Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. Sociologie générale: 'Compte rendu' im Rahmen des Seminars "La théorie classique de l'élite". Eingereicht im März 2004 von André Caradonna, Fribourg [[email protected]]. Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. Der Aufbau dieser Arbeit setzt sich wie folgt zusammen: Damit alle Leser von den gleichen Begriffsdefinitionen ausgehen, folgt die Definition einiger wichtiger, soziologischer Begriffe. Im Anschluss daran, wird auf die verschiedenen Strukturen und Entstehungs- bzw. Fortbestehungskriterien eingegangen, welche für die Bildung einer Elite Grundvoraussetzung sind. Im Anschluss daran folgt eine Einführung in die Elite (der Schweiz), auf welche diese Arbeit ebenfalls Bezug nimmt. Nachdem diese grundsätzlichen Definitionen und Erläuterungen erfolgt sind, wird folgende Frage aufgegriffen: Können Aussenstehende einer elitenähnlichen Institution oder Gruppe (am Beispiel des Lions-Club untersucht) von sich aus beitreten, oder hindern informelle Beziehungsnetze und Protektorismus dieses Unterfangen? 1. Begriffsdefinitionen 1.1 Elite Die Definition der Elite kann nach verschiedenen Gesichtspunkten gemacht werden. Der 1 Duden definiert die Elite mit "Auslese der Besten" . Wenn man die Definition allerdings aus einem eher soziologisch orientierten Kontext heraus festlegt, dann zeichnet sich ein differenzierteres Bild ab: "Inhaber höchster Führungspositionen einer Gesellschaft, die insgesamt eine soziokulturell, politisch und wirtschaftlich gestaltend tätige Minderheit bilden. Die Elite deckt sich weitgehend mit den herrschenden Klasse bzw. Oberschicht. ... Die Auslesekriterien und –verfahren für Elite-Positionen variieren mit der Gesellschaftsordnung und unterliegen dem geschichtlich-sozialen Wandel. ... so sind es in den modernen Leistungsgesellschaften akademisierte Bildungs- und Ausbildungsvorleistungen sowie erfolgreiche Bewährung (Leistungsprinzip). Allgemein sind 2 informelle Beziehungen und Protektion mitentscheidend" . Gerade die letzten zwei Punkte, namentlich die informellen Beziehungen und Protektion, sind allerdings heutzutage nicht mehr nur in elitären Kreisen prädominant, sondern haben zum Teil auch schon Einzug in andere spezialisierte Gruppierungen oder Institutionen gefunden. Es ist allerdings so, dass man in einem elitären Kreis diese zwei (Funktions)mechansimen einfacher erkennen und nachvollziehen kann. Nimmt man als Beispiel die Arbeitssuche von Kaderangestellten unter die Lupe, kann man oftmals erkennen, dass die Jobvermittlung insbesondere via informellen Beziehungen abläuft (in der Alltagssprache mit 'Vitamin B' bezeichnet). Gleichzeitig erkennt man innerhalb der Kaderpositionen die Tendenz, nur Personen 1 2 Duden. Die deutsche Rechtschreibung. Mannheim 1996. S.248 Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart 1994. S.177 März 2004 | Seite 1 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. aufzunehmen, die gewissen Kriterien entsprechen (z.B. Alter, Erfahrung, Seriösität etc.) Diese Aufnahmekriterien entsprechen einer Art Protektorismus der Kaderstellen, der natürlich auch Sinn macht, da es sich bei diesen Jobs meistens um Positionen mit viel Verantwortung und Erwartungsdruck handelt. Auf diese Art und Weise werden Kaderpositionen in vielen Fällen gar nicht erst ausgeschrieben und bleiben damit oft im Kreise der Eliten bzw. innerhalb der gleichen Gruppe (in diesem Fall der Gruppe der Kaderleute). 