Prof. Dr. Rüdiger Wulf c/o Institut für Kriminologie der Universität Tübingen, Sand 7, D-7276 Tübingen Telefon: 07071/297-2021, Email: [email protected] Eliten 1 Titelfolie Magistra, meine sehr geehrten Damen und Herren, „der Onkel, der etwas mitbringt, ist beliebter als die Tante, die Klavier spielt“. Nach diesem Motto möchte ich meinen Einstand bei Phi Delta Phi gestalten. Was bringe ich mit? 1. Einen Kurs „Wissenschaftliches Schreiben“. Das hatte ich im Februar bereits „geliefert“. Das kann ich nächstes Jahr wiederholen, wenn das gewünscht wird. 2. Diesen Vortrag: Er soll kurzweilig, aber auch wissenschaftlich sein. 3. Sekt und Wein aus dem Strafvollzug zum anschließenden Empfang im Kleinen Senat. Zunächst möchte ich mich aber herzlich für die Ehrenmitgliedschaft bei Phi Delta Phi, Richard-v.-Weizsäcker Inn an der Universität Tübingen, bedanken. Das ist eine große Ehre. Als Jurist und lesefreudiger Mensch habe ich mir die Satzung der Fraternity angesehen, um meine neuen Rechte und Pflichten kennenzulernen. Ich habe festgestellt, dass Sie mir damit bescheinigt haben, eine Prominenz im Recht zu sein: „A member of the legal profession chosen for his prominence in the law“. Damit nicht genug: Ich habe einen guten Charakter, eine gute Stellung in der Gesellschaft und im gewählten Beruf: „Honory members must be of good moral character, be in a good standing in the community und their chosen profession.“ Das sind natürlich hohe – fast möchte ich sagen „elitäre“ – Ansprüche, die an Ehrenmitglieder gestellt werden. Ich werde mich bemühen, dem einigermaßen zu entsprechen. Ich hoffe, Sie werden es nicht bereuen, denn in der Liste der Ehrenmitglieder habe ich vornehmlich 1 Schriftliche Fassung des Vortrags in der Legal Fraternity Phi Delta Phi, Richard-v.-Weizsäcker Inn, am 27. März 2013 in Tübingen. Die Vortragsfassung wurde beibehalten. Der Vortrag wurde durch Folien unterstützt. 2 Persönlichkeiten aus dem Zivilrecht und dem öffentlichen Recht entdeckt, aber keinen Kriminologen. Ich gehe davon aus, dass Sie sich das gut überlegt haben. Umgekehrt habe ich mir gut überlegt, welches Thema ich zu meinem „Antrittsvortrag“ wähle. Vielleicht haben Sie gedacht, dass ich als Kriminologe ein kriminologisches oder als Strafvollzugsrechtler ein Thema mit Menschenrechtsbezug wähle. Nein, ich habe mich für „Eliten“ entschieden. Ich mag kurze Titel in meinen Vorträgen und Veröffentlichungen und stelle fest, dass ich heute zum kürzesten Titel gegriffen habe, an den ich mich erinnern kann. Ich habe mir überlegt, ob ich die sechs Buchstaben noch um einen kürzen kann, wenn ich über „Elite“ spreche. Da es aber – wie ich noch ausführen werde – sehr unterschiedliche Eliten gibt, bleibt es bei den sechs Buchstaben. Karriere Als Sie die Einladung zum heutigen Vortrag erhalten haben, mögen Sie auch gedacht haben, warum ein Kriminologe zu diesem Thema spricht. Kriminologen befassen sich mit Tätern, Opfer und der Kriminalitätskontrolle, ich mich besonders mit der Kriminologie auf der Einzelfallebene und mit der Kriminalprävention. Da taucht man doch ab in die Welt des Bösen und ist von Eliten weit entfernt. Bei uns Tübinger Kriminologen liegt – so behaupte ich – in der Tat „das Böse in guten Händen“, wie Loriot es einmal Krimi-Autoren zugeschrieben hat. Lassen Sie mich mit einem kriminologischen Begriff einsteigen, zu dem ich bereits in meiner Dissertation geforscht habe: „Kriminelle Karrieren von Lebenslänglichen“.2 Eliten, insbesondere Bildungseliten erreichen und durchlaufen berufliche Karrieren. Was ist eine Karriere? Pferdefreunde wissen vielleicht, dass die Karriere ursprünglich eine springende Gangart des Pferdes war, die man heute noch in der Dressur bewundern kann. Dann übertrug man den Begriff auf Pferderennbahn, wo die Carriére ausgeführt wurde. Andere gehen davon aus, dass der Begriff von der Fahrstraße kommt, auf der Wagen (lat. „carrus“) fuhren. 2 Wulf, R.: Kriminelle Karrieren von Lebenslänglichen. Eine empirische Analyse ihrer Strukturen und Verlaufsformen anhand 141 Straf- und Ermittlungsakten; München Minerva 1979, 341 S. 3 Berufliche Laufbahnen Wie dem auch sein, irgendwann sprach man von der Karriere als berufliche Laufbahn. Dabei kann man zwischen einer Managementkarriere, dem Aufstieg in der Unternehmenshierarchie, und einer Fachkarriere, dem Aufstieg in einer Expertenlaufbahn, unterschieden. Intuitiv und im Volksmund denkt man immer in Richtung „nach oben“. Freilich soll es auch „Karriere-Knicks“ geben. Profi-Laufbahn Wenn ein erfolgreicher Amateur im Sport oder einem anderen Gebiet sich beruflich ganz auf diesen Bereich konzentriert und als sogenannter „Profi“ seinen Lebensunterhalt allein damit verdient, spricht man auch von einer „Profikarriere“, zum Beispiel als Fußballspieler, Schauspieler, Musiker oder in der Unterhaltungsbranche. Wenn dies ohne klassische Berufsausbildung geschieht, spricht man von „Quereinsteigern“. Eine Karriere, die besonders schnell beginnt, wird umgangssprachlich auch als „Senkrechtstart“ bezeichnet, die Betreffenden als „Senkrechtstarter“ oder – vor allem im Musikbereich – als „Shooting Star“. Umgekehrt spricht man von einem „Karriereknick“, wenn sich der berufliche Aufstieg abrupt verlangsamt, und von einer „Karrierefalle“, wenn in einer beruflichen Situation wenig Aussicht auf Fortkommen besteht, etwa weil ein Arbeitsplatz wenig Entwicklungsmöglichkeit bietet, die eigene Kompetenz nicht mehr zum beruflichen