Herrmann Brosch Hohenzollernstr. 46 56068 Koblenz Leben in der Gesellschaft Nach einer weit über 50jährigen Tätigkeit auf dem Gebiet der Psychoanalyse vertrete ich die Auffassung, dass das Gros aller psychosomatischen Erkrankungen nur dann erfolgreich behandelt werden kann, wenn die unbewussten Vorgänge im Leben der Menschen, die als unbewusste Erinnerungsbilder durch deutungstechnisch gut qualifizierte Psychoanalytiker erhellt und somit verstanden werden und dieses Verständnis in ärztliche Tätigkeiten sinnvoll eingebunden wird. Was die unbewussten psychischen Vorgänge, also die sogenannten Erinnerungsbilder betrifft, so weise ich darauf hin, dass pränatale Forscher die Behauptung aufgestellt haben, dass alle negativ dubiosen Fantasien und Empfindungen des Ungeborenen zu 50% im späteren Leben des Menschen wieder psychosomatisch aktiv werden. Diese Tatsache der psychopathogenen Entwicklung ist wie folgt zu erklären. Wenn das Ungeborene die notwendige verschmelzende Symbiose mit einer zu kaltherzigen und gefühlsarmen Mutter nicht erlebt, reagiert es mit grundstimmenden Gefühlen und Empfindungen unterschiedlicher Art, die zum Teil schwerwiegende unbewusste Charakterbilder zur Folge haben können. Zu diesen grundstimmenden Charakterbildern zählen Trennungsängste, Verlassenheitsängste, Liebesverlustempfindungen, ängstliche Wut und Hassempfindungen, die das Seelenleben der Menschen stark belasten können. So kann man die vorgeburtlichen Grundstimmungen auch als stimulierende, im späteren Leben des Menschen als Schubkräfte, wie Aggressionen, Ängste, Trauer und so weiter für entstehende psychosomatische Leidensformen bezeichnen, was meines Erachtens sehr einleuchten dürfte. An dieser Stelle möchte ich mich nun mit den wichtigsten nachgeburtlichen Vorgängen befassen. Ich kann mit diesem Schreiben nun nicht das gesamte psychosomatische Leidensgeschehen beschreiben, sondern es geht mir in dieser Arbeit darum, den Beweis dafür zu liefern, dass das Gros aller Leidensformen und Arten als eine Kombination von medizinisch feststellbaren Krankheitsprozessen und Krankheitsabläufen sind, wobei auch entscheidende psychische Faktoren eine große Rolle spielen. Ich werde nun diese Tatsache deutlich machen und dabei aufzeigen, wie die Kombination von einigen psychosomatischen Leiden zu erklären ist. 1.) Asthma, wobei der vorgeburtlich geschädigte Säugling beim Geburtsvorgang die asthmatische Erstickungsangst beim Durchtrennen der Nabelschnur hysterisch erlebt. 2.) Durch orale Scheinfütterungen, die an der Mutterbrust stark erlebt werden, entstehen im Krankheitsfalle konvertierte Magensymptome. 3.) Durch trotzige, oralinfantile Topfszenen kann im späteren Leben das Leiden Colitis ulcerosa entstehen. 4.) Durch vorgeburtliche Fruchtwassererlebnisse kann es im späteren kindlichen Leben zum Bettnässen kommen. 5.) Herz- und Kreislaufstörungen entstehen häufig in Folge von Stress- und Angstsymptomen. Ich hoffe, mit den vorgebrachten Beispielen deutlich gemacht zu haben, dass das Gros aller psychosomatischen Krankheiten tatsächlich eine Kombination von medizinischen und somatischen Prozessen ist. Zweifellos verfügt die medizinische Wissenschaft mit all ihren technischen Möglichkeiten über sehr große fundamentale Mittel, alle organischen Leiden zutreffend und stichhaltig zu diagnostizieren. Jedoch alle gut medizinisch diagnostizierten Leiden liefern keine Beweise dafür, wie diese Leiden genau entstanden sind und wie sie sich entwickelt haben, wobei die unbewusste Fantasietätigkeit der Menschen eine große Rolle spielt. Diese Tatsache ist am besten mit dem Krankheitsbild Diabetes zu erklären. Bei diesem Krankheitsbild ist eine Konversion von der Urszene des Leidens zum Krankheitsgeschehen über den aggressiv gewordenen Immunmechanismus besonders beachtenswert. Die Zerstörungsimpulse im Immunsystem entstehen dadurch, dass der an der Mutterbrust stark frustrierte Säugling die Mutterbrust in der Fantasie wie ein Kannibale buchstäblich auffrisst. (Die These des Kannibalismus geht aus der Literatur hervor.) Steht die Mutterbrust nicht zur Verfügung, entwickelt der Säugling archaische Fantasien des Kannibalismus. Durch die Zerstörungsimpulse des Immunsystems werden die Pankreaszellen zerstört, wobei der Zuckerhaushalt des Leidenden total gestört wird und die Diabetes so ihren Verlauf nimmt. Die unbewusste Fantasietätigkeit des Menschen, die für das menschliche Leben in allen Lebenslagen eine große und bedeutsame Rolle spielt kann als Steuerungsmechanismus bezeichnet werden, der das Charakterleben des Menschen prägt. Daher sagt unser Dichterfürst Goethe auch: „Keine Macht zerstückelt geprägte Form, die lebend sich entwickelt.“ An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass vom Anfang des bewussten Lebens an unbewusste Erinnerungsbilder im Menschen entstehen. Erinnerungsbilder, die die Fantasien der Menschen beflügeln, entstehen bereits bei Wahrnehmungen des Ungeborenen im Mutterleib. Sie sind zwar zunächst unbewusst, aber trotzdem werden sie von den Menschen als Leitmotiv empfunden, so dass man sie auch als wichtigen Bestandteil des menschlichen Charakters bezeichnen kann. Diese Tatsache erklärt die Vielfalt der Meinungen und Ansichten der Menschen. Addiert man dazu noch die inzwischen zweifellos entstandene narzisstisch-egomanische Charakterentwicklung in unserer Gesellschaft, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Menschen in unserer Gesellschaft individuell fast ständig im Widerspruch mit den täglichen dubiosen politischen Ereignissen stehen. Doch neben den individuellen Interessen ist noch eine kollektive politische Interessenlage zu berücksichtigen. Der französische Philosoph und Soziologe Simmel stellt zu der sozialen und politischen Interessenlage folgende These auf: „Wenn eine kollektiv-politische Interessenlage irgendwo und irgendwie in der Gesellschaft entsteht, führt das zu einem kollektiven Willensakt, zu einer Art Massenerscheinung, wie Demonstrationen, Proteste und Aufruhr.“ In den Schriften des französischen Soziologen Lebon ist daher von einer entstehenden Massenseele die Rede, die als provisorisches Wesen wirkt, das aus heterogenen Elementen besteht, die sich für eine bestimmte Zeit miteinander verbinden wie Zellen eines Organismus. Eine entscheidende Ursache für das Entstehen der Massenseele sind einsuggerierte Ideen, die zur starken Identifikation mit den Beeinflussern führen. Doch die einsuggerierten Ideen müssen natürlich im besonderen Maße der von den Individuen gewollten und bestimmten Interessenlage entsprechen. Der protestierende und randalierende Mensch ist so gesehen ein Spielball seines Fantasie- und Gefühllebens. Ich hoffe, dass ich mit meinem Aufsatz ein bisschen Licht in das Dasein der Menschen in unserer Gesellschaft gebracht habe. Herrmann Brosch Hohenzollernstr. 46 56068 Koblenz