1.2 Macht und Machtverhältnisse Sobald ein Thema auf Begriffe wie Macht und Machtverhältnisse fällt, wird unweigerlich die Verknüpfung dieser Begriffe mit Marx bzw. seines Modells des Kapitalismus und des Klassenkampfes wachgerufen. Wenn sich die Gesellschaft nämlich in sich bekämpfende Klassen spaltet, wie dies Marx in seiner Gesellschaftstheorie umschrieben hat, dann entstehen gesellschaftliche Machtbeziehungen (im Beispiel von Marx standen die Interessen der Kapitalisten im Widerspruch zu den Interessen des Proletariats). Doch wer reisst in diesem Gefüge den Machtanspruch an sich? Nach Marx "wird die kapitalistische Gesellschaft beherrscht von jenen, die die Produktionsmittel kontrollieren und sich die 3 Profite aus der Arbeit anderer (den 'Mehrwert') aneignen" . Doch wie wird Macht beschrieben? Was ist Macht? Das Wörterbuch der Soziologie von Hillmann gründet die Definition von Macht auf Max Webers Umschreibung: "die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben 4 durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" . Diese Definition schliesst damit auch Machtverhältnisse zwischen Gruppen, Organisationen, Gesellschaften oder Staaten ein. Andere Blickwinkel, wie zum Beispiel eine ethnologisch beeinflusste Sichtweise, "versucht aus Tierexperimenten nachzuweisen, dass die Erringung von Macht als Bedürfnis nach Selbtserhöhung und Selbstbehauptung ein allgemeiner Antrieb für soziale Beziehungen 5 ist." . Obwohl Tierexperimente nicht unbedingt einen Rückschluss auf menschliche Verhaltensreaktionen erlauben (schon gar nicht aus einem soziologischen Kontext heraus), ist diese Annäherung an die Definition von Macht vielleicht doch nicht ganz falsch. Die Frage bleibt dann selbstverständlich, wie diese Bedürfnisse nach Selbsterhöhung und Selbstbehauptung erfüllt werden – schliesslich ist Macht nicht das einzige Mittel dazu. Zudem ist es wichtig festzuhalten, dass Macht ein sehr stark kulturell geprägter Begriff ist. Gewisse Machtverhältnisse sind in manchen Kulturen auf Basis der Religion und Tradition tief im gesellschaftlichen Denk- und Verhaltensmuster verankert. So ist zum Beispiel im Süden der Türkei (vor allem in ärmlicheren Regionen) die Frau dem Mann unterstellt, ohne dass dies einer Begründung bedürfte. Religiöse und traditionelle Mechanismen führten zu 3 4 5 Joas, Hans: Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt 2001. S. 29. Hillmann, 1994, S.505. Hillmann, 1994, S.505. März 2004 | Seite 2 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. diesem Machtgefälle, welches bis heute andauert, und für türkische Frauen eine Stigmatisierung bedeutet, der sie kaum entfliehen können. 1.3 Sozialen Schichtung und Klassen Das Verständnis der soziologische Definition der Klassen und der sozialen Schichtung sind oftmals ein sehr hilfreiches Werkzeug zum besseren Verstehen von gesellschaftlichen Mechanismen oder soziologischen 'Phänomene'. Auch im Zusammenhang mit dem Begriff der Elite lohnt es sich deshalb, die zwei Begriffe ein bisschen detaillierter zu betrachten. 1.3.1 Soziale Schichtung Der Begriff der sozialen Schichtung ist ein Ausdruck für die Gliederung der Gesellschaft in Schichten. Die Mitglieder dieser Schichten haben unterschiedliche Mengen an Ressourcen verfügbar, die Einfluss auf Lebenschancen und Prestige (Achtung oder Respekt der Öffentlichkeit) haben. Die Schichtungstheorie hat ihren Ursprung in der Marxschen These, wonach die Spaltung der Gesellschaften in Klassen auf der Position der Individuen in der ökonomischen 6 Struktur basiere. Auch heute noch ist dieses Modell von Marx relativ präsent, wenn es hinsichtlich zusätzlicher Einflussfaktoren wie z.B. das Einkommen, Macht und Prestige 'erweitert' wurde. Ein illustratives Beispiel der Auswirkungen von sozialen Schichten, zeigt sich in den verminderten Lebenschancen der Armen; "Je niedriger die soziale Herkunft, desto geringer die Lebenserwartung, desto ungesünder die Ernährung und desto schlechter die 7 Wohnverhältnisse." . 