Anforderungsprofil passt, das persönliche Ansehen das berufliche Fortkommen behindert oder eine vorangehende berufliche Entscheidung negative Auswirkungen auf die Karriere zeigt. Ein Paar (Ehepaar, Lebenspartner), bestehend aus zwei beruflich ehrgeizigen Menschen, das versucht, seine Karrieren 'unter einen Hut' mit der gemeinsamen Lebensplanung (z.B. gemeinsamer Wohnort) zu bringen, nennt man Doppelkarrierepaar (wohl hergeleitet von der englischen Bezeichnung 'Dual Career Couple'). Wenn sie keine Kinder haben, sind sie „DINKS“: „double income, no kids“. Und das „Ende der Karriere“ kann man wie folgt abkürzen: E-DeKa. Juristische Karrieren 4 Wer zur beruflichen Elite gehören will, kann sich die Karrieren bzw. Lebensläufe erfolgreicher Menschen anzuschauen. Wenn man also wissen will, wie man JuraProfessor wird, kann man sich die curricula vitae von Jura-Professoren analysieren. Ostasiatische Studenten lernen sie auswendig. Das halte ich für übertrieben. Außerdem: Ahmen Sie nichts und niemanden nach, sondern finden Sie Ihr eigenes Profil. Interessant sind juristische Lebensläufe aber noch aus einem anderen Grund. Manche juristische Meinung kann man nur vor dem Hintergrund des Lebensweges des Verfassers verstehen, etwa von Juristen, die im Nazi-Regime aufwuchsen und sich nach dem Krieg um den Aufbau der Demokratie verdient gemacht haben. Erst neulich ist ein Band mit den Lebensgeschichten von Strafrechtswissenschaftlern erschienen, den ich Ihrer Lektüre empfehle.3 Hinweisen will ich auch auf den Career Service an der Universität Tübingen.4 Er ist an der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf eine Abteilung im Dezernat Studium und Lehre. Seine Angebote im Bereich des Kursangebotes zu überfachlichen Kompetenzen und im Bereich der Beratung zu Berufsorientierung, Image, Praktika, Bewerbung und wissenschaftlicher Karriere sowie Jobportal richten sich an Studierende, an Absolvent/innen, an Mitarbeiter/innen und an die Fakultäten der Universität Tübingen sowie an Unternehmen und andere Arbeitgeber/innen. Ich kann es Ihnen empfehlen. Deviante Laufbahnen Lassen Sie mich zum Begriff „Karriere“ zurückkommen. In der Soziologie übertrug man das Karriere-Konzept auch auf andere – negative – Verläufe, etwa Drogenkarrieren, Glücksspielkarrieren und Karrieren von Prostituierten. Dazu mehr oder weniger anekdotisch eine ernst zu nehmende und methodisch gut gemachte Untersuchung5 zur Affinität von Studierenden zum horizontalen Gewerbe. In Berlin, Kiew und Paris wurden Studierende befragt, ob sie sich 3 Hilgendorf, E. (Hrsg.): Die deutsche Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen; Berlin/New York: de Gruyter 2010, 690 S. und Anhang 4www.uni-tuebingen.de/einrichtungen/verwaltung-dezernate/ii-studium-und-lehre/career-service.html, besucht am 23.2.2013. 5 www.tagesspiegel.de/berlin/studie-jeder-dritte-berliner-student-kann-sich-prostitution-als-jobvorstellen/4186434.html, besucht am 23.2.2013. 5 vorstellen könnten, ihr Geld als Prostituierte oder Call-boy zu verdienen.6 In Berlin bejahten das sage und schreibe 32 Prozent, in Kiew, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse weitaus schlechter sind, gerade einmal 19 Prozent. Erschrocken haben mich die Antworten zur Frage, wer denn tatsächlich einer solchen Tätigkeit nachgeht. In Berlin bejahten 3,2 Prozent der Studierenden diese Frage. Ich habe einmal ausgerechnet, wie viele sich prostituierende Studierende wir in Tübingen hätten, wenn die Verhältnisse ähnlich wären. Ich bin auf 400 weibliche Prostituierte und 400 Call-boys gekommen. Von daher kann ich jeden Dozenten nur warnen, im RotlichtMilieu Leistungen nachzufragen. Man könnte auf die Studentin aus der Fortgeschrittenenübung oder auf den Studenten im Seminar stoßen. Im Ernst: Die Studie muss einem im Hinblick auf das Wertebewusstsein von Studierenden schon zu denken geben. Möchten Sie sich einer Ärztin anvertrauen, die sich als Studentin prostituiert hat. Oder möchten Sie Ihr Kind von einem Lehrer unterrichten lassen, der als Student Freier hatte? Kriminelle Karrieren Nun aber zurück zu ausgeprägten kriminellen Karrieren. Wenn ich nun darauf eingehe, wodurch sich eine kriminelle Karriere auszeichnet, dann habe ich unser Thema „Elite“ immer im Hinterkopf, denn daraus kann man bestimmte Elemente mitnehmen. Also: Kriminelle Karrieren zeichnen sich durch bestimmte objektive Merkmale aus: Früher Einstieg in Delinquenz, Dissozialität und Kriminalität, mehrfache oder gar häufige Tatbegehungen, kürzer werden Tatintervalle, Ansteigen der Deliktschwere, so dass man auch von Mehrfach- und Intensivtätern spricht. Dem stehen schwere Taten gegenüber, die gleichsam „wie der Blitz aus heiterem Himmel“ kommen und die wir als Übersprungstaten bezeichnen. Hinzu kommen subjektive Merkmale: Die bewusste Wahl eines modus operandi, also eines Tatmittels, einer Begehungs- oder Beteiligungsart, die Identifizierung mit Kriminellen und das Selbstverständnis als Krimineller, also etwa als Zuhälter, Betrüger, Hochstapler oder professioneller Einbrecher. Solche ausgeprägten kriminellen Karrieren sind selten. Ich habe in meinem beruflichen Leben mit einer Reihe von „Berufskriminellen“ gesprochen. Zwei Formen will ich skizzieren: In meiner Dissertation hatte ich unter anderem vier NS-Täter. Einige hatten in Ghettos Exzesse verübt, andere sich in 6 Vgl. auch www.stuz.de/nutz-stuz/studentische-prostitution-erst-das-studium-dann-die-moral-stuz-72okt-05, besucht am 23.2.2013. 