Über das Loslassen zur Gelassenheit!? Karlfried Graf Dürkheim schreibt: im tiefsten Sinn sein Leben vollenden kann nur, wer bis zum Ende im Zunehmen und Reifen bleibt. Umgekehrt: wo immer wir stehen bleiben, und am Gewordenen, insbesondere auch an gewissen Vorstellungen haften, die wir uns einmal von unserem Leben und seinem Sinn gemacht haben verschließen wir uns dem, was in uns und durch uns aus unserem tiefsten Wesen heraus ans Licht will.“ Anthony de Mello hat uns eine kleine Geschichte hinterlassen, die mit „ Teestunde“ überschrieben ist. „Einmal wurde ein Meister nach dem Weg der Weisheit gefragt. Doch statt auf den Rat des Meisters zu hören war der Besucher die ganze Zeit damit beschäftigt, von seinen Sorgen und Schwierigkeiten zu erzählen. Schließlich kam die Teestunde und der Meister begann einzuschenken. Er goss die Schale des Besuchers bis zum Rande voll und hätte nicht mit dem Einschenken aufgehört, wenn ihm sein Besucher nicht in den Arm gefallen wäre. Ihr denn nicht „ Was tut Ihr da, Meister“ rief er „seht dass die Schale voll ist?“ „ Ja, sie ist voll“ sagte der Meister, „und auch Du bist bis zum Rand angefüllt mit Sorgen und Schwierigkeiten. Wie soll ich Dir Weisheit einschenken, wenn Du mir keine leere Schale reichst?" Was bedeutet diese kleine Geschichte für unser konkretes Leben? Wie kann sie uns helfen auf dem Weg zur Gelassenheit? Schauen wir uns nun einmal unser menschliches Dasein an. Wir erleben es in Phasen .Jede Phase hat ihre eigenen Gesetze jede hat i h r e Möglichkeiten des Wachsens und Reifens und jede hat auch i h r e Attraktivität. Wir müssen sie nur sehen. Meistens sind wir aber gefühlsmäßig oder gedanklich noch in der vergangenen Phase, wie schön doch alles früher war als wir noch jung waren oder noch gesund waren. Sie können die Liste endlos weiterführen - oder wir sind schon in der zukünftigen, machen uns zu viele Sorgen um Dinge, die wir doch nicht ändern können. Ändern können wir nur uns selbst und unsere Einstellung zu anderen Menschen oder unsere Einstellung zu bestimmten Situationen und Dingen, nicht andere Menschen und deren Einstellungen zum Leben z.B. die können wir nicht ändern. Und dabei entgehen uns die guten und angenehmen Dinge der Gegenwart. Es geht ja auch nicht nur um die angenehmen Dinge. Auch die unangenehmen können für uns wichtig werden. Ich denke gerade an Gertrud von Le Fort, die gesagt hat: „Schmerz, du bist Freude im dunklen Kleid“. Khalil Gibran sagt in seinem Buch: " Der Prophet " 2 über Freud und Leid .Nebenbei bemerkt: er spricht nicht über die Freude allein, die Überschrift lautet: über Freud und Leid . Das bringt beide schon in Beziehung zueinander und drückt aus, dass weder Freude noch Leid für sich allein zu sehen sind. Gibran sagt: "Eure Freude ist entlarvtes Leid. Und dieselbe Quelle aus der euer Lachen entspringt, ward oft erfüllt von euren Tränen. Und wie könnte es anders sein. Je tiefer das Leid in eurem Innern bohrt, um so mehr Freude vermöget ihr zu fassen Seid ihr fröhlich, so spähet tief in eurem Herzen, und ihr werdet entdecken, das nur, was euch Leiden schuf, euch auch Freuden bringt. Seid ihr betrübt, so spähet wiederum in eurem Herzen und ihr werdet finden, dass ihr in Wahrheit weinet um gewesene Wonne. Sie kommen gemeinsam; und sitzen nur die eine oder der andere bei euch zu Tische, so bedenket, dass der eine oder die andere auf eurem Lager schlummert. Ist das nicht ein herrliches Bild. Bei mir löst es spontan Freude aus, denn es enthält soviel Zuversicht, dass dann, wenn das Leid uns heimsucht, die Freude schon im Zimmer nebenan wartet. Nichts währt ewig .Im Buch Kohelet im AT ist davon die Rede , dass es eine Zeit des Weinens und eine Zeit des Lachens gibt , eine Zeit der Trauer und eine Zeit der Freude . Die Zeiten der Trauer müssen ausgehalten werden, wir dürfen sie nicht überspringen; zugleich können wir hoffen, wie es im Psalm 30,12 heißt " Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet Tränen, Trauer, Schmerz sind der eine Pol unseres Lebens, aber genauso gehören Freude, Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Hoffnung und Vertrauen zum Leben. In den Tränen vermischen sich zuweilen beide Pole, denn wir kennen sicher alle das Phänomen, dass wir aus Trauer und auch vor Freude weinen können. Wer sich seinem Schmerz stellt, durch ihn hindurchgeht, der kann die Verwandlung seines Schmerzes in Freude erfahren. Wer den Schmerz überspringt