Kleine Denkanstöße und sonstige große Weisheiten! (Aus dem Buch „die Suchtfiebel“ von Ralf Schneider) Was siehst du ? Weißer Pokal oder zwei Gesichter ? Das Glas oder die Begegnung ? Was bevorzugst du ? 1 Wenn du einem geretteten Trinker begegnest, dann begegnest du einem Helden. Sein Todfeind lauert in ihm schlafend. Er bleibt behaftet mit seiner Schwäche und setzt seinen Weg fort durch die Welt der Trinkunsitten, in einer Umgebung, die ihn nicht versteht, in einer Gesellschaft, die sich berechtigt hält, in jämmerlicher Unwissenheit, auf ihn herabzuschauen, als auf einen Menschen zweiter Klasse, weil er es wagt, gegen den Alkoholstrom zu schwimmen. Du solltest wissen : Er ist ein Mensch erster Klasse ! (Friedrich von Bodelschwingh) Angst Neubeginn Lügen Überlegung Krankheit Chance Ohnmacht Halt Hoffnungslosigkeit Trost Orientierungsverlust ODER Ehrlichkeit Lustlosigkeit Reserven Impotenz Nestwärme Schlafstörungen Hoffnung Mutlosigkeit Erfahrungen Unverständnis Interessen Selbstmitleid Tatkraft Du hast die Wahl ? Vegetieren und Sterben Leben 2 Gestern war eine verdrehte, unverständliche Zeit: Ich trank vor Glück und wurde unglücklich; Ich trank vor Freude und fühlte mich traurig und miserabel; Ich trank aus Geselligkeit und bekam Streit; Ich trank aus Freundschaft und schuf mir Feinde; Ich trank, um schlafen zu können und wachte übernächtigt auf; Ich trank, um leichter sprechen zu können aber ich stammelte nur noch; Ich trank, um zu vergessen aber die Gedanken holten mich ein; Ich trank, um frei zu werden und wurde abhängig; Ich trank, um Probleme zu lösen aber sie wurden immer mehr; Ich trank, um mit dem Leben fertig zu werden und lud den Tod mir ein ! (W.Mitsch) Sucht und Vererbung : Ist Abhängigkeit erblich ? Es ist seit langem bekannt, dass sich in bestimmten Familien die Abhängigkeit häuft. Kinder von Alkoholikern haben ein vierfach höheres Risiko selbst abhängig zu werden. Es handelt sich hierbei aber auch um eine „soziale Vererbung“. Kinder abhängiger Eltern sind Bedingungen ausgesetzt, die sie selbst als ganz normal empfinden, und sie scheinen für Außenstehende oft erstaunlich unbeschadet heranzuwachsen. Diese Kinder haben im Unterschied zu anderen oft eine stärkere Ausprägung folgender Merkmale: 1/ Sie wissen nicht, was normales Verhalten ist, und sie orientieren sich deshalb oft an anderen. 2/ Sie haben Schwierigkeiten, einen Plan von Anfang bis Ende zu verfolgen. 3/ Sie lügen, auch wenn es genau so leicht wäre, die Wahrheit zu sagen. 4/ Sie urteilen über sich selbst ohne Gnade. 5/ Sie haben Schwierigkeiten, Spaß zu haben („wenn alles längere Zeit gut läuft, wird es mir unheimlich, so gut kann es nicht lange gut gehen“). 3 6/ Sie nehmen sich selbst sehr ernst und neigen zum Perfektionismus. 7/ Sie haben Schwierigkeiten mit intimen Beziehungen (z.B. Angst vor dem Verlassen werden). 8/ Überreaktionen bei Veränderungen über die sie keine Kontrolle haben. 9/ Sie suchen ständig Anerkennung und Bestätigung. 10/ Sie nehmen gewöhnlich an, dass sie anders (besser oder/und minderwertiger) sind als andere Menschen. 11/ Sie sind treu, anhänglich oder loyal. 12/ Sie sind impulsiv. Sie neigen dazu, sich in Aktionen zu verrennen, ohne vorher ernsthaft alternativen oder Konsequenzen bedacht zu haben. Das Thema Sucht eines Elternteils (auch in 2. oder 3. Generation) darf nie totgeschwiegen werden und man sollte als Eltern bei oben beschriebenen Symptomen rechtzeitig therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Mit dem trinken ist es wie bei der Williamsbirne! Wer jung in die Flasche hineinwächst, Kommt später nicht mehr heraus. Es sei denn, jemand zertrümmert die Flasche. (A. Schoppenhauer) Abhängigkeit - Gruppentherapie (Selbsthilfegruppe) und Ehrlichkeit: Das offene Äußern und Ausleben von Gefühlen in der Gruppe hilft, mehr Vertrauen in die eigenen Gefühle zu entwickeln und zu ihnen zu stehen. Man wird irgendwann die Erkenntnis gewinnen, im Leben selbst verantwortlich zu sein, auch und vor allem dafür, wie man seinem Leben Sinn gibt. Oftmals haben Süchtige Personen diese Selbstverantwortung verloren, (oder nie gehabt weil man Sie immer beschützt und gehütet hat, sodass eine solche Verantwortung sich nie entfalten konnte und musste). 4 Diese Wirkfaktoren der Gruppe können aber nur dann ihre positive Kraft für einen selbst entfalten, wenn man aktiv etwas dafür tut. Sich bequem in die Gruppe zu setzen und darauf zu hoffen, dass die Gruppe einem schon etwas bringen wird, wird irgendwann zu einer Enttäuschung aller Beteiligten führen. Jeder muss das Gruppenleben mit gestallten. Auch sollte jeder einzelne mit einem Vertrauensvorschuss in die Gruppe starten. Denn wenn sich jeder einzelne selbst vertrauenswürdig gegenüber den anderen benimmt, dann wird auch Vertrauen in der gesamten Gruppe herrschen. Tödlich für das Klima einer Therapie- oder Selbsthilfegruppe sind die Lüge und das Verschweigen von Konsum, Problemen oder Gefühlen. Wenn jemand getrunken hat und einige das wissen, ohne dass es vom Betroffenen selbst oder den anderen angesprochen wird, dann ändert sich die Art und Weise des Umgangs miteinander. Wenn die Offenheit und Ehrlichkeit in einer Gruppe verloren geht, dann bedeutet dies oft, dass die Gruppenstunden zu intellektuellen Diskussionsrunden werden wo Streit und Rangordnungskämpfe entstehen. Oft wird dann ein „schwarzes Schaf“ gesucht, das angeblich für das Missraten der Gruppe, das belastende Klima und die Auflösung der Gruppe verantwortlich sein soll. Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht. Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich selbst noch andere erkennen – er wird allein sein. Wo können wir schon solch einen Spiegel finden, wenn nicht in unseren Nächsten ? In der Gruppe kann sich ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der Teil eines Ganzen ist und der zu ihrem Wohl seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen, nicht mehr allein, wie im Tod, sondern lebendig als Mensch unter Menschen. (Richard Beauvais). 5 Warum Therapie oder Selbsthilfegruppe obwohl es keine Erfolgsgarantie gibt ? „Warum soll ich mich all den Fragen einer Therapie stellen, in eine Selbsthilfegruppe gehen, Übungen machen und mich ständig für alles, was ich tue, verantworten ? Und warum sollte ich mich in Frage stellen ? Mancher andere hätte das viel nötiger als ich !“ Es gibt sicherlich viele Menschen, für die es auch gut wäre, wenn sie mehr für Ihre eigene Entwicklung täten. Da ich nur an mir selbst arbeiten und mich selbst verändern kann, geht es hier nun mal einfach und alleine um mich ! Wenn man von Therapie oder Selbsthilfe spricht, redet man im Grunde nur von Entwicklung und zwar der Eigenentwicklung. In einer Therapie oder Selbsthilfegruppe beschäftigt man sich: - mit der Vergangenheit und Gegenwart, mit den Wünschen und Zielen, mit erfolgreichen und gescheiterten Versuchen, die Ziele zu erreichen und mit neuen Möglichkeiten für eine befriedigende Lebensführung. Die Eingangsfrage, warum gerade ich mich mit alldem beschäftigen sollte, kann letztendlich aber nur ich alleine beantworten. „Was möchte Ich?“ Alle anderen wichtigen Fragen ergeben sich daraus! (Nietzsche). Grundsätzlich gibt es drei Antworten, die eine verschieden solide Motivationsgrundlage für eine Therapie oder eine Selbsthilfegruppe bieten: - „Ich habe schon soviel an meiner bisherigen Lebensführung gelitten, dass diese dringend einer Änderung bedarf!“ - „Ich habe schon mehreres versucht und nichts hat gekappt und ich weiß keinen besseren Weg, also lass ich mich auf etwas Neues ein und vertraue der Erfahrung anderer!“ - „Ich sehe momentan keine andere Möglichkeit als hier mitzumachen. Ich habe zwar einige Zweifel, ob es richtig ist, was ich tue, aber ich füge mich.“ 6 Es geht hier also darum, sich dem Angebot zu fügen und positiv mit zu machen. Aber was mitmachen ? Es gilt hier die Sicht, Vision der Geschehnisse zu ändern und sein Verhalten neu zu überdenken und zu ändern. Als Abhängiger ist es auch wichtig die angeeigneten Scheuklappen fallen zu lassen und seinen Horizont, Sichtpunkt zu erweitern. Und wenn man einmal eine neue Verhaltensweise erarbeitet hat, heißt dies noch lange nicht, dass Feierabend ist. Wie beim Laufen lernen, Fremdsprachen, Autofahren oder Musikspielen heißt es, „Übung macht den Meister“ und man muss sein neues Verhalten immer wieder neu anwenden, damit dieses sich dann als Selbstverständlichkeit ergibt. Welche Voraussetzungen sollte ein Abhängiger für seine Abstinenz haben ? Hier einige Denkanstöße: * Bereitschaft zur Änderung : Wie viele Therapeuten braucht man, um eine Schraube in die Wand zu bekommen? Im Prinzip einen! Aber Die Schraube muss sich auch drehen lassen! (A. Fremtong) 7 * Veränderung und Ausdauer : Du säst einen Gedanken und erntest eine Tat. Du säst eine Tat und erntest eine Gewohnheit. Du sähst eine Gewohnheit und erntest einen Charakter. Du sähst einen Charakter und erntest ein Schicksal. Dein Schicksal ! (S. von Grafstein) Mit und mit ist man im Sog der Sucht geraten und ist immer tiefer gerutscht, Ausdauer und Geduld sind also angesagt um den Weg auch wieder hinaus zu finden ! Erkannte und eingestandene Irrtümer waren schon immer die beste Grundlage für neue Einsichten. (G. Grass) * Verstehen, Umsetzen und Ausdauer: Gesagt ist nicht gehört, Gehört ist nicht verstanden, Verstanden, ist nicht einverstanden, Einverstanden ist nicht durchgeführt, Durch geführt ist nicht beibehalten! Doch darauf kommt es an… (Konrad Lorenz) Süchtige Menschen sind Personen die ihr Leben mit 200 Km/h leben, jedoch ist mit der Abstinenz die Zeit gekommen wo es sehr viel Geduld bedarf und wo man Schritt für Schritt einen neuen Weg einschlägt. Dieser Weg ist Holperich und voller Überraschungen. Nur die Geduld und Ausdauer sind hier die richtigen Einstellungen, um eine Abstinenz zu festigen. 8 * Sicht- und Standpunkt: Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Vorstellungen von den Dingen! (Epiket) 9 Es ist also nicht der Konflikt das Problem, sondern die Art und Weise, wie man damit umgeht. Siehe auch Titelbild, Glas oder Begegnung 10 * Realistische Lebenserwartung : Beim Suchtkranken, ist die Erwartung am Leben oft ausgeprägt. Er hat eine unbegründete aber hartnäckige Hoffnung, dass es immer aufwärts gehen und besser wird. Tatsächlich, verläuft ein Leben aber in einem mehr oder weniger intensiven und raschen Auf und Ab der Befindlichkeit, auch wenn ein Teilbereich (Beruf, Partnerschaft,…) nur auf- oder Abwärts zu gehen scheint. Der Suchtkranke versucht, diesen natürlichen Wellenschlag durch das Suchtmittel künstlich nach oben anzuheben. Langfristig, bewirkt er aber genau das Gegenteil. Ein Abhängiger muss also: 1/ akzeptieren, dass die Lebenslinie Hochs und Tiefs hat; 2/ die Erfahrung machen und die Beschlossenheit bewahren, dass man ohne Stoff aus Einbrüchen auch wieder raus kommt; 3/ etwas dafür tun, dass man den Einfluss, den man auf den Lebenslauf hat, auch ausübt (er alles unternimmt was in seiner Macht steht um eine Situation im grünen Bereich zu wenden, konstruktive Freizeitgestaltung…). Bildlich sieht das ganze so aus: 11 * Scheuklappen ablegen und Horizont erweitern: Knobel-Aufgabe : Unten sehen Sie 9 Punkte. Verbinden Sie alle Punkte mit vier geraden Strichen, ohne zwischen den Strichen abzusetzen und an einen neuen Punkt zu springen . . . . . . . . . Die Lösung und was dieses Rätsel mit Therapie, Abstinenz und Lebenseinstellung zu tun hat, finden Sie auf Seite 33. Schauen Sie aber erst nach, wenn Sie das Problem alleine nicht gelöst bekommen ! 