6 Konzentrationslagern an der Vernichtung der Juden beteiligt, einer – ein sogenannter „Weiße-Kragen-Täter“ –die Judenvernichtung am Schreibtisch in Berlin geplant. Alle zeichneten sich durch soziale Angepasstheit aus, im Dritten Reich und auch danach. Es war und es ist erschreckend zu beobachten, wie dünn der Mantel der Zivilisation ist und wie leicht das Böse im Menschen hervortritt. Wenn das noch mit einer bestimmten Ideologe gepaart ist, etwa Rassenwahn und Nationalismus (Stichwort: „Nordische Elite“), dann wird die Menschenwürde und werden die Menschenrechte anderer ganz rasch missachtet. Eine andere Gruppe von Tätern mit ausgeprägten kriminellen Karrieren sind manche Wirtschaftskriminelle. Hier ist die Nähe von beruflicher und krimineller Karriere zum Greifen nahe. Auch hier findet man sozial angepasste, ja bestens integrierte Täter. Interessant wird es, wenn man sich ihre Wertorientierung ansieht. Dann kommt wenig Empathie und viel Eigensucht zu Tage. Leider gibt es nur wenig gute kriminologische Forschung an und über Wirtschaftsstraftäter. Im Fokus stehen junge Gewalttäter. Ich wäre er Letzte, der diese Taten verharmlosen will. Wenn man die Diskussion auf die materiellen Schäden verkürzt, so muss man feststellen, dass die Schäden durch Wirtschaftskriminelle weit höher sind als die in der Jugendkriminalität. Wir können über diese Zusammenhänge und über die Gründe und Hintergründe, warum Wirtschaftskriminalität so wenig beforscht wird, gern diskutieren. Ich habe in meinem Leben viele Begegnungen mit Menschen, die eine ausgesprochen kriminelle Karriere durchlaufen haben. Immer wieder habe ich festgestellt, dass diese durchaus auch Führungsqualitäten haben. Wer eine Jugendgang anführt oder eine kriminelle Organisation leitet, der kann schon etwas. Im Gefängnis tauchen diese „Führungspersönlichkeiten“ dann in die Subkultur ab und setzen ihre Karriere dort fort. Wenn es gelingt, sie „umzudrehen“ und zu resozialisieren, dann können sie selbst sehr gute Resozialisierungsarbeit mit anderen leisten. Sie kennen sich aus und haben vielfach Charisma. Ein gutes Beispiel dafür ist der Leiter der bekannten Glen Mills Scholl bei Boston, in der junge Straffällige in einem noblen Ambiente, aber mit einer strengen Tageslaufstruktur resozialisiert werden. Ihr charismatischer Leiter Sam Ferrainola war in seiner Jugend ein Mehrfach- und Intensivtäter, der den Sprung auf die andere Seite geschafft hatte. 7 Aus meinen kriminologischen Anmerkungen zum Karrierekonzept nehmen wir für eine Auslegung des Elitebegriff mit, dass beide Begriff durch objektive und subjektive Elemente bestimmt werden müssen. Elite Zuvor möchte ich mich aber noch mit der geschichtlichen Entwicklung und der grammatischen Auslegung des Elitebegriffs befassen. Der sprachliche Ursprung liegt im lateinischen „electus“, „ausgelesen“. Ähnlich wie „Karriere“ kommt auch „Elite“ aus einer Richtung, die man nicht vermutet. Das Wort „Elite“ tauchte erstmals im 17. Jahrhundert auf und wurde zunächst zur Bezeichnung für hochwertige und teure Waren. So spricht man noch heute von Elite-Garn. Früher gab es eine EliteQualität bei Gänseleber. Erst allmählich begann man, den Begriff auch auf soziale Zusammenhänge anzuwenden. Bevor ich mich ernsthaft damit befasse, zur Auflockerung doch noch einige Ausführungen zum Ergebnis meiner InternetRecherche „Elite“: „Elite-Menschen“ „Akademiker und Singles mit Niveau“ wenden sich an „Elite-Partner“7, wenn sie einen besonders gebildeten und kultivierten Partner suchen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Anwesenden davon keinen Gebrauch machen müssen, weil sie ja innerhalb von Phi Delta Phi – und dies ohne Kosten – einen entsprechenden Partner finden können. „EliteModel“8 ist das weltweit größte Netzwerk für weibliche und männliche Models mit vier Dependancen in New York, Los Angeles und Toronto. Falls es mit einer juristischen Karriere nicht klappt und Sie an eine Modell-Karriere denken, müssen Sie aber beachten, dass man mit 25 plus kaum mehr in eine internationale Karriere einsteigen kann. „Elite-Produkte“ 7 8 www.elitepartner.de, besucht am 23.2.2013. www.elite-modelle.de, besucht am 23.2.2013. 8 Unter Produkten, die mit „Elite“ werben, habe ich Breitreifen für Autos, Fahrräder, Yoghurt, Laufschuhe, Kondome und andere Produkte gefunden, die mit hervorragender Qualität und Extravaganz werben. Das könnte für unsere Definition von „Elite“ hilfreich sein. Elite-Hotel Vielleicht bleiben wir auch alle Juristen und treffen uns einmal in Heidelberg im wirklich empfehlenswerten Elite-Hotel in der Bunsenstraße 15.9 Killer Elite Oder wir gehen in den Film „Killer Elite“, der im Oktober 2011 Kinostart hatte, die Verfilmung des biografischen Romans eines Abenteurers, Forschers und ehemaligen Soldaten des britischen Special Air Service.10 Hier ist wieder die Kombination von Elite mit Kriminalität bemerkenswert. Elite-Bücher Oder Sie kaufen sich das Buch von Julia Friederich: „Gestatten: Elite“.11 Auf den Spuren der Mächtigen von morgen ist die fünfundzwanzigjährige, als McKinsey ihr ein lukratives Job-Angebot unterbreitet – sie soll künftig zur Elite des Landes gehören. Was man sich darunter vorstellt, erlebt sie bei einem Edel-AssessmentCenter – und ist geschockt. Doch das Wort »Elite« lässt sie nicht mehr los. Sie schlägt den Job aus und recherchiert ein Jahr lang an Elite-Universitäten, EliteAkademien, Elite-Internaten. Sie taucht ein in eine Welt, in der Menschen, die weniger als siebzig Stunden pro Woche arbeiten, »Minderleister« heißen, in der zwanzigjährige Eliteanwärter Talkshow-Auftritte trainieren und Teenager Karriereberatungen buchen. Ein ganz ernsthafter Beitrag zur Eliteforschung ist das Buch von Heike Schmoll: Lob der Elite.12 Mit Blick auf die Geschichte von Eliten und ihre Bildung zeigt die Autorin, warum heutige Gesellschaften nicht auf Eliten verzichten können und wie diese 9 www.hotel-elite-heidelberg.de, besucht am 23.2.2013. http://de.wikipedia.org/wiki/Killer_Elite, besucht am 23.2.2013. 