kann sich auch nicht wirklich freuen. Offensichtlich hängen die Bereitschaft, Schmerz anzunehmen und die Fähigkeit Freude zu empfinden eng zusammen. Beide Haltungen setzen eine Offenheit voraus, sich ganz auf das Leben einzulassen. Und hier bin ich wieder beim Wesentlichen unseres Themas. Wenn wir uns zu sehr auf die Vorstellungen , die wir vom Leben haben, von heiler Welt haben, von Gesundheit haben, von Partnerschaft haben, versteifen und uns nicht für das wirkliche Leben , so wie es uns begegnet öffnen, unsere Erwartungen an die Zukunft zu hoch hängen und uns zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigen werden wir die Fülle des Lebens, die nur in der 3 Gegenwart zu finden ist, nicht erfahren. In der Bibel ist uns diese Fülle des Lebens verheißen. Warum erfahren wir sie so wenig davon? Warum bleiben wir bei den Defiziten hängen. Wir können die Gegenwart nicht auskosten, weil wir die Vergangenheit nicht loslassen können. Schauen wir uns kurz die Phasen unseres Lebens an. Schon bei unserer Geburt müssen wir den Mutterschoss lassen und kommen in diese Welt hinein. Das ist ein schmerzlicher Prozess .Wir können uns nicht bewusst daran erinnern und konnten auch nicht aktiv loslassen, es geschah einfach mit uns .Die Folgen des Geburtstraumas können ein Leben lang spürbar sein, weil wir ja gefühlsmäßig alles wahrnehmen, wir können es zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht mit dem Verstand verarbeiten. Hier ist natürlich die Mutter gefragt. Denn sie ist aktiv am Geschehen beteiligt. Verena Kast erzählt von einer Mutter, die ihr Kind übertragen hat .Sie sagte ihr: „Wahrscheinlich wollte ich das Kind bei mir behalten wollte es nicht loslassen.“ Sie fragte sich dann weiter, ob sie im späteren Leben auch wohl Schwierigkeiten haben werde, sich auf Neues einzulassen, sie habe es lieber, wenn alles beim alten bliebe, beim Vertrauten, beim Gewohnten. Sie würde festhalten aus Angst, mit dem Neuen nicht fertig zu werden, festhalten auch aus Mangel an Selbstvertrauen. Auf das Selbstvertrauen komme ich später noch zurück. Es spielt eine wesentliche Rolle beim Loslassen, beim Freiwerden, beim Zu-sich-selber-finden. Nun ist es bei der Geburt eines Kindes ja so, dass die Eltern sich ganz auf das Kind, das Neue einlassen müssen. Loslassen ist also nicht nur ein Prozess, der für sich allein Sinn hat, das Loslassen soll das Einlassen ermöglichen Mir scheint es ganz wichtig zu sein dass wir das Loslassen nicht als Selbstzweck erfahren sondern als eine Möglichkeit zum Einlassen. Denken Sie einmal an die Teestunde. Die Tasse kann nur den Tee aufnehmen, wenn sie leer ist. In eine volle Tasse kann man nichts mehr eingießen .Und so kann man sich auch nicht auf einen neuen Lebensabschnitt einlassen, wenn man nicht vorher den vergangenen losgelassen hat. Dieses Loslassen durchzieht unser ganzes Leben. Und es ist wichtig, dass wir immer zum richtigen Zeitpunkt loslassen und nicht die einzelnen Phasen verschleppen. Ablösung und Loslösung werden besonders deutlich gespürt, wenn das Kind die ersten selbständigen Schritte macht. Meistens wird das mit Stolz und Wehmut zugleich beobachtet. Sie sehen das ja vielleicht jetzt auch bei Ihren Kindern oder Enkelkindern .Wir freuen uns über die ersten Erfolge der Kinder, wir wollen die Kinder ja auch loslassen aber es tut eben auch ein 4 wenig weh ,wenn sie uns nicht mehr so sehr brauchen .Wir fördern und hemmen die Kinder dann oft gleichzeitig. Wir machen ihnen Mut und gleichzeitig machen wir sie auf Gefahren aufmerksam, die in der Welt drohen und weisen auf die Sicherheiten hin, die wir selber zu bieten meinen. Manchmal zeigen wir auch den Schmerz darüber, dass wir sie zu verlieren scheinen zu deutlich. Kürzlich sagte eine Mutter zu ihrem 15 Monate alten Kind, das strahlend in die Welt hinein wackelte: „Mami ist aber traurig, wenn du soweit weggehst." Dieses Kind ließ sich von den Worten der Mutter nicht beeindrucken und die Mutter wartete ganz gelassen bis das Kind zurückkam, schloss es in die Arme und alles war gut. Der Ausdruck: „Mami ist traurig, wenn du weggehst“, kann aber problematische Folgen haben. Er kann Kindern im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder das Gefühl geben, dass sie sich nicht ablösen dürfen, dass sie nicht mit vollen Händen ins Leben greifen dürfen. Der intensive Wunsch einer Bezugsperson, das Kind möge sich nicht ablösen, wird mit der Zeit vom Kind verinnerlicht. Solche Kinder bleiben zu lange abhängig, sie werden ängstlich und gehemmt. Der Ablöseprozess findet nun während der ganzen Kindheit statt..Man kann auch Wegmarken der Ablösung feststellen es sind Einschnitte an denen deutlich wird dass sich die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kindern verändert. Ein Kind geht z.B. zum ersten Mal in die Spielgruppe und schaut nicht mehr zur Mutter zurück, die es dort hingebracht hat .Das Kind geht in den Kindergarten und schwärmt von der Kindergartentante. Schuleintritte und Schulübertritte sind Wegmarken der Ablösung. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Schultag erinnern. Nach der Schulmesse bin ich nicht mit meiner Mutter zur Schule gegangen sondern mit einer Gruppe von Kindern. Meine Mutter hat das später immer wieder erzählt und betont dass ich nicht einmal zu ihr herübergeschaut hätte .In diesem Zusammenhang fällt mir noch eine kleine Geschichte ein. Die Eltern haben also die Aufgabe, ihre Kinder loszulassen, damit sie selbständig werden. Wenn diese Ablösung gelingt, können Kinder auch problemlos ihr Kind sein loslassen Nur, wer die Phase der Kindheit im Loslassen hinter sich gelassen hat, kann die Phase des Jugendlichen voll leben. Nun gibt es auch hier wieder Klippen. Da sagt z.B. ein Vater zu seinem 15- jährigen Sohn: „wie schön war es doch als du mit 11 Jahren an meinen Lippen gehangen hast, als ich so richtig wichtig war für dich“ Wenn der Vater noch immer am 11-jährigen Sohn hängt, wird er nicht fähig sein und auch 5 nicht offen genug sein, die schönen Seiten der Beziehung zu einem 15-jährigen Sohn zu erfahren. Wir verbauen uns oft die Möglichkeit, die angenehmen Dinge der Gegenwart zu erleben, weil wir die Vergangenheit festhalten wollen. Der Jugendliche befindet sich ohnehin in einer schwierigen Phase. Er muss erst seinen Standort finden .Er ist nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen .Das macht ihm erhebliche Probleme .Darum braucht er eher eine unaufdringliche liebevolle Begleitung als autoritäre Weisungen .Sonst wird er verunsichert und er muss ja seinen eigenen Weg finden und nicht den der Eltern gehen. Nun muss der Jugendliche wenn er erwachsen wird, auch die Phase der Jugend hinter sich lassen und sich auf das Erwachsen -sein einlassen. Nun gibt es immer wieder Erwachsene die immer noch jugendlich sein oder bleiben wollen, manchmal auch später wieder werden wollen. Sie können sich selber ausmalen, wie das konkret aussieht .Dann haben wir „den immer jugendlichen Helden“, der auf Eroberungen aus ist. Bei Frauen erkennt man die Unfähigkeit, loszulassen meistens an der Kleidung oder an den Frisuren. Besonders bei älteren Frauen kommt es vor, dass sie ihr Alter nicht wahrhaben wollen und dann falsche Geburtsdaten angeben .Das alles sind Versuche, die vergangene Lebensphase festzuhalten. Sie haben sicher gemerkt, dass ich ein wenig schnell über die Phase des Erwachsenseins hinweg gegangen bin .Das hat seinen Grund darin dass wir uns nachher noch mit verschiedenen Aspekten des Loslassens bei erwachsenen Menschen befassen wollen. Mir ging es zunächst einmal darum deutlich zu machen , dass unser Leben in Phasen verläuft und dass wir die vergangenen Phasen loslassen müssen, um uns dann ganz auf die je neue Phase einlassen zu können. Das ist ein Prozess, der unser ganzes Leben durchzieht .Jetzt kommen wir zur letzten Phase unseres Lebens, dem Sterben. Sterben ist Lassen in absoluter Form. Wer alle vergangenen Lebensphasen intensiv gelebt hat, weil er jede einzelne zur rechten Zeit losgelassen und sich dann ganz auf die neue Phase eingelassen hat, stirbt auch am leichtesten. Er hat ja nicht den Ballast der vergangenen Phasen mitzuschleppen. Er muss nicht auf einmal das ganze verpasste zu nachholen haben .Er hat auch nicht das Gefühl etwas Loslassen verpasst etwas nachholen zu müssen zu kurz gekommen zu sein. Er hat alles gelebt. Wer in seinem Leben nicht zur rechten Zeit losgelassen hat, stirbt am schwersten, weil er ja noch alles loslassen muss. Sterbehilfe ist auch nichts anderes als Hilfe beim Loslassen. 