1 Fred Turnheim Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2015 Wien, 22. Dezember 2015 Es gilt das gesprochene Wort Liebe nominierte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben in unruhigen Zeiten. Und gerade in solchen ist es notwendig, die Wahrheit zu sagen. Und wenn das manchen nicht passt und diese glauben uns mit dem göbbelschen Begriff „Lügenpresse“ beschimpfen und diskreditieren zu können, so antworten wir: Wenn Ihr Nazis das sagt, dann ist das für uns ein Ehrbegriff. Denn, dann haben wir Journalistinnen und Journalisten die Wahrheit gesagt. Wir leben in unruhigen Zeiten. Wenn Anfang des Jahres radikale Moslems ein Attentat gegen das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ verüben und dabei die halbe Redaktion auslöschen, so hat dieser Terror nichts gebracht, denn wir Journalisten lassen uns von solchen feigen Morden nicht in der Verteidigung der Pressefreiheit beeinflussen. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der ermordeten Kolleginnen und Kollegen. Im heurigen Jahr sind weltweit 89 Journalistinnen und Journalisten, Medienassistenten und Bürgerjournalisten getötet worden, 329 sind in Haft. Ihnen alle gedenken wir heute! Wir leben in unruhigen Zeiten! In diesen Tagen findet eine menschliche Tragödie statt. Rund 1 Million Menschen suchen ein neues zu Hause. Getrieben von Krieg, Gewalt und dem menschlich verständlichen Wunsch nach einem besseren Leben. Der Journalismus berichtet ausführlich über diese neue Wanderung der Massen und schürt doch meist nur Angst und Unverständnis. Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2 Vielleicht sind auch wir mitschuldig an diesem Unverständnis mancher Teile unseres Publikums. Zwar gilt noch immer die Regel, die wir in der 1. Stunde Publizistik gehört haben. Schuld ist immer der Kommunikator und nie der Rezipient. Doch könnte es nicht sein, dass unsere Flüchtlingsberichterstattung sich zu sehr über die Tragödie im Mittelmeer und an den EU-Grenzen beschäftigt. Zu wenig berichten wir über die Ursachen der Not in Afghanistan, Pakistan, in Syrien und in Afrika. Meine Bitte: Berichten wir im kommenden Jahr ausführlich über die Ursachen dieser Flüchtlingsströme. Wir leben in unruhigen Zeiten. Es wird immer öfter notwendig, auch als Journalist Stellung zu beziehen. Für den Schutz der Demokratie und ihrer Werte und der Menschenrechte, für unser pluralistisches System. Und gegen jene europäische Politiker, die wegen der Flüchtlingskrise bereit sind, gleich die Menschenrechte zu opfern. Nicht nur in der Türkei,in Polen, Ungarn und Frankreich. Sondern leider auch in Österreich. Der Österreichische Journalisten Club lehnt den aktuellen Entwurf zum Staatsschutzgesetz ab. Wir kritisieren den mangelnden Informantenschutz und fehlende Ausnahmebestimmungen zum Schutz des Redaktionsgeheimnisses und eines unabhängigen Journalismus in Österreich. Außerdem müssen die Richter, als unabhängige Instanz, eingeschaltet werden. Der geplante Dreiersenat ist einfach zu wenig und schützt daher auch nicht die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Der im Gesetzesentwurf waschige Begriff „Gruppierungen“ setzt das Medienrecht außer Kraft und verstößt so gegen den Verfassungsgrundsatz der freien Berichterstattung – auch über terroristische Vereinigungen. Seit Jahrzehnten werden leider auch in Österreich die Grund- und Freiheitsrechte der Österreicherinnen und Österreicher scheibchenweise ausgehöhlt. Meine sehr geehrten Damen und Herren: So kann und darf es nicht weitergehen. Wir leben in unruhigen Zeiten. Der ÖJC lehnt, wie alle anderen Journalistenorganisationen auch, das geplante Informationsfreiheitsgesetz ab. 3 Der Entwurf der Regierungsparteien bringt kaum eine Verbesserung zur derzeitigen Situation. In dem Gesetzesentwurf ist ein "Gummiparagraf", welcher der Verwaltung breiten Ermessensspielraum beim Zugang zu Information lässt. Zitat: "Der Zugang ist nicht zu erteilen, wenn der Auftrag auf Information offensichtlich schikanös erfolgt oder wenn die Erteilung der Information die sonstige Tätigkeit des jeweiligen Organs wesentlich und unverhältnismäßig beeinträchtigen würde", heißt es im Entwurf. Damit bleibt alles beim Alten. Dieser Gesetzesentwurf zementiert das Amtsgeheimnis und wird daher von uns Journalisten abgelehnt. Wir leben in unruhigen Zeiten. Anfang November haben alle großen Journalistenorganisationen unseres Landes in einem gemeinsamen offenen Brief an unseren Medienminister Ostermayer sowie die Mediensprecher der im Nationalrat vertretenen Parteien die Verdoppelung der Fördermittel für die journalistische Ausund Weiterbildung gefordert. Denn nur eine gut dotierte journalistische Aus- und Weiterbildung garantiert eine hohe Qualität der journalistischen Arbeit und sichert so die 4. Säule der Demokratie. Doch manchmal hat man das Gefühl, dass genau dies so manche Politiker nicht wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir leben in wirklich unruhigen Zeiten!