11 Friedrich, J.: Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen. Hamburg: Hoffmann und Campe 2008. 255 S. 12 Schmoll: H.: Lob der Elite. Warum wir sie brauchen. München: Beck 2008, 173 S. 10 9 beschaffen sein müssen. Denn Eliten sind für keine Staatsform so unentbehrlich wie für die Demokratie. Der Zugang zur Elite muss daher prinzipiell offen, die Auswahlmethode transparent sein. Sobald sich Eliten abschließen, ihre Vorrechte genießen und für sich behalten wollen, verfehlen sie ihren gesellschaftlichen Auftrag. Weder Tradition und Herkunft noch Bildung oder Leistungsstärke entscheiden allein über die Zugehörigkeit zu Elite. Daher müssen nach Schmoll Weitsicht, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, aber hinzukommen. Dem kann ich mich gut anschließen. auch Mut zum Alleingang 10 Elite-Universitäten Es ist in Tübingen zwingend, dass ich meinen Streifzug durch die Eliten dieser Welt mit einem Hinweis auf Elite-Universitäten beschließe, ehe ich mich Eliten wissenschaftlich nähere. Begrifflich richtiger wäre es freilich, ich würde von Exzellenz-Universitäten sprechen, weil die Bundesregierung eine solche Initiative beschlossen hatte, um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken. Es war und ist bereits im Ansatz umstritten, ob es wissenschaftspolitisch richtig ist, erhebliche Mittel einigen wenigen Universitäten zuzuwenden, weil dies zu einem Zwei-Klassen-System unter den Universitäten und unter den Wissenschaften führen könnte, weil es eben vor allem die Lebenswissenschaften sind, die Chancen haben, exzellent zu werden, und die Geisteswissenschaften nicht. Wie dem auch sei, die deutschen Universitäten haben einen regelrechten Wettlauf gestartet, um „exzellent“ zu werden. Ich erinnere mich an die Weltuntergangsstimmung in Tübingen, als wir es im ersten Anlauf nicht geschafft hatten. Umso größer war die Freude, als die Universität Tübingen im Juli vergangenen Jahres in den erlauchten Kreis der elf deutschen ExzellenzUniversitäten aufgenommen wurde. Dies bringt unserer Universität in der fünfjährigen Förderperiode Mehreinnahmen vom Bund in Höhe von ca. 110 Mio. Euro. Damit nicht genug, das Selbstbewusstsein der Universität Tübingen ist im Innern gestiegen: „Wir sind exzellent“. Und nach außen hat das Ansehen der Universität Tübingen in der Hochschullandschaft zugenommen, Spitzenforscher hierher bringen und Tübingen bei Studierenden attraktiv macht. Das sind Prozesse, die sich gegenseitig verstärken und schon jetzt positive Effekte zeigen. Die Universität Tübingen ist damit auf dem Weg in eine gute Zukunft. Dies könnte noch verstärkt werden, wenn ein Antrag der Universitätsstadt Tübingen Erfolg hätte, die mittelalterliche Streuuniversität in ihrer Einbindung in die Stadt in das Weltkulturerbe aufzunehmen. Warten wir es ab. Abgrenzungen Damit möchte ich mich dem Elitebegriff wieder wissenschaftlich nähern und ihn zunächst von ähnlichen Begriffen abgrenzen. 11 Soziologisch versteht man unter einer Elite eine Gruppe tatsächlich oder mutmaßlich überdurchschnittlich qualifizierter Personen oder die herrschenden bzw. einflussreichen Kreise der Gesellschaft. Schon hier bitte ich um eine Differenzierung. Im Grunde gibt es „die“ Elite nicht, es gibt - je nach bestimmendem Merkmal - eine Reihe von unterschiedlichen Eliten. In Stichworten: Bildungseliten; Einkommenseliten; Führungseliten; Machteliten; Militäreliten; Parteieliten; Sporteliten; Wissenseliten; Unternehmenseliten. Ich werde darauf zurückkommen. Ich möchte an dieser Stelle auch einflechten, dass man das Wort „Elite“ neutral beschreibend und wertfrei verwenden kann, oder aber auch in gesellschaftskritischer Absicht, wenn man „elitäre“ Strukturen kritisieren möchte. Ich habe Ihnen eine ganze Reihe von Begriffen auf die Folie gezogen, die gleichsam den „Begriffshof“ für „Elite“ bilden. In der vorgegebenen Zeit kann ich mich nicht mit allen Begriffen befassen. Ich möchte „die Akademiker“ und die „Oberschicht“ exemplarisch herausgreifen. Bei „Akademiker“ gibt es eine enge und eine weite Wortbedeutung. Nach der engen Wortbedeutung sind Akademiker das wissenschaftliche Personal einer Hochschule, nach der weiten Definition die Absolventen einer akademischen Hochschule. Hier im Raum sehe ich nur wenige Hochschulangehörige und die meisten haben ihre „akademische Ausbildung“ wohl noch nicht abgeschlossen. „Elite“ unterscheidet sich vom Begriff „Oberschicht“, obwohl es häufig Schnittmengen gibt. Eine Elite muss aber nicht notwendigerweise aus Mitgliedern privilegierter sozialer Schichten bestehen. Konzepte wie Schicht und Klasse betonen die ökonomische Dimension sozialer Strukturen, während mit dem Konzept „Elite“ deren politische Dimension betont wird. Zudem zielt der „Schicht“-Begriff auf industrielle Gesellschaften ab, während der „Elite“-Begriff auf alle möglichen Formen gesellschaftlicher Differenzierung Anwendung gefunden hat. Formen von Eliten Mit Stichworten habe ich bereits angedeutet, dass es unterschiedliche Formen von Eliten gibt. Eng zusammen hängen Bildungs- und Wissenseliten. Die Begriffe vor „-elite“ deuten an, dass es hierbei auf die kognitiven Fähigkeiten der Mitglieder ankommt. 