Friedrich-Schiller-Universität Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre Seminar: Methoden und Theorien des Vergleichs WS 09/10 Dozent: Prof. Dr. Ulrich Hilpert Referenten: Catharina Müller, Fabian Koehler, Stefan Heine, Kai Barthel, Maik Schindler Handout 24.11.2009 6c) Beispiele für den Vergleich von Politikfeldern Gliederung: 1) Definition Politikfeldanalyse 2) Politikinhalte als abhängige Variable 3) Politikinhalte als unabhängige Variable 4) Bedeutung und Probleme der Policy-Forschung für den Vergleich 5) Methoden in der Politikfeldanalyse 1.) Definition Politikfeldanalyse Was versteht man unter Politikfeldanalyse? - Politikfeldanalyse fragt nach den Inhalten der Politik und deren Zustandekommen, also nach dem Tun und Lassen von politischen Entscheidungsträgern, rückt also die inhaltliche Dimension von Politik in den Mittelpunkt der Betrachtung. - Politikfeldanalyse befasst sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den spezifischen Ausprägungen einzelner Politikfelder und versucht diese zu erklären, in dem sie die Gegenstände und Wirkungen politischer Aktivitäten systematisch betrachtet. 2.) Politikinhalte als abhängige Variable Fragestellung der Forschung: - Politikinhalt = abhängige Variable o Auf welche Weise bestimmt die Politik (im Sinne von Polity und Politics) die Politik (im Sinne von Policy)? 1. Phase Methodologisch beschränkte sich die Untersuchung von Politikinhalten als abhängige Variable zunächst auf das Input-Output Modell Fokussierung auf die Korrelation von In- und Output/Innenleben des politisch administrativen Prozesses wurde nicht berücksichtigt Ideengeschichtlich folgte man der Konvergenz-, Modernisierung- und der Kapitalismustheorie Unterschiede bei den untersuchten Forschungsobjekten wurden als unmittelbar durch sozioökonomische und technische Variablen determiniert betrachtet Die Forschungsleitende Frage hieß dabei: „Does politics matter?“ 2. Phase Forschung begann politische Variablen stärker mit einzubeziehen, z.B. parteipolitische Unterschiede bei der Umverteilungspolitik Unterschiede waren sowohl durch sozioökonomisch/technische als auch durch politische Variablen generiert Forschungsleitende Frage lautete: „Wie groß ist die relative Erklärungskraft, die politische und sozioökonomische Variablen zur Erklärung von Policies beitragen?“ 3. Phase Kritik des Input-Output Modells -> intervenierende politische Variablen werden ausgeklammert Intervenierende politische Variablen (Institutionen und Verfahren eines polit. Systems) sind sozioökonomisch/technischen Variablen so gesehen vorgelagert, da diese erst Bedingungen und Regeln festlegen anhand derer diese als politisch relevante Größe definiert, ausgewählt und weitergeleitet werden Zudem wurden auch die Rahmenbedingungen und Handlungszwänge unter denen jene politischen Prozesse stattfinden in die Analyse mit einbezogen Forschungsleitende Frage war in diesem Zusammenhang: „Auf welche Weise und im Rahmen welcher Handlungszwänge- und grenzen macht Politik im Sinne von „polity“ und „politics“ einen Unterschied für die Inhalte politischer Entscheidungsprozesse (also policy)?“ 4. Phase Erweiterung des Feldes der Ursachenforschung Forschungsleitende Frage hieß nun auch: „Inwieweit werden nationalstaatliche Entscheidungsprozesse (policies) durch Einflüsse der Internationalisierung und Europäisierung geprägt?“ 3.) Politikinhalt als unabhängige Variable Unabhängige Variablen: - Faktoren, die zur Erklärung herangezogen werden werden für Variation der abhängigen Variable verantwortlich gemacht Bsp: Regen (unabhängige Variable) führt dazu, dass das Auto nass wird (abhängige Varibale). Zentrale Forschungsfrage: „Wie werden durch Politikinhalte die Konfliktstrukturen und Entscheidungsprozesse verändert und lassen sich entlang verschiedener Politikinhalte verschiedene Entscheidungsstrukturen herausarbeiten?