Der Fiskalpakt sieht nationale Schuldenbremsen und

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Grenz-Echo
29.04.2013
Stabilitätsvertrag: DG-Parlament verschiebt Abstimmung und arbeitet an
Resolutionsvorschlag - Ecolo und Vivant werden dagegen stimmen
Fiskalpakt verursacht Bauchschmerzen
Der Fiskalpakt sieht nationale Schuldenbremsen und automatische Sanktionen für
Haushaltssünder vor. Das Vertragswerk ist in den letzten Monaten aber in die Kritik geraten.
Auch viele Parlamentarier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft haben Bauchschmerzen.
Die Abstimmung wurde aus diesem Grund verschoben. Foto: dpa
Von Christian Schmitz
Die Diskussionen um den Europäischen Fiskalpakt haben das Parlament der DG (PDG)
erreicht. Weil sich viele Abgeordnete am Kaperberg schwer tun, wurde die Abstimmung ursprünglich für heute Nachmittag geplant - verschoben.
Der Fiskalpakt sieht nationale Schuldenbremsen und Sanktionen für Haushaltssünder vor. Auf
diese Weise - so hoffen die Befürworter - soll verlorenes Vertrauen der Finanzmärkte
zurückerobert werden. Die Gegner argumentieren, die vertraglich festgelegte Sparpolitik
mache die Regierungen handlungsunfähig und zerstöre die Errungenschaften des
Sozialstaates.
Servaty: „Die Bedenken gehen nicht spurlos an einem vorbei.“
Im Rahmen von mehreren Anhörungen hat sich das PDG mit dem Fiskalpakt befasst. Viele
Abgeordnete der Mehrheitsfraktionen (SP, PFF und ProDG) haben spätestens seitdem
Bauschmerzen. „Die Absichten des Fiskalpaktes sind nicht schlecht, aber die Folgewirkungen
mehr als problematisch“, meinte beispielsweise SP-Fraktionschef Charles Servaty. Allerdings
habe man kaum eine Wahl, denn ein Nein des DG-Parlamentes könnte schwerwiegende
Folgen haben. Denn der Fiskalpakt ist mit dem Rettungsschirm ESM verknüpft. ESM-Hilfen
erhalten demnach nur die Euro-Länder, die auch den neuen Pakt unterzeichnet haben. Da
Belgien in Sachen Finanzen alles andere als ein europäischer Musterknabe ist, möchte man
sich diesen Ausweg unbedingt offen halten.
Vor diesem Hintergrund erfolge die Zustimmung aus „Staatsräson“, aber nicht etwa aus
inhaltlicher Überzeugung, erklärte Servaty. Mit einer ähnlichen Begründung hatte die
Koalition im März 2012 grünes Licht für den ESM gegeben. „Doch die Bedenken, die in den
Anhörungen zum Fiskalpakt geäußert wurden, die aber auch von der Basis an uns
herangetragen wurden, gehen nicht spurlos an einem vorbei“, gesteht der SP-Sprecher.
Ähnlich sieht dies Parlamentspräsident Alexander Miesen (PFF). Besonders problematisch ist
in seinen Augen, dass man den Text so hinnehmen müsse, wie er ist. Änderungen seien nicht
möglich. „Für die Haushalts- und Schuldenpolitik muss es klare Regeln geben, und diese
müssen auch eingehalten werden.“ Doch sei es kritisch zu bewerten, wenn öffentliche
Körperschaften ihre Investitionskapazität einbüßen müssten.
Alfons Velz, Fraktionsvorsitzender von ProDG, argumentiert in die gleiche Richtung. Er
unterscheidet zwischen „guten“ und „schlechten“ Schulden: „Gute Schulden für
gesellschaftlich relevante Investitionen und schlechte Schulden, damit laufende Haushalte
ausgeglichen werden können.“
Zustimmung erfolgt aus „Staatsräson“, aber nicht aus inhaltlicher Überzeugung.
Diesen wichtigen Unterschied berücksichtige der Fiskalpakt nicht. „Dass man nicht so
weiterwirtschaften kann wie bisher, ist klar. Aber ob der Fiskalpakt der richtige und einzig
mögliche Weg ist, um dies zu ändern, bezweifeln wir.“ Um das beschriebene Dilemma auch
öffentlich deutlich zu machen, wird an einem Resolutionstext gearbeitet, der im DGParlament parallel zum Fiskalpakt verabschiedet werden soll. Darin wird an die gefährdete
Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand erinnert. Diese Bedenken sollen bei der Umsetzung
eine Rolle spielen.
