VI ZR 358-13, 20-11

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Rundschreiben Nr. 445/2014
Verteiler:
Mitgliedsverbände
Zuständige Bereiche im Krankenhaus:
Geschäftsführung/Verwaltungsleitung
Recht/Personal
Status:
Öffentlich
Datum: 20.11.2014
Zuständig:
Rechtsabteilung
Ansprechpartner:
Ina Haag
Telefon: 030 39801-1422
Telefax: 030 39801-3410
Bewertungsportale im Internet
Der BGH hat entschieden, dass ein Arzt vom Betreiber eines
Ärztebewertungsportals nicht verlangen kann, aus dem Portal gelöscht zu
werden. Personen, die ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, können
den Arzt grundsätzlich frei wählen. Es besteht daher ein ganz erhebliches
Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen. Dieses
Interesse überwiegt gegenüber dem Recht des Arztes auf informationelle
Selbstbestimmung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Internet gibt es immer mehr Portale zur Suche von Ärzten oder Krankenhäusern und
zur Bewertung ärztlicher Leistungen. Dies kann sich einerseits als positiv erweisen, da
behandlungsbedürftigen Patienten dadurch die notwendigen Informationen zur
Verfügung gestellt werden, um sich für einen bestimmten Arzt oder ein bestimmtes
Krankenhaus zu entscheiden. Andererseits können sich schlechte Bewertungen oder
unwahre Behauptungen negativ auf die Chancen im Wettbewerb mit anderen
Leistungserbringern auswirken. Aktuell hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom
23.09.2014 (VI ZR 358/13) entschieden, dass ein Arzt vom Betreiber eines
Ärztebewertungsportals jedoch nicht verlangen kann, aus dem Portal gelöscht zu
werden.
Im zugrundeliegenden Fall war ein niedergelassener Gynäkologe im Internetportal der
Beklagten bewertet worden. Das Internetportal bietet kostenfrei die Möglichkeit, Ärzte in
der Nähe zu suchen und deren Namen, Fachrichtung, Praxisanschrift und Sprechzeiten
abzurufen. Darüber hinaus können, soweit vorhanden, Bewertungen von Patienten
aufgerufen werden, die diese anonym abgeben können. Voraussetzung ist lediglich die
vorherige Registrierung anhand einer verifizierbaren E-Mail-Adresse. Der klagende Arzt
war vorher nicht gefragt worden, ob er in das Portal der Beklagten aufgenommen
werden wollte. Im Zeitraum von Januar bis Mitte März 2012 wurden drei Bewertungen
über ihn abgegeben und auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite mit den
Titeln „Toller Arzt – sehr empfehlenswert“, „naja…“ sowie „Kompetenter netter Arzt,
sehr zu empfehlen!“, angezeigt. Der betroffene Arzt verlangte von der Portalbetreiberin
die vollständige Löschung seines Eintrages, da er generell nicht in einem Internetportal
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aufgeführt werden wollte. Der BGH lehnte dies ab und sah das Interesse der
Portalbetreiberin am Betrieb des Portals und der damit verbundenen Datenspeicherung
im Vergleich zum Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung als
höherwertiger an.
Die Zulässigkeit der Datenspeicherung richte sich nach § 29 Bundesdatenschutzgesetz
(BDSG). Danach sei die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten zum
Zwecke der Übermittlung zulässig, wenn kein Grund zur Annahme bestehe, dass der
Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Erhebung oder
Speicherung habe. Im Streitfall habe eine Abwägung zwischen dem Recht des Arztes
auf informationelle Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem Recht der
Portalbetreiberin auf Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite zu erfolgen. Zwar
sei ein Arzt durch die Aufnahme in ein Ärztebewertungsportal nicht unerheblich belastet,
da die Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen
Geltungsanspruch des Arztes haben könnten. Sie könnten auch die Arztwahl
behandlungsbedürftiger Patienten beeinflussen und damit im Falle von negativen
Bewertungen sogar die berufliche Existenz des Arztes gefährden. Das
Bewertungsportal habe erhebliche Breitenwirkung. Jeder Internetnutzer habe die
Möglichkeit, die Daten des Arztes abzurufen. Auch ein Missbrauch des
Bewertungsportals sei nicht ausgeschlossen. Es gebe die Möglichkeit, Bewertungen
auch im Freitext zu verfassen. Daher bestehe die Gefahr, dass unwahre, beleidigende
oder sonst unzulässige Aussagen ins Internet eingestellt würden. Die Gefahr werde
noch dadurch verstärkt, dass Bewertungen verdeckt abgegeben werden könnten.
Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die hier gespeicherten Informationen den Arzt
nur in seiner Sozialsphäre berühren. Die jeweilige Bewertung beziehe sich auf die
berufliche Tätigkeit des Klägers und damit einen Bereich, in dem sich die persönliche
Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollziehe. Der Einzelne müsse
sich in diesem Bereich von vornherein auf eine Beobachtung seines Verhaltens durch
die breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Der Schutz sei
daher geringer als bei Daten, die etwa der Intim- oder Geheimsphäre zuzuordnen seien.
Im Falle beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen könne eine Beseitigung
von Einträgen von der Portalbetreiberin verlangt werden. Der Kläger sei zudem nicht
Opfer einer unzulässigen Bewertung geworden.
Dem Interesse des Klägers stehe außerdem ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit
an Informationen über ärztliche Dienstleistungen entgegen. Personen, die ärztliche
Leistungen in Anspruch nehmen wollten, könnten den Arzt grundsätzlich frei wählen.
Das Bewertungsportal könne dazu beitragen, dem Patienten die aus seiner Sicht
erforderlichen Informationen bei der freien Arztwahl zur Verfügung zu stellen. Die
subjektive Einschätzung, die in den Bewertungen zum Ausdruck komme, könne
anderen Personen Hilfestellung bei der Entscheidung geben, welcher Arzt den
Anforderungen für die gewünschte Behandlung und auch den persönlichen Präferenzen
entspreche. Dass die Bewertungen, abgesehen von der Angabe einer E-Mail-Adresse,
anonym abgegeben werden könnten, ändere daran nichts, da der Kläger hierdurch
nicht schutzlos gestellt sei. Die Möglichkeit, Bewertungen auch anonym abgeben zu
können, sei bei sensiblen Gesundheitsinformationen besonders wichtig.
Anmerkungen:
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Mit dieser Entscheidung ist höchstrichterlich entschieden, dass Betreiber von
Bewertungsportalen dem Wunsch auf Löschung aus einem Portal nicht nachkommen
müssen. Dies gilt sowohl für einzelne Ärzte, als auch für Krankenhäuser. Dabei war den
erkennenden Richtern des BGH durchaus bewusst, dass ein Eintrag in einem
Bewertungsportal erhebliche Auswirkungen haben kann. Die Bewertungen können die
Arztwahl potentieller Patienten beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf die Chancen
des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle von
negativen Bewertungen sogar die berufliche Existenz des Arztes gefährden.
Der BGH sieht aber das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche
Leistungen als höherwertiger an. Hinter diesem Informationsinteresse muss der
Wunsch des betroffenen Arztes, generell nicht in einem Bewertungsportal aufgeführt zu
werden, zurückstehen. Vor dem Hintergrund der freien Arztwahl können
Bewertungsportale dazu beitragen, potentiellen Patienten die aus ihrer Sicht für die
Auswahl eines Arztes oder Krankenhauses erforderlichen Informationen zur Verfügung
zu stellen. Außerdem betreffen die Bewertungen die berufliche Tätigkeit des Arztes und
damit einen Bereich, der ohnehin von außen wahrgenommen und auch außerhalb des
Internets einer kritischen Bewertung unterzogen wird.
Wichtig ist auch der Hinweis, dass Betroffene den Bewertungen im Internet nicht
schutzlos gegenüberstehen. Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch falsche
Behauptungen kann vom Betreiber eines Internetportals deren Löschung verlangt
werden (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10, NJW 2012, Seite 148). Betreiber
von Internetplattformen müssen zudem nicht nur den konkret beanstandeten Eintrag
unverzüglich löschen, sondern können darüber hinaus verpflichtet sein, auch zukünftige
Verletzungen zu verhindern (BGH, Urteil vom 27.03.2012, VI ZR 144/11, NJW 2012,
Seite 2345; BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10, NJW 2012, Seite 148). Es
besteht aber kein Anspruch gegenüber dem Betreiber eines Internetportals auf
Herausgabe der Daten von Nutzern, die für das Einstellen falscher Beiträge ins Internet
verantwortlich sind (BGH, Urteil vom 01.07.2014, VI ZR 345/13, GesR 2014, Seite 538).
Betroffene können danach gegen ehrverletzende Falschbehauptungen im Internet nur
vorgehen, indem sie Strafanzeige gegen Unbekannt stellen. Gemäß § 14 Abs. 2 TMG
sind Betreiber von Internetplattformen auf Anordnung der zuständigen Stellen im
Einzelfall berechtigt, Auskunft über Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies unter
anderem für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.
Das Urteil des BGH kann im Internet unter www.bundesgerichtshof.de abgerufen oder
unter Angabe des Aktenzeichens bei der Geschäftsstelle angefordert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Der Hauptgeschäftsführer
Im Auftrag
Ina Haag
Referentin
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