12 * Ehrlichkeit Ich schüttete Alkohol auf meinen Ekel vor mir selber. Aber ich fühlte meine Lüge! Denn ich schüttete Alkohol in mich hinein, weil ich ihn brauchte und deutlich fühlte, dass das nicht normal war. Diese Lüge hat, was alles auch später von mir und anderen geredet worden ist, um den Skandal zu erklären, mein Kontrollverlust eingeleitet. (Ernst Herhaus) Als nasser Alkoholiker hat man die Gewohnheit angenommen zu lügen und betrügen, um unser Konsum zu verstecken, aus Scham und um ungestört weiter zu trinken. Jeder Betroffene weiß wie oft er seinen Partner, seine Freunde, Kollegen, sein ganzes Umfeld belogen hat. Auch wenn die Lüge mit zum Krankheitsbild gehört, ist diese aber zum normal Zustand geworden. So normal, dass der Alkoholiker oft selbst an seine Lügen glaubt und festhält. Wer jedoch trocken werden will, muss erst anfangen mit sich selbst ehrlich zu sein. Dies beginnt in dem man sich selbst eingesteht dass man ein Problem mit dem Konsum von Alkohol hat. „Ich trinke nicht normal wie andere, ich verstecke Alkohol, ich trinke immer mehr als andere,…“ (siehe auch Jellinek Schema). Somit kommt man zur intimen Bekenntnis Alkoholiker zu sein. Denn nur diese Ehrlichkeit wird es ermöglichen überhaupt die Einsicht zu gewinnen dem Suchtmittel unterlegen zu sein und somit auch die Einsicht bringen die nötigen Schritte, um eine Abstinenz zu gewinnen und bewahren, zu gehen. Selbstehrlichkeit ist auch der einzige Weg zu einer frühzeitigen Erkennung eines unerklärbaren Gefühlzustandes und somit zur Vorbeugung eines Rückfalles. Diese Ehrlichkeit wird zur Selbstkenntnis führen, die es wiederum ermöglicht seine Verhaltensweisen zu verstehen. Ehrlich sich selbst gegenüber sein ist also das Fundament einer ausgeglichenen Abstinenz ! 13 * Geduld Der Weg in dieser Krankheit geht Schritt weise und es bedarf Jahre bevor man Abhängig wird (psychisch und/oder physisch). Mit und mit ist man dem Konsum verfallen ohne dass man etwas erahnt hat. Genau so ist es auch um den Weg wieder hinaus zu finden. Es heißt also die Zeit muss vergehen, damit der trockene Alkoholiker zufrieden leben kann. Es bedarf also viel Geduld. Geduld ist aber genau das, was bei Alkoholikern fehlt. Sie möchten zu oft, alles auf einmal lösen, auf einmal anpacken und erwarten auch vom Umfeld, dass alles so wird wie vorher. Dies ist aber nicht möglich, man muss einsehen, dass sich hier alles nur im Schritttempo verbessert, regelt, stabilisiert… Man kann nicht erwarten, dass ein missbrauchtes Vertrauen sofort wieder hergestellt wird, nur weil der Betroffene nicht mehr trinkt. Alle Lügen, Gewalttaten, Manipulationen, beschämende Situationen,… brauchen Zeit um vergeben zu werden (vergessen wird die Trinkzeit vom Umfeld nie). Hier heißt es nur nicht aufgeben, auch wenn die Geduld mal brechen sollte ! Die Zeit ist das einzige Element, dass dem Umfeld wieder Vertrauen bekommen lässt, Ängste und Zweifel vergehen lässt, neue Freundschaften ermöglicht, alte Wunden heilt, die Abstinenz als normal empfinden lässt… In Französisch, lautet dies : „Laisse du temps au temps“, sprich „ Lass der Zeit Zeit“ ! Verlangen nach dem Suchtmittel : „Saufdruck“: Jeder Abhängige sollte sich klar machen, dass das Verlangen nach dem Suchtmittel etwas Normales ist, das von seelischen Zuständen oder äußeren Ereignissen ausgelöst werden kann. Es ist wie eine Welle, die sich rasch zu großer Höhe aufbauen kann, um dann erst langsam auszulaufen. Es ist wenig sinnvoll sich ihr am Scheitelpunkt heldenhaft entgegenzustemmen. Wie beim Wellenreiten ist es kraftschonender eleganter und weniger gefahrvoll, sich auf die Welle zu legen und sie „auszureiten“, indem man so lange auf ihr gleitet, bis sie sich erschöpft hat. 14 Man sollte wissen und überzeugt sein, dass jedes Verlangen ein Ende hat, es wird von selbst geringer, gerade wenn man sich nicht dagegen wehrt. Das Erröten, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nur unnötig Stress bringt und das Erröten verstärkt, wenn man es mit Macht unterdrücken will. Man sollte sich also sagen: “Ich bemerke das Verlangen, einen Drang nach Alkohol. Möglicherweise wird es noch stärken, das weiß ich und das ist normal, aber ich weiß auch, dass es wieder aufhört !“ Tipps um dem Saufdruck nicht nach zu geben: - 1 – 2 Liter Wasser trinken, Saft, Tee oder Kaffee und dabei etwas süsses Essen (Schokolade, Pralinen, …) - Hungergefühle vermeiden, also immer etwas Griff bereit haben. - Jemanden aus der Selbsthilfegruppe anrufen um über den Saufdruck und die aktuelle Gefühlslage zu reden. Über ein Problem reden nimmt 50 % des Drucks . - sich in Erinnerung rufen, warum man dem Verlangen widerstehen sollte, denn einmal bedeutet immer wieder. - bewusstes tiefes Atmen und eine Spontanentspannung können manchem hilfreich sein. Diese Fähigkeit muss aber vorher geübt und regelmäßig aufgebaut worden sein, damit man es bei Krisen anwenden kann. - Positive Selbstgespräche, in denen man sich realistische Erinnerungen der eigenen Fähigkeiten und Stärken vor Augen führt. Dieses ist eine starke Waffe gegen das Gefühl des Übermanntwerdens. - Der Gedankenstop: wenn man alleine ist, kann man sich fest auf den Oberschenkel schlagen oder kneifen (es sollt schon etwas schmerzen) und „STOP“ rufen, während man sich bildlich ein rotes Stopp-Schild vorstellt. Danach ein positives Selbstgespräch beginnen oder die „AbstinenzKreditkarte“ (siehe hier unten) durch lesen. - Ablenkung: sich die Umgebung so beschreiben als würde man sie einem Blinden schildern. Man fängt ein Gespräch an, hört laut Musik und singt oder tanzt dazu, verlässt die gefährliche Situation, besucht jemanden, geht ins Kino, Sauna, liest ein Buch, spielt Konzentration fördernde Spiele (Puzzle, Brettspiele, Videospiele…). - Körperlich abreagieren: Dauerlauf, ein lautes Schreien in ein Kissen… - … Auch hier muss jeder einzelne für sich selbst herausfinden was für ihn persönlich am effizientesten ist. Die Abstinenz-Kreditkarte: 15 Wer abstinent leben will, sollte sich stets vergegenwärtigen können, warum und wozu er das möchte ! Aus den vielen angenehmen Befindlichkeitsveränderungen durch das Suchtmittel bleibt ein so genanntes „Suchtgedächtnis“ erhalten, das einem die Droge gelegentlich wieder positiv ins Bewusstsein treten lässt. Man nennt das „Verlangen“ und spürt es als Wunsch, Sehnsucht oder Traurigkeit. In solchen Momenten ist es gut, ein handfestes Stück Erinnerung dabei zu haben, das einem vor Augen führt, wozu die Abstinenz gut ist und welche Nachteile der Konsum haben wird. Es ist wichtig, dass man keine Argumente erfindet, sondern dass diese persönlich wichtig und markant sind. Sie müssen persönlich und einprägsam formuliert sein: NICHT Ich habe keinen Streit mit dem Partner Meine Gesundheit wird besser. SONDER Meine Beziehung bleibt liebevoll, ausgeglichen und gefestigt. Ich spüre an….dass es mir gesundheitlich gut geht Diese Gründe sollten in regelmäßigen Abständen untersucht und abgeändert werden, da diese Gründe mit der Zeit wechseln. Wenn ich abstinent lebe, dann : - achte ich mich selbst - fühle ich mich in der Arbeit wohl - freue ich mich auf sportlicher Aktivität - mache ich mir keine Vorwürfe - habe ich Selbstwertgefühl - fühl ich mich Frei - usw. Wenn ich wieder trinke, dann : - sehe ich die Verachtung in den Augen meiner Kinder - Werde ich von Kollegen geschnitten - bin ich gleichgültig und abgestumpft. - muss ich mich wieder verstecken - verliere ich was ich bis jetzt hart erreicht habe. - usw. Mindestens 2 Telefonnummern die in Krisensituationen gut zu erreichen sind. 16 Abstinenz und Tagebuch Führung: Zeiten, in denen man sich verändert, sind etwas Besonderes und man muss ausgesprochen aufmerksam auf sich selbst sein, um den neuen Kurs nicht aus den Augen zu verlieren. Ein therapeutisches Tagebuch soll Selbstbeobachtung, Sebstbewertung und damit letztlich Selbstverantwortung stärken. Es hilft beim Schreiben nachzudenken und Bilanz aus jedem Tag zu ziehen um daraus Rückschlüsse für die Planung der nächsten Zeit zu gewinnen. Es fördert also realistische Selbstwertung und aktive Lebensgestaltung. Am späten Abend lässt man die Ereignisse (Aktivitäten, Befinden, Gefühle, Probleme und deren Bewältigung, Pläne…) des Tages noch einmal in umgekehrter Reihenfolge an sich vorbeiziehen. Wichtig ist, dass man diese Rückschau mit allen positiven und negativen Aspekten möglichst gelassen Betrachtet, so als wäre es nicht einem selbst, sondern einem anderen geschehen. Man stellt fest, dass vieles sich mit einem gewissen zeitlichen Abstand wesentlich anders darstellt, als man zunächst glaubte. Man erlebt vor seinem geistigen Auge, dass der abgelaufene Tag nicht nur schlechte Seiten hatte. Eine solche Retrospektive sollte verhindern sich selbst Vorwürfe zu machen wegen einer eventuellen Fehlentscheidung, ein gewisses Verhalten oder Entscheidung die am Tag getroffen wurde zu verurteilen. Das Tagebuch soll also dazu dienen an Verhaltensweisen, Entscheidungen, Momente, Gefühle,… einfach an Dingen erinnern die in der Vergangenheit hilfreich waren um abstinent zu werden, bleiben und das Leben zu genießen. Es ist sehr hilfreich nachlesen zu können wie man sich das letzte Mal geholfen hat als man sich so schlecht gefühlt hat (bzw. falsch verhalten hat). Oder man kommt beim Lesen den unbeachteten Vorläufern der Verschlechterung auf die Spur, z.B. dass man sich immer wieder zuviel vornimmt oder aufladen lässt. 17 Denn in Notsituationen, verlässt unser Gedächtnis uns und wir sehen nur noch die schlechten Seiten des Lebens. Ein Schriftstück ist da gegen viel Hilfreicher, da wir das Geschriebene ja selbst notiert, mitgemacht, erlebt und Gefühlt haben. Abstinenz und Angst : Am Anfang einer Abstinenz ist es ganz normal, dass man eine Gewisse Angst hat. Die Angst vor dem neuen, unbekannten Leben und einem eventuellen Rückfall werden mit der Zeit abstumpfen. Ein abstinentes Leben bedarf eben einer klaren Entscheidung, die kein wenn oder aber toleriert ! Denn nur wenn ein Mensch einen definitiven Entschluss getroffen hat, wird er auch alles in seiner Macht stehende tun um seinen Entschluss auch zu vollbringen, sein Ziel zu erreichen. Man hat nur Angst, wenn man mit sich selbst nicht einig ist. (Herman Hesse) Nach einiger Zeit, entwickelt sich dann eine „positive Angst“ oder ein Respekt vor Alkohol und Rückfall. Es ist die gesunde Angst vor einen Rückfall, die man bei trockenen Alkoholikern mit einer puren Überlebens Angst vergleichen kann. Diese Angst ist nicht bedrückend oder all wertig, sondern sie ist eher im Unterbewusstsein präsent, sodass der Betroffene immer auf der Hut vor eventuellen Fallen sein wird. 18 Selbstkritik als selbst Überlistung - Anfang der Unehrlichkeit : Die Selbstkritik hat viel für sich, Gesetzt den Fall, ich tadle mich, so hab ich erstens den Gewinn, dass ich doch so bescheiden bin! Zum andern hoff’ ich außerdem, Auf Widerspruch, der mir genehm! Zum dritten schnapp’ ich diesen Bissen, vorweg den anderen Kritikussen, Und so kommt dann zuletzt heraus, Ich bin ein ganz famoses Haus! (Wilhelm Busch) In Gruppentherapien oder Selbsthilfegruppen hört man oft Selbstkritik. Und es ist berechtigt sich die Frage zu stellen was Personen die sich selbst als schlecht hinstellen oder sofort auf einen Ihrer schwachen Punkte hinweisen, damit erzielen wollen. „Wozu dient eigentlich diese Kritik ?