1.3.2 Klassen und Klassenstruktur Der Begriff der Klasse, der wiederum sehr stark von Marx geprägt wurde, wird für die Charakterisierung der verschiedenen Bevölkerungsteile innerhalb der Sozialstruktur angewandt. Weil diese Einteilung theoretischer Natur ist, kann die Grenze zwischen den einzelnen Klassen im realen Leben nur vage gezogen werden. Der Vorteil des Klassenbegriffes liegt darin, dass damit Aussagen u.a. über die Verteilung der Bevölkerung nach sozialstatistischen Merkmalen ermöglicht werden. Mit den Klassen verbunden ist auch ein entsprechendes Klassenbewusstsein. "Die Erlangung von Klassenbewusstsein ist eine Voraussetzung für die Herausbildung von Interessen, die das eigene soziale Sein wiederspiegeln und gegebenenfalls auf die Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichtet sind 8 (Klassenkampf)." . 6 7 8 Durch unterschiedliche 'Produktionsverhältnisse' gekennzeichnet. Joas, 2001, S.242. Hillmann, 1994, S.414. März 2004 | Seite 3 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. Heutzutage besteht eine erhöhte soziale Mobilität, welche die vormals vor allem wirtschaftlich geprägten Klassenstrukturen aufgelockert und zum Teil auch abgeschwächt haben. 2. Eine weitere Voraussetzung für das Existieren von Eliten: Gruppen (bzw. Gruppenbeziehungen) 2.1 Von Gruppenerfahrungen geprägtes Leben 9 "Selten handeln wir in einer Gruppe so, wie wir es tun würden, wenn wir allein wären." . Der Roman 'Herr der Fliegen' von William Golding illustriert sehr eindrücklich, wie im Umfeld einer Gruppe eine Dynamik entstehen kann, die man sich im Voraus kaum vorstellen kann. Die Geschichte handelt von einer Gruppe englischer Schuljungen, die während einem Ausflug mit dem Flugzeug auf einer Insel abstürzen. Als einzige Überlebende des Absturzes, müssen sich die Schuljungen selbst weiterhelfen. Alsbald bilden sich zwei konkurrenzierende Gruppen heraus. Eine Gruppe verhält sich 'vernünftig' eine andere Gruppe 'unvernünftig' und gewalttätig. Es kommt soweit, dass die unvernünftige und gewalttätige Gruppe die andere überwätigt und ihre primitiven Agressionen, geschürt von Rivalität und Hass, ausleben. Dieses (zugegebenermassen sehr krasse Beispiel) zeigt auf, wie sehr die Menschen von Gruppenerfahrungen geprägt sind. Selbstverständlich können diese Erfahrungen auch positiv sein. Sie geben uns nämlich auch Sicherheit, helfen mit Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen zu formen und nicht zuletzt wirken sie auch auf die Identitätsbildung mit ein (Gefühl der gemeinsamen Identität, 'Wir-Gefühl'). 2.2 Gruppe: Definition Mit einer Gruppe definieren wir im Alltag meistens eine Mehrzahl von Personen, mit gemeinsamen Merkmalen (oder je nach Anwendung andere Subjekte wie z.B. Tiere oder Objekte). Oftmals wird allerdings eine Menge, Masse, soziale Schicht oder Klasse, ein Interessenverband etc. mit einer Gruppe gleichgesetzt. Als soziologischer Grundbegriff bezeichnet Gruppe die verbreiteste Form sozialer Gebilde, 10 die folgende Merkmale aufweist : • eine Mehrzahl von Personen, die überschaubar ist und sich von anderen sozialen Gebilden abhebt • eine gemeinsame