12 Das steht bei Führungs- und Unternehmenseliten nicht im Vordergrund. Das soll nicht heißen, dass gute Führung und gute Unternehmerfähigkeiten nichts mit Intelligenz zu tun hätten. Bei den Einkommenseliten kommt es dagegen nur darauf an, dass das Einkommen überdurchschnittlich sind. Bei den Machteliten steht im Zentrum, dass sie an der Macht sind und an der Macht bleiben wollen. Die Militäreliten sind herausgehobene Teile des Militärs. Bei Parteieliten geht es wohl um bestimmte Kader. Beispiele aus der Gegenwart in Deutschland kann ich Ihnen leider aus keiner Partei vorstellen. Den Begriff „Sporteliten“ kann man wohl mit „Spitzensportler“ übersetzen. Hier kommt es auf die erreichte sportliche Leistung an. Merkmale von Eliten Nach meinem Verständnis lässt sich eine Elite zunächst dadurch kennzeichnen, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handelt. Wie groß die Gruppe in absoluten Zahlen oder in Prozentsätzen von der Grundgesamtheit sein muss, lässt sich schwer allgemein bestimmten. Ich würde einmal annehmen, dass es - in Köpfen - keine ganz kleine Gruppe sein darf. Hinsichtlich des Prozentsatzes von allen der Grundgesamtheit müsste es sich demgegenüber um einen kleinen Prozentsatz handeln, der meines Erachtens nicht über zehn Prozent von allen liegen dürfte. Ein weiteres Merkmal eine Elite ist, dass es sich um Mitglieder handelt, die in den qualitätsbestimmenden Merkmalen „über dem Durchschnitt“ liegt. Mitglieder von Eliten wollen unter Umständen besonders gebildet sein, wollen besonders erfolgreich sein, wollen besonders viel Geld haben oder verdienen, wollen besondere sportliche Leistungen vollbringen oder im Militär bzw. in ihrer Partei eine hervorgehobene Stellung haben. Die Elite will damit einen bestimmten Zweck erfüllen. Zu den objektiven Merkmalen möchte ich noch zählen, dass die Elite eine auf Dauer angelegte Gruppe ist. Zu diesen objektiven Merkmalen kommen subjektive Merkmale hinzu. Ein wichtiges Merkmal ist der Wunsch der Mitglieder, zur dieser Elite dazugehören, sich mit ihren 13 Zielen zu identifizieren und diese Ziele in das Selbstbild aufgenommen zu haben. Dabei besteht für eine Elite die Gefahr, sich nach außen abzuschotten und überheblich zu werden. Das wären „elitäre“ Züge im schlechten Sinne. Ethik von Eliten Was kennzeichnet aber eine echte, positive Elite. Für mich muss jede Elite eine hochstehende Ethik haben, die abstrakt im Leitbild und praktisch in den Aktivitäten zum Ausdruck kommen sollte. Da sind zunächst einmal die Werte, zu denen sich die Elite selbst bekennt. Bei einer juristischen Elite könnten die Grund- und Menschenrechte der Maßstab sein. Dann geht es um die Toleranz gegenüber anderen Gruppen und Vereinigungen in der Horizontale. Hier ist Offenheit der Maßstab. Und schließlich ist mir der Respekt einer Elite vor anderen, insbesondere „nach unten“: wichtig. Eine Bildungselite muss sich daher zum Sozialen bekennen und soziale Verpflichtung verspüren. Auch darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Juristische Eliten Nun möchte ich mich noch juristischen Eliten zuwenden. Ein Blick auf die Folie zeigt, dass es keine eindeutig definierbare juristische Elite gibt, die auch organisatorisch eindeutig zuordnen könnte. Institutionen mit hervorragenden Juristen gibt es vielen Orten, so dass man auch insoweit wieder in den Plural gehen und von Juristischen Eliten sprechen muss. Da sind zunächst einmal staatliche und private Institutionen. Wer es als Rechtswissenschaftler zu einer Habilitation, einem Ruf und einem Lehrstuhl gebracht hat, den findet man in einer der 42 Juristischen Fakultäten an deutschen Universitäten. Wer in der juristischen Praxis erfolgreich ist, sitzt in einem Oberlandesgericht oder einer Generalstaatsanwaltschaft, in einem Bundesgericht oder beim Generalbundesanwalt, beim Bundesverfassungsgericht oder beim Europäischen Gerichtshof. Hervorragende Juristen in der Landesjustizverwaltung sitzen in den Justizministerien des Bundes und der Länder, denken Sie etwa an die Präsidenten 14 der Landesjustizprüfungsämter oder an die Justitiare des Landes in der öffentlichrechtlichen Abteilung des Justizministeriums. Spitzenjuristen findet man selbstverständlich auch in renommierten Anwaltskanzleien, in Unternehmen und Banken. Je besser die Wirtschaft floriert, desto eher zieht es junge Juristen dorthin. In schlechteren Zeiten haben es die Landesjustizverwaltungen und die Universitäten leichter, Spitzenkräfte zu bekommen. Nach meinen langjährigen Beobachtungen ist das ein ständiges Auf und Ab. Man kann das auf der einen oder anderen Seite beklagen. Im Ergebnis mittelt sich die Verteilung der guten Juristen. Das ist für mit Blick auf die Ausgewogenheit der gesamten „Juristischen Familie“ insgesamt gut. Nicht vergessen möchte ich dass sich (gute) Juristen auch außerhalb der beruflichen Institutionen in berufsständischen und juristischen Institutionen engagieren. Das ist wichtig. Mit einiger Sorge muss man aber feststellen, dass das ehrenamtliche Engagement von Juristen für Ihre Interessen nachlässt. Den Gründen kann ich hier leider nicht nachspüren. Für ganz wichtig