6 Voraussetzung ist, dass der Begleiter auch loslassen kann. Wenn Angehörige einen Sterbenden nicht loslassen können dauert es meistens lange, bis er sterben kann. Ich habe es hier neulich noch erlebt. Nun verläuft nicht nur das Leben selbst in Phasen, auch unsere Beziehungen haben ihre Phasen . Man kann sie nicht fein säuberlich voneinander trennen. Aber jede Phase hat ihre Dauer . Wir müssen lernen, sie nicht vorzeitig abzubrechen, aber auch nicht zu verschleppen. Das Los-lassen zur rechten Zeit ist hier angesagt. Dafür brauchen wir viel Empfindsamkeit, denn es geht ja nicht nur um uns selbst, es geht ja auch um unseren Partner. Dazu gehört, dass wir das Loslassen lernen ohne wegzustoßen und das Anziehen ohne festzuhalten. Ulrich Schaffer spricht von 4 Phasen einer Beziehung. Es spricht vom Verliebt sein, von der Enttäuschung, von der Entscheidung und vom Reifen. Diese 4 Phasen wiederholen sich immer wieder. Ich skizziere kurz die erste Phase des Verliebt seins, damit wir die Notwendigkeit der zweiten Phase der Enttäuschung erkennen. Was geschieht nun in der ersten Phase der Verliebtheit? Wenn wir verliebt sind projizieren wir in den Partner hinein, was wir gern in ihm sehen wollen. Weil wir gern lieben wollen, bauen wir den Partner so auf dass wir ihn intensiv lieben können Und wir selbst verhalten uns so dass wir möglichst liebenswürdig sind, weil wir Grund geben wollen intensiv geliebt zu werden. Diese Bilder von uns selbst und vom anderen aufrecht zu erhalten gelingt uns nur für kurze Zeit. Es gibt Menschen die kommen kaum über diese erste Phase hinaus weil sie ein Bild von der Liebe haben , das sie nicht loslassen können Für sie gehören zur Liebe Worte wie : romantisch , glücklich , frisch , lachend , zauberhaft ,spontan und nicht Worte wie : schwer , Schmerz , Arbeit , not voll , müde . Beides gehört zur Liebe .Wer das einseitig romantische Bild von der Liebe nicht loslassen kann , beendet die Beziehung nach der ersten Phase , sucht sich einen neuen Partner mit dem er die erste Phase noch einmal durchleben kann. Die erste Phase ist notwendig. Wir brauchen diese intensive Verzauberung, um uns einem anderen Menschen und der Welt gegenüber zu öffnen. Dann holt uns aber in der zweiten Phase die Wirklichkeit wieder ein. Es kommt zur Enttäuschung. Die Täuschung hört auf. Oft kann eine kleine Enttäuschung schon sehr schmerzhaft sein. Es geht dabei ja nicht so sehr um die Sache als vielmehr um den Partner der uns enttäuscht hat. Das einseitige Bild vom Partner, das wir aufgebaut haben , zerbricht . Die unterschlagene Seite wird sichtbar .Es gehört schon eine gewisse Reife dazu, dann zu sagen : ich habe den anderen verklärt gesehen. 7 Meistens wird es dem Partner angelastet und dann heißt es: du hast mich enttäuscht, du bist anders als du bisher vorgegeben hast." Eigentlich hat uns der Partner aber einen guten Dienst getan, er hat uns enttäuscht, er hat uns aus einer Täuschung befreit. Jetzt geschieht das Los-lassen Ein inneres Sterben setzt ein. Dazu ist es erforderlich, dass wir das Bild, das wir uns vom Partner gemacht haben, loslassen, auch das Bild, das wir von der Liebe haben, loslassen. Wir müssen alle Vorstellungen lassen, um die Wirklichkeit anzunehmen Max Frisch sagt die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben nicht fertig werden; weil wir sie lieben solange wir sie lieben. Unfassbar ist der Mensch, den man liebt. Nur die Liebe erträgt ihn so .Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende, jedes mal; aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders als wir anzunehmen versucht sind; nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende , sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht , weil ihre Kraft sich erschöpft hat , darum ist der Mensch fertig für uns. Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Konkret: unsere Vorstellungen von ihm, das Bild, das wir von ihm haben, loszulassen). Du bist nicht, sagt der oder die Enttäuschte, wofür ich dich gehalten habe. Diejenigen, die 'nun trotz der Enttäuschung nicht aufgehört haben, sich weiter zu öffnen , die ihre Liebesfähigkeit weiter entwickelt haben, im Loslassen der Vorstellungen , die sie vom Partner hatten , gelangen nun zur dritten Ebene . Es ist die Phase der Entscheidung für den Partner. Die Täuschung ist vorbei. Man sieht die Fehler und Schwächen legt aber den Partner nicht fest , lässt ihn los , damit er sich selbst werden kann .Und damit sind wieder alle Möglichkeiten offen . In der vierten Phase können wir das ernten, was wir in den ersten drei Phasen gesät haben. Sie ist aber nur zu erreichen ,wenn wir die Entscheidung zum Partner hin getroffen und wenn wir an unserer Liebe gearbeitet haben Das Durchhalten , das Vergeben , das Aufgeben