Die CSP hatte im letzten Jahr aus der Opposition heraus Ja zum ESM gesagt. Und auch
diesmal dürften die Christlich-Sozialen zustimmen. Sie haben selbst einen
Resolutionsvorschlag unterbreitet, der als Diskussionsgrundlage im zuständigen PDGAusschuss dienen soll. Darin schlägt die CSP etwa vor, dass ein „echter europäischer
Stabilitätsvertrag“ unter Beteiligung des EU-Parlaments erarbeitet wird: „Wir erhoffen uns
davon keine europäische Revolution. Wir möchten aber die Stimme nutzen, die unserem
Parlament in diesem Kontext gegeben ist“, sagte CSP-Fraktionssprecher Pascal Arimont. „Ich
möchte der Diskussion innerhalb meiner Fraktion nicht vorgreifen. Diese wird nämlich jetzt
bereits sehr kontrovers geführt. Natürlich ist es so, dass uns Haushaltsdisziplin wichtig ist.
Andererseits halten wir nötige Investitionen in Bereiche, die Arbeitsplätze schaffen und unser
Bildungs- und Sozialsystem sichern, für unverzichtbar“, meint Arimont. „Mir persönlich ist
klar, dass wir die DG insgesamt in eine unmögliche Situation bringen würden, wenn die
Ratifikation an uns scheitern würde.“ Die CSP stehe zu der Idee der Haushaltsdisziplin, doch
sei der Fiskalpakt zu eineinseitig und zu starr ausgerichtet. „Stabilität ist wichtig. Sie kann
aber nicht allein an einem Nulldefizit gemessen werden.“
Vor einem Jahr war die Haltung der Ecolo-Fraktion bei der Abstimmung über den ESM
gepalten. Diesmal kündigte Ecolo ein geschlossenes Nein an, während die frankophone
Schwesterpartei beim ebenfalls noch ausstehenden Votum im wallonischen
Regionalparlament mit Ja stimmen wird. „Wir haben uns in der DG für einen eigenständigen
Weg entschieden. Bei der jetzt geplanten Resolution scheint es sich um einen Versuch der
DG-Mehrheit zu handeln, ihr Gesicht zu wahren“, vermutet Ecolo-Parlamentarier Karl-Heinz
Braun. Fiskalpakt und Resolution seien zwei unabhängige Dokumente, während in der
Wallonie versucht werde, Vertrag und Abstimmungsbegründung zusammenzupacken, um
Bedenken stärker zum Ausdruck zu bringen. Karl-Heinz Braun hofft, dass der Fiskalpakt
wieder rückgängig gemacht wird. Schließlich werde das „Spardiktat“ inzwischen sogar von
hochrangigen Vertretern des IWF und der EU infrage gestellt.
Ohne Wenn und Aber dagegen ist die Vivant-Fraktion. Sprecher Michael Balter bezeichnet
den Fiskalpakt als „Streichholz, das die Sache zum Brennen bringt.“ Die Mehrheit habe sich
bei der damaligen ESM-Abstimmung auf die „Bündnistreue“ berufen und hinter dem
Föderalstaat „versteckt“. „Dieses Argument zieht nun aber nicht mehr, da die Kammer noch
gar nicht abgestimmt hat. Ohnehin ist jedes Parlament für sich genommen souverän und kann
frei entscheiden.“ Er kritisiert die „katastrophalen Folgen“ und die „Untergrabung des
nationalen Haushaltsrechtes“: „Viele sagen, Belgien bekomme große Probleme, wenn wir
Nein zum Fiskalpakt sagen. Ich sage dagegen: Europa bekommt große Probleme, wenn wir Ja
sagen.“
Die Debatte in der Kammer in Brüssel wird in Kürze starten.
Übrigens sollen die Debatten über den Fiskalpakt in der Kammer in Brüssel in Kürze
beginnen, auch wenn es keine „Deadline“ gebe, wie die Föderalabgeordnete Kattrin Jadin
(PFF/MR) mitteilte. „Dem Inhalt stehen viele Kollegen hier sehr verhalten gegenüber“,
betonte sie. Diskutiert werde über den möglichen Souveränitätsverlust des Staates, aber auch
über verschiedene Formen der Umsetzung (Verankerung in der Verfassung oder über ein
Sondergesetz).
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