“ Bürokratische Tradition Stärke des Parlaments 5. Methoden in der Politikfeldanalyse Forschungen in diesem Bereich auf unterschiedlichen Politikfeldern vor allem auf kommunaler Ebene - Ergebnis: - - - Dominanz der Verwaltung in den Entscheidungsstrukturen Kommunale Vertretungskörperschaften meist nur noch Legitimationsbeschaffer für Verwaltungshandeln Entscheidungen lassen sich unterschiedlich durchsetzen, abhängig davon ob Politik redistributiv (umverteilend) oder regulativ ist (z.B. Auflagen, Gebote, Verbote) bei vorhandener Lobbystruktur kommt es zum „Hineinregieren“ der Lobbyisten in die Fachverwaltungen oder zu „Kumpaneien“, z.B. zwischen Unternehmen und Fachverwaltungen bei neuen Politikinhalten (z.B. Umweltschutz, Datenschutz usw.) fordern neue Gruppen Mitwirkungsansprüche → politikfeldnahe Akteure versuchen, diese Gruppen zu instrumentalisieren, um eigenen Einfluss zu erhöhen - - - These: Staat agiert immer weniger mit Zwangsgewalt, sondern kooperiert und verhandelt → Politikinhalt beeinflusst Konfliktstrukturen und Entscheidungsprozesse 4.) Bedeutung und Probleme der Policy-Forschung für den Vergleich Bisherige Ergebnisse: Notwendigkeit von Polity und Politics für den Policy-Vergleich Eigenschaften der Policy-Forschung Verbindung aller drei Politikbereiche Neutralismus der Instrumente Voraussetzung eines Alltagsverständnisses der Politikfelder Problem: Komplexität der Politikfelder Vier verschiedene Grundtypen von Policies: Distributiv Redistributiv Regulativ Konstitutiv Probleme: Wahrnehmung der Akteure Überschneidung der Kategorien Definition der Politikbereiche Verwaltungstradition generell keine Festlegung der Policy-Forschung auf einzelne Methoden ideales, aber eher seltenes Vorgehen: Einsatz aller Methoden aus den einzelnen Forschungsansätzen meist: Aggregatdaten-Analysen und Fallstudien früher meist quantitativ und makroskopisch angelegte Studien, dabei Auswertung großer Mengen von Zahlen im Output-Bereich der Politikfelder; oft im Bereich der Sozialpolitik, da viele vergleichbare Daten (Haushaltsdaten, Wirtschafts- und Sozialstrukturdaten) Problem: Rückschluss reiner Aggregatdaten auf Politikinhalte oft fragwürdig Arten von Studien: o explorative Fallstudien, o Pilotstudien, o Hypothesen testende Fallstudien Phasenweises Vorgehen: o Heraussuchen sehr vieler Fallstudien (Experteninterviews, Beobachtung, Zeitungsanalyse); o Systematisieren und Kategorisieren der Fallstudien; o Aufarbeiten der Fallstudien mittels vergleichbarer qualitativer Erhebungsinstrumente (Dokumentenanalyse, Interviews) Praktisches Beispiel für Methodenvergleich in Policy-Feldern: Gesetzgebungsprozess zur Parteienfinanzierung 1992/1993 - - in diesem konkreten Fall brachte Zusammenwirken verschiedener Akteure brachte Gesetz, welches für Parteien und kritische Öffentlichkeit annehmbar war gesellschaftlicher Bedarf für ein neues Gesetz wird meist unterschiedlich eingeschätzt wichtig: zahlreiche Kommunikationszusammenhänge (Netzwerke) und Politikbühnen (Arenen) als informelle Beteiligte und zusätzliche politische Schauplätze Akteure in Arenen machen ihre Vorstellungen und ihren Einfluss geltend; Voraussetzung für annehmbares Politikergebnis Formelle Akteure und informelle Akteure ergänzen sich gegenseitig Quellen: Naßmacher, Hiltrud (1991): Vergleichende Politikforschung. Eine Einführung in Probleme und Methoden, Opladen, Kap. 8 Politikfeldanalysen, S. 167-187 Naßmacher, Hiltrud (1995): Parteienfinanzierung: Ein Gesetz entsteht, in: Einblicke Nr. 22/ 1995 (Forschungsmagazin der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) http://www.unioldenburg.de/presse/einblicke/22/finanz.htm Berg-Schlosser, Dirk/ Müller-Rommel, Ferdinand, Vergleichende Politikwissenschaft, 4. überarb. Und erw. Aufl., Opladen, 2003, S. 261-268