaltungen sind Woche für Woche an der Tagesordnung. Ebenso regelmäßig erscheinen Kommentare und Erklärungsmodelle in den Massenmedien zur Zuschauergewalt, die häufig auf der Frustations-Aggressions-Theorie basieren und somit wesentliche soziale Ursachen verschleiern oder zumindest in den Hintergrund drängen. Dabei lässt sich nicht leugnen, dass z.B. hohe Arbeitslosigkeit, beengte Wohnsituation, geringes Bildungsniveau, hoher Alkoholkonsum und ein relativ trister Alltag ohne wirkliche Lebensperspektive einige Ursachen für gewalttätige Handlungen jugendlicher Fans sind. Unter diesem Aspekt können gewalttätige Aktionen jugendlicher Fußballfans auch als Antwort auf die strukturelle Gewalt angesehen werden., die täglich auf sie einwirkt, Trotz der allgemein steigenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ist die einfache Gleichung, Fans = Schläger = Neonazis, ebenso falsch, wie das Herunterspielen der latenten Gefahr, dass es zu einem Endringen von neofaschistischen Ideologien insbesondere bei den Fans/Hooligans kommen kann und teilweise auch schon gekommen ist. Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen sind kein isoliertes Problem von Sportfanatikern. Sie können eher als Beweis dafür angesehen werden, dass das Aggressionspotential in den hochentwickelten Industriestaaten insbesondere durch die sich verschärfenden sozialen Ungerechtigkeiten steigt. Die Gewalt an Kinder, Gewalt von Kindern sind ebenso wie die zunehmende Gewalttätigkeit von Jugendlichen nur Symptome für schwerwiegende politische und sozial-psychologische Defizite in unserer Gesellschaft. Da dieser Problembereich viele SchülerInnen und LehrerInnen mittel- und/oder unmittelbar betrifft, sind unterschiedliche pädagogische Überlegungen und Aktivi41 täten angezeigt, mit denen auf die Ursachen und Auswirkungen von Gewalt eingegangen werden kann. Das bedeutet u.a. - Ernsthaftes Bemühen der Lehrer und Lehrerinnen um ein Verständnis für die Bedingungen, die Schülerinnen und Schüler in der Institution Schule zu Feinden werden lassen. - Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler für kleine und große Gewalthandlungen, die täglich in ihrer schulischen und privaten Umgebung stattfinden. - Vermittlung von grundlegenden Einsichten, Kenntnisse und Informationen über die gesellschaftliche Bedingtheit von Gewalt und deren Verherrlichung in bestimmten Medien. - Hilfen für eine eigenverantwortliches Handeln, damit die Schüler und Schülerinnen sich real als handelnde Subjekte verstehen können, die die strukturelle Gewalt nicht einfach verdrängen, sondern Möglichkeiten zur Beseitigung der politischen Ursachen erkennen und sie ggf. in kollektiver Form wahrnehmen. Im Rahmen einer solchen sozialpädagogischen Gesamtkonzeption hat der Sportunterricht aufgrund seiner Kombination von kognitiv-motorischen und affektivsozialen Momenten besondere Möglichkeiten über den Aspekt der Fairness hinaus nicht zu einer simplen Negation von Aggression sondern zum regulierten und kontrollierten Umgang mit Gewalt beizutragen. Sportunterricht und Gewalt Gewalt in der Schule findet auch im Sportunterricht statt. Zerstörungen unterschiedlicher Art, kleinere und größere Raufereien und das Ausreizen körperlicher Stärke kennzeichnen einige Momente dieser Gewaltrealität. Sport und auch Schulsport haben noch einen besonderen Zugang zur Gewaltproblematik. Da Sport im Rahmen seiner Regeln ein gewisses Maß an physischer Gewalt zulässt, ist die Gefahr sehr groß, dass ohne Furcht von Sanktionen Gewalthandlungen durchgeführt werden. 42 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Schulsport wesentlich durch den von den Medien aufbereiteten Profisport beeinflusst wird. Im sportlichen Alltag im Hochleistungssport muss faires sportliches Verhalten nur allzu häufig einem bedingungslos erfolgsorientierten physischen und psychischen Verhalten Platz machen , das oft offene Gewalthandlungen impliziert. Erfolg und damit finanzieller Erfolg wird daher oftmals höher bewertet als die physische und psychische Unversehrtheit der Sportkollegen/Sportkolleginnen. Das insbesondere von den Medien propagierte Erfolgsdenken und eine rücksichtslose Siegermentalität wirkt sich in gewissem Maße prägend auf die sportliche Moral der Schüler und Schülerinnen aus. Nicht zuletzt darauf ist eine signifikante Zunahme von aggressiven Handlungen zurückzuführen. Oft genug