“ Handelt es sich hier um ein offenes Bekenntnis und einer ehrlichen Aussage, die dazu verhelfen soll sich selbstkritisch da zu stellen und aus den Schwächen Lösungen zu finden, oder handelt es sich hierbei viel mehr um einer (un)bewussten (Selbst) Überlistung ? Möchte der Betroffene hiermit nur Mitleid oder Wiederspruch von den anderen Teilnehmern erhalten ? Dies wäre doch sicherlich der einfachste Weg um Anerkennung von den anderen zu gewinnen oder gar zu erzwingen und somit das Selbstwertgefühl zu steigern ? Und mangelndes Selbstwertgefühl ist doch bei den meisten Alkoholikern der Auslöser des Konsums gewesen. Bei Alkoholikern wird Alkohol oft eingesetzt 19 um „Mut anzutrinken“, Probleme zu vergessen (als sie zu lösen), Hemmungen zu nehmen um aufs andere Geschlecht zuzugehen,… Gefährlich bei einer solchen Strategie ist, dass man sein Selbstwertgefühl wieder von anderen Abhängig macht und es nicht alleine schafft sich selbst als wertbarer Mensch zu sehen. Als Abhängiger ist das Selbstwertgefühl am Boden, und man greift oft zum Suchtmittel um dies zu steigern und um seine Unsicherheit überspielen zu können. Daher ist es für den abstinenten Menschen wichtig sein Selbstwertgefühl nur noch von sich selbst abhängig zu machen. Er muss sich klar werden, dass er ein Mensch wie jeder andere ist, mit seinen Stärken und seinen Schwächen und dass weder Stoff, noch jemanden anders braucht um sich selbst und seine Entschlüsse zu bestätigen. RÜCKFALL : Das Thema Rückfall ist für den Abhängigen, sowie für sein Umfeld sicherlich das Hauptthema schlicht hin. Daher bedarf es hierfür auch einige Abschnitte die verschiedene Aspekte dieser Thematik betreffen. Meistens redet man, wenn man von Rückfall redet, von der Tat des Trinkens. Jedoch ist dies nur Spitze des Eisberges, sowie übrigens der Alkohol nur die Spitze der Suchtkrankheit Alkoholismus ist ! 20 DER RÜCKFALL BEGINNT IM KOPF SCHON LANGE VOR DEM TRIKEN ! (siehe auch Kapitel Trockenrausch) Auslöser können im ersten Jahr der Abstinenz der „Höhenrausch“ oder die Euphorie sein, weil man sich zu viel vornimmt, das Umsetzen dieser Ziele schwierig wird, oder nicht erreicht wird und sich somit eine Unzufriedenheit einstellt die wiederum ein Verlangen nach Erleichterung hervorruft (Konsum). Oder aber auch kann das Gegenteil der Fall sein, dass alles viel einfacher erscheint als man dachte, man sich durch alter Gewohnheit verführen lässt sich mit Stoff zu belohnen oder man der Meinung ist „so schwer war das doch gar nicht also war ich ja noch gar nicht so tief wie ich dachte, und wenn ich den Weg einmal geschafft habe, dann schaffe ich es auch ein nächstes mal wieder mit dem Trinken aufzuhören“. Der Betroffene kann Bezweifeln, dass er überhaupt Alkoholiker ist ! Anerkennung von Anderen ist für Abhängige sehr wichtig, doch diese bekommen sie, wenn überhaupt, nur anfangs für die abstinente Lebensführung. Mit der Zeit wird diese Lebensweise für die anderen selbstverständlich, so dass niemand mehr ein Lob dafür ausspricht was Enttäuschung bringt. Aus Enttäuschung und wohl wissend, dass man beim trocken werden wieder die Anerkennung bekommt wie vorher, trinkt man dann wieder. Ein Grund mehr sein Selbstwertgefühl nicht von anderen abhängig zu machen und sich selbst zu loben für Sachen die man geschafft hat. Der trockene Alkoholiker, sollte nicht vergessen, dass er stolz darauf sein kann das er es schafft trocken zu bleiben. Auch wenn es für sein Umfeld selbstverständlich ist nicht zu trinken, ist es aber, unter berügsichtigung seiner Krankheit eine wahre „Heldentat“. Die Sucht nach Anerkennung hat den Betroffenen immer wieder und immer weiter in seiner Suchtkrankheit hinein gezogen. Ein Rückfall „aus heiterem Himmel“ ist oft das Resultat anhäufender MiniStressoren, die jeder für sich lächerlich und bewältigbar erscheinen, die in der Häufung jedoch zermürbend und Kräfte raubend wirken. Auch hier kann ein Tagebuch von Nutzen sein, wo man immer nachlesen kann, was sich alles anhäuft. Hier ist es wichtig auf seine Gefühle zu hören und nicht auf die Fakten ! Denn was für den einen normal ist, kann für den anderen zu Stress führen. Auch sogenannt Kleinigkeiten können einen Rückfall mit sich ziehen. 21 Anzeichen für eine solche Entwicklung sind unauffällig und man spricht also von einem Rückfall aus heiterem Himmel. Jedoch handelt es sich hier um eine Vielzahl kleiner Bausteine, die zusammen einen Rückfall einleiten. Hinweise können sein: - immer häufigere Gründe, warum die SHG nicht besucht wird; gereizte Stimmung, Unduldsamkeit; abfällige Bemerkungen über andere Abhängige; Neidgefühle bei Geselligkeiten, auf die die Alkohol trinken; zunehmendes statt abnehmendes Selbstlob über die Leistung der bisherigen Abstinenzdauer; - Scheinbar unwesentliche Entscheidungen, wie z.B. Alkohol für eventuelle Gäste einkaufen, oder wieder mal einen Sauffreund aufzusuchen; - ein häufiges Gefühl, nur für andere da zu sein; - Erschöpfungszustände 22 - Gleichgültigkeit oder Rechthaberei in den Beziehungen zu den Mitmenschen; Vernachlässigung von Hobbys und Freunden; Zunehmende Hektik; Immer mehr arbeiten oder tun, ohne das sich eine echte Befriedigung einstellt; - Anhaltende Unzufriedenheit - so wie früher, sich um Probleme anderer kümmern und nicht um seine eigenen (da des ja viel einfacher und angenehmer ist) Rückfall Prävention. Es gibt sehr viel Bereiche in denen es „Katastrophenpläne“ gibt. Sei es bei Erdbeben, Gasexplosionen, Grossbrände, in Flughäfen, in Fußballstadien, bei Naturkatastrophen,… warum, also, sollte man sich denn nicht auch auf Saufdruck und Rückfallgefahr vorbereiten. In allen Kaufhäusern, öffentlichen Diensten, Diskotheken, usw. gibt es Notausgänge die vor einer Katastrophe bewahren sollen. Den gleichen Zweck soll ein Rückfall Vorbeugungsplan haben ! So ein Plan sollte ein trockener Alkoholiker auch für einen eventuellen Konsum Druck, Rückfallgefahr vorbereiten. Wenn