halte ich die Juristenvereinigungen, die Brücken von deutschen Juristen ins Ausland und zurück bauen. Hier besteht Gelegenheit, unser Recht zu exportieren. Deutschland hat keine Bodenschätze, die wir exportieren können, aber den Schatz unseres Rechts. Wer Sprache und Recht exportiert, der hat auch die Chance, in der Wirtschaft des anderen Landes erfolgreich zu sein. Hier können wir von den USA eine Menge lernen. So wie Vereine und Parteien Jugendorganisationen haben, haben vielleicht auch juristische Eliten Jugendorganisationen. Diese müssten dann auf dem Campus zu finden sein. Hier in Tübingen haben wir außerdem die Freie Fachschaft Jura, die unabhängige Liste Fachschaft Jura (ULF), die European Law Students' Association (ELSA), die christliche Vereinigung Cross ´n Law und eben Phi Delta Phi. Das „Forum Junge Rechtswissenschaft“ Juristischen Fakultät der ist eine Initiative von Habilitierenden der Universität Tübingen. Es bietet Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern eine Plattform, Forschungsprojekte zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Da sich hier juristische Nachwuchswissenschaftler zusammengeschlossen haben, kann man hier ohne weiteres von einer juristischen Nachwuchselite sprechen. Das kann ich von studentischen Verbindungen, in denen man viele Jurastudenten findet leider nicht behaupten. Ich habe auf der einen oder anderen Verbindung, auch in Burschenschaften, schon Vorträge über kriminologische und juristische Themen 15 gehalten. Es wurde danach auch sachlich diskutiert, was mir gefallen hat. Mit Sorge muss man aber zur Kenntnis nehmen, dass studentische Verbindungen, insbesondere Burschenschaften, rechtsextreme Kontakte haben und dass solche Gedanken in studentischen Verbindungen kursieren sollen. Das schließt für mich jeden Anspruch auf eine Elite im positiven Sinne aus. Juristische Eliten sind sicher die Doktoranden und Habilitanden an einer Juristischen Fakultät. Promovieren und habilitieren darf nur, wer überdurchschnittliche Leistungen in den Examina bzw. bei der Promotion gezeigt hat. Wir haben an der Juristischen Fakultät nicht weniger als 300 Doktoranden, die mit unterschiedlichen Lebensentwürfen promovieren. Das Spektrum reicht von der Assistentenstelle, über ein Stipendium bis hin zum berufstätigen Rechtsanawalt der am Feierabend und am Wochenende promoviert. Alle verdienen meiner Meinung nach hohen Respekt und sollten viel mehr gefördert werden. Langsam erkennt die Fakultät, dass die Doktorväter und Doktormütter zu wenig sind und es auch nicht reicht, wenn die Doktoranden im Seminar bevorzugte Plätze haben. Meines Erachtens gehört jeder Doktorand in einen Doktorandenkreis, der von einem Professor betreut wird und wo man sich mit anderen Doktoranden vernetzen kann. Ich habe daher einen Doktorandenkreis gegründet, der einmal im Monat im Institut für Kriminologie auf dem Sand tagt, damit die Doktoranden ihre Arbeit nicht in denselben setzen. Ich freue mich besonders, dass einige heute gekommen sind. Nur mit einem Satz will ich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass durch einige schwarze Schafe, ich meine die Plagiatoren, die vielen, die mit fleißiger und ehrlicher Arbeit promovieren, in den Schmutz gezogen werden. Das Thema würde einen eigenen Vortrag füllen. Elite-Soziologie: Selektion In seiner empirischen Studie „Der Mythos von den Leistungseliten“13 untersucht Michael 13 Hartmann den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Hartmann, M.: Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft; Frankfurt/M.: Campus 2002, 196 S. und Anhang. 16 Zugangschancen zu Elitepositionen in Deutschland. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Chancengleichheit diesbezüglich erhebliche Defizite aufweist.14 Dazu hat er die Biografien von 6500 Doktoren der Promotionsjahre 1955, 1965, 1975 und 1985 in der Bundesrepublik Deutschland anhand deren Lebensläufen untersucht. Dabei konzentrierte er sich wegen ihrer Bedeutung für die Herrschaftstruktur in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Justiz und Politik auf Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure. Zum einen stellt Hartmann fest, dass bereits die Promotion sozial hoch selektiv ist. Es zeige sich bei Betrachtung des weiteren Karriereverlaufs der Promovierten, dass Spitzenpositionen in den untersuchten Bereichen in überrepräsentativen Ausmaß von Kindern des Großbürgertums und des gehobenen Bürgertums besetzt werden. Dabei unterliege der Wirtschaftsbereich einer stärkeren sozialen Selektion als die Bereiche Justiz und Politik. Hartmann begründet dies mit der Wahlmöglichkeit der aus ‚Großbürgertum‘ und ‚gehobenen Bürgertum‘ stammenden Kinder, die vorwiegend in Positionen der Wirtschaft drängen und sich erst dann für Justiz und Politik entscheiden, wenn die gesamtwirtschaftliche Situation die Aussichten auf eine Wirtschaftskarriere schmälert. Die in der Eliteforschung vertretene Position, die Rekrutierung der Eliten erfolge vorrangig anhand der individuellen Leistung, hätten sich insoweit nicht bestätigt. Auch die Hoffnungen Ralf Dahrendorfs und der meisten anderen Eliteforscher, die Bildungsexpansion mit ihrer sozialen Öffnung der Hochschulen werde an der Bedeutung der sozialen Herkunft bei der Rekrutierung der Eliten Wesentliches ändern, hätten sich dementsprechend nur unzureichend erfüllt. Zwar sei es zunächst durchaus zu einer Öffnung der Promotion für breitere Teile der Gesellschaft gekommen, doch habe bei den untersuchten Jahrgängen inzwischen eine weitere soziale Selektion bei der Verteilung von Spitzenpositionen eingesetzt. Zusammenfassend habe also die Bildungsexpansion zwar den Zugang zu den Bildungsinstitutionen für breite Gesellschaftsteile erleichtert, nicht aber den zu den Elitepositionen. 