werden auch in der Schule gesetzte und/oder vereinbarte Regeln dem Primat des Erfolges untergeordnet. Sportliche Regeln werden nicht als ein Vereinbarungen zur Regulierung z.B. eines Spiels akzeptiert, sondern als eine Erfolgsbarriere angesehen. Einer besonderen Form der strukturellen Gewalt erleben Mädchen und junge Frauen im Sportunterricht. Voraussetzungen zur Mädchen und Jungen kommen Schule und entwickeln mit unterschiedlichen unterschiedliche sport- und bewegungsbezogene Bedürfnisse. Da sich der Sportunterricht aber in der Regel an männlichen Werten und Normen orientiert, werden spezifische Bedürfnisse und Interessen der Mädchen vielfach unterdrückt. Eine Neuorientierung des Sportunterrichts, die diese Gewaltproblematik berücksichtigt , sollte u.a. folgende Forderungen beachten. (1) Die Veränderungen des Sportunterrichts sollten so angelegt sein, dass die sportspezifischen ethischen Grundhaltungen, wie Fairness und Solidarität, der bewusste Umgang mit Aggression und das gewaltfreie Austragen von Konflikten einen zentralen Bereich des Unterrichts einnehmen. Dabei sollte aber körperlicher Einsatz nicht mit Gewalt verwechselt werden und Wettkampf nicht gleichgesetzt 43 werden mit konkurrenzorientiertem Sporttreiben in dem Sinne, dass eine Instrumentalisierung von Aggression beinhaltet. Spiele ohne Wettkampf und Konkurrenz stellen sicherlich eine Bereicherung des herkömmlichen Sportunterrichts dar, lösen das Problemfeld Gewalt und Sport aber nicht. (2) Der Sportunterricht ist zu lösen von einer vornehmlich lehrerzentrierten, zweckrationalen und technokratischen Konzeption. Schülern und Schülerinnen ist eine reale Mitbeteiligung an der Gestaltung des Unterrichts zu ermöglichen. (3) Sportlehrer und Sportlehrerinnen sollten Disziplinkonflikte und Gewalthandlungen nicht nur unterdrücken sondern sie zum Gegenstand von Unterricht machen. Dieses kann aber nur überzeugt von einem Lehrer/Lehrerin geleistet werden, die sich nicht als "unparteiische" Vermittler von Fertigkeiten und Wissen verstehen, sondern für Schülerinnen und Schüler ein glaubhaftes Vorbild darstellt, das sich selbst gegen Gewalt und für inneren und äußeren Frieden engagiert. (4) Im Sportunterricht sollte besonders darauf geachtet werden, dass die teilweise subtilen Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen sich nicht unbewusst fortsetzen. Lehrer und Lehrerinnen sollten ein Unterrichtsklima schaffen, das besonders auch die Mädchen animiert, ihre Bedürfnisse und Interessen aktiv vorzubringen. Bei der Auswahl der Unterrichtsschwerpunkte sollte grundsätzlich reflektiert werden, ob sie die Interessen von Mädchen und Jungen gleichrangig berücksichtigen. (5) Es muss eine zeitliche und räumliche Erweiterung für Bewegung, Spiel und Sport in den Schulen und Ausbildungsstätten geschaffen werden. Der zwei- oder dreistündige Sportunterricht kann das elementare Bewegungsbedürfnis der Schüler und Schülerinnen bisher nur annähernd befriedigen. Weitergehende Ansprüche können nur dann realistisch an den Sportunterricht gestellt werden, wenn dazu weitere zeitliche und räumliche Möglichkeiten bereitgestellt werden. (6) Sportbezogene Themen unter dem besonderen Aspekt der Gewalt - Erziehung zur Fairness/ Friedenserziehung - sind u.a. in die Lehrpläne der Fächer Gemeinschaftskunde (Sozialkunde), Geschichte, Deutsch und Ethik aufzunehmen. Nur wenn es gelingt, den Sport und die Bewegungskultur aus dem unpolitischen 44 Bereich herauszulösen und als gesellschaftspolitische Größe zu verankern, können vorhandene Probleme adäquat angegangen werden. (7) Für die Bewältigung von sozialpädagogischen Aufgabenfeldern im Sport sind entsprechende personelle und materielle Kapazitäten zu bewilligen. Eine langfristige personelle und materielle Absicherung von z.B. Fan-Projekten macht eine sinnvolle Zusammenarbeit mit schulischen Einrichtungen erst möglich. Nicht Ordnungsmaßnahmen, sondern sozialpädagogische Hilfestellungen können Sport-Fans aus dem Gewaltkreislauf herauslösen. (8) Die schulischen Einflussmöglichkeiten auf das "sportliche Gewissen" der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich der Erziehung zum sozialen Handeln und FairPlay sind nur dann gegeben, wenn gleichzeitig eine schul-, sport- und besonders medienpolitische Veränderung stattfindet. (9) Sportwissenschaftliche Einrichtungen sollten sich in Lehre und Forschung mit dem Thema "Sport und Gewalt" beschäftigen. So sollten sich Sportstudierende umfassend mit dieser Problematik vertraut machen und die notwendige Handlungskompetenz erwerben, um diese Thematik im schulischen und außerschulischen Sport verantwortlich bearbeiten zu können. 