des Lust-undLaune Prinzips , das Entdecken unserer tieferen Wünsche , das Mit-einander sprechen lernen, das Herausfordern, das Unabhängig werden , das alles führt uns zu Einsichten , zu einem Durchblick , den wir vorher noch nicht gehabt haben. Wir verstehen die Zusammenhänge der Liebe besser. Wir erfahren ein wenig von der Fülle des Lebens. Man kann das alles mit einer Bergtour vergleichen. Man sieht den Gipfel von unten, vom Tal her. Man hat gehört, dass der Ausblick vom Gipfel wunderbar sein soll .Dann hat man sich auf 8 den Weg gemacht. Als dann die Schwierigkeiten auftauchten, war man geneigt, aufzugeben. Aber man hat durchgehalten, durch unwegsame Wälder über Gletscher, man hat in Steilwänden gehangen, angespornt durch den Anblick des Gipfels. Im Bereich der Beziehungen gibt es keinen Hubschrauber auf den Gipfel. Wenn wir tiefe Einsichten und herrliche Ausblicke vom Gipfel aus wünschen, müssen wir uns den Strapazen aussetzen, müssen wir gewillt sein unsere Vorstellungen und Bilder von der Liebe und vom Partner loszulassen und uns ganz auf die Beziehung und das, was sie mit uns vorhat, einlassen. Der Blick vom Gipfel her ist zauberhaft. Er hat etwas mit der ersten Phase, der Verliebtheit gemeinsam. Nachdem wir den Blick vom Gipfel her genossen haben , stellen wir fest, dass der Gipfel nicht das letzte erreichbare Ziel ist denn wir entdecken in einiger Entfernung einen noch höheren Gipfel. Und nun kommt wieder der Moment des Aufbruchs. Das Erreichte muss verlassenwerden. Wir erleben noch einmal die früheren Ebenen. Inzwischen sind wir aber reifer geworden und haben aus den früheren Erfahrungen gelernt. Es ist wie bei einer Wendeltreppe. Wir kommen immer wieder an den gleichen Ort, aber immer etwas höher. Manche Menschen nun . man könne eine Ebene überspringen z.B. die Enttäuschung. Aber ohne sie hört die Täuschung nicht auf .Es gibt Menschen, die können die Ebene des Verliebt seins nicht loslassen Das geschieht dann auf Kosten des persönlichen Wachstums. Sie hinterfragen nichts, gehen den. Dingen nicht auf den Grund , verdrängen viel, um auf diese Weise die Enttäuschung aneinander und miteinander zu vermeiden Aber solche Beziehungen bleiben auf einer oberflächlichen Ebene stecken und erreichen keinen Gipfel . Wichtig ist auch, dass wir auf keiner Ebene stehen bleiben, auch nicht auf dem Gipfel. Wir neigen ja dazu, festzuhalten, was wir haben. Liebe ist aber etwas Dynamisches. Stillstand führt zum Tod der Liebe. Mir fällt spontan der Berg Tabor ein. Als Jesus dort vor seinen Jüngern verklärt wird " sagt Petrus gleich: hier ist gut sein, lass uns drei Hütten bauen usw. Er wollte sich in diesem Glück gleich häuslich niederlassen .Auf diese Weise erstickt aber das Glück. Was geschieht nun, wenn Menschen feststellen, dass ein gemeinsamer Weg nicht weiter möglich ist. Wir sollten ja nicht um jeden Preis an einer Beziehung festhalten. Es gibt Situationen, da ist 9 eine Trennung der einzig mögliche Weg. Ich kann in diesem Rahmen nicht ausführlich darauf eingehen, aber mir ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass auch hier das Los-lassen gefordert ist. Wir müssen das Scheitern der Beziehung akzeptieren, so schwer das auch ist. Die Möglichkeit des Scheiterns gehört zum menschlichen Dasein dazu. .Erst dann " wenn wir die gescheiterte Beziehung ganz los-gelassen haben, können wir uns auch wieder ganz auf eine neue Beziehung einlassen. ( Ammicht -Quinn : Scheitern von Beziehungen ) . Eingangs sprach ich von den einzelnen Phasen im Leben, die uns zum Loslassen herausfordern, wenn die Zeit gekommen ist. In Liebe und Partnerschaft muss immer wieder das Loslassen eingeübt werden und auch hier geht es darum, zu wachsen und zu reifen. Letztlich geht es darum, die Vorstellungen, die wir vom Leben, von der Partnerschaft haben loszulassen und uns auf die Wirklichkeit einzulassen, so wie sie sich konkret zeigt. Natürlich vermitteln uns die Medien oft ein Bild und eine Vorstellung von heiler Welt, die absolut nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Und so ist es auch in Bezug auf die Gesundheit. Ich selbst habe seit 40 Jahren eine multiple Sklerose, die immer mal wieder in akuten Schüben auf sich aufmerksam macht, die natürlich auch die Unsicherheit in sich birgt, wie wohl der nächste Tag sein wird. Aber ich lebe in guter Kooperation mit ihr und ich empfinde mich nicht als krank. Was sind nun die Voraussetzungen für das Loslassen? Es ist ja kein harter Willensakt, wenn wir loslassen, sondern es muss schon aus einer inneren Haltung geschehen. Wie wachsen wir aber in diese Haltung hinein? Ich erzähle Ihnen nun eine kleine Geschichte, die sich bei Anthony de Mello in seinem Buch: " Warum der Schäfer jedes Wetter liebt“ findet. Eine Frau lag im Koma. Sie hatte das Gefühl, sie käme in den Himmel und stünde vor dem Richterstuhl. " Wer bist du?