es denn mal unverhofft soweit kommen sollte, hat man sofort etwas zur Hand liegen was man anwenden kann und man weiss direkt was nun zu tun ist und was besser zu unterlassen ist. Das Wort „Rückfall“ verkürzt etwas, was man tut, fühlt und denkt, auf einen Begriff. Man spricht oft von „Rückfall“, als wenn einem ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen sei! Viel wichtiger ist es genau zu beschreiben, was abgelaufen ist, als den Vorgang unter „Rückfall“ abzulegen. Vor allem, was gefühlsmäßig in uns vorgegangen ist. Von Rückfall kann man nur reden, wenn jemand vorher Erfolg darin hatte, ein ungewolltes Verhalten zu verändern. Die häufigsten Anlässe für Rückfälle sind nicht Überredung anderer zu trinken, Streit oder Zweifel an der Schwäche gegenüber dem Suchtmittel sondern unangenehme Gefühle, wie z.B., Ärger, Einsamkeit, Niedergeschlagenheit, 23 Angst, Gereiztheit, Gekränkt sein, Stimmungsschwankungen, Gefühle der Sinnlosigkeit und Leere, Anspannung und Nervosität. Die meisten Rückfälle geschehen auch nicht auf Festen oder in Kneipen, sondern zu Hause… alleine! Die meisten Rückfälle passieren auch nicht, wie man immer behauptet, unverhofft und aus heiterem Himmel ! Die meisten Rückfälle sind vorbereitet und haben alle ein Vorgeschichte die den Konsum erahnen liessen, hätte man nur selbstehrlich auf alle Vorreiter aufgepasst ! Bei jedem Rückfall gilt folgendes: - Man sollte ihn ernst nehmen, auch wenn daraus (noch) keine Katastrophe geworden ist! - Man sollte ihn als mögliches Zeichen interpretieren, dass eine Lebensaufgabe nicht gelöst ist oder ein Ereignis nicht angemessen beachtet wurde. - Er ist ein Beweis, dass man noch nicht alle seine Verhalten angepasst hat, bzw. das gewisse Probleme (bewusst oder unbewusst) noch nicht angepackt worden sind, und logischerweise auch noch keine Lösung gefunden haben. - Man sollte sofort Außenstehende hinzuziehen, die einem helfen wofür man selbst ein Black out, bzw. keine Erklärung oder Antwort hat und nicht neutral gegenüber steht. Der Betroffene selbst, kann dem Ereignis gegen über nicht neutral sein, da es hier ja um ihn selbst geht. - Man sollte alles in den Vordergrund stellen, was zur Abstinezsicherung beiträgt, also nicht zur Tagesordnung übergehen und das unliebsame Dumme Ereignis vergisst. - Notwendige Entscheidungen noch nicht getroffen wurden, Probleme noch nicht angepackt wurden. Zwischen der Prävention eines Rückfalles und der Stabilisierung der Abstinenz bestehen eigentlich keine riesigen Unterschiede, da das eine mit dem anderen logischerweise verbunden ist. Hier ein Ausschnitt aus dem kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry, wo jede Silbe zur Vorbeugung und zur Stabilisierung beiträgt und deren jeder einzelne Satz ein Kapitel für sich verdienen würde : 24 Ich bitte nicht um Wunder und Visionen sondern um Kraft für den Alltag: Mach mich findig und erfinderisch, um im täglichen Vielerlei und Allerlei rechtzeitig meine Erkenntnisse und Erfahrungen zu notieren, von denen ich betroffen bin. Mach mich griffsicher in der richtigen Zeiteinteilung. Schenke mir das Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, was erstrangig und was zweitrangig ist. Lass mich erkennen, dass Träume nicht weiterhelfen, weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft. Hilf mir, das Nächste so gut wie möglich zu tun und die jetzige Stunde als wichtigste zu erkennen. Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles glatt gehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugaben sind, durch die wir wachsen und reifen. Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt -. Schicke mir im rechten Augenblick jemand, der den Mut hat, mir die Wahrheit zu sagen. Ich möchte es schaffen die anderen immer aussprechen zu lassen, denn die Wahrheit sagt man sich nicht selbst, sie wird einem gesagt. Ich weiß, wie sehr wir der Freundschaft bedürfen. Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten, riskantesten und zartesten Geschäft des Lebens gewachsen bin. Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte. ( St-Exupery) 25 Stabilisierung der Abstinenz : Die wichtigsten psychologischen Bedingungen für eine Abstinenz sind: 1. Selbstachtung 2. Die Fähigkeit, herzliche Beziehungen zu anderen einzugehen 3. Sich für das eigene Leben verantwortlich Fühlen. 4. Bereitschaft Probleme anzusprechen, Lösungen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Langfristig abstinent bleibt meist nur der, der seinen Lebensstil in diesem Sinne ausgewogen gestaltet und der sich dann auch nicht auf diesen Lorbeeren ausruht, sondern selbstverantwortlich sein Leben weitergestaltet. Mit anderen Worten immer am Ball bleibt! Was sollte man, dabei beachten? 1. In der Anfangszeit der Abstinenz tut ein „Sicherheitsabstand“ zum Trinken sicherlich gut! Biergärten, Weinfeste, Stammtische, Frühschoppen, Faschings- oder Oktoberfeste…sollten besser gemieden werden. Als einzig Nüchterner fühlt man sich in einem Kreis zunehmend Betrunkenwerdender ohnehin nicht wohl. (Wie beim Autofahren, hat der Sicherheitsabstand nichts mit Ängstlichkeit oder Unfähigkeit zu tun, sondern mit aus Erfahrung geborener Sebstverantwortlichkeit). 2. Man benötigt positive Ziele (nicht Gründe), für die es sich lohnt, abstinent zu leben. Abstinenz selbst ist nämlich kein Ziel an sich, denn Abstinenz ist etwas was man nicht tut, d.h. nicht Trinken. Positive Ziele sind solche, die von sich aus dazu beitragen, dass die Abstinenz immer selbstverständlicher wird: aktive Freizeitgestaltung, Selbstständigkeit, erhöhtes Selbstwertgefühl gute Laune, Freiheit… So ein Ziel ist persönlich und soll befriedigend sein, denn Ziele wie Führerschein machen, Arbeit oder Partner finden,… sind nur kurzfristig wirksam, bis zum Tag wo das Ziel erreicht wird. Man sollte bei seiner Lebensgestaltung darauf achten, dass ein gesundes Verhältnis zwischen dem, was man soll, und dem, was man will, erreicht wird. Denn jemand der zuviel als „muss“, „soll“ oder Pflicht erlebt, glaubt leicht sich als Ausgleich „sich etwas genehmigen zu dürfen“. 