45 4.3 Sport und Gesundheit (1994) 0. Die Lebensweise von immer mehr Kindern und Jugendlichen entwickelt sich objektiv tendenziell gesundheitsgefährdend: - eine oftmals bewegungsfeindliche Umwelt (Verkehr/Straßenbau/Städteplanung) verhindert ein entfaltetes, nicht sportlich normiertes Bewegungsleben; - die zunehmend bedrohte natürliche Umwelt führt zu ansteigender Anfälligkeit insb. gegenüber Allergien und Atemwegserkrankungen; - militärische und atomare Bedrohungen führen zu Zukunftsängsten; - die zunehmende Massenarbeitslosigkeit treibt immer mehr Familien in die Abhängigkeit der Sozialhilfe. Als Folgen sind zunehmend psychosomatische Störungen, Koordinationsprobleme, Haltungsschäden und Konditionsmängel bei Kindern und Jugendlichen festzustellen. Dieser Situation entspricht nicht das subjektive Gesundheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen. Sie fühlen sich in der Regel gesund. 1. Gesundheitsförderung kann deswegen nicht wie ein weiteres traditionelles Schulfach einsetzen, sondern muss zum Ziel haben, SchülerInnen in dem Prozess ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung parteilich zu unterstützen und zu stärken. Gesundheitsförderung im umfassenden Sinne muss daher ein fächerübergreifender, integraler Bestandteil des schulischen Erziehungs- und Ausbildungsprozesses werden. 2. Gesundheit ist dabei zu verstehen als ein individuelles, momentanes Resultat situativ angemessenen Verhaltens, das von persönlichen Wertentscheidungen getragen wird. Sie ist in Form und Inhalt abhängig von der jeweiligen Lebenswelt und besteht in einem Zustand des Gleichgewichts zwischen individuellen Möglichkeiten oder 46 Wünschen und äußeren Anforderungen an eine Person und den Bedingungen der Umwelt. 3. Alle Formen des Schulsports können als wichtiges und integrales Element einer Gesundheitserziehung eine grundlegende, aber eben nur eine Teilfunktion übernehmen. Sportunterricht kann ebenso wenig schon per se mit Gesundheitserziehung gleichgesetzt werden, wie als eine Reparaturinstanz für gesellschaftlich/individuell bedingte Gefährdungen/Risiken angesehen werden. Die Reduzierung von Sport und Sportunterricht auf somatische und physiologische Funktionen bedeutet eine unzulässige Reduktion umfassenderer Möglichkeiten von Bewegung, Sport und Spiel und zugleich deren Gefährdung. 4. Gerade aufgrund der veränderten Lebensweise von Kindern und Jugendlichen, als deren Folge diese oft eine restringierte körperliche Leistungsfähigkeit aufweisen, ist der Sportunterricht heute nur auf einem Belastungslevel möglich, der die dem Sportunterricht zugeschriebenen Verbesserungen im physiologischen Bereich kaum erreichen lässt. Dies wird auch deshalb zunehmend schwierig, weil sich Inhalte und Orientierungen für den Sportunterricht stark ausdifferenziert haben. 5. Sportunterricht als Teil einer umfassenden Gesundheitserziehung muss folgende Prämissen erfüllen: - genaue Erfassung der körperlichen Verfassung von Kindern und Jugendlichen (d.h. z.B. jährliche sportmedizinische Untersuchung aller schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen.) 47 - Quantitative Erweiterung des Angebotes auf 1 Std. täglich für Spiel, Sport und Bewegung, davon mindestens 3 Unterrichtsstunden regulärer Sportunterricht unter fachlich qualifizierter Anleitung. - Qualitative Erweiterung der Inhalte des Sportunterricht unter Einschließung therapeutischer, motopädagogischer Elemente, Elemente der körperbezogenen Selbsterfahrung, Hilfen zur Selbsthilfe (Massage/Entspannungstechniken u.a.m.). - Ganzheitliche Bearbeitung der Zusammenhänge zwischen Umwelt-LebensweiseSport und Gesundheit im projektorientierten und Projektunterricht. - Sportunterricht darf nicht nur die somatische Seite im Blick haben, sondern einem ganzheitlichen Gesundheitsbegriff insofern Rechnung tragen, als auch die subjektiv positive Befindlichkeit eine wesentliche Zielorientierung zu sein hat. - Die Veränderung des Sportunterrichts in Richtung einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung erfordert auch eine weitere Qualifizierung von SportlehrerInnen in Aus- und Fortbildung 48