14 Hierzu und zum Folgenden http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Hartmann_(Soziologe); besucht am 23.2.2013. 17 Nach Hartmann stammen die deutschen Eliten überproportional aus den Reihen des Bürgertums. In der Vätergeneration der heutigen Eliten stellten diese Berufsgruppen zirka 3,5 % der männlichen Erwerbstätigen. Weitgehend einig sei man sich in der Einschätzung, dass die politische Elite sozial am durchlässigsten und die Wirtschaftselite am geschlossensten sei. Es besteht ein prinzipieller Zusammenhang zwischen der sozialen Selektivität des deutschen Bildungssystems und der sozialen Rekrutierung der deutschen Eliten Verantwortlich für das soziale Ungleichgewicht seien zwei Aspekte. Zum einen gebe es eine Vielzahl Bildungssystems, von das Schülerleistungsstudie Auslesemechanismen sich PISA im deutlich innerhalb internationalen gezeigt hat Vergleich - durch des eine deutschen wie die besonders ausgeprägte soziale Selektion auszeichnet. Die Dreigliederung des Schulwesens spielt nach ihm in dieser Hinsicht eine entscheidende Rolle. Nach einer Erhebung unter allen Hamburger Fünftklässlern benötigt zum Beispiel ein Kind, dessen Vater das Abitur gemacht hat, ein Drittel weniger Punkte für eine Gymnasialempfehlung als ein Kind mit einem Vater ohne Schulabschluss. Bei Versetzungsentscheidungen seien dieselben Mechanismen zu beobachten. Elite-Soziologie: Habitus Zum anderen spielten Selektionsmechanismen während des Berufslebens eine Rolle, die sich im Wesentlichen auf unbestimmte „Persönlichkeits“-Merkmale beziehen. Die Bedeutung der ‚richtigen Chemie‘ oder des ‚Bauchgefühls‘ hängt wesentlich mit dem Bedürfnis der führenden Kader zusammen, sich mit Personen zu umgeben, denen man vertrauen und in dessen Folge auch besser einschätzen kann. Man müsse sich einen Vorstand, so ein interviewter Topmanager, in der Regel als eine Schicksalsgemeinschaft vorstellen, die gemeinsam erfolgreich sei oder aber scheitere. Maßgeblich dafür, ob man glaubt, jemandem vertrauen zu können, und damit auch für die Entscheidung, ob diese Person als Vorstandskollege akzeptiert wird, sei somit letztlich der Habitus der Person. Der gewünschte Habitus wird in den 18 Chefetagen der deutschen Großunternehmen an vier zentralen Persönlichkeitsmerkmalen festgemacht: 1. Man sollte eine intime Kenntnis der Dress- und Benimmcodes aufweisen, weil dies aus Sicht der Entscheider anzeigt, ob der Kandidat die geschriebenen und vor allem die ungeschriebenen Regeln und Gesetze in den Chefetagen der Wirtschaft kenne und auch zu beherzigen gewillt sei. 2. Eine breite Allgemeinbildung sei erwünscht, weil sie als ein klares Indiz für den berühmten und als unbedingt notwendig erachteten ‚Blick über den Tellerrand‘ angesehen werde. 3. Notwendig sei auch eine breite unternehmerische Einstellung und der damit als notwendig erachteten optimistischen Lebenseinstellung. 4. Persönliche Souveränität in Auftreten und Verhalten als wichtigstes Element schließlich zeichne in den Augen der Verantwortlichen all diejenigen aus, die für Führungsaufgaben dieser Größenordnung geeignet seien. Solche habituellen Persönlichkeitsmerkmale werden in erster Linie von dem Milieu vermittelt, in dem man aufgewachsen ist, und sind nicht durch fachliche persönliche Leistung zu erwerben. Phi Delta Phi als Elite Lassen Sie mich in einem letzten - interessanten - Schritt untersuchen, ob und gegebenenfalls man die Fraternity Phi Delta Phi und ihre Mitglieder als Elite bezeichnen kann. Fangen wir mit dem Namen an: „Freunde von Gerechtigkeit und Weisheit“. Das sind sicherlich nur wenige Menschen. Viel mehr Menschen handeln ungerecht und sind dumm; das gilt auch für Juristen: „Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand“. Das Zitat stammt von Ludwig Thoma und lautet richtig: „Er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand“ (aus der Kurzgeschichte „Der Vertrag“ über den königlichen Landgerichtsrat Alois Eschenberger). Hierzu gibt es übrigens einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2007. 19 Ein Gewerkschaftssekretär hatte das über den Vertreter eines Arbeitsgeberverbandes gesagt. Wer sich als Freund von Gerechtigkeit und Weisheit definiert, ist sicherlich nicht von mäßigem Verstand. Wenden wir uns wieder unserer Frage zu: Ist Phi Delta Phi eine Elite? Dafür spricht, dass Richard von Weizsäcker Namensgeber des Inns ist. Unter den mittlerweile elf Bundespräsidenten nimmt er eine besondere Stellung ein, nicht nur weil er ein Adeliger ist. Weizsäcker wirkte integrierend und erlangte hohe Anerkennung im Ausland mit seiner Rede vom 8. Mai 1985, in der er den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ bezeichnete. Er trat für ein behutsames Zusammenwachsen von Ost und West ein und mahnte in seiner Rede zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 „Sich zu vereinen, heißt teilen lernen.