Medieninfo Villach 1985 „the week that climate changed“ Es war im Oktober 1985 und es passierte im verschlafenen österreichischen Kurort Villach…, so beginnt der Artikel „the week that climate changed“ im New Scientist geschrieben vor 10 Jahren. So könnte aber auch unseren Enkelkindern die Geschichte des Klimawandels erzählt werden. Warum Villach in die Klimageschichte einging, stand im Mittelpunkt der Tagung „30 Jahre Weltklima Konferenz Villach - von Villach nach Paris“. Wien (26. November 2015) Schon bei der Bewerbung und Vorbereitung der Veranstaltung gab es immer wieder ungläubiges Staunen, da keiner glauben wollte, dass in Villach Klimageschichte geschrieben wurde. „Warum in Villach?“, eine Frage, die wir nicht so richtig beantworten konnten. Also suchten wir jemand, der uns das vielleicht erklären konnte. Und wir fanden Jill Jäger. Mitte November besuchten aus diesem Grund auf Einladung von Stadt Villach, Land Kärnten und Klimabündnis etwa 150 TeilnehmerInnen die Tagung „30 Jahre Weltklima Konferenz Villach - von Villach nach Paris“. Im Paracelsus Saal im Rathaus von Villach kam es zum intensiven Erfahrungsaustausch mit den KlimaexpertInnen Jill Jäger, Gottfried Kirchengast, Karl Steininger. „Erstmals in der Geschichte ist der Mensch dabei das Weltklima zu ändern!“ Mit dieser Erkenntnis formulierten 1985 die Klimaforscher eingeladen von der World Meteorological Organization (WMO), des United Nations Environment Programme (UNEP) und des International Council for Science (ICSU) in Villach ihre Schlussfolgerung. Gemeinsam forderten sie vor 30 Jahren Wirtschaft und Politik auf, Maßnahmen zum Klimaschutz zu setzen. “There were no journalists present, and no headlines afterwards.” Abseits der Weltöffentlichkeit trafen sich 89 anerkannte Klimaforscher aus aller Welt in Villach. Ohne Presserummel - nicht einmal Fotos gibt es in den Archiven. Vom 9. bis 15 Oktober 1985, also eine ganze Woche, diskutierten die damaligen Koryphäen der Klimaforschung wie zum Beispiel Bert Bolin, Syukuro Manabe, Roger Revelle, Phil Jones, Hans Oeschger die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft. So unbeachtet sie damals war, so „legendär“ ist sie für die Fachgeschichte heute: Die Klimakonferenz von 1985 gilt heute als Meilenstein in der Klimadebatte. Im Bestseller „Wir Wettermacher“ von Tim Flannery heißt nicht umsonst eine Kapitelüberschrift „Der Weg nach Kyoto - Von Villach bis Rio sieht es gut aus“. Villach: Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten „Bis zu jenem Zeitpunkt sprach man vom CO2-Problem und sagte eine wesentliche Erderwärmung erst für das Ende des 21. Jahrhunderts voraus. In Villach erkannte man die Rolle von Treibhausgasen wie Methan, Ozon oder Fluorchlorkohlenwasserstoffen und zeigte, dass sich durch ihre Zusammenwirkung die Erderwärmung deutlich schneller bemerkbar machen wird, “ erinnert sich Jill Jäger, die 1985 in Villach dabei war. Sie war intensiv mit den Vorbereitungen der Konferenz beschäftigt und flog aus Deutschland nach Kärnten. "Fliegen war damals noch nicht auf der Liste jener Dinge, die als umweltschädlich galten." Dreißig Jahre später reiste sie klimafreundlich mit dem Zug nach Kärnten. Jill Jäger erzählte von drei Treffen der Klimawissenschaftler, die in Villach stattfanden: „Schon 1980 gab es einen ersten Workshop in Villach und 1987 gab es noch ein intensives Arbeitstreffen der Forscher.“ Jill Jäger war damals eine der wenigen Frauen, die als Forscherin an der Konferenz teilnahm. Und sie ist die einzige Frau auf dem Globus Erde, die als Insider bei allen maßgeblichen Klimakonferenzen zwischen 1979 und 1990 dabei war. Als Vortragende und Mitglied des Organisationskomitees nahm sie 1979 an der Weltklimakonferenz in Genf teil, deren Schlussfolgerung war: Die menschlichen Aktivitäten könnten regionale und globale Veränderungen des Klimas verursachen. Die Betonung lag 1979 auf „könnte“. Zwei Botschaften von Villach 1985 waren wesentlich. Erstens wurde dort eine Studie vorgestellt, die aufgrund neuer Berechnungsmodelle zeigte, dass die Erderwärmung nicht erst am Ende des 21. Jahrhundert spürbar würde, sondern binnen weniger Jahrzehnte. Zweitens appellierten