“ fragte eine Stimme" „ Ich bin die Frau des. Bürgermeisters“, erwiderte sie. „ Ich habe nicht gefragt, wessen Ehefrau du bist, sondern wer du bist.“ „ Ich bin die Mutter von vier Kindern“ „ Ich habe nicht gefragt, wessen Mutter du bist, sondern wer du bist." „ Ich bin Lehrerin. ". „ Ich habe nicht nach deinem Beruf gefragt, sondern wer du bist.“ Und so ging es weiter. Alles, was sie erwiderte, schien keine befriedigende Antwort auf die Frage zu sein: „ Wer bist du?" "Ich bin eine Christin." „ Ich habe nicht gefragt welcher Religion du 10 angehörst, sondern wer du bist.“ „ Ich bin die, die jeden Tag in die Kirche ging und immer den Hilfsbedürftigen half." „ Ich fragte nicht, was du tatest sondern wer du bist." Offensichtlich bestand die Frau die Prüfung nicht. Als sie wieder gesund war , versuchte sie herauszufinden, wer sie war. Diese Geschichte macht uns deutlich, worauf es ankommt. Es kommt darauf an, uns selbst zu finden .Dann bekommen wir die Antwort auf die Frage, wer wir sind und wir gelangen zu einem Selbstbewusstsein, das uns das Loslassen ermöglicht. Das Selbst hat mit unserem innersten Wesen zu tun .Es kommt zum Ausdruck, wenn wir aus dem Sein leben. Dann finden wir das, was wir vielleicht im Partner suchen auch in uns selbst. Dann brauchen wir unsere Mitmenschen nicht zur Selbstbestätigung sondern können sie loslassen sie ihr eigenes Leben leben lassen .Konkret: wir sind nicht wer, weil wir z.B. die Frau des Bürgermeisters sind, wie in dieser Geschichte, oder weil wir Lehrerin sind, oder weil wir Christ oder Christin sind, oder sozial engagiert sind, dann sind wir wer, weil wir wir selbst sind. Wir selbst sind wichtig. Nur wer sich selbst hat, kann sich auch loslassen und verschenken. Wie oft meinen wir, dass unser Glück davon abhängt, wie unsere Mitmenschen mit uns umgehen .Dabei sind wir selbst für unser Glück verantwortlich. Wie kommen wir nun zu einem gesunden Selbstbewusstsein, das uns trägt, das uns hilft zu wachsen und zu reifen und das uns auch die Möglichkeiten zum Loslassen eröffnet? Da müssen wir zunächst zwischen dem Ego und dem Selbst unterscheiden. In der Bibel finden wir die Einladung, dass wir unsere Mitmenschen lieben sollen wie uns selbst .Das bedeutet unmissverständlich, dass wir uns selbst lieben sollen und den Nächsten auch. Leider hat man uns das in der Vergangenheit so vermittelt, als ob wir den Nächsten lieben sollen und uns selbst dabei vergessen sogar verleugnen sollen. Selbstvergessenheit ist sicher gut in dem Sinne, dass ich mich nicht zum Maß aller Dinge mache. Aber, wer allzu selbstlos ist, ist bald sein Selbst los. ( die hilflosen Helfer ).Der Egoismus, der alles nur für sich haben will: Menschen , Güter Anerkennung , der sich zum Mittelpunkt allen Geschehens macht, muss überwunden werden. Er ist ja gerade das Gegenteil vom Loslassen. Er will ja haben und festhalten, er macht unfrei. Wenn ich etwas festhalte, total davon besetzt bin, entgehen mir alle anderen Möglichkeiten, die mir Glück und Erfüllung schenken können .Wenn ich total auf meine Vorstellungen von 11 Glück fixiert bin, werde ich immer wieder Enttäuschungen erleben .Nur das Loslassen aller Vorstellungen gibt mir die Chance, Neues und Beglückendes zu erfahren. Erich Fromm sagt in seinem Buch „Haben oder Sein“: das ganze Alte Testament hat eine wesentliche Aussage und die lautet: „Verlasse alles und sei.