Sprache, die gruppenspezifische Züge annehmen kann • gemeinsame Interessen und Wertausrichtungen • gemeinsame soziale Normen, verbunden mit Kontrollen und Sanktionen • ein System von Positionen und Rollen (die von Gruppenmitgliedern besetzt sein müssen), die wechselseitug aufeinander im Bezug stehen 9 10 Joas, 2001, S.201. Merkmale nach Hillmann, 1994, S.310. März 2004 | Seite 4 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. • dauerhafte soziale Beziehungen und Interaktionen • Verbundenheit mit der Gruppe, bzw. gruppenbezogene Verantwortungsbereitschaft (Wir-Gefühl; Gruppensolidarität) • gruppeninterne Kohäsion, Zusammenhalt Diese Kriterien des soziologischen Grundbegriff der Gruppe, beziehen eigentlich eher auf kleinere Gruppengrössen, da es sich aber bei den elitären Kreisen nicht um sehr grosse Gebilde handelt, können die meisten dieser Kriterien durchaus auf die elitären Kreise angewendet werden. 3. Die Elite (in der Schweiz) Wie konstituiert sich die Schweizerische Elite? Wer oder was ist diese Elite? Mit der Schweizerischen Bevölkerung als Untersuchungsgegenstand wird versucht, Personen oder Gruppen zu lokalisieren, welche zur Schweizerischen Elite gezählt werden können. Selbstverständlich werden an dieser Stelle nicht nur einzelne Personen direkt beim Namen genannt werden, sondern das Ziel ist, gewisse Kreise zu definieren, die zusammen das ergeben, was wir unter Kapitel 1.1 – als Elite definiert haben. In den Fällen, wo konkrete Namen genannt werden, handelt es sich immer um Nennungen mit Beispielcharakter. Dies wird nicht extra jedesmal von neuem erwähnt, deshalb die kurze Anmerkung an dieser Stelle. 3.1 Wer kann unter dem Begriff der Elite eingeordnet werden? Der Begriff der Elite lässt unter Umständen einen Trugschluss zu, wonach man denken könnte, dass es sich bei dieser Gruppe um eine homogene Durchmischung gleicher Menschen handelt. Natürlich stimmt das so nicht, denn auch innerhalb der Elite findet man eine heterogene Mischung von unterschiedlichen Personen. Am Besten lässt sich dies mit der Aufsplitterung der Elite in folgende Unterkategorien zeigen: • Geistige Elite • Politische Elite (wobei die geistige und politische Elite nicht unbedingt klar trennbar ist) • Wirtschaftliche Elite • Andere Eliten (z.B. Sportler, spezielle Vereine wie z.B. der Lions Club oder die Rotarier etc.) Wenn man sich nochmals die Definition der Elite in Erinnerung ruft (Inhaber höchster Führungspositionen einer Gesellschaft, die insgesamt eine soziokulturell, politisch und wirtschaftlich gestaltend Führungspositionen tätige innerhalb Minderheit einer bilden) Gesellschaft stellt nach man den fest, oben dass die aufgestellten Unterkategorien gebildet werden können – damit rechtfertigt sich diese Aufsplitterung und März 2004 | Seite 5 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. bestätigt gleichzeitig den heterogenen Charakter der Elite. Obschon diese gebildeten Kategorien noch stärker differenziert werden könnten, soll dies im Rahmen dieser Arbeit nicht gemacht werden, wohl aber der Hinweis dazu angebracht sein. An dieser Stelle muss noch angefügt werden, dass es zwischen diesen Unterkategorien auch Überschneidungen geben kann, wenn beispielsweise eine Person (wie z.B. Hansi 11 Leutenegger ) nicht nur sportlich sondern auch wirtschaftlich sehr erfolgreich ist, und damit in mehereren Unterkategorien zu situieren ist. Damit zusammenhängend ist die Frage nach der Durchlässigkeit dieser Unterkategorien gegenüber Mitglieder einer anderen Unterkategorie. Vor