die Forschenden erstmals klar an die Politik, etwas gegen die Treibhausgas-Emissionen zu unternehmen. Die Folge: 1992 wurde die Klimakonvention beschlossen - der erste internationale Klimaschutzvertrag, unterzeichnet von 154 Staaten. "Ein Grund, warum die Konferenz in Villach zum Erfolg wurde, ist die Tatsache, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht als Regierungsvertreter gekommen sind. Sie kamen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Man konnte offen über das Problem und mögliche Lösungen sprechen, ohne unter Druck zu kommen, etwas aus politischen Gründen nicht sagen zu können", sagt Jill Jäger. Die Treffen in Villach führten dazu, dass die Regierungen 1988 beschlossen den IPCC zu gründen. Es war ein Jahr nach dem letzten Treffen in Villach, das vom 28. September bis 2. Oktober 1987 stattfand. Das Arbeitstreffen 1987 hatte den Titel „Developing policies for respondig to climate change“. Im Oktober 2014 erinnerte die BBC mit der Radiosendung „Climate change: the early years“ an Villach. Grundtenor der Sendung: „In 1985, 89 leading scientists from around the world met in Villach, Austria, in what is seen as a turning point in the history of climate change. Their call for urgent action led to the formation of the Intergovernmental Panel on Climate Change and put pressure on world leaders for a global treaty on reducing greenhouse gas emissions.” Conference Statement von Villach 1985: Es wird erwartet, dass die zunehmende Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu einer wesentlichen Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten führen werden. Die Höhe der Erwärmung kann von der Politik stark beeinflusst werden. Die Empfehlung der KonferenzteilnehmerInnen: Die Schlussfolgerungen der Konferenz sollten in der Umwelt-, Sozial-, Wirtschaft und Entwicklungspolitik beachtet werden. Und last but not least: Die Gesellschaft muss informiert werden! So ist es nicht vermessen, wenn Günther Albel, der Bürgermeister der Stadt Villach sagt: „Der Weckruf kam aus Villach. Es war die Elite der Klimaforscher, die sich vor 30 Jahren bei uns traf um der Welt mitzuteilen, der Mensch ändert erstmals in der Geschichte das Weltklima!" Univ. Prof Gottfried Kirchengast, der 2005 das Wegener Center für Klima und Globalen Wandel in Graz begründete, schloss nahtlos an die historischen Ausführungen von Jill Jäger an. Inzwischen arbeiten weltweit tausende WissenschafterInnen am Thema Klimawandel. Am Wegener Center und der Universität Graz vernetzen sich in Summe mehr als 300 WissenschaftlerInnen in einem gemeinsamen Forschungsschwerpunkt. Forschungsgruppen aus Geo- und Klimaphysik, Meteorologie, Volkswirtschaftslehre, Geografie und Regionalforschung, Nachhaltigkeitsforschung, Klimaethik und weiteren Bereichen suchen gemeinsam nach Lösungsansätzen auf profunder wissenschaftlicher Basis. Die Klimaforschung ist in der Lage den Zusammenhang zwischen Zunahme der CO2 Konzentration in der Atmosphäre und Temperaturanstieg wissenschaftlich evident nachzuweisen. „Nur etwa 1% der durch die Treibhausgase zusätzlich absorbierten Strahlungsenergie der Sonne erwärmt direkt die Atmosphäre, mehr als 90% der Wärme wird über das Wasser der Ozeane gespeichert“, warnt Kirchengast: „In den Ozeanen versteckt sich das Temperatursignal!“ Bis 2050 stehen in Österreich besonders Kärnten und Steiermark vor einer besonderen Herausforderung, weil hier die Durchschnittstemperatur bereits um mehr als 2° gestiegen ist. Die nächsten Jahrzehnte werden beispielsweise für die Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft eine große Herausforderung darstellen. Jeder Euro, der heute nicht in Klimaschutz investiert wird, verursacht drei Euro, die für Klimaanpassungsmaßnahmen wie Hochwasserschutz, Ernteausfallszahlungen, Unwetterschaden ausgegeben werden müssen. Univ. Prof Karl Steininger, der Leiter des sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsprogramms am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, forscht über die Auswirkungen des Klimawandels und über die Optionen, welche wir haben unseren Ressourcenverbrauch zu vermindern. Er referierte über den „Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel 2014“. Dieser liefert auf mehr als 1000 Seiten eine detaillierte wissenschaftliche Darstellung, wie der Klimawandel Österreich verändert hat und noch verändern wird. Der aktuelle österreichische Klimasachstandsbericht macht auch darauf aufmerksam, dass durch den Konsum von Artikel vor allem in anderen Ländern, insbesondere aus Asien jede Österreicherin und jeder Österreicher zusätzlich CO2 verursacht. Österreich würde - wie die meisten westlichen Industriestaaten - nach anderen Bilanzierungsmethoden mehr Emissionsrechte brauchen: „Österreich weist nach dem Produktionsprinzip Emissionen in der Höhe von 12,8 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Einwohner auf. Nach dem Konsumprinzip sind es allerdings mit 21,5 Tonnen fast doppelt so viel. Nach dem Prinzip der fossilen Rohstoffförderung allerdings nur 0,8 Tonnen pro Einwohner“, sagt Steininger. Last but not least wurde bei der Konferenz, eine von Umweltlandesrat Rolf Holub initiierte Kärntner Klimaschutz-Resolution verabschiedet. Im Mittelpunkt steht dabei der Energiemasterplan mit dem Ziel, bis 2025 eine CO2-neutrale Energieversorgung sowie die Mobilitätswende bis 2035 zu erreichen. LR Holub wird die Resolution zur 21. UNKlimakonferenz vor Ort in Paris gemeinsam mit Minister Rupprechter präsentieren. „Das Best Practice Beispiel der Klimaschutzaktivitäten in Kärnten möge alle Staaten und Regionen auch über das 2-Grad-Ziel hinausgehend ermutigen, ähnlich ambitionierte Ziele und Maßnahmen zu realisieren“, so die Botschaft von LR Rolf Holub. Anna Hennersberger verlas in Vertretung von Bischof Schwarz die Botschaft von Papst Franziskus, der die Umweltenzyklika „Laudato Si“ an jeden Menschen, der auf diesem Planeten wohnt, richtet. Er greift auf die Expertise der Weltklimaforschung zurück und weist die Klimaskeptiker in die Schranken. Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle und die Lösung liegt in einer ganzheitlichen Ökologie. Die österreichischen Bischöfe haben sich zu Umweltschutzmaßnahmen verpflichtet und wollen bis 2017 Energiereduktionsleitlinen entwickeln und umsetzen. Quellen: Die Ergebnisse von Villach wurden im Buch „The Greenhouse Effect, Climate Change and Ecosystems“, welches von Bolin B., Döös B., Jäger J. Warrick R. herausgegeben wurde, zusammengefasst. John Wiley and sons, Chichester, 1986 Flannery, T.,2006: „Wir Wettermacher“, Frankfurt/Main, S. Fischer Verlag, ISBN 3-10-021109-X, 350 Seiten BBC Radiosendung „Climate change: the early years“ vom 09.10.2014, 09:50 - Nachzuhören unter: http://www.bbc.co.uk/programmes/p027rh9c Reimer, N., 2015: „Schlusskonferenz – Vergangenheit und Zukunft der Klimadiplomatie“, oekom Verlag München, 2015, S.173 Jäger,J., 2015: Villach 1985 - „Was passierte vor 30 Jahren in Villach?“ – Eine Zeitzeugin berichtet! Powerpoint-Vortrag bei „30 Jahre Weltklima Konferenz Villach - von Villach nach Paris“, 16.11.2015, Rathaus Villach 40 Years' Research into Climate Change, in: Options Magazine, Winter 2006 - From Ice Age to Global Warming, http://www.iiasa.ac.at/web/home/about/achievments/scientificachievementsandpolicyimpact/From-IceAge-to-Heat-Wave.en.html Histories: The week the climate changed, in: New Scientist, 2005, 12.10.2015, https://www.newscientist.com/article/mg18825210-600-histories-the-week-the-climate-changed/ Pearce, F.,2005: „the week the climate changed“, in New Scientist, 2005, S52-53 http://old.seri.at/documentupload/new_scientist_article.pdf Fertschey, E., 2015: Klimaschutz muß Praxis werden, in: Kleine Zeitung, 17.11.2015, S.16 -17 http://science.orf.at/stories/1764611/ http://tvthek.orf.at/program/Kaernten-heute/70022/Kaernten-heute/10988698 http://blogs.edf.org/climate411/2007/11/01/ipcc_beginnings/ Rückfragen: Hannes Höller, Klimabündnis Österreich, 0664 / 85 39 409, [email protected] Das Klimabündnis ist ein globales Klimaschutz-Netzwerk. Die Partnerschaft verbindet 23 indigene Völker in Amazonien mit mehr als 1.600 Gemeinden aus 24 Ländern in Europa. In Österreich setzen sich 973 Klimabündnis-Betriebe, 951 Klimabündnis-Gemeinden und 478 Klimabündnis-Schulen & -Kindergärten für Klimaschutz und Regenwald ein. www.klimabuendnis.at