“ Was muss ich verlassen? Alles, d.h. alles, was ich habe, besitze, festhalten möchte. Das kann sowohl materieller als auch geistiger Natur sein. Die Israeliten mussten auf dem Weg der Befreiung durch die Wüste, die ja auch ein Bild des Los-Lassens ist, weil sie uns zum Wesentlichen führt, denn es ist ja nichts da, woran wir uns festhalten könnten - ihre Vorstellungen und Bilder von Gott loslassen und sich immer wieder neu auf Gott einlassen . Die Israeliten sehnten sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens zurück- obwohl diese mit der Sklaverei verbunden waren. Der Mensch sehnt sich nach Sicherheit, nach Gewohnheit nach festen Regeln. Die Freiheit macht zunächst Angst, weil wir die Sicherheiten loslassen müssen uns auf Neues Unbekanntes einlassen müssen .Wir brauchen dazu das Vertrauen, das von Petrus verlangt wurde als er über das Wasser zu Jesus gehen sollte. Wie Sie wissen, hatte Petrus auch Angst und ging unter so lange er nur an seine Fähigkeiten dachte. Er musste seine Angst loslassen, sich vertrauensvoll auf Jesus einlassen, dann konnte er über das Wasser gehen. Unter Umständen müssen wir unsere Vorstellungen und Bilder , die wir vom Leben, vom Partner , vom Glück, von unseren Kindern mit ihren je eigenen Entwicklungsmöglichkeiten, vom eigenen Lebensentwurf haben, loslassen und uns ganz auf die Realität , die ganz anders aussehen kann einlassen. Der Egoismus hat also etwas mit dem Habenwollen und dem Festhalten zu tun. Die Voraussetzungen für das Loslassenkönnen liegen in einem Leben aus dem Sein. Dieses Leben auf der Seins ebene führt uns zu unserem Selbst und befreit uns vom Ego Wenn ich etwas festhalte, total davon besetzt bin, entgehen mir alle anderen Glücksmöglichkeiten . Wenn ich z.B. total auf meine Vorstellungen fixiert bin, werde ich nur Frust erleben. Nur das Loslassen aller Vorstellungen gibt mir die Chance Neues und Beglückendes zu erleben.. Anthony de Mello erzählt eine kleine Geschichte, die das an einem Beispiel verdeutlicht. Als ein spiritueller Meister einmal über die problematischen Bindungen zwischen Eltern und Kindern befragt wurde , erzählte er , wie er einmal in einem Einkaufsmarkt einer Frau begegnete , die einen Kinderwagen schob , in dem zwei Jungen saßen " Was für zwei reizende Kinder sie haben , sagte 12 der Meister . Wie alt sind sie denn? " " Der Arzt, sagte die Frau " ist drei Jahre alt und der Rechtsanwalt zwei Unser Leben vollzieht sich ständig in der Spanne von Abschied und Neubeginn .Darin liegen die großen Chancen zu wachsen und zu reifen .Wir werden frei von Abhängigkeiten und gelangen zu einem gesunden Selbstbewusstsein Dieses ist dann tragfähig durch alle Krisen hindurch .Wenn ich z.B. meinen Partner oder meine Partnerin verliere, ist das sicher sehr schmerzhaft und traurig .Da ist eine Trauerphase unbedingt notwendig. Aber es wirft mich nicht ganz aus der Bahn, da ich ja nicht durch den Partner lebe oder gelebt habe sondern mein eigenes Leben lebe. Sie spüren wie wichtig das Loslassen in allen Lebensphasen ist. Wenn ich es rechtzeitig eingeübt habe und zu einem gesunden Selbstbewusstsein gelangt bin, spüre ich beim Verlust des Partners sicher einen tiefen Schmerz, die Trauerphase muss durch litten werden; aber ich kann weiterleben, mich auf die Zukunft einlassen . Für viele Eltern ist es schwer, wenn die erwachsenen Kinder aus dem Haus gehen. Dann kommt es darauf an, dass die Eltern ihr Selbstbewusstsein nicht aus der Elternrolle gezogen haben, sondern aus ihrem je eigenen Sein. Wer ganz in seiner Rolle aufgeht, sei es als Vater, als Mutter, als Großvater oder als Großmutter, läuft Gefahr, nicht mit der Situation fertig zu werden, wenn diese Rolle nicht mehr gebraucht wird, wenn Kinder oder Enkelkinder aus dem Haus gehen. Karl Rahner sagt einmal:“Menschen werden heute oft unglücklich, weil sie um jeden Preis glücklich werden wollen. Sie meinen, das wichtigste sei, dafür zu sorgen, dass ihnen nichts entgehe. Bei dieser Angst ,nicht alles an der Tafel des Lebens vertilgt zu haben, wird in Wirklichkeit aber nicht genossen, sondern alles nur hineingestopft und so der Magen verdorben .Am Schluss ist einem dann alles entgangen und nichts ist wirklich erlebt, weil man alles erleben wollte.“ Denken Sie an die leere Tasse .Sie muss immer wieder leer werden, damit man sie füllen kann Was Karl Rahner hier anspricht ist die typische Konsumhaltung: alles haben wollen, alles sehen wollen, alles hören wollen , überall dabei sein wollen .Das erstickt unsere Fähigkeit, etwas wirklich zu erleben .Wir sind ja schon gefüllt mit allem , was wir in uns hineingestopft haben und können nichts Neues mehr aufnehmen , zumindest nicht in der Tiefe unseres Selbst. Mit der Zeit stirbt dann auch unsere eigene Kreativität. Umgekehrt ist es so, dass das Fasten die Kreativität weckt. Wir werden ja dadurch leer und können so eine neue Fülle in uns wachsen 13 lassen. Wir werden offen für die Weisheit, die Raum in uns gewinnen kann. Übrigens hat Catarina Halkes die holländische Theologin einmal gesagt :“Was die Menschheit an Wissen gewann, hat sie an Weisheit verloren ." Wissen kann man anhäufen in der Konsumhaltung, aber Weisheit wird uns nur geschenkt, wenn wir leer und aufnahmebereit sind. Zusammenfassend können wir sagen, dass das Leerwerden die Voraussetzung für ein erfülltes Leben ist. Im NT sagt Jesus in der Bergpredigt : „Selig die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich“ ,was nichts anderes bedeutet als : „Ihr seid glücklich zu nennen, wenn ihr arm = leer seid, weil ihr dann das Leben in Fülle erfahren könnt ,weil ihr erst dann fähig seid, das Glück, die Erfüllung eures Lebens aufzunehmen , jeden Tag diese Fülle neu zu erleben. Umgekehrt könnte es heißen : „Ihr die ihr jetzt reich seid , die ihr schon gefüllt seid mit allem, was ihr in euch hineingestopft habt , seid unglücklich, weil ihr keine Möglichkeit habt, die Fülle des Lebens aufzunehmen, weil ihr ja schon gefüllt seid, es bleibt kein Raum mehr für die eigentliche Fülle. „Selig ihr Armen“, kann auch heißen: selig seid ihr, die ihr loslassen könnt, die ihr nicht festhaltet, ihr werdet immer wieder neu und intensiv das Leben spüren, weil ihr euch immer neu bereitet für diese Fülle. Und unselig seid ihr, wenn ihr alles festhalten wollt, ihr könnt nichts Neues aufnehmen, ihr seid total blockiert und langweilig. Es geht hier nicht in erster Linie um Armut oder Reichtum sondern um die Haltung des Loslassens oder Festhaltens, des Anhaftens. Es geht dabei auch nicht nur um materielle Güter. Man kann sehr wohl mit anderen Dingen vollgestopft sein. Es können auch Sorgen und Nöte sein, wie es bei der eingangs zitierten Geschichte mit der Teestunde ging. Erich Fried sagt in seinem Gedicht: Aufhebung „ Sein Unglück ausatmen können tief ausatmen, so dass man wieder einatmen kann. Und vielleicht auch sein Unglück sagen können in Worten in wirklichen Worten, die zusammenhängen und Sinn haben und die man selbst noch irgendwer sonst versteht oder verstehen könnte 14 und weinen können. Das wäre schon fast wieder Glück.“ ( aus Erich Fried : Beunruhigungen) Wenn wir mit Problemen, Sorgen und Schwierigkeiten bis zum Rand angefüllt sind, wenn wir sie nicht abgeben und loslassen wollen. können wir nicht glücklich sein. Es geht hier nicht darum, keine Sorgen und Nöte zu haben. Aber wir sollen auch sie loslassen ,sie Gott überlassen und vielleicht auch mit anderen Menschen teilen, sie sagen, sie aussprechen, damit wir immer wieder leer werden, um die Weisheit und die Fülle des Lebens die uns geschenkt werden soll aufnehmen zu können . Zum Abschluss möchte ich mit Ihnen nun die Reise nach Innen antreten. Dort finden wir Gott und unser Selbst .Die Mystiker sprechen vom Seelenfunken. Der Text ist von Dag Hammersköld, dem damaligen Uno-Generalsekretär. Lassen Sie den Text, der als Gebet formuliert ist, einfach auf sich wirken. Werden Sie ruhig und gelassen. Lassen Sie alles los . Die längste Reise Die längste Reise ist die nach innen. Ich sitze hier, vor dir, Herr, aufrecht und entspannt, mit geradem Rückgrat. Ich lasse mein Gewicht senkrecht durch meinen Körper hinunter sinken auf den Boden, auf dem ich sitze. Ich halte meinen Geist fest in meinem Körper. Ich widerstehe seinem Drang, aus dem Fenster zu entweichen, an jedem anderen Ort zu sein als an diesem hier, in der Zeit nach vorn und hinten auszuweichen, und der Gegenwart zu entkommen. 15 Sanft und fest halte ich meinen Geist dort, wo mein Körper ist: hier in diesem Raum. In diesem gegenwärtigen Augenblick lasse ich alle meine Pläne, Sorgen und Ängste los. Ich lege sie jetzt in deine Hände, Herr. Ich lockere den Griff, mit dem ich sie halte und lasse sie dir. Für den Augenblick überlasse ich sie dir. Ich warte auf dich - erwartungsvoll. Du kommst auf mich zu und .ich lasse mich von Dir tragen. Ich beginne die Reise nach innen. Ich reise in mich hinein, zum innersten Kern meines Seins, wo Du wohnst. An diesem tiefsten Punkt meines Wesens bist Du immer schon vor mir da, schaffst, belebst, stärkst ohne Unterlass meine ganze Person. Gott, Du bist lebendig, Du bist in mir, Du bist hier. Du bist jetzt. Du bist. Du bist der Grund meines Seins Ich lasse los. Ich sinke und versinke in dir. Du überflutest mein Wesen. Du nimmst von mir Besitz. Ich lasse meinen Atem zu diesem Gebet der Unterwerfung unter Dich werden Mein Atmen, mein Ein- und Ausatmen, ist Ausdruck meines ganzen Wesens. Ich tue es für Dich mit Dir - in Dir. Wir atmen miteinander. ..Dag Hammerskjöld