3. Es bedarf einer realistischen Selbsteinschätzung, um die Ziele nicht zu hoch oder zu niedrig zu setzen und somit sich enttäuscht oder gelangweilt zu fühlen. Eine solche realistische Einschätzung ermöglicht die Rückmeldungen einer 26 Gruppe, da die Mitglieder eine neutralere Sicht auf die Person haben als die Person selbst. Zentral für das Selbstbild ist das Anerkennen der eigenen Unfähigkeit mit Suchtmitteln umgehen zu können. 4. Man muss etwas für sich und seine Ziele tun. Das Heute so aktiv gestallten damit die Ziele auch erreicht werden. Aktivität bedeutet aber auch, dass man sich selbst weiterentwickelt indem man positiv denkt und handelt, zu seinen eigenen Gefühlen steht und sie direkt äußert, Vermeidungsverhalten unterbindet, auf andere Menschen zugeht, regelmäßig etwas für sein körperliches und seelisches Wohlbefinden tut, Ehrlichkeit und Klarheit zur Richtschnur macht. Jede Abweichung davon sollte als Warnsignal betrachtet werden, das Anlass zur Selbstüberprüfung ist. Es geht hier um „den Mut Dinge zu ändern, die Man ändern kann“ bzw., alles zu tun was man tun kann um eine Situation in der Richtung einzuleiten die unseren Zielen und Vorsätzen entspricht. 5. Man muss die Gelassenheit haben anzuerkennen, das es Dinge gibt die man nicht ändern kann und daraus die Konsequenzen ziehen. Wenn die Umwelt anders ist, als ich sie haben möchte, ich sie aber trotz meiner Versuche nicht ändern kann, dann habe ich die Wahl mir mein Leben zu vermiesen oder aber die Umstände einfach hinzunehmen. 6. Man sollte sich die Zeit nehmen, während einer Therapie (und/oder außerhalb), zum „Rückfallbau im Sandkasten“, nämlich zum trockenen Durchdenken von ganz persönlichen Rückfallmöglichkeiten: „Unter welchen Umständen habe ich in meinem Leben schon einmal einen Vorsatz (Treue, abnehmen, Sporttreiben…) abgeändert? Was könnte meinen Vorsatz erschüttern? Zu welcher Art Unausgewogenheit des Lebensstils neige ich? Schone oder überfordere ich mich zu viel? Welche meiner Charakterzüge (positiven und negativen) könnten mich in welcher Zwickmühle bringen? In welchen Momenten wird in mir der Wunsch nach Belohnung war, woran merke ich das und wie gehe ich damit um, was mache ich? …“ „Ich lebe im Heute, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Zukunft vorzubereiten!“ (A. Huxley) 27 Vieles von dem hier oben genanten findet man auch, im „Gelassenheitsspruch“: Gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden! (R. Niebuhr) Eins steht in unserer Gewalt, und ein anderes nicht. In unserer Gewalt steht unser Denken, unser Tun, unser Begehren, unser Meiden – alles was von uns selber kommt. Nicht in unserer Gewalt steht unser Leib, unser Habe, unser Ansehen, unsere äußere Stellung – alles was nicht von uns selber kommt (groß, klein, schwächlich, korpulenter…) Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschst, sondern sei zufrieden, dass es so geschieht, wie es geschieht. So lange du selbstkritisch von dir behaupten kannst, dass du alles getan hast was in deiner macht steht um den Verlauf so zu beeinflussen wie du es gerne möchtest, dann wirst du in Ruhe leben können. (Kipling) 28 Rückfall ! Und was nun ??? Gegen das Fehlschlagen eines Planes gibt es keinen besseren Trost, als auf der Stelle einen neuen zu machen oder bereitzuhalten! An die bereits erzielten Erfolge der Vergangenheit anknüpfen und wieder das tun, was einen schon abstinent leben ließ. Aus eigener Erfahrung weiß man was alles nicht mehr hilft, wenn man mit dem Trinken angefangen hat. Und dieses Wissen ist ein Wertvolles Gut! Kann aber auch eine Gefahr sein, wenn man die Hoffnung aufgibt und immer weiter trinkt „weil ja eh nichts nützt“. Wo Fehler sind, da ist auch Erfahrung! (A. Tschechow). Falsch ist anzunehmen, dass Rückfall gleich Rückfall ist der schicksalsartig Macht über einen ergreift. Nehmen wir, zur Parallelen, der Ausbruch eines Waldbrandes. Nach Ausbruch besteht eine große Gefahr, dass dieser sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet. Auf der anderen Seite wird dies aber umso wahrscheinlicher, je eher die beteiligten Feuerwehrmänner daran glauben, dass dies so sein muss und infolgedessen überhaupt keine Hilfeleistung versuchen. Das 1. Hindernis für jede Selbsthilfe ist der Betroffene also selbst, indem er der Überzeugung ist, dass es zu Spät und Hoffnungslos ist! Es gibt Stunden, Tage, da stehst du dir selbst im Weg, wie eine Schranke. Doch du gehst nicht beiseite, nicht einen Schritt, um dich durchzulassen, weil du nicht siehst (gar sehen willst), dass du selbst die Schranke bist, die dir Einhalt gebietet. 29 Zu häufig suchen wir woanders nach den Wegversprerrern! Da dies einfachen und angenehmer ist. (K. Wybranietz) Auch wenn man sich den Rückfall nicht gleich erklären kann, gibt es immer Gründe dafür. Wenn man diese Vorgänge nicht durchschaut, wird man sich hilflos fühlen und die Kontrolle ganz aufgeben. Wenn man jedoch den Anfang des roten Fadens oder ein Verhalten erkennt, dann bekommt ein Rückfall womöglich einen verborgenen Sinn. Der Keim liegt oft im Lebensstil und den damit verknüpften Erwartungen an sich selbst, an andere und das Leben. Wenn man Rückfällig ist, muss man sich sofort folgendes sagen: „Ich höre jetzt sofort mit dem Trinken auf und nehme mir Zeit, folgende Dinge zu überdenken“: 1. Ich weiß: Ein Glas heißt nicht, dass ich weiter trinken muss! Ich kann jetzt noch aufhören. Dazu muss ich ehrlich und einsichtig sein (In den nächsten Tagen gehe ich nicht mehr alleine aus…). 