“ Hervorzuheben ist auch ein gesellschaftliches Engagement, insbesondere als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Er hat zahlreiche Ehrungen erfahren, unter anderem im Jahr 2000 den Dr. Leopold-Luca-Preis der Universität Tübingen erhalten. Diese Auszeichnung würdigt hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Theologie, der Geistesgeschichte, der Geschichtsforschung und der Philosophie, außerdem das Engagement für Völkerverständigung und Toleranz. Wie sieht es mit der Organisationsform des Tübinger Inns aus. Phi Delta Phi ist eine „fraternity“, also eine Studentenverbindung in angloamerikanischer Tradition. Mitgliedschaften in fraternities oder sororities sind in den USA verbreiteter als in Deutschland. Sie gelten in der Regel nicht als „konservativ“, haben stattdessen jedoch den Ruf, viele und zum Teil exzessive Partys zu veranstalten. Der Ruf hängt zum Teil mit einer anderen Partykultur als an deutschen Hochschulen zusammen, die vor allem in den USA durch das höhere Mindestalter für legalen Alkoholkonsum mitgeprägt ist. Das würde eigentlich nicht für eine Elite sprechen. Der Tübinger Inn grenzt sich als „professional fraternity“- zumindest auf der Homepage - davon ab. Man kann dort lesen: “Während deutsche Studentenverbindungen von Studenten der Heimatregionen zum Selbstschutz und gegenseitiger Unterstützung begründet wurden, haben sich amerikanische Professional Fraternities (zeitlich viel später) sogleich mit dem Kernziel der Weiterbildung. Und mit Stolz verweist man darauf, dass keine andere Studentenverbindung in den USA so viele Mandatsträger hervorgebracht hat, mehrere US-Präsidenten, zahllose Supreme Court Richter, 20 Senatoren, Kongressabgeordnete und einflussreiche Mitglieder des juristischen Standes.“ Das spiegelt sich auch im aufwändig gestalteten Wappen wider. Dabei stutzt man zunächst über den Totenschädel und die gekreuzten Knochen. Zu meiner Beruhigung konnte ich aber darüber lesen: „This emblem reminds every member of Phi Delta Phi that life is fleeting and that we are all hastening toward a common estate in death. It teaches that we should so regulate our daily life and conduct as to be worthy of the esteem of our fellow men.“ Das wiederum spricht für eine Bildungselite, denn gebildete Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie über den Menschen nachdenken: Wo kommen wir her? Wer sind wir? Wo gehen wir hin? Ziel der Vereinigung ist „to promote a higher standard of professional ethics and culture in this and other law schools and in the profession at large.” Auch hier wieder ein Hinweis auf Ethik und Kultur und damit ein Zeichen für Strebsamkeit im besten Sinne. Gut gefallen hat mir auch, dass die studentischen Mitglieder Ihres Inns ehrenamtlich Rechtsunterricht an Schulen und verschiedenen Einrichtungen erteilen und arbeitslose Jugendliche betreuen. „Nutzung unseres Wissens in einem sozialen, gesellschaftlichen Kontext.“ Hier können Sie etwas Sinnvolles für andere tun. Zugleich können Sie Ihre Rechtskenntnisse anwenden und weitergeben; wenn man anderen etwas erklärt, profitiert man selbst davon. „Und schließlich haben Eliten richtig verstanden - immer auch das Gemeinwohl im Sinn, also auch hier ein Plus in Sachen „Elite“. Dann habe ich gehört, dass Sie nicht jeden Jurastudenten aufnehmen, sondern nur solche, die gute Noten haben. Nach der Satzung muss man die kleinen Scheine mit der Note „vollbefriedigend“ bestanden haben. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Als langjähriger Prüfer und Praktiker warne ich aber davor, Juristen nur nach ihren Noten zu beurteilen. Ich kenne einige mit guten Noten, die in der Praxis gescheitert sind oder mit denen ich nicht gern zusammenarbeiten würde, und ich kenne andere mit weniger guten Noten, die in der Praxis hervorragende Arbeit leisten und die ich gern zu meinen Kollegen zählen würde. Die sozialen Kompetenzen zählen auch. Ich empfehle Ihnen daher, auch darauf zu achten. Nun noch ein Blick auf Partner, Sponsoren und Ehrenmitglieder. Da haben Sie wirklich zwei führende Sozietäten an der Hand. Und die Liste der Ehrenmitglieder ist 21 auch respektabel: Angesehene Rechtsanwälte, führende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, erfolgreiche Männer im Bankenwesen, hochrangige Verwaltungsbeamte, Wissenschaftler mit Reputation und verdiente Politiker. Bei Recherchen im Internet habe ich allerdings auch kritische Stimmen vernommen: "Was ist nun von einem Netzwerk zu halten, in dem sich viele gewichtige Interessengruppen der Befürworter von Stuttgart21 wiederfinden? … Die Liste der "Ehrenmitglieder" dieser NetzwerkJuristen-Vereinigung … liest sich wie eine Liste der Projektbefürworter.”15 Ob das so ist, weiß ich nicht, jedenfalls stimmt die Meinung nicht, seitdem Sie mich als Ehrenmitglied aufgenommen haben. Ich oute mich jedenfalls als K21-Befürworter und kann Ihnen das gern in kleinen Diskussionsgruppen erläutern. Ich hoffe, dass meine Haltung mich nicht die neue und schöne Ehrenmitgliedschaft kostet. Fazit: Lassen Sie mich nach alledem abschließend feststellen, dass es sich bei Phi Delta Phi nach meiner Überzeugung um eine studentische Grupperung handelt, die innerhalb der Gruppe der Gleichaltrigen bereits eine Bildungselite darstellt, und deren Mitglieder anstreben, nach Abschluss ihrer Ausbildung in die Führungs- und Unternehmenselite in Deutschland und darüber hinaus aufzusteigen. Das in der Fraternity praktizierte soziale Engagement verdeutlicht das ethisch erfreulich hochstehende Leitbild. Ich wünsche Ihnen und mir, dass Phi Delta Phi es sich bewahrt. 15 http://zwuckelmann.posterous.com/verschworungstheorie-oder-verschworungspraxis, besucht sm 23.2.2013.