allem aufgrund informeller Beziehungsnetze innerhalb und auch zwischen den Unterkategorien, handelt es sich bei diesen Kategorien um ein sehr mobilitätsfreundliches System, wo insbesondere die 12 'speziellen' Gruppen (unter welchen man auch z.B. Verwaltungsräte zählen kann, selbst der der Begriff der Gruppe vielleicht nicht optimal gewählt ist) gegenüber der geistlichen und der wirtschaftlichen Elite sehr offen sind. Hier offenbart sich das Prinzip der informellen Beziehungen und des Protektorismus innerhalb elitärer Kreise sehr effizient. 3.2 Konkrete Namen und und Gruppen Geistige Eliten, unter Auschluss politischer Personen aus dieser Gruppe, sind (oder waren) in der Schweiz nur sehr marginal vorhanden. Zu diesen geistigen Eliten kann man insbesondere Schriftsteller wie z.B. Robert Walser oder Max Frisch zählen, die mit ihren geistigen Erzeugnissen nicht nur Schweizweit, sondern auch in einem internationaleren Umfeld zur Kenntnis genommen werden. Zur politischen Elite kann man mit Sicherheit die sieben Bundesräte zählen, sowie die jeweiligen Präsidenten und Generalsekretäre der Schweizer Parteien. Vor allem Personen, denen es in der Politik gelingt, von sich reden zu machen und ein grösseres Publikum zu gewinnen (wie z.B. Christoph Blocher, noch bevor er Bundesrat wurde) können auch zur politischen Elite gezählt werden. Dann selbstverständlich die Angehörigen des Parlaments, selbst wenn in diesem Bereich vielleicht ein bisschen differenziert werden muss: Es gibt einige Parlamentarier, die sehr aktiv sind und entsprechend bekannt, und dann wiederum einige, von denen man nie etwas hört und die nur sehr im Hintergrund wirken. Obschon dieser unterschiedlicher Charaktere, würde ich alle Parlamentarier zur politischen Elite zählen, da sie schliesslich 'Abgeordnete vom Schweizer Volk' sind. Bei der wirtschaftlichen Elite handelt es sich um eine grössere Gruppe von Personen, was damit zu tun haben kann, dass die Schweiz tendenziell ein reiches Land ist, welches viele wirtschaftliche Eliten hervorbringen kann. Ernesto Bertarelli (Chemieindustrie), Nicolas Hayez (Uhrenindustrie) und Marco Vasella (Finanzwesen) sind nur einige der Namen der wirtschaftlichen Elite der Schweiz. 11 12 War früher erfolgreicher Bobfahrer und hat dann mit Immobiliengeschäfte ein Vermögen aufgebaut. Diese speziellen Gruppen sind unter dem Oberbegriff 'Andere Eliten' einzuordnen. Vgl. mit der Übersicht der Unterkategorien. März 2004 | Seite 6 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. Bei der letzten Unterkategorie die gebildet wurde, den 'anderen Eliten', kann eine relativ grosse Anzahl von 'geschlossenen Kreisen' elitärer Gemeinschaften ausfindig gemacht werden. Um hier nur einige davon zu nennen: Lions-Club, Rotarier, Golf-Clubs etc. Mit der Auflistung dieser verschiedenen elitären Gruppen, zeichnet sich ab, dass vor allem Personen aus den Bereichen der Kaderposition aus Privatunternehmen, Verwaltungen und der Politik für die Mitgliedschaft elitärer Kreise rekrutiert werden. Einzelne andere Personen, die aus Gründen ihrer grossen Medienpräsenz zu einem grossen Bekanntheitsgrad gelangen, ohne den Kriterien nach einer gewissen Klassen- oder Gruppenangehörigkeit zu entsprechen, können es ebenfalls schaffen die Hürden zur Mitgliedschaft an diesen exklusiven Kreisen zu überwinden (z.B. TV Moderatoren wie Kurt 13 Aeschbacher 14 oder Michele Hunziker ). Dies hängt allerdings sehr stark mit dem 'VIP- Faktor' zusammen. 3.3 Welche Macht und welchen Einfluss übt diese Elite aus? Der Machteinfluss einer Person des elitären Umfeldes sit sehr verschieden. So hat zum Beispiel ein erfolgreicher Spitzensportler wie Roger Federer 15 nicht den gleichen Einfluss 16 auf den Rest der Gesellschaft, wie zum Beispiel Marco Vasella , obwohl beide zur Schweizerischen Elite gezählt werden können. Dies hängt unter anderem auch damit zusammen, dass die Branche, aus welchem die Eliten kommen, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Person selbst hat – wobei dieser Einfluss eine Legitimierungsfunktion einnimmt. Mit anderen Worten, ist die Schweizer Bevölkerung einem Vasella gegenüber skeptischer, weil er aus dem Kreis der Manager kommt (der momentan ein eher schlechtes Image geniesst). Demgegenüber steht Federer, der sehr viel Goodwil geniesst, weil er ein sportliches Leistungszeugnis erbracht hat, welches die Bevölkerung eher nachvollziehen kann (weil sie wissen, wie schwer es ist, sportliche Höchstleistungen zu vollbringen und dies honorieren). Insofern bürgt Federer für eine grössere 'elitäre' Plausibilität, was sich aber nicht auch automatisch in 'elitärer' Kompetenz ausdrückt – in diesem Bereich besitz wiederum Vasella die bessere Ausgangslage, weil ihm beispielsweise eine grössere Fachkompetenz in wirtschaftlichen Belangen zugesprochen wird, als Federer. Macht und Einfluss wird damit nicht alleine von einer Gruppenangehörigkeit definiert, sondern auch durch Merkmale und Charakteristiken der Person selbst. 13 14 15 16 Moderator der Sendung 'Aeschbacher' auf SF1 und Inhaber des Trend-Clubs 'Labor-Bar' in Zürich. Schweizer Moderatorin, die vor allem durch Ihre Heirat mit Eros Ramazotti bekannt wurde. Ist unterdessen aber wieder von ihm geschieden und moderiert verschiedene grosse Sendungen im italienischen Fernsehen. definieren wer die Person ist definieren wer die Person ist März 2004 | Seite 7 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. 4. Ist die Elite ein geschlossener Kreis? Ein Beispiel. Anhand einem konkreten Beispiel des 'Lions Club' wird versucht, die Mechanismen des Beziehungsgeflechtes und des Protektorates zu untersuchen um zu erfahren, inwiefern es sich dabei um ein 'geschlossener Kreis' handelt, in den man keine Chance hat, als Aussenstehenden aufgenommen zu werden. 4.1 Vorstellung des Lions-Club Offiziell ist der Lions-Club eine Vereinigung von Menschen, die mit Non-Profit Aktionen versuchen, gemeinnütze Projekte zu realisieren. Auf ihrer Website formulieren sie das dementsprechend folgendermassen: "Von lokal ausgerichteten Projekten wie dem Reinigen von Parkanlagen bis zu so weit reichenden Projekten wie der Hilfe für Blinde und 17 Sehbehinderte" . Den Lions Club gibt es seit 1917 und existiert in 192 Ländern. Die sehr sinnvollen und unterstützenswürdigen Projekte sowie die grösse der Organisation mögen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesem Club dennoch um eine Vereinigung von Menschen geht, die alle aus einer eher gehobenen Schicht angehören. Vielleicht trifft das nicht unbedingt auf alle Clubs zu (es gibt insgesamt 46.000 Lions-Clubs auf der ganzen Welt), tatsache ist jedoch, dass zumdest einzelne dieser Clubs nur wirtschaftlich erfolgreiche Personen aufnehmen. Zudem sind die Aufnahmeregelungen für neue Mitglieder (vgl. mit nächsten Punkt) typisch für ein elitäres Gebilde. 4.2 Aufnahmeregelung neuer Mitglieder Bevor ein neues Mitglied überhaupt für die Aufnahme in den Club zur Verfügung steht, muss es von zwei bestehenden Mitgliedern zur Aufnahme vorgeschlagen werden. Erst zu diesem Zeitpunkt besteht überhaupt die Möglichkeit, dass ein Aufnahmeprodezere ausgelöst wird. Diese Regelung ist bereits einmal eine recht grosse Hürde für eine aussenstehende Person, in den Club aufgenommen zu werden. Werden die bereits bestehenden Mitglieder nämlich nicht von sich aus aktiv, wissen die Personen, welche sich für den Club interessieren gar nicht erst, wer alles Mitglied ist und dementsprechend sie überhaupt vorschlagen könnte. Und selbst wenn die bereits bestehenden Mitglieder bekannt sind, müssen immer noch zwei überzeugt werden können, einen Antrag für die Neuaufnahme zu stellen. Gerade wenn jemand unbedingt in den Club will und verschiedene Mitglieder auf die Mitgliedschaft anspricht, hat dies eher einen kontraproduktiven Einfluss, weil man kaum gerne jemanden als Mitglied aufnehmen möchte, der bei den Mitgliedern schon fast betteln kommt, man möchte ihn doch bitte für das Aufnahmeprozedere selektionnieren. Falls es aber doch gelingen sollte, zwei Mitglieder zu finden, die bereit sind eine aussenstehende Person für das Aufnahmeprozedere vorzuschlagen, dann ist immer noch nicht sicher, ob die Person dann auch wirklich aufgenommen wird. Es gibt dann nämlich noch eine zweite Hürde zu nehmen, jene wo alle Mitglieder abstimmen können, ob die 17 http://www.lionsclubs.org/GE/content/about_index.shtml Stand:2. März 2004 März 2004 | Seite 8 von 9 Die Elite(n) (in der Schweiz) und die Schwierigkeit, in einen solchen Kreis aufgenommen zu werden. vorgeschlagene Person tatsächlich aufgenommen werden soll. Konkret bedient sich der Lions-Club also eines zweistufigen Prozesses, um Mitglieder zu rekrutieren. Dieses Paradebeispiel zeigt den Protektorismus, mit welchem elitäre Kreise versuchen, ihre Gemeinschaft zu schützen. Weil gleichzeitig die erste Stufe bereits sehr restriktiven Charakter hat, ist es enorm schwierig, aus eigenem Willen einem solchen Club beitreten zu wollen. Ganz anders sieht es aus, wenn die Mitglieder des Clubs jemanden aufnehmen möchten: in dem Fall finden sich schnell zwei Mitglieder, welche die Person für das Aufnahmeprozedere vorschlagen. Die zweite Stufe dürfte in einem solchen Fall auch nicht schwer zu bewältigen sein. Damit ein solcher Fall eintreten kann, bedarf es informeller Beziehungsnetze. Diese kennzeichnen die Eliten – wie wir schon weiter oben erkennen konnten – und helfen mit, dass mehr oder weniger immer dieselben Personen zu günstigen Gelegenheiten kommen, sofern sie über diese Beziehungsnetze verfügen. 4.3 Fazit Tatsächlich lässt sich darüber streiten, ob der Lions-Club eher einem elitären Gebilde, oder mehr einer NPO entspricht. Tatsache ist allerdings, dass die strikten Aufnahmeregelungen, die vorwiegend auf der Basis von informellen Beziehungen und Protektorismus funktionieren, typische Merkmale für elitäre Gruppierungen sind. Würde es sich beim Lions-Club eher um ein NPO oder ein ähnliches Gebilde handeln, dann würden sich die Aufnahmebedingungen definitiv nicht mit der Philosophie einer NPO vereinbaren lassen. Welcher Organisationsform der Lions-Club letztendlich auch eher entspricht sei dahingestellt. Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich jemand mit Interesse für die Mitgliedschaft für diesen Club, alleine aus eigenem Antrieb und Willen es nicht schaffen kann, zu einem Mitglied zu werden. Dafür sind die Hürden zu gross. Und genau diese Frage stand in Zentrum dieses letzten Kapitels. Damit zeigt sich, dass elitäre Kreise und ähnliche Gruppierungen tatsächlich einen sehr exklusiven Kreis bilden. März 2004 | Seite 9 von 9