2. Wenn ich Schwierigkeiten habe oder der Versuchung nicht widerstehen kann, rufe ich jetzt sofort jemanden aus der Gruppe an. Diese Nummer(n) trage ich immer bei mir, genauso wie meine Abstinenz-Kreditkarte. Ich gehe jetzt auf jeden Fall erst einmal weg von hier und lese meine Argumente aus der „Kreditkarte“ laut für mich vor. 3. Dass ich jetzt getrunken habe, heißt nicht, dass ich völlig versagt habe und dass ich nun die Kontrolle über mein Trinken für alle Zeit verlieren muss. Aber in jedem Fall bringe ich mich jetzt erst einmal in Sicherheit, soweit weg wie möglich von allen Rückfallauslösern. 4. Auch wenn ich gegen meinen Vorsatz zur Abstinenz verstoßen habe und mich schuldig fühle, kann ich das Gefühl des Versagens verringern, indem ich jetzt aufhöre. Schuld, Scham oder Enttäuschung sind kein Grund weiter 30 zu Trinken. Heute ist der erste Tag vom Rest meines (abstinenten)Lebens! 5. Was kann ich jetzt daraus lernen ? Woran lag es, dass ich getrunken habe ? Was habe ich (un)bewusst vom Konsum erwartet ? Warum gerade jetzt ? Welches unabgeänderte Verhalten (welche ungelöste Aufgabe) wird dadurch deutlich ? Welche hinausgezögerte Entscheidung wird jetzt noch dringender ? Wie hätte ich mich anders verhalten können, damit es nicht zum Trinken gekommen wäre. In den meisten Fällen wird das erste Glas nicht aus Unachtsamkeit (wie oft behauptet) getrunken, sonder um sich zu berauschen. Das vorgebliche Ausprobieren, ob man nicht doch kontrolliert trinken könne, ist meistens nichts anderes als eine anfängliche Beruhigung des Gewissens („ich bin doch kein Alkoholiker“), das den Saufdruck überspielen soll. Falls nicht sofort reagiert wurde, gelten, die obigen Schritte auch am nächsten Tag noch. Lassen Sie sich nicht leichtfertig auf einen Rückfall ein, weil Sie glauben, mit Hilfe der Ratschläge immer wieder raus zu kommen. Trotz Katastrophenpläne und guten Willen seitens der Feuerwehrmänner, sind im World Trade Centre trotzdem viele Menschen ums Leben gekommen und ganze Wälder brennen jährlich bei Waldbränden nieder… Der Trockenrausch und das Flashback. Der Trockenrausch ist kein wirklicher Rausch ohne Alkohol sondern ein Ausbleiben einer Änderung im Verhalten. Das „Flashback“, hingegen ist ein sogenannter befindlichkeits Zustand wie ein Rausch aber ohne Alkohol. Oder aber wie eine plötzliche Gefühlslage die man während der Zeit des Konsum kannte und die man jetzt wieder erfährt (z.B. Unsicherheit, Zittern, Schweißausbrüche, …). Also wie eine Erinnerung an Bekanntem. 31 Ein Trockenrausch ist ein Warnsignal für einen drohenden „nassen“ Rausch! Hier einige Verhaltensweisen für einen Trockenrausch : Ein Kennzeichen für einen Trockenrausch kann großspuriges Benehmen sein. Dieses Benehmen artet in einem selbst überschätzenden Verhalten aus, das andere verletzt und das man selbst jedoch als komisch (lustig) findet. Zum Beispiel auf Kosten andere, Eindrücke schinden, seine Fähigkeiten überschätzen, über seine Mittel leben. Eng verbunden sind hier kleine Lügen und die Unehrlichkeiten, Lügen die im Prinzip unnötig sind, da es eben so einfach wäre die Wahrheit zu sagen. Hinzu kann es zu strengen und fertigen Urteilen anderen gegenüber kommen. Man geht mit den anderen eben so hart ins Gericht als mit sich selbst und mit dem trinken und man kennt nur noch „gut/schlecht, Lieb/böse, alles oder nichts denken…“ ein streben nach Perfektionismus. Ungeduld und Maßlosigkeit prägen ebenfalls einen Trockenrausch so dass, man sofortige Belohnungen und/oder augenblickliche Erleichterung erwartet. Es folgen Gefühle wie Zorn, Niedergeschlagenheit oder Maßlosigkeit beim Essen oder Arbeiten, wenn gesuchte Erfüllung nicht schnell genug kommt. Schnelles beleidigt sein und „sich ungerecht behandelt fühlen“ tritt beim Trockenrausch auch oft auf. Man ist verletzt, wenn jemand einen nicht wichtig nimmt, nicht beachtet oder kalt reagiert. Personen aus dem Umfeld bekommen sehr schnell Schuldgefühle und Ärger mit dem Alkoholiker der in einer solchen Phase ist. 32 Auflösung Rätsel Seite : Zum Abschluss,eine kleine Geschichte: Ein Bauer zog mit seinem Sohn und seinem alten Pferd in der Hitze des Mittags in die Stadt. Der Vater saß auf dem Pferd, das der Junge führte. „Der arme Junge“ sagte da ein Vorübergehender. „Seine kurzen Beinchen versuchen mit dem Tempo des Pferds Schritt zu halten. Wie kann man so faul auf dem Pferd herumsitzen, wenn man sieht, wie das Kind sich müde läuft. “ Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen. Gar nicht lange dauert es, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine Stimme: “ So eine Unverschämtheit. Sitzt doch der kleine Bengel wie ein König auf dem Pferd, während sein armer alter Vater nebenher läuft.“ Dies schmerzte den Jungen und er bat den Vater, sich hinter ihm aufs Pferd zu setzen. „Hat man so etwas schon gesehen?“ hörten sie eine Frau rufen, 33 „solche Tierquälerei! Der armen alten Schindmähre hängt der Rücken durch, und der alte und der junge Nichtsnutz ruhen sich auf ihr aus, als wäre sie ein Sofa, die arme Kreatur! “ Die Gescholtenen schauten sich an und stiegen beide, ohne ein Wort zu sagen vom Pferd herunter. Kaum waren sie wenige Schritte neben dem Tier hergegangen, machte sich ein Fremder über sie lustig: “So dumm möchte ich auch mal sein. Wozu führt Ihr denn das Pferd spazieren, wenn es nichts leistet, Euch keinen Nutzen bringt und noch nicht einmal einen von Euch trägt?“ Der Vater schob dem Pferd eine Handvoll Hafer ins Maul und legte seine Hand auf die Schulter des Sohnes: “Gleichgültig, was wir machen, “ sagte er, „ es findet sich immer jemand, der damit nicht einverstanden ist. Ich glaube, wir müssen selbst wissen